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'''Otto Muehl''' (* [[16. Juni]] [[1925]] geboren als ''Otto Mühl'' in [[Grodnau]] ([[Mariasdorf]]), [[Burgenland]]; † [[26. Mai]] [[2013]] in [[Moncarapacho]], [[Olhão]], [[Portugal]]<ref>[http://orf.at/stories/2184169/ Otto Muehl ist tot], orf.at</ref>) war ein [[österreich]]ischer [[Aktionskunst|Aktionskünstler]] und ein Vertreter des [[Wiener Aktionismus]].
Berliner Straßenbahn:
* Nordbahn-Micha Farbe [http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,6096983,page=all Neukölln-Zoo-Spandau][http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,6099828,page=all ... und Teil 2]
* Nordbahn-Micha SW [http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,6116076 Linie 75/76 Kantstr Spandau][http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,6128801,page=all Linie 3][http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?5,6091705 Südstern / Hermannplatz][http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,6130149,6130325#msg-6130325 Linie 74 PoPl-Lichterfelde]
* Sonstige [http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,4500213 Mehringdamm Sonnenallee aus Hamburg][http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5740355,5742379#msg-5742379 Steglitz "1964"]


Anfang der 1970er Jahre machte er durch die Gründung einer [[Wilhelm Reich|reichianisch]] inspirierten [[Kommune (Lebensgemeinschaft)|Kommune]], der [[Aktionsanalytische Organisation|Aktionsanalytischen Organisation]] (AAO), von sich reden, welche die Abschaffung der Zweierbeziehung postulierte und zunehmend [[Autorität|autoritative]], hierarchische, aber auch [[Autoritäre Persönlichkeit|autoritäre]] Strukturen entwickelte. 1991 wurde Otto Muehl in [[Österreich]] wegen Kindesmissbrauch und Verstoß gegen das Suchtgiftgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Freilassung lebte er an der [[Algarve]] in Portugal.
[[Wikipedia:WikiProjekt Straßen und Plätze in Berlin]]


== Leben ==
Adreßbuch Steglitz (beim Buchstaben L):
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=106582&intImgCount=-4&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=4 1897] [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=113069&intImgCount=-7&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=4 1899]
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=132582&intImgCount=-4&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=4 1904][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=137304&intImgCount=-5&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=4 1905][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=142293&intImgCount=-3&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=4 1906][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=147601&intImgCount=-6&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=4 1907][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=159045&intImgCount=-6&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 1909][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=197854&intImgCount=0&CatalogCategory=adress&id=14015&CatalogLayer=6 1915][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=228235&intImgCount=-4&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=6 1920][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=273460&intImgCount=-8&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=7 1927][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=280823&intImgCount=-6&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=7 1928][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=295754&intImgCount=-4&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=7 1930][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=316189&intImgCount=-3&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=6 1933][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=341649&intImgCount=-5&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=6 1937][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=355234&intImgCount=-11&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=6 1939][http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=383539&intImgCount=-14&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=6 1943]


=== Jugend und Malerei ===
Stadtpläne


1943 wurde Muehl nach dem sogenannten [[Anschluss Österreichs]] als 18-Jähriger zur deutschen [[Wehrmacht]] eingezogen. Dort meldete er sich für eine Offiziersausbildung, wurde zum [[Leutnant]] befördert<ref>Andrea Schurjan: [http://derstandard.at/1369361719976/Aktionskuenstler-Otto-Muehl-87-jaehrig-gestorben ''Aktionskünstler Otto Muehl 87-jährig gestorben.''] derstandard.at, 26. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013</ref> und nahm 1944 an verlustreichen Infanterieschlachten im Zuge der [[Ardennenoffensive]] teil.<ref>[http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/0221/magazinmagazinmagazin/0001/index.html Berliner Zeitung: „Vielleicht bin ich ein Psychopath“], 21. Februar 2004</ref>
www.alt-berlin.info: [http://www.alt-berlin.info/cgi/stp/lana.pl?nr=12&gr=5&nord=52.427183&ost=13.35 Stadtplan von 1894(oSN)] auch 1899 (oSN), [http://www.alt-berlin.info/cgi/stp/lana.pl?nr=2&gr=5&nord=52.465564&ost=13.333469 1921](nördlich der Bergstr.), 1926, 1939(nur BVG-Netz), 1943, [http://www.alt-berlin.info/cgi/stp/lana.pl?nr=10&gr=5&nord=52.458696&ost=13.331831 1946](ohne BVG), 1947(nur BVG) 1954, 1960


Nach dem Krieg absolvierte er ein [[Lehramtsstudium]] in Deutsch und Geschichte, danach auch Kunstpädagogik an der [[Akademie der bildenden Künste Wien]]. Schon während seines Studiums arbeitete er als [[Maltherapie|Maltherapeut]].
www.blocksignal.de [http://www.blocksignal.de/krt/f.php?k=b07&r=4&i=2218 Stadtplan von 1907] und 1955, [http://www.blocksignal.de/krt/f.php?k=b61&r=4&i=2312 1961]


Anfang der 1960er Jahre gelangte er von einer stark an Proportion und Komposition orientierten Malerei zur „Überwindung der Tafelmalerei durch die Darstellung ihres Vernichtungsprozesses“, zu [[Rhizom|rhizomatischen]], oft hängenden und ganze Räume durchziehenden Gebilden aus Schrott, die er „Gerümpelsculpturen“ nannte, und schließlich zur „Materialaktion“.
[https://maps.google.de/maps?hl=de&gs_rn=5&gs_ri=psy-ab&tok=XdMUm2HtnXaxRfDL8yFfSw&cp=6&gs_id=7v&xhr=t&q=steglitz&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.r_cp.r_qf.&bvm=bv.43148975,d.Yms&biw=1120&bih=577&um=1&ie=UTF-8&sa=N&tab=wl Google]


=== Wiener Aktionismus ===
[http://greif.uni-greifswald.de/geogreif/?map=overview&init=A&coll_id=72 Geogreif]
{{Überarbeiten}}
[http://greif.uni-greifswald.de/geogreif/geogreif-content/upload/mtbl/3446BerlinKopie.jpg Berlin-Nord]
1962 fand in Muehls Kelleratelier die erste aktionsähnliche Veranstaltung „[[Die Blutorgel]]“ statt, an der Muehl, sowie [[Adolf Frohner]] und [[Hermann Nitsch]] beteiligt waren. Die Idee wurde im Frühjahr 1963 zusammen mit Nitsch im „Fest des psycho-physischen Naturalismus“ radikalisiert. In einem programmatischen Aufsatz zum „psycho-physischen Naturalismus“ heißt es u.&nbsp;a.: „manchmal [habe ich] das Bedürfnis, mich wie eine Sau im Schlamm zu wälzen. Mich provoziert jede glatte Fläche, sie mit intensivem Leben zu beschmutzen. Ich krieche auf allen Vieren darauf herum und schleudere den Dreck nach allen Richtungen.“
[http://greif.uni-greifswald.de/geogreif/geogreif-content/upload/mtbl/3546Tempelhofum1890Kopie.jpg Berlin-Süd 1890]
Im Herbst führte Muehl in seinem Wohnatelier vor der Kamera seine erste Materialaktion, „Versumpfung eines weiblichen Körpers“ durch. Die Aktion „Versumpfung einer Venus“ war im Rahmen des „Fest des psycho-physischen Naturalismus“, das Muehl zusammen mit Hermann Nitsch veranstaltet hatte, geplant gewesen, konnte aber wegen polizeilicher Intervention nicht stattfinden.


