„Angst“ – Versionsunterschied

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== Weblinks ==
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* [http://www.zpid.de/redact/category.php?cat=60 Umfangreiche Sammlung annotierter Links zum Thema Angststörungen] aus dem [http://www.psychlinker.de/ ''PsychLinker des ZPID'']

* [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23515/1.html Teufelskreis der Angst] - Erinnerungen werden intensiver gespeichert, wenn eine schreckliche Erfahrung erwartet wird [[Telepolis]]
* [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23515/1.html Teufelskreis der Angst] - Erinnerungen werden intensiver gespeichert, wenn eine schreckliche Erfahrung erwartet wird [[Telepolis]]



Version vom 19. August 2008, 17:45 Uhr

Angst ist ein menschliches Grundgefühl (neben Freude, Trauer, Wut und Scham), welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. Begrifflich wird dabei die objektunbestimmte Angst von der objektbezogenen Furcht unterschieden. Evolutionsgeschichtlich hatte die Angst eine wichtige Funktion als ein die Sinne schärfender Schutzmechanismus, der in Gefahrensituationen ein angemessenes Verhalten (z. B. Flucht) einleitet. Angst kann sowohl bewusst als auch unbewusst wirken. Entstehen durch Angst andauernde Kontrollverluste oder Lähmungen, wird von einer Angststörung gesprochen.[1] [2] [3]

Begriffsgeschichte

Der Begriff Angst hat sich seit dem 8. Jahrhundert von indogermanisch *anghu-, „beengend“ über althochdeutsch angust entwickelt. Er ist verwandt mit lateinisch angustus, „die Enge“ und angor, „das Würgen“.[4] Das Wort „Angst“ gibt es als Wortexport auch im Englischen. Es bedeutet so viel wie Existenzangst. Sie sprechen von "angst-ridden" (von Angst geritten, im Sinne von beherrscht). Vermutlich wurde das Wort 1849 von George Eliot eingeführt.[5]

Philosophie

Die antike Stoa sah wie die Epikureer Angst als künstliche Emotion an, der mit Gelassenheit (Ataraxie) zu begegnen sei. Für Augustinus war die Angst das Gefühl, welches durch das Getrenntsein von Gott entsteht. Es lässt sich nur durch den Glauben wieder aufheben. Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel gehörte Angst zum notwendigen Übergang auf dem Weg des Bewusstseins zum Selbstbewusstsein. Die Überwindung der Angst wird durch Arbeit vollzogen. Søren Kierkegaard unterschied erstmals die ungerichtete Angst von der auf einen Gegenstand bezogenen Furcht. Für ihn war Angst die Angst vor dem Nichts und mithin der Ausdruck der menschlichen Wahlfreiheit und Selbstverantwortlichkeit. Martin Heidegger bestimmte Angst als eine Grundbefindlichkeit des Menschen, welche diesem die Unabgeschlossenheit des eigenen Verständnishorizontes zum Gewahrsein bringt und ihn zur Entschlossenheit befähigt.[6] [7]

„Die Angst vor dem Tode ist die Angst "vor" dem eigensten, unbezüglichen und unüberholbaren Seinkönnen. Das Wovor dieser Angst ist das In-der-Welt-sein selbst. Das Worum dieser Angst ist das Sein-können des Daseins schlechthin.“

Martin Heidegger: Sein und Zeit (1927)[8]

Körperliche Reaktionen

Die körperlichen Symptome der Angst sind normale (also nicht krankhafte) physiologische Reaktionen, die bei (einer realen oder phantasierten) Gefahr die körperliche oder seelische Unversehrtheit, im Extremfall also das Überleben sichern sollen. Sie sollen ein Lebewesen auf eine "Kampf- oder Flucht-Situation" vorbereiten:

  • Erhöhte Aufmerksamkeit, Pupillen weiten sich, Seh- und Hörnerven werden empfindlicher
  • Erhöhte Muskelanspannung, erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit
  • Erhöhte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck
  • Flachere und schnellere Atmung
  • Energiebereitstellung in Muskeln
  • Körperliche Reaktionen wie zum Beispiel Schwitzen, Zittern und Schwindelgefühl
  • Blasen-, Darm- und Magentätigkeit werden während des Zustands der Angst gehemmt.
  • Übelkeit und Atemnot treten in manchen Fällen ebenfalls auf.

Neben diesen individuellen Reaktionen hat das Zeigen von Angst (z. B. durch den sehr charakteristischen Gesichtsausdruck oder durch Sprache) gegenüber Anderen den sozialen Sinn, um Schutz zu bitten.

