Vulkanischer Winter

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Als vulkanischer Winter wird die Abkühlung der unteren Erdatmosphäre nach einem Vulkanausbruch bezeichnet. Asche und Schwefeldioxid (SO2), aus denen sich Aerosole aus Schwefelsäure bilden, werden bei einer größeren Eruption bis in die Stratosphäre geschleudert und verteilen sich dort wie ein Schleier über den gesamten Erdball. Die Sonnenstrahlen werden dadurch teilweise absorbiert oder zurückgestreut. In der Stratosphäre verursacht dies eine Erwärmung. Am Boden kommt es im Mittel zu einer Abkühlung des Weltklimas, regional und abhängig von der Jahreszeit kommt es gleichzeitig aber auch zu Erwärmungen. Ein dem vulkanischen Winter vergleichbarer Effekt, der durch einen Atomkrieg ausgelöst würde, wird nuklearer Winter genannt.

Erdgeschichtlich werden erhebliche Vulkantätigkeiten (z B. die Bildungen des Sibirischen Trapps, des Emeishan-Trapps und des Dekkan-Trapps) mit verschiedenen Massenaussterben in Verbindung gebracht.

Maß für die Verringerung der Strahlungsdurchlässigkeit der Atmosphäre ist der sogenannte Trübungsindex, der für den Ausbruch des Krakatau von 1883 auf 1000 festgelegt wurde. Der Trübungsindex hat nur einen geringen Zusammenhang mit dem Vulkanexplosivitätsindex. Grund hierfür sind die stark unterschiedlichen Schwefelfreisetzungen gleich explosiver Vulkanausbrüche. Die Trübungswirksamkeit der Schwefelgase ist jedoch wesentlich stärker als die der Asche, die nur in wesentlich geringerem Umfang die Stratosphäre erreicht.

So registrierten die Meteorologen nach dem Ausbruch des Pinatubo mit einer Explosivität von 6 bei einer Trübung von 1000 auf der Insel Luzon im Jahr 1991 einen Temperaturrückgang von durchschnittlich 0,5 K (Kelvin).

Frühere Ereignisse

Folgenschwer war der Ausbruch des Tambora auf Sumbawa im Jahr 1815, der bei einer Explosivität von 7 auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) einen Trübungsindex von 3000 erreichte. Er wirkte sich durch einen Rückgang der Durchschnittstemperatur um 2,5 K aus, und in Europa gab es Frost im Juli, weshalb das Jahr 1816 auch das Jahr ohne Sommer genannt wird. Bis 1819 führte die Kälte zu Missernten und dadurch zu Auswanderungswellen von Europa nach Amerika.

Die Klimaveränderungen der „kleinen Eiszeit“ ab dem 15. Jahrhundert konnten noch nicht zweifelsfrei geklärt werden, verschiedentlich wurde eine Reihe von Vulkanausbrüchen als Ursache nahegelegt, welche auf mindestens vier aktive Vulkane zurückzuführen sind.[1]

Weltweite Wetterveränderungen mit begleitenden Missernten traten nach dem Ausbruch des Kuwae im Jahre 1453 auf.

Die dem vulkanischen Winter vergleichbare Wetteranomalie von 535/536 konnte nicht bestimmten Vulkanausbrüchen wie z. B. denen des Krakatau oder Tavurvur zugeordnet werden.

Um das Jahr 10.930 v. Chr.[2] wurden innerhalb weniger Tage ca. 16 km³ vulkanischer Asche und Bims bei einer Eruption in der Vulkaneifel ausgeschleudert[3], als deren Folge die Caldera des Laacher Sees entstand. Die feineren Ablagerungen der Explosion sind noch bis nach Schweden in quartären Sedimenten als schmaler Bimshorizont (bekannt als Laacher-See-Tephra, LST) zu finden.

Zu einer Abkühlung um mehrere Kelvin und einer dramatischen Klimaänderung führte auch der letzte Ausbruch des Supervulkans Toba vor etwa 74.000 Jahren. Der Toba-Katastrophentheorie zufolge soll sich danach die Population des Homo sapiens auf wenige tausend Individuen reduziert haben. Das könnte die geringe genetische Vielfalt der heutigen Menschen erklären („Genetischer Flaschenhals“ genannt).

Vor ca. 65 Millionen Jahren an der Kreide-Tertiär-Grenze (gleichzeitig Übergang vom Erdmittelalter zur Erdneuzeit) starben rund 50 Prozent aller Tierarten aus, darunter auch die Dinosaurier. Als Ursache werden zwei Ereignisse erörtert: Der Einschlag eines Meteoriten (KT-Impakt; übersetzt etwa Kreide-Tertiär-Einschlag) nahe der Halbinsel Yucatán und der kontinentale Ausbruch eines Plume in der Dekkan-Trapp in Vorderindien. Die Staubaufwirbelung durch den Meteoriteneinschlag entspricht ebenfalls dem eines vulkanischen Winters, jedoch ohne Freisetzung von SO2.

Vor ca. 200 Millionen Jahren am Ende der Trias starben 50 bis 80 Prozent aller Arten aus, unter anderem fast alle Landwirbeltiere. Hier wird ein Zusammenhang mit gewaltigen Magmafreisetzungen vor dem Auseinanderbrechen von Pangaea vermutet (central atlantic eruption).[4]

Vor ca. 252 Millionen Jahren, innerhalb einer Zeitspanne von 200.000 Jahren[5] an der Perm-Trias-Grenze, starben 95 Prozent aller meeresbewohnenden Arten sowie ca. 66 % aller landbewohnenden Arten (Reptilien- und Amphibienarten) aus. Die Ursachen sind noch ungeklärt, aber ein Zusammenhang wurde mit dem damals entstandenen sibirischen Trapp gesehen, einem extrem großen Magmafeld, welches klimaverändernd wirkte.[6]

Ausblick

Als die derzeit größte Gefahr zur Auslösung eines vulkanischen Winters wird der Supervulkan Yellowstone im Yellowstone-Nationalpark (USA) angesehen. Sein Ausbruch könnte zu mehreren Jahrzehnten eiszeitartigen Klimas führen, was weltweite Missernten und Hungersnöte nach sich zöge.

Siehe auch

Literatur

  • Keith Briffa et al.: Influence of volcanic eruptions on Northern Hemisphere summer temperature over the past 600 years. In: Nature. Band 393, 1998, S. 450–455. doi:10.1038/30943
  • William J. Humphreys: Volcanic dust and other factors in the production of climatic changes, and their possible relation to ice gases. In: Journal of the Franklin Institute. 1913, S. 131–172
  • Patrick McCormick et al.: Atmospheric effects of the Mt Pinatubo eruption. In: Nature. Band 373, 1995, S. 399–404. doi:10.1038/373399a0

Weblinks

Einzelbelege

  1. Gifford H. Miller et al.: Abrupt onset of the Little Ice Age triggered by volcanism and sustained by sea-ice/ocean feedbacks. In Geophysical Research Letters. Band 39, L02708, 2012, doi:10.1029/2011GL050168
    Vulkanausbrüche lösten die Kleine Eiszeit aus. Auf: scinexx.de vom 1. Februar 2012
  2. Thomas Litt, Karl-Ernst Behre, Klaus-Dieter Meyer, Hans-Jürgen Stephan und Stefan Wansa: Eiszeitalter und Gegenwart. Stratigraphische Begriffe für das Quartär des norddeutschen Vereisungsgebietes. In: Quaternary Science Journal. Nr. 56(1/2), 2007, ISSN 0424-7116, S. 7–65, doi:10.3285/eg.56.1-2.02 (publiss.net).
  3. DIPLOMARBEIT „Gravimetrische Untersuchungen am Südrand des Laacher Sees zur Auflösung der Untergrundstruktur im Randbereich des Vulkans“ (Memento vom 16. Juni 2012 im Internet Archive) Diplomarbeit von Claudia Köhler 2005
  4. Michael Reilly: The Armageddon factor, S. 44
  5. Shu-zhong Shen u. a.: Calibrating the End-Permian Mass Extinction. In Science, Online-Vorabveröffentlichung vom 17. November 2011, doi:10.1126/science.1213454
  6. Michael Reilly: The Armageddon factor. In: New Scientist vom 8. Dezember 2007, S. 42–45