Von 1964 bis 1966 führte Muehl zahlreiche sogenannte „Materialaktionen“ durch, die zum Teil vom Filmemacher [[Kurt Kren]], zum Teil vom Fotografen [[Ludwig Hoffenreich]] festgehalten wurden.<ref name="aktchrono">[http://www.archivesmuehl.org/aktchrono.html Aktionismus Chronologie] in: Archieves Otto Muehl</ref> 1966 entwickelte er in enger Zusammenarbeit mit [[Günter Brus]] einen neuen Aktionstyp, bei dem der Körper selbst und seine Funktionen als das eigentliche Material begriffen werden. Diese Aktionsform war stark politisiert, Muehl formulierte dazu das „aktions-politische“ Programm „[[Zock]]“.
[[:File:ZLB-Berliner Ansichten-Juni.jpg|Plan von 1892]] (angeblich von 1884, oSN)


Beim ZOCK-Fest im April 1967 zertrümmerte Muehl eine Kücheneinrichtung auf der Bühne, danach wurde ein Lammkadaver mit roter Farbe übergossen, es entstand ein Chaos<ref>ZOCK-Fest am 21. April 1967: [http://www.peter-weibel.at/index.php?option=com_content&view=article&id=21&catid=13&Itemid=67 Programm] bei www.peter-weibel.at, [http://www.zuend-up.com/67-1.html Bericht mit Fotos] bei W.M. Pühringer</ref>. Im Juni 1968 organisierten Muehl, Brus und [[Oswald Wiener]] zunächst im Hörsaal 1 des NIG (Neues Institutsgebäude) der [[Universität Wien|Wiener Universität]] die Aktionsveranstaltung „[[Kunst und Revolution]]“, die als „Uniferkelei“ bekannt wurde. Dazu gehörte die ''Pissaktion'' Muehls, wobei drei nackte Männer um die Wette urinieren.<ref>Samuel Herzog: [http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/der-masslose-kern-1.18088070 ''Der masslose Kern.''] nzz.ch, 27. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013</ref> Die erreichten Weiten wurden gemessen und an der Tafel notiert. Aufgrund seiner Anfragen an Veranstalter in anderen Städte kam es teilweise zu Protesten und gerichtlichen Auseinandersetzungen. So wurde eine geplante Aktion in Bremen, bei der ein Schwein geschlachtet werden sollte, von Tierschützern vereitelt, nach seiner Ansicht „sabotiert“, worauf gegen den Retter des Schweins ein Gerichtsverfahren eröffnet wurde, bei dem es allerdings hauptsächlich darum ging, wer rechtmäßiger Eigentümer des Tieres ist. Am 17. Dezember 1969 wurden bei einer Aktion mit Hermann Nitsch in der [[Hochschule für Bildende Künste Braunschweig|Kunsthochschule Braunschweig]] auf Einladung des [[Allgemeiner Studierendenausschuss|AStA]] ein Schwein geschlachtet und dabei Blut, diverse Materialien, Urin und Kot über eine nackte Frau geschüttet, dazu Weihnachtslieder über Lautsprecher gespielt.<ref>Petra Kipphoff: [http://www.zeit.de/1970/02/das-schwein-von-braunschweig Das Schwein von Braunschweig] Die Zeit, 6. Januar 1970</ref>
[http://toolserver.org/~dschwen/iip/wip.php?f=Silva-%C3%9Cbersichtsplan_von_der_Stadt_Berlin_1925.jpg Stadtplan 1925] [[:File:Silva-Übersichtsplan von der Stadt Berlin 1925.jpg|(Quelle)]]


Die Aktionen wurden von der Presse als Skandal dargestellt und führten schließlich zu Haftstrafen für Brus, Muehl und Wiener. Brus wurde wegen „Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole“ verurteilt und emigrierte nach [[Berlin]].
BVG-Netzpläne 1925 und 1936


Muehl führte einige psychodramatische Aktionen mit sexueller Dynamik durch und begann in einem Reflexionsprozess, seine Idee der „Aktion“ von der sich als Kunstform etablierenden [[Happening]]- und [[Fluxus]]-Kunst abzugrenzen. Er folgte einer Reihe von Einladungen, u.&nbsp;a. in die USA, an Universitäten und in Ausstellungen Aktionen durchzuführen. Er sah im „Happening eine durchaus bürgerliche Kunst, eben Kunst. Wir wollen diese blödsinnige Kunst überwinden.“
[http://www.berliner-verkehr.de/snetze.htm Übersicht Netzpläne]


Die lose organisierten Aktivitäten dieser Zeit wurden in der Kunstgeschichte später unter dem Begriff [[Wiener Aktionismus]] als eigene Form behandelt.
[http://www.schmalspurbahn.de/netze/Netz_1930_klein.gif S-Bahn-Plan von 1930 mit Eröffnungsdaten]


=== Kommune-Ansätze, Aktionsanalyse, Selbstdarstellung ===
[http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,5585674,5585815#msg-5585815 Luftbilder Steglitz 1945 und 1928]
1970 suchte Otto Muehl nach alternativen Lebensformen. Nachdem seine Ehe geschieden war und engere Freunde der Einladung, eine Künstlerwohngemeinschaft zu gründen, nicht gefolgt waren, ließ er junge Leute, die er von seinen Aktionen kannte, bei sich wohnen. Seine 120 m² große Wohnung im heruntergekommenen Hinterhaus der Wiener Praterstraße 32 verwandelte sich in ein Auffanglager für junge Künstler, Studenten und skurrile Existenzen am Rande der Gesellschaft. 1971 hatte sich ein fester Kern von etwa zehn Personen gebildet, die Gelegenheitsjobs nachgingen. Otto Muehl verdiente nach wie vor sein Geld durch Nachhilfestunden.<ref name="artlife">[http://www.archivesmuehl.org/artl1.html Artlife] in: Archieves Otto Muehl</ref>


Die Kommunarden experimentierten unter Muehls Anleitung mit Psychoanalyse und reichianischer Körperarbeit, zuerst nur im therapeutischen Rahmen.<ref name="Schär">Peter Schär:[http://www.friedrichshof.at/z/File/Kurze-Geschichte-der-Kommune-Friedrichshof.pdf Kurze Geschichte der Kommune Friedrichshof – Versuch eines Überblicks] auf www.friedrichshof.at (Juli 2011) PDF</ref> Daraus, angeregt durch Schriften [[Wilhelm Reich]]s, vor allem aber durch die Therapiemethoden von [[Fritz Perls]] [[Gestalttherapie]], [[Alexander Lowen]] ([[Bioenergetische Analyse]]) und [[Arthur Janov]] ([[Urschrei]]therapie), entwickelte sich die „Aktionsanalyse“. Diese wurde ein wesentlicher Bestandteil des auf „freier Sexualität“, „gemeinsamem Eigentum“, „gemeinsamem Kinderaufwachsen“ und „Förderung der gestalterischen Kreativität“ aufgebauten Kommunelebens. Es gab auch den Slogan von der „Entpanzerung des Ichs“.<ref>Willi Winkler: [http://www.sueddeutsche.de/kultur/zum-tod-von-otto-muehl-ich-bin-unten-der-dreckige-1.1682413 ''Ich bin unten der Dreckige.''] sueddeutsche.de, 27. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013</ref>
[http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Urmesstischblatt_3446_%28Berlin_Nord%29_um_1840.jpg Urmesstischblatt_Berlin_Nord]


Später wurde die „Aktionsanalyse“ zur sogenannten „Selbstdarstellung“ weiterentwickelt, die vor der im Kreis versammelten Gruppe, begleitet durch Musik und Trommeln, praktiziert wurde.<ref name="Schär" /> Konzeptionelle Grundlage der war die Überzeugung, dass Hierarchien überall in der Gesellschaft bestehen, aber nur verborgen aufgebaut und unterhalten werden. Die Muehl-Kommune wollte dies nun umkehren: Hierarchien wurden ganz bewusst und offen verhandelt und gestaltet. Die Position des Einzelnen in der Gruppenstruktur wurde dazu turnusmäßig, z.B. wöchentlich, neu bestimmt, indem jeder Anwärter auf einen Aufstieg Gelegenheit bekam, seine gestalterischen Fähigkeiten in der Gruppe zu präsentieren, durch Gesang, Musik, Schauspielerei und anderes.
Österreich:
[http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,6195252,6195252#msg-6195252 DSO Mürzzuschlag]


Die soziale, kommunikative, und dadurch auch sexuelle Attraktivität bestimmte die Position in der Gruppe, welche hierarchisch aufgebaut war: „bei uns wurde offen ausgesprochen, wer zur zeit besonders gut beim sex drauf war. und selbstverständlich wollten dann viele mit den beliebtesten sexidolen eine verabredung haben.“<ref>[http://www.heise.de/tp/artikel/6/6154/1.html Telepolis: Kommune-Experiment Friedrichshof – ein verlorenes Paradies!], 26. Juni 1996</ref>
Altkanzlerstraße:
Ich habe mal Kauperts und die Adressbücher verglichen.


Die gewünschten Sexualpartner konnten – sofern diese jeweils zustimmten – in der Form einer Verabredung ausgewählt werden. Zweierbeziehungen wurden dagegen als Kompensation der erlebten Lieblosigkeit in der Kindheit in der „Kleinfamiliengesellschaft“ angesehen und abgelehnt. „Die Familie ist die Brutstätte aller Geisteskrankheiten“ (Wilhelm Reich). In der Aktionsanalyse sucht man therapeutische Möglichkeiten, diese zu überwinden.
[http://berlin.kauperts.de/Strassen/Altkanzlerstrasse-14163-Berlin Kauperts:] Vorher Straße 300. Sie wurde zwischen 1925 und 1927 von der Zehlendorf-West AG angelegt. Der Abschnitt der Altkanzlerstraße zwischen Sven-Hedin-Straße und Alsenstraße wurde 1931 in Plüschowstraße umbenannt.


Die „Selbstdarstellung“ beinhaltete somit gestalttherapeutische Techniken; sie wurde zu einem wesentlichen Mittel der Kommunikation und Organisation innerhalb der größer werdenden Kommune. Andererseits besteht für die Mitglieder der Gruppe stets ein gewisser Druck, ihre kreativen Fähigkeiten, etwa in Theater, Musik, auch als Koch, als Modedesigner oder auch nur als integrative, charmante Person zu entwickeln.
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=273297&intImgCount=-6&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 Adressbuch 1927] [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=280637&intImgCount=-1&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 und 1928] Altkanzlerstr. und Straße 300 nicht vorhanden
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=273970&intImgCount=0&CatalogCategory=adress&id=18673&CatalogLayer=3 Verkehrsplan 1928] Altkanzlerstr. vorhanden


Schnell wurde die ''Muehl-Kommune'' in der Wiener Anarcho– und Kunstszene bekannt. Die Mischung aus Psychoanalyse und Aktionismus war für viele attraktiv, die Gruppe vergrößerte sich und wurde zu einer nach außen selbstbewusst auftretenden Gemeinschaft. Zum Markenzeichen aller Kommunarden wurden der Kurzhaarschnitt und die Latzhose.<ref name="artlife" />
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=288203&intImgCount=-4&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 Adressbuch 1929],
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=295564&intImgCount=-1&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 1930]
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=302695&intImgCount=-2&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 und 1931]
Altkanzlerstr. vorhanden ab Sven-Hedin-Str., unbebaut


Die grundsätzliche Ablehnung von Zweierbeziehungen entstand erst im Mai 1973, als Muehl vom einer Reise in die USA zurückkam und feststellen musste, dass seine Freundin Elke inzwischen die Kommune verlassen hatte. Muehl setzte durch, dass alle Kommunarden ihre Zweierbeziehungen auflösten, einige Paare, die sich nicht trennen wollten, verließen die Gruppe.<ref name="altenberg">Theo Altenberg: Das Paradies Experiment. Die Utopie der freien Sexualität - Kommune Friedrichshof 1973-1978. Triton Verlag, Wien 2001.</ref>
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=309658&intImgCount=-1&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 Adressbuch 1932] ab Schlieffenstr. (heute Wilskistr.) bis Sven-Hedin-Str. links Haus-Nr. 1 und 3, rechts Baustellen


=== Friedrichshof ===
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=309658&intImgCount=-1&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=5 Adressbuch 1933] ab Schlieffenstr. (heute Wilskistr.) bis Sven-Hedin-Str. links Haus-Nr. 1 und 3, rechts Baustellen '''und Forst'''
Der Friedrichshof war der verfallene Rest eines ehemals großen Landgutes von [[Friedrich von Österreich-Teschen|Erzherzog Friedrich]], einsam in der [[Parndorfer Platte]] gelegen, im Burgenland rund 60 Kilometer südwestlich von [[Wien]], ohne Strom- und Wasseranschluss. Er wurde im Herbst 1972 gekauft und bis 1974 so weit ausgebaut, dass die wachsende Kommune dorthin umziehen konnte.


In der Folgezeit bis zum Jahre 1979 kam es zu einem starken Zuzug von Interessenten. Es entstanden bereits seit 1976 Stadtkommunen in Wien, München, Genf, Paris, Nürnberg, Hamburg, Bremen, Berlin und Oslo mit jeweils bis zu 40 Mitgliedern. Der Friedrichshof war als sozio-kulturelles Zentrum Muehls der Hauptanziehungspunkt.
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=322006&intImgCount=-1&CatalogCategory=adress&Counter=&CatalogLayer=6 Adressbuch 1934] ab Schlieffenstr. (heute Wilskistr.) bis '''Grunewaldallee (heute Argentinische Allee)''' links Haus-Nr. 1 und 3, rechts Baustellen und Forst


Am Friedrichshof selbst konnten bis zu 240 Personen leben. Es wurde eine leistungsfähige biologische Kläranlage gebaut, Strom und Telefon von außen zugeführt, eine eigene Schule (später mit Öffentlichkeitsrecht) errichtet sowie diverse Werkstätten (Tischlerei, Mechaniker), ein Transportunternehmen (meist Entrümpelungen) und eine kleine Landwirtschaft (Schweinezucht mit bis zu acht Muttersauen und ein großer Garten zur Eigenversorgung) betrieben. Es gab auch eine Behindertengruppe rund um Muehls spastische Tochter Lili<ref>[http://www.basis-wien.at/avdt/pdf/208/00061648.pdf Kunst: Der Autoritäter] (PDF; 114&nbsp;kB) Profil 11/04 vom 10. März 2004</ref>, die er gemeinsam mit seiner späteren Frau Claudia hatte.<ref>[http://www.basis-wien.at/avdt/pdf/208/00061648.pdf Kunst: Der Panzerknacker] (PDF; 114&nbsp;kB) Falter 07/04 vom 11. Februar 2004</ref>
[http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=328257&intImgCount=0&CatalogCategory=adress&id=22052&CatalogLayer=6 Adressbuch 1935] ab Schlieffenstr. (heute Wilskistr.) bis '''Argentinische Allee''' links Haus-Nr. 1 und 3, rechts Baustellen und Forst


1979 wurde ein wesentliches Element des Kommunegedankens – das Gemeinschaftseigentum – für beendet erklärt. Ein Anlass war, dass einzelne Mitglieder aus Deutschland hohe Einnahmen aus [[Warentermingeschäft]]en erzielten und dann auch höheren Einfluss in der Kommunehierarchie forderten. Damit war für viele das Projekt AAO gescheitert. Die größte Anzahl an gleichzeitigen Kommunemitgliedern gab es Ende 1979, es waren ca. 500. Danach verkleinerte sich die Gruppe kontinuierlich.
danach bis 1939 gleich, ab [http://adressbuch.zlb.de/viewAdressbuch.php?CatalogName=adre2007&ImgId=361943&intImgCount=0&CatalogCategory=adress&id=24156&CatalogLayer=61940 Adressbuch 1940] kommen rechts hinter der U-Bahn die Nr. 10, 12 und 14 hinzu


Die Kommune wurde wegen des Gemeinschaftseigentums und der freien Sexualität von ihren Gegnern als „[[Sekte]]“ bezeichnet. Die zunehmende Kritik und Verfolgung von Sekten führte dann zu einem Rückzug der Gruppe aus jeder Öffentlichkeitsarbeit wie Vorträgen, Versuchsgruppen, Selbstdarstellungsarbeit mit Gästen, Kinder- und Erwachsenentheater. Dieser Rückzug führte schließlich zur Isolation der Kommune und trug zu deren Auflösung bei.
Auf einer [http://www.blocksignal.de/krt/f.php?k=b07&r=4&i=2511 Karte von 1907] ist es noch ein Waldweg.


Nach der Reaktor-[[Katastrophe von Tschernobyl]] im Jahre 1986 kaufte die Kommune auf der spanischen Kanarischen Insel La [[Gomera]] ein großes, abgelegenes Grundstück, eine [[Finca]] im Tal [[El Cabrito]]; ein Teil der Gruppe siedelte dorthin dauerhaft um, dem Rest der Gruppe stand es als Urlaubsrefugium zur Verfügung. Muehl erklärte die Schweizerin<ref>[http://www.relinfo.ch/aao/info.html Angaben auf einer Schweizer Seite zu Religionen und Weltanschauungen], abgerufen am 27. Mai 2013</ref> Claudia Weissensteiner zu seiner „ersten“ Frau und ihren Sohn zu seinem künftigen Nachfolger. Insgesamt hatte er elf Kinder von verschiedenen Frauen.<ref>Margalit Fox: [http://www.nytimes.com/2013/05/30/arts/design/otto-muehl-actionist-artist-dies-at-87.html?ref=obituaries Nachruf (englisch)], nytimes.com. 29. Mai 2013, abgerufen am 4. Juni 2013</ref>
Ich vermute daher folgendes

- die Straße zwischen 1925 und 1927 den nur den Plannamen "Straße 300", praktisch dürfte dies keinerlei Relevanz gehabt haben
Daneben führte der Eintritt der Kinder und Jugendlichen in die „freie Sexualität“ zu internen Konflikten und auch zum Konflikt mit dem Strafrecht und der Gesellschaft. Die Größe des Kollektivs, zusammen mit der Kollektivierung von Eigentum und Sexualität, führte zu einem Mangel an Intimität, Rückzugsmöglichkeiten und Selbstbestimmung. Viele wurden unzufrieden und wollten, wenn nicht die Kommune, so doch das Gemeinschaftseigentum auflösen, um mehr individuelle Freiheit zu gewinnen.
- um 1928 wurde ein Teil befestigt, dann 1932 und 1940 bebaut

- alle anderen Teile der Straße
=== Kritik an Muehls Autoritarismus ===

Kritiker wie der aus der Kommune ausgeschiedene Andreas Schlothauer verweisen auf die starken autoritären Tendenzen von Muehl: Dieser setzte sich beispielsweise selbst den Ritualen der Aktionsanalyse nicht aus. Bei der Brechung der „Körperpanzerung“ nach Wilhelm Reich sei als Experiment in einigen Einzelfällen etwa auch die so genannte „Watschenanalyse“ praktiziert worden, bei der sich der Analysand auf seine Hände zu setzen und von Seiten Muehls und seiner Therapieschüler auf dem Weg in die wieder erlebte Kindheit Ohrfeigen zu erdulden hatte. Muehl hatte auch die Idee der so genannten „Struktur“, einer Durchnummerierung der Kommunemitglieder im Sinne einer Hackordnung. Auch die Etablierung einer „ersten Frau“ und die Vorbereitung seines Sohnes auf die Nachfolge des Kommunegründers in der Spätphase der Kommune sprechen für extremen Autoritarismus des Kommunegründers. Paradoxerweise habe sich allerdings in der Hierarchieebene unmittelbar unter Muehl laut Schlothauer ein starkes matriarchales Element rivalisierender Frauen etabliert.

=== Muehl vor Gericht ===

Im Jahre 1988 wurde in Österreich ein Strafverfahren gegen Otto Muehl eröffnet, in dem auch Kommune-Mitglieder gegen ihn aussagten. Die Anklage legte dar, dass das „gemeinsame Aufziehen des Nachwuchses“ für Muehl den [[Sexueller Missbrauch|sexuellen Missbrauch]] sowie die [[Vergewaltigung]] von Kindern und Jugendlichen nicht ausgeschlossen habe.<ref>Arno Frank: [http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kritischer-nachruf-auf-den-aktionskuenstler-otto-muehl-a-902152.html ''Zum Tode Otto Muehls: Die Enthemmung der Kunst.''] spiegel.de, 27. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013</ref>

Dem setzte Muehl entgegen, dass alle sexuellen Handlungen stets nach den selbstgesetzten Regeln der Gruppe erfolgten, wobei Kinder gelernt hätten, frühzeitig und bewusst mit ihrer Sexualität umzugehen. Dass dies im Ergebnis einen klaren Widerspruch zu den Gesetzen in Österreich bildete, wollte Muehl nicht anerkennen und er wies Vorschläge seiner Berater, etwa durch Reue ein günstigeres Urteil zu erzielen, bis zuletzt ab.

Daneben wurde auch die Weitergabe von „[[Droge#Klassifizierung nach „hart“ und „weich“|weichen Drogen]]“ an Jugendliche und öffentliche Kritik als Erziehungsmittel angegriffen.

Otto Muehl wurde 1991 zu sieben Jahren Haft verurteilt, die er vollständig verbüßte. Der Staatsanwalt erklärte in seinem Plädoyer unter anderem: „Muehl hat Terror ausgeübt. ... Otto Muehl hat mit Menschen experimentiert, er hat sie manipuliert. ...<!-- Auslassungspunkte authentisch? --> Die Jugendlichen waren nicht freiwillig dort, er hatte ihnen die Eltern genommen und damit die Möglichkeit, die Kommune zu verlassen.“

Eine nach Otto Muehls Haftentlassung von [[Claus Peymann]] initiierte Lesung Muehls im [[Wiener Burgtheater]] am 11. Februar 1998 wurde nochmals zum Anlass heftiger kulturpolitischer Debatten, unter anderem im [[Bundesrat (Österreich)|Bundesrat]], der Länderkammer des österreichischen Parlaments.<ref>[http://www.parlament.gv.at/pd/steno/PG/DE/BR/BRSITZ/BRSITZ_00636/SEITE_0143.html Stenographisches Protokoll der 636. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich] 12. Februar 1998</ref> In der Folge zog sich Muehl ins Ausland zurück. Nach 1998 lebte er in einer Gruppe mit 14 Erwachsenen und deren Kindern in [[Faro]] in Portugal. Zu seinem 85. Geburtstag entschuldigte Muehl sich bei seinen Opfern in einem offenen Brief.<ref>[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1202803/ Sendung „Kultur heute“ am 13. Juni 2010 um 17:30 Uhr] im [[Deutschlandfunk]]..</ref><ref name=artmag />

=== Späte Kunstaktivitäten ===

Aktionen im Sinne des Wiener Aktionismus führte Mühl bis auf eine Ausnahme seit 1971 in der Öffentlichkeit nicht mehr durch, wohl aber am Friedrichshof selbst. Er betätigte sich weiterhin als Maler, im meist expressionistischen Stil, sowie künstlerischer Lehrer innerhalb der Kommune.

Trotz einer fortschreitenden [[Parkinson-Krankheit]] entwickelte er seit 2002 die sogenannten ''Electric-painting-Filme'', am Computer bemalte Digitalfotos von Aktionen, geschnitten zu Filmen, die seinen Alltag und sein Leben in der Gruppe thematisieren. Daneben entstanden ''Exzess-art-Objekte'', bei denen Farbe direkt aus der Tube auf die Leinwand aufgetragen wird.

Auch im Gefängnis beschäftigte sich Muehl intensiv mit Arbeiten der bildenden Kunst und malte etwa 300 Bilder.

Das Wiener [[Museum für angewandte Kunst (Wien)|Museum für angewandte Kunst]] widmete ihm seit 1998 zwei große Einzelausstellungen. 2010 feierte Muehl seinen 85. Geburtstag, aus diesem Anlass zeigte das Leopold Museum in Wien in einer umfangreichen Schau das Spätwerk Muehls. Bei der Eröffnungspressekonferenz dieser Ausstellung am 10.&nbsp;Juni 2010 entschuldigte sich Otto Muehl in einem offenen Brief erstmals für seine sexuellen Übergriffe.<ref name=artmag>Almuth Spiegler: [http://www.art-magazin.de/szene/62244/otto_muehl_nachruf Otto Muehl - Nachruf] www.art-magazin.de 28. Mai 2013</ref>

== Zitate ==

* „Ich habe in der Kommune schon Fehler gemacht, aber in der Sexualität sicher nicht.“ (Arte Metropolis, 8.&nbsp;Dezember 2001)
* „Warum sollte der Staat vorschreiben, ab wann man Sex haben darf?“ (FAZ, 22.&nbsp;Februar 2004)
* „Ich bin kein Kinderschänder. Das ist doch Blödsinn. Das waren alles entwickelte Mädchen.“<ref>[http://www.zeit.de/2004/10/Ich_bin_drunten_der_Dreckige/komplettansicht Ich bin drunten der Dreckige" - Gespräch mit Otto Mühl] Die Zeit 10/2004 vom 26.&nbsp;Februar 2004</ref> (2004)
* „Ich bringe die Darstellung der Opfer verdrängter Sexualität. Wird die Sexualität zu sehr verboten, ist der natürliche Weg verschüttet, sucht sich das Wasser andere Wege. Der Aktionismus wurde in Österreich von Beamten der Justiz und Polizei gründlich mißverstanden<!-- sic! -->. Alle Aktionisten mussten mehrmals ins Gefängnis.“
* „Jeder fortschrittliche Pädagoge weiß, dass Strafen, selbst lebenslängliches Einsperren und Hinrichten von sogenannten Verbrechern, die ein gewalttätiges System sich selbst produziert, nichts bringt. Niemand wird als Verbrecher geboren. Eine Gesellschaft ohne Zwang kann nicht mit unmündigen, durch Dressur verunstalteten Kreaturen realisiert werden.“
* „… die Stellungnahme der Jugendlichen damals im Gerichtssaal machte mich fassungslos. Ich wollte sie befreien und habe sie mit sexueller Überschreitung stattdessen überrumpelt und gekränkt. Es war auf keinen Fall meine Absicht. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen …“<ref name=artmag /> (2010)

== Schriften ==

* ''Weg aus dem Sumpf''. AA-Verlag, Nürnberg 1977, ISBN 3-85386-006-0. (Autobiographie)
* ''Aus dem Gefängnis. 1991–1997''. Briefe / Gespräche / Bilder (Vorwort von Michel Onfray). Ritter, Klagenfurt 1997, ISBN 3-85415-214-0 (Interviews mit Danièle Roussel).
* mit Diethard Leopold (Hrsg.): ''Sammlung Leopold'': 11. Juni 2010 bis 4. Oktober 2010, [[Leopold Museum]] (anlässlich der Ausstellung „Otto Muehl – Sammlung Leopold“), Brandstätter, Wien 2010, ISBN 978-3-85033-471-6.

== Literatur ==

* [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40915666.html ''Die Kinder des Väterchen Frust. SPIEGEL-Reporter Fritz Rumler über die „AA“-Kommune des Otto Mühl''], aus: DER SPIEGEL 20/1977.
* [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13494080.html ''Wenn „du ausziehst, wirst du eine Hure“ – Das wilde Treiben Otto Muehls in seinen Kommunen im Burgenland und auf Gomera''], aus: DER SPIEGEL 19/1989.
* Hubert Klocker (Hrsg.): ''Wiener Aktionismus. Wien 1960–1971. Der zertrümmerte Spiegel.'' [[Günter Brus]], Otto Mühl, [[Hermann Nitsch]], [[Rudolf Schwarzkogler]]. [[Graphische Sammlung Albertina]], Wien, März-April 1989, Ritter, Klagenfurt 1989, ISBN 3-85415-062-8.
* Andreas Schlothauer: ''Die Diktatur der freien Sexualität AAO, Mühl-Kommune, Friedrichshof'', Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1992, ISBN 3-85115-157-7.
* Peter Stoeckl: ''Kommune und Ritual. Das Scheitern einer utopischen Gemeinschaft''. [[Campus-Verlag]], Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-593-35074-2, [[Dissertation]] (Untersuchung der Kommune und ihrer Entwicklung; enthält Berichte von Mitgliedern der Kommune.)
* Danièle Roussel: ''Der Wiener Aktionismus und die Österreicher.'' Ritter-Verlag, Klagenfurt 1995.
* ''otto muehl 7. malerei aus dem gefängnis 1991–1997.'' Ausstellungskatalog, [[Museum für angewandte Kunst (Wien)|MAK]] Wien, 1998.
* William Levy: ''Impossible: The Otto Muehl Story.'' Barany Artists, New York 2001<br /> ''Unser Freund Otto Mühl. Eine Studie zum Kulturschock.'' Übersetzt von [[Christian Loidl]], [[Werner Pieper|Piepers]] MedienXperimente, Löhrbach 1998, 95 S., Reihe: Der grüne Zweig, ISBN 3-925817-99-9.
* Robert Fleck: ''Die Mühl-Kommune: freie Sexualität und Aktionismus - Geschichte eines Experiments''. König, Köln, 2003.
* Thomas Dreher: ''Performance Art nach 1945. Aktionstheater und Intermedia.'' Wilhelm Fink, München 2001, ISBN 3-7705-3452-2, Kap. 2.5.1.1 Wiener Aktionismus, Kollektive Aktionsformen, S.192–216, 235, 237–241, 256, 268–273, 276&nbsp;ff., 289&nbsp;f.
* [[Peter Noever]] (Hrsg.): ''Otto Muehl. Leben / Kunst / Werk. Aktion Utopie Malerei 1960–2004.'' Katalog zur Ausstellung 3. März 2004 bis 31. Mai 2004 im [[Museum für angewandte Kunst (Wien)|MAK]], König, Köln 2004, 414 S., überwiegend Illustrationen, ISBN 3-88375-680-6, [http://www.mak.at/mysql/ausstellungen_show_page.php?a_id=80&lang=de Ausstellungsankündigung].
* ''Mühl, Otto. Ein ehemaliger Kommunarde zieht Bilanz: Andreas Schlothauer: Die Diktatur der freien Sexualität AAO, Mühl-Kommune, Friedrichshof.'' In: [[Robert Schediwy]] (Hrsg.), ''Ein Jahrhundert der Illusionen. Ökonomie, Politik und Kultur im 20. Jahrhundert'', Salzwasser-Verlag, Bremen 2008, ISBN 978-3-86741-090-8, S. 182–189, [http://books.google.de/books?id=g6WtJXHFucEC&pg=PA182&v Online-Text].
* Raimund Samson: ''Das Paradies auf der Bratpfanne. Von Einem der auszog sein Selbst zu finden'' (Norderstedt 2003) ISBN 3-905052-81-4 (Autobiografischer Bericht über Erfahrungen im Friedrichshof)

== Film ==
* ''Die Kinder vom Friedrichshof. Die Kommune Otto Mühl.'' Dokumentarfilm, Deutschland, 2009, 81 Min., Buch und Regie: Juliane Großheim, Produktion: unafilm, [[arte]], Erstausstrahlung: 18. Juli 2010 bei [[arte]], [http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=1147414,day=2,week=29,year=2010.html Inhaltsangabe] von arte
* ''[[Meine keine Familie]]''. Dokumentarfilm, Österreich, 2013, 93 Min., Konzept und Regie: Paul-Julien Robert, Produktion: FreibeuterFilm, Uraufführung: 19. April 2013 im [[Gartenbaukino]].

== Weblinks ==

* {{DNB-Portal|118584715}}
* [http://www.ubu.com/sound/muehl.html Lesungen und musikalische Arbeiten Muehls]
* [http://wayback.archive.org/web/20090509210853/http://members.inode.at/g.hebenstreit/Buk_3_04_Lindes_Muehl.html Artikel über die Ausstellung Frühjahr 2004 im MAK-Wien (Internet-Archive)]
* [http://www.netplanet-harburg.netsamurai.de/falckenberg-info-muehl.htm Otto Muehl Retrospektive 2005 in der Sammlung Falckenberg / Kulturstiftung Phoenix Art, Hamburg]
* [http://www.re-port.de/ Berichte über Otto Muehls Missbrauch von Kindern und Hilfe für die Opfer] von ehemaligen Genossen der Kommune Friedrichshof
* [http://www.agpf.de/Schlothauer-AAO-Muehl.htm Andreas Schlothauer: Die Diktatur der freien Sexualität]

== Einzelnachweise ==
<references />

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Version vom 31. Dezember 2013, 08:22 Uhr

Otto Muehl (* 16. Juni 1925 geboren als Otto Mühl in Grodnau (Mariasdorf), Burgenland; † 26. Mai 2013 in Moncarapacho, Olhão, Portugal[1]) war ein österreichischer Aktionskünstler und ein Vertreter des Wiener Aktionismus.

Anfang der 1970er Jahre machte er durch die Gründung einer reichianisch inspirierten Kommune, der Aktionsanalytischen Organisation (AAO), von sich reden, welche die Abschaffung der Zweierbeziehung postulierte und zunehmend autoritative, hierarchische, aber auch autoritäre Strukturen entwickelte. 1991 wurde Otto Muehl in Österreich wegen Kindesmissbrauch und Verstoß gegen das Suchtgiftgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Freilassung lebte er an der Algarve in Portugal.

Leben

Jugend und Malerei

1943 wurde Muehl nach dem sogenannten Anschluss Österreichs als 18-Jähriger zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Dort meldete er sich für eine Offiziersausbildung, wurde zum Leutnant befördert[2] und nahm 1944 an verlustreichen Infanterieschlachten im Zuge der Ardennenoffensive teil.[3]

Nach dem Krieg absolvierte er ein Lehramtsstudium in Deutsch und Geschichte, danach auch Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste Wien. Schon während seines Studiums arbeitete er als Maltherapeut.

Anfang der 1960er Jahre gelangte er von einer stark an Proportion und Komposition orientierten Malerei zur „Überwindung der Tafelmalerei durch die Darstellung ihres Vernichtungsprozesses“, zu rhizomatischen, oft hängenden und ganze Räume durchziehenden Gebilden aus Schrott, die er „Gerümpelsculpturen“ nannte, und schließlich zur „Materialaktion“.

Wiener Aktionismus

1962 fand in Muehls Kelleratelier die erste aktionsähnliche Veranstaltung „Die Blutorgel“ statt, an der Muehl, sowie Adolf Frohner und Hermann Nitsch beteiligt waren. Die Idee wurde im Frühjahr 1963 zusammen mit Nitsch im „Fest des psycho-physischen Naturalismus“ radikalisiert. In einem programmatischen Aufsatz zum „psycho-physischen Naturalismus“ heißt es u. a.: „manchmal [habe ich] das Bedürfnis, mich wie eine Sau im Schlamm zu wälzen. Mich provoziert jede glatte Fläche, sie mit intensivem Leben zu beschmutzen. Ich krieche auf allen Vieren darauf herum und schleudere den Dreck nach allen Richtungen.“ Im Herbst führte Muehl in seinem Wohnatelier vor der Kamera seine erste Materialaktion, „Versumpfung eines weiblichen Körpers“ durch. Die Aktion „Versumpfung einer Venus“ war im Rahmen des „Fest des psycho-physischen Naturalismus“, das Muehl zusammen mit Hermann Nitsch veranstaltet hatte, geplant gewesen, konnte aber wegen polizeilicher Intervention nicht stattfinden.

Von 1964 bis 1966 führte Muehl zahlreiche sogenannte „Materialaktionen“ durch, die zum Teil vom Filmemacher Kurt Kren, zum Teil vom Fotografen Ludwig Hoffenreich festgehalten wurden.[4] 1966 entwickelte er in enger Zusammenarbeit mit Günter Brus einen neuen Aktionstyp, bei dem der Körper selbst und seine Funktionen als das eigentliche Material begriffen werden. Diese Aktionsform war stark politisiert, Muehl formulierte dazu das „aktions-politische“ Programm „Zock“.

Beim ZOCK-Fest im April 1967 zertrümmerte Muehl eine Kücheneinrichtung auf der Bühne, danach wurde ein Lammkadaver mit roter Farbe übergossen, es entstand ein Chaos[5]. Im Juni 1968 organisierten Muehl, Brus und Oswald Wiener zunächst im Hörsaal 1 des NIG (Neues Institutsgebäude) der Wiener Universität die Aktionsveranstaltung „Kunst und Revolution“, die als „Uniferkelei“ bekannt wurde. Dazu gehörte die Pissaktion Muehls, wobei drei nackte Männer um die Wette urinieren.[6] Die erreichten Weiten wurden gemessen und an der Tafel notiert. Aufgrund seiner Anfragen an Veranstalter in anderen Städte kam es teilweise zu Protesten und gerichtlichen Auseinandersetzungen. So wurde eine geplante Aktion in Bremen, bei der ein Schwein geschlachtet werden sollte, von Tierschützern vereitelt, nach seiner Ansicht „sabotiert“, worauf gegen den Retter des Schweins ein Gerichtsverfahren eröffnet wurde, bei dem es allerdings hauptsächlich darum ging, wer rechtmäßiger Eigentümer des Tieres ist. Am 17. Dezember 1969 wurden bei einer Aktion mit Hermann Nitsch in der Kunsthochschule Braunschweig auf Einladung des AStA ein Schwein geschlachtet und dabei Blut, diverse Materialien, Urin und Kot über eine nackte Frau geschüttet, dazu Weihnachtslieder über Lautsprecher gespielt.[7]

Die Aktionen wurden von der Presse als Skandal dargestellt und führten schließlich zu Haftstrafen für Brus, Muehl und Wiener. Brus wurde wegen „Herabwürdigung der österreichischen Staatssymbole“ verurteilt und emigrierte nach Berlin.

Muehl führte einige psychodramatische Aktionen mit sexueller Dynamik durch und begann in einem Reflexionsprozess, seine Idee der „Aktion“ von der sich als Kunstform etablierenden Happening- und Fluxus-Kunst abzugrenzen. Er folgte einer Reihe von Einladungen, u. a. in die USA, an Universitäten und in Ausstellungen Aktionen durchzuführen. Er sah im „Happening eine durchaus bürgerliche Kunst, eben Kunst. Wir wollen diese blödsinnige Kunst überwinden.“

Die lose organisierten Aktivitäten dieser Zeit wurden in der Kunstgeschichte später unter dem Begriff Wiener Aktionismus als eigene Form behandelt.

Kommune-Ansätze, Aktionsanalyse, Selbstdarstellung

1970 suchte Otto Muehl nach alternativen Lebensformen. Nachdem seine Ehe geschieden war und engere Freunde der Einladung, eine Künstlerwohngemeinschaft zu gründen, nicht gefolgt waren, ließ er junge Leute, die er von seinen Aktionen kannte, bei sich wohnen. Seine 120 m² große Wohnung im heruntergekommenen Hinterhaus der Wiener Praterstraße 32 verwandelte sich in ein Auffanglager für junge Künstler, Studenten und skurrile Existenzen am Rande der Gesellschaft. 1971 hatte sich ein fester Kern von etwa zehn Personen gebildet, die Gelegenheitsjobs nachgingen. Otto Muehl verdiente nach wie vor sein Geld durch Nachhilfestunden.[8]

Die Kommunarden experimentierten unter Muehls Anleitung mit Psychoanalyse und reichianischer Körperarbeit, zuerst nur im therapeutischen Rahmen.[9] Daraus, angeregt durch Schriften Wilhelm Reichs, vor allem aber durch die Therapiemethoden von Fritz Perls Gestalttherapie, Alexander Lowen (Bioenergetische Analyse) und Arthur Janov (Urschreitherapie), entwickelte sich die „Aktionsanalyse“. Diese wurde ein wesentlicher Bestandteil des auf „freier Sexualität“, „gemeinsamem Eigentum“, „gemeinsamem Kinderaufwachsen“ und „Förderung der gestalterischen Kreativität“ aufgebauten Kommunelebens. Es gab auch den Slogan von der „Entpanzerung des Ichs“.[10]

Später wurde die „Aktionsanalyse“ zur sogenannten „Selbstdarstellung“ weiterentwickelt, die vor der im Kreis versammelten Gruppe, begleitet durch Musik und Trommeln, praktiziert wurde.[9] Konzeptionelle Grundlage der war die Überzeugung, dass Hierarchien überall in der Gesellschaft bestehen, aber nur verborgen aufgebaut und unterhalten werden. Die Muehl-Kommune wollte dies nun umkehren: Hierarchien wurden ganz bewusst und offen verhandelt und gestaltet. Die Position des Einzelnen in der Gruppenstruktur wurde dazu turnusmäßig, z.B. wöchentlich, neu bestimmt, indem jeder Anwärter auf einen Aufstieg Gelegenheit bekam, seine gestalterischen Fähigkeiten in der Gruppe zu präsentieren, durch Gesang, Musik, Schauspielerei und anderes.