Diese sinnvollen - sehr wahrscheinlich angeborenen - Reaktionen klingen nach Ende der bedrohlichen Situation relativ schnell wieder ab.

Die körperlichen Ausdrucksformen der Angst sind die gleichen, egal, ob es sich um eine reale Bedrohung (Straßenräuber mit einem Messer) oder um eine Panikattacke aus heiterem Himmel handelt. Jeder vierte Patient mit Angststörung klagt über chronische Schmerzen. [9][10]

Hirnforschung

Das Wechseln zwischen dem Entstehen von Angst bei Verteidigungs- und dem Erlöschen der Angst bei Explorationsverhalten ist für das Überleben von vielen Tieren lebensnotwendig, aber wie dieser Übergang durch spezifische neuronale Schaltungen erreicht wird, ist noch nicht hinreichend erforscht. Neurophysiologen nehmen an, dass bidirektionale Übergänge zwischen Zuständen hoher und niedriger Angst kontextabhängig durch sehr schnelle Veränderungen im Gleichgewicht der Tätigkeiten von zwei verschiedenen Gemeinschaften basaler Amygdala-Neuronen ausgelöst werden.[11]

Ausgehend von der Amygdala werden folgende Regionen erregt: periaquäduktales Grau, Locus coeruleus, Nucleus parabrachialis, das vegetative Nervensystem über den Hypothalamus und die so genannte Stressachse (Ausschüttung von Cortisol aus der Nebennierenrinde und Adrenalin, sowie Noradrenalin aus dem Nebennierenmark), ebenfalls gesteuert über den Hypothalamus.

Psychoanalytische Sicht

Nach Sigmund Freud ist die Angst ein Abwehrmechanismus des Ich. Der Psychiater und Psychoanalytiker Stavros Mentzos hält die Angst aufgrund der sie „begleitenden vegetativen Erscheinungen sowie analoger Erscheinungen bei Tieren“ für ein „angeborenes und biologisch verankertes Reaktionsmuster“[12] und vergleicht sie mit der Schmerzreaktion. Im Anschluss an die Verhaltenstherapie fragt er sich, „ob nicht die Angst ein regelrechter Instinkt ist“. [13]

Angst in verschiedenen Religionen

Theologisch gesprochen ist Angst das Gegenteil von Glaube. In allen Religionen geht es um die Entmachtung der Angst, auch dort, wo die Götter selbst als furchteinflößend erscheinen, womit eher Ehrfurcht als Furcht erzielt werden soll. Durch Rituale und Opfer versuchte der Mensch von Urzeit an, ihm unheimliche Mächte zu beeinflussen und gnädig zu stimmen.

Die Epikureer strebten einen angstfreien Zustand an, indem sie zu zeigen versuchten, dass der Tod im Grunde den Menschen nichts angehe, weil er kein Ereignis des Lebens sei. Die Angst vor den Göttern sollte dadurch entmachtet werden, dass man für die Auffassung argumentierte, dass die Götter in einer abgetrennten Sphäre existierten und sich für die Sterblichen nicht interessierten.

Im Buddhismus besteht die "Erleuchtung" darin, das Ich und sein vielfältiges Begehren als unheilvolle und leidverursachende Illusion aufzudecken. Der Erleuchtete müsse nicht mehr aus der Angst um sich selbst leben, weil er erkannt habe, dass sein individuelles Selbst nur eine Täuschung sei: Er sei vom Ich befreit.

Der christliche Glaube versteht sich ursprünglich als die Gemeinschaft des Menschen mit Gott, der in Jesus von Nazaret Mensch geworden ist, um dem Menschen seine wahre Wirklichkeit, nämlich sein unbedingtes Geborgensein in der Liebe Gottes im mitmenschlichen Wort zu offenbaren. Gott ist der in allem Mächtige, derjenige, ohne den nichts sein kann und ohne den nichts ist. Wer Anteil habe am Verhältnis Jesu zu Gott, ist nach der christlichen Botschaft zu wahrer Menschlichkeit befreit. Der Glaubende stehe nicht mehr unter der Macht der Angst um sich selbst, sondern werde eben durch den Glauben davon befreit, irgendetwas in der Welt zu vergöttern bzw. an der Welt zu verzweifeln, wenn ihm das fälschlich Vergötterte genommen wird: Darin bestehe die Erlösung des Menschen. Denn die Liebe Gottes sei stärker als alle Angst um sich selbst und stärker sogar als der Tod.

