Hochgebirge
Unter einem Hochgebirge versteht man nach der Definition in Dierckes Wörterbuch Allgemeine Geographie „eine größere Vollform, die sich bedeutend über den Meeresspiegel erhebt und über spezielle geoökologische