Die soziale, kommunikative, und dadurch auch sexuelle Attraktivität bestimmte die Position in der Gruppe, welche hierarchisch aufgebaut war: „bei uns wurde offen ausgesprochen, wer zur zeit besonders gut beim sex drauf war. und selbstverständlich wollten dann viele mit den beliebtesten sexidolen eine verabredung haben.“[11]

Die gewünschten Sexualpartner konnten – sofern diese jeweils zustimmten – in der Form einer Verabredung ausgewählt werden. Zweierbeziehungen wurden dagegen als Kompensation der erlebten Lieblosigkeit in der Kindheit in der „Kleinfamiliengesellschaft“ angesehen und abgelehnt. „Die Familie ist die Brutstätte aller Geisteskrankheiten“ (Wilhelm Reich). In der Aktionsanalyse sucht man therapeutische Möglichkeiten, diese zu überwinden.

Die „Selbstdarstellung“ beinhaltete somit gestalttherapeutische Techniken; sie wurde zu einem wesentlichen Mittel der Kommunikation und Organisation innerhalb der größer werdenden Kommune. Andererseits besteht für die Mitglieder der Gruppe stets ein gewisser Druck, ihre kreativen Fähigkeiten, etwa in Theater, Musik, auch als Koch, als Modedesigner oder auch nur als integrative, charmante Person zu entwickeln.

Schnell wurde die Muehl-Kommune in der Wiener Anarcho– und Kunstszene bekannt. Die Mischung aus Psychoanalyse und Aktionismus war für viele attraktiv, die Gruppe vergrößerte sich und wurde zu einer nach außen selbstbewusst auftretenden Gemeinschaft. Zum Markenzeichen aller Kommunarden wurden der Kurzhaarschnitt und die Latzhose.[8]

Die grundsätzliche Ablehnung von Zweierbeziehungen entstand erst im Mai 1973, als Muehl vom einer Reise in die USA zurückkam und feststellen musste, dass seine Freundin Elke inzwischen die Kommune verlassen hatte. Muehl setzte durch, dass alle Kommunarden ihre Zweierbeziehungen auflösten, einige Paare, die sich nicht trennen wollten, verließen die Gruppe.[12]

Friedrichshof

Der Friedrichshof war der verfallene Rest eines ehemals großen Landgutes von Erzherzog Friedrich, einsam in der Parndorfer Platte gelegen, im Burgenland rund 60 Kilometer südwestlich von Wien, ohne Strom- und Wasseranschluss. Er wurde im Herbst 1972 gekauft und bis 1974 so weit ausgebaut, dass die wachsende Kommune dorthin umziehen konnte.

In der Folgezeit bis zum Jahre 1979 kam es zu einem starken Zuzug von Interessenten. Es entstanden bereits seit 1976 Stadtkommunen in Wien, München, Genf, Paris, Nürnberg, Hamburg, Bremen, Berlin und Oslo mit jeweils bis zu 40 Mitgliedern. Der Friedrichshof war als sozio-kulturelles Zentrum Muehls der Hauptanziehungspunkt.

Am Friedrichshof selbst konnten bis zu 240 Personen leben. Es wurde eine leistungsfähige biologische Kläranlage gebaut, Strom und Telefon von außen zugeführt, eine eigene Schule (später mit Öffentlichkeitsrecht) errichtet sowie diverse Werkstätten (Tischlerei, Mechaniker), ein Transportunternehmen (meist Entrümpelungen) und eine kleine Landwirtschaft (Schweinezucht mit bis zu acht Muttersauen und ein großer Garten zur Eigenversorgung) betrieben. Es gab auch eine Behindertengruppe rund um Muehls spastische Tochter Lili[13], die er gemeinsam mit seiner späteren Frau Claudia hatte.[14]

1979 wurde ein wesentliches Element des Kommunegedankens – das Gemeinschaftseigentum – für beendet erklärt. Ein Anlass war, dass einzelne Mitglieder aus Deutschland hohe Einnahmen aus Warentermingeschäften erzielten und dann auch höheren Einfluss in der Kommunehierarchie forderten. Damit war für viele das Projekt AAO gescheitert. Die größte Anzahl an gleichzeitigen Kommunemitgliedern gab es Ende 1979, es waren ca. 500. Danach verkleinerte sich die Gruppe kontinuierlich.

Die Kommune wurde wegen des Gemeinschaftseigentums und der freien Sexualität von ihren Gegnern als „Sekte“ bezeichnet. Die zunehmende Kritik und Verfolgung von Sekten führte dann zu einem Rückzug der Gruppe aus jeder Öffentlichkeitsarbeit wie Vorträgen, Versuchsgruppen, Selbstdarstellungsarbeit mit Gästen, Kinder- und Erwachsenentheater. Dieser Rückzug führte schließlich zur Isolation der Kommune und trug zu deren Auflösung bei.

Nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986 kaufte die Kommune auf der spanischen Kanarischen Insel La Gomera ein großes, abgelegenes Grundstück, eine Finca im Tal El Cabrito; ein Teil der Gruppe siedelte dorthin dauerhaft um, dem Rest der Gruppe stand es als Urlaubsrefugium zur Verfügung. Muehl erklärte die Schweizerin[15] Claudia Weissensteiner zu seiner „ersten“ Frau und ihren Sohn zu seinem künftigen Nachfolger. Insgesamt hatte er elf Kinder von verschiedenen Frauen.[16]

Daneben führte der Eintritt der Kinder und Jugendlichen in die „freie Sexualität“ zu internen Konflikten und auch zum Konflikt mit dem Strafrecht und der Gesellschaft. Die Größe des Kollektivs, zusammen mit der Kollektivierung von Eigentum und Sexualität, führte zu einem Mangel an Intimität, Rückzugsmöglichkeiten und Selbstbestimmung. Viele wurden unzufrieden und wollten, wenn nicht die Kommune, so doch das Gemeinschaftseigentum auflösen, um mehr individuelle Freiheit zu gewinnen.

Kritik an Muehls Autoritarismus

Kritiker wie der aus der Kommune ausgeschiedene Andreas Schlothauer verweisen auf die starken autoritären Tendenzen von Muehl: Dieser setzte sich beispielsweise selbst den Ritualen der Aktionsanalyse nicht aus. Bei der Brechung der „Körperpanzerung“ nach Wilhelm Reich sei als Experiment in einigen Einzelfällen etwa auch die so genannte „Watschenanalyse“ praktiziert worden, bei der sich der Analysand auf seine Hände zu setzen und von Seiten Muehls und seiner Therapieschüler auf dem Weg in die wieder erlebte Kindheit Ohrfeigen zu erdulden hatte. Muehl hatte auch die Idee der so genannten „Struktur“, einer Durchnummerierung der Kommunemitglieder im Sinne einer Hackordnung. Auch die Etablierung einer „ersten Frau“ und die Vorbereitung seines Sohnes auf die Nachfolge des Kommunegründers in der Spätphase der Kommune sprechen für extremen Autoritarismus des Kommunegründers. Paradoxerweise habe sich allerdings in der Hierarchieebene unmittelbar unter Muehl laut Schlothauer ein starkes matriarchales Element rivalisierender Frauen etabliert.

Muehl vor Gericht

Im Jahre 1988 wurde in Österreich ein Strafverfahren gegen Otto Muehl eröffnet, in dem auch Kommune-Mitglieder gegen ihn aussagten. Die Anklage legte dar, dass das „gemeinsame Aufziehen des Nachwuchses“ für Muehl den sexuellen Missbrauch sowie die Vergewaltigung von Kindern und Jugendlichen nicht ausgeschlossen habe.[17]

Dem setzte Muehl entgegen, dass alle sexuellen Handlungen stets nach den selbstgesetzten Regeln der Gruppe erfolgten, wobei Kinder gelernt hätten, frühzeitig und bewusst mit ihrer Sexualität umzugehen. Dass dies im Ergebnis einen klaren Widerspruch zu den Gesetzen in Österreich bildete, wollte Muehl nicht anerkennen und er wies Vorschläge seiner Berater, etwa durch Reue ein günstigeres Urteil zu erzielen, bis zuletzt ab.

Daneben wurde auch die Weitergabe von „weichen Drogen“ an Jugendliche und öffentliche Kritik als Erziehungsmittel angegriffen.

Otto Muehl wurde 1991 zu sieben Jahren Haft verurteilt, die er vollständig verbüßte. Der Staatsanwalt erklärte in seinem Plädoyer unter anderem: „Muehl hat Terror ausgeübt. ... Otto Muehl hat mit Menschen experimentiert, er hat sie manipuliert. ... Die Jugendlichen waren nicht freiwillig dort, er hatte ihnen die Eltern genommen und damit die Möglichkeit, die Kommune zu verlassen.“

Eine nach Otto Muehls Haftentlassung von Claus Peymann initiierte Lesung Muehls im Wiener Burgtheater am 11. Februar 1998 wurde nochmals zum Anlass heftiger kulturpolitischer Debatten, unter anderem im Bundesrat, der Länderkammer des österreichischen Parlaments.[18] In der Folge zog sich Muehl ins Ausland zurück. Nach 1998 lebte er in einer Gruppe mit 14 Erwachsenen und deren Kindern in Faro in Portugal. Zu seinem 85. Geburtstag entschuldigte Muehl sich bei seinen Opfern in einem offenen Brief.[19][20]

Späte Kunstaktivitäten

Aktionen im Sinne des Wiener Aktionismus führte Mühl bis auf eine Ausnahme seit 1971 in der Öffentlichkeit nicht mehr durch, wohl aber am Friedrichshof selbst. Er betätigte sich weiterhin als Maler, im meist expressionistischen Stil, sowie künstlerischer Lehrer innerhalb der Kommune.

Trotz einer fortschreitenden Parkinson-Krankheit entwickelte er seit 2002 die sogenannten Electric-painting-Filme, am Computer bemalte Digitalfotos von Aktionen, geschnitten zu Filmen, die seinen Alltag und sein Leben in der Gruppe thematisieren. Daneben entstanden Exzess-art-Objekte, bei denen Farbe direkt aus der Tube auf die Leinwand aufgetragen wird.

Auch im Gefängnis beschäftigte sich Muehl intensiv mit Arbeiten der bildenden Kunst und malte etwa 300 Bilder.

Das Wiener Museum für angewandte Kunst widmete ihm seit 1998 zwei große Einzelausstellungen. 2010 feierte Muehl seinen 85. Geburtstag, aus diesem Anlass zeigte das Leopold Museum in Wien in einer umfangreichen Schau das Spätwerk Muehls. Bei der Eröffnungspressekonferenz dieser Ausstellung am 10. Juni 2010 entschuldigte sich Otto Muehl in einem offenen Brief erstmals für seine sexuellen Übergriffe.[20]

Zitate

  • „Ich habe in der Kommune schon Fehler gemacht, aber in der Sexualität sicher nicht.“ (Arte Metropolis, 8. Dezember 2001)
  • „Warum sollte der Staat vorschreiben, ab wann man Sex haben darf?“ (FAZ, 22. Februar 2004)
  • „Ich bin kein Kinderschänder. Das ist doch Blödsinn. Das waren alles entwickelte Mädchen.“[21] (2004)
  • „Ich bringe die Darstellung der Opfer verdrängter Sexualität. Wird die Sexualität zu sehr verboten, ist der natürliche Weg verschüttet, sucht sich das Wasser andere Wege. Der Aktionismus wurde in Österreich von Beamten der Justiz und Polizei gründlich mißverstanden. Alle Aktionisten mussten mehrmals ins Gefängnis.“
  • „Jeder fortschrittliche Pädagoge weiß, dass Strafen, selbst lebenslängliches Einsperren und Hinrichten von sogenannten Verbrechern, die ein gewalttätiges System sich selbst produziert, nichts bringt. Niemand wird als Verbrecher geboren. Eine Gesellschaft ohne Zwang kann nicht mit unmündigen, durch Dressur verunstalteten Kreaturen realisiert werden.“
  • „… die Stellungnahme der Jugendlichen damals im Gerichtssaal machte mich fassungslos. Ich wollte sie befreien und habe sie mit sexueller Überschreitung stattdessen überrumpelt und gekränkt. Es war auf keinen Fall meine Absicht. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen …“[20] (2010)

Schriften

  • Weg aus dem Sumpf. AA-Verlag, Nürnberg 1977, ISBN 3-85386-006-0. (Autobiographie)
  • Aus dem Gefängnis. 1991–1997. Briefe / Gespräche / Bilder (Vorwort von Michel Onfray). Ritter, Klagenfurt 1997, ISBN 3-85415-214-0 (Interviews mit Danièle Roussel).
  • mit Diethard Leopold (Hrsg.): Sammlung Leopold: 11. Juni 2010 bis 4. Oktober 2010, Leopold Museum (anlässlich der Ausstellung „Otto Muehl – Sammlung Leopold“), Brandstätter, Wien 2010, ISBN 978-3-85033-471-6.

Literatur

Film

  • Die Kinder vom Friedrichshof. Die Kommune Otto Mühl. Dokumentarfilm, Deutschland, 2009, 81 Min., Buch und Regie: Juliane Großheim, Produktion: unafilm, arte, Erstausstrahlung: 18. Juli 2010 bei arte, Inhaltsangabe von arte
  • Meine keine Familie. Dokumentarfilm, Österreich, 2013, 93 Min., Konzept und Regie: Paul-Julien Robert, Produktion: FreibeuterFilm, Uraufführung: 19. April 2013 im Gartenbaukino.

Einzelnachweise

  1. Otto Muehl ist tot, orf.at
  2. Andrea Schurjan: Aktionskünstler Otto Muehl 87-jährig gestorben. derstandard.at, 26. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013
  3. Berliner Zeitung: „Vielleicht bin ich ein Psychopath“, 21. Februar 2004
  4. Aktionismus Chronologie in: Archieves Otto Muehl
  5. ZOCK-Fest am 21. April 1967: Programm bei www.peter-weibel.at, Bericht mit Fotos bei W.M. Pühringer
  6. Samuel Herzog: Der masslose Kern. nzz.ch, 27. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013
  7. Petra Kipphoff: Das Schwein von Braunschweig Die Zeit, 6. Januar 1970
  8. a b Artlife in: Archieves Otto Muehl
  9. a b Peter Schär:Kurze Geschichte der Kommune Friedrichshof – Versuch eines Überblicks auf www.friedrichshof.at (Juli 2011) PDF
  10. Willi Winkler: Ich bin unten der Dreckige. sueddeutsche.de, 27. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013
  11. Telepolis: Kommune-Experiment Friedrichshof – ein verlorenes Paradies!, 26. Juni 1996
  12. Theo Altenberg: Das Paradies Experiment. Die Utopie der freien Sexualität - Kommune Friedrichshof 1973-1978. Triton Verlag, Wien 2001.
  13. Kunst: Der Autoritäter (PDF; 114 kB) Profil 11/04 vom 10. März 2004
  14. Kunst: Der Panzerknacker (PDF; 114 kB) Falter 07/04 vom 11. Februar 2004
  15. Angaben auf einer Schweizer Seite zu Religionen und Weltanschauungen, abgerufen am 27. Mai 2013
  16. Margalit Fox: Nachruf (englisch), nytimes.com. 29. Mai 2013, abgerufen am 4. Juni 2013
  17. Arno Frank: Zum Tode Otto Muehls: Die Enthemmung der Kunst. spiegel.de, 27. Mai 2013, abgerufen am 27. Mai 2013
  18. Stenographisches Protokoll der 636. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich 12. Februar 1998
  19. Sendung „Kultur heute“ am 13. Juni 2010 um 17:30 Uhr im Deutschlandfunk..
  20. a b c Almuth Spiegler: Otto Muehl - Nachruf www.art-magazin.de 28. Mai 2013
  21. Ich bin drunten der Dreckige" - Gespräch mit Otto Mühl Die Zeit 10/2004 vom 26. Februar 2004