Im frühchristlichen Sonntagsgottesdienst war es darum ausdrücklich verboten zu knien, um auszudrücken, dass der Christ Gott angstfrei auf Augenhöhe begegnen kann. Im Gegensatz dazu ist in der weiteren Geschichte des Christentums der Begriff der Ehrfurcht oft missverstanden worden. Vor der Reformation herrschte beispielsweise eine allgemeine Jenseitsangst unter den Menschen, die Erwartung einer neuen Sintflut war weit verbreitet. Insofern war die Frage Martin Luthers nach dem "gnädigen Gott" in seiner Zeit eine existentielle. Auch der Hexenwahn kann als Ausdruck von kollektiven Ängsten betrachtet werden. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein sahen in Deutschland Katecheten beider Konfessionen die Drohung mit der Hölle als adäquates erzieherisches Mittel an.

Ekklesiogene Neurosen und psychotische Wahnvorstellungen hängen oft mit angstbesetzten religiösen Vorstellungen zusammen.

Einzelnachweise

  1. vgl. Klaus Dörner, Ursula Plog: Irren ist menschlich: Lehrbuch der Psychiatrie/Psychotherapie. Bonn 1996, S. 41f ISBN 3-88414-183-X
  2. vgl. Anton Hügli, Poul Lübcke (Hrsg.): Philosophie-Lexikon, Reinbek bei Hamburg 1998, S. 39f ISBN 3-499-55453-4
  3. vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/Angst.shtml 25-07-2008
  4. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 1999 ISBN 3-11-016392-6
  5. http://www.etymonline.com 25-07-2008
  6. Anton Hügli, Poul Lübcke (Hrsg.): Philosophie-Lexikon, Reinbek bei Hamburg 1998, S. 39f ISBN 3-499-55453-4
  7. BROCKHAUS Philosophie, Mannheim 2004, S. 21 ISBN 3-7653-0571-5
  8. Martin Heidegger: Sein und Zeit, Tübingen 1993, S. 251 ISBN 3-484-70122-6
  9. "Angststörung kann Schmerzen bereiten", Ärzte-Zeitung, 18. Januar 2007, S. 11
  10. Analyse der Einweisungsdiagnose in einer universitären Schmerzambulanz unter dem besonderen Aspekt des Anteils therapiebedürftiger psychischer Störungen (u. a. Angst) bei Patienten mit (chr. Schmerzen), Dissertation, 2002, PDF, etwa 2,5 MB
  11. http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature07166.html 25-07-2008
  12. Stavros Mentzos, Neurotische Konfliktverarbeitung, Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer Perspektiven, Frankfurt am Main 1984, S. 30
  13. Stavros Mentzos, Neurotische Konfliktverarbeitung, Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer Perspektiven, Frankfurt am Main 1984, S. 30

Literatur

  • Harro Albrecht, Cornelia Stolze: Fehlalarm im Mandelkern. In: Die Zeit, 29. Dezember 2005 Nr. 1, Online-Text (Artikel über Panikattacken - Phobien und die gestörte Biochemie im Hirn. Mit einer Abbildung von Karl Wesker, die das Gehirn von der Wahrnehmung eines Schattens bis hin zur Meldung „Fehlalarm“ erklärt.)
  • Borwin Bandelow: Das Angstbuch. Woher Ängste kommen und wie man sie bekämpfen kann. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-61949-0
  • Holger Bertrand Flöttmann: Angst-Ursprung und Überwindung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2005, 5. Aufl., ISBN 3-17-018754-6
  • Søren Kierkegaard: Der Begriff Angst. Deutsch u. a. bei Reclam, Stuttgart 1992, ISBN 3-15-008792-9
  • Verena Kast: Vom Sinn der Angst. Wie Ängste sich festsetzen und wie sie sich verwandeln lassen ISBN 978-3-451-05839-4
  • Stavros Mentzos, Neurotische Konfliktverarbeitung, Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer Perspektiven, Frankfurt am Main 1984
  • Theo R. Payk: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. 131 Tabellen. (= Checklisten der aktuellen Medizin). 3. Auflage. Thieme, Stuttgart u. a. 1998, ISBN 3-13-710203-0
  • Fritz Riemann: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie. Zahlreiche Auflagen. Zuletzt: Reinhart, München 1992, ISBN 3-497-00749-8
  • Detlef H. Rost, Franz J. Schermer: Leistungsängstlichkeit. In: Detlef H. Rost (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. 3. Auflage. Beltz, Weinheim 2006, ISBN 3-621-27585-1
  • Wolfgang Schmidbauer: Lebensgefühl Angst. 1. Auflage. Herder, Frankfurt 2005, ISBN 3-451-28615-7

Siehe auch

  • [1] - regionales Therapeuthenverzeichnis
Wikiquote: Angst – Zitate
Wiktionary: Angst – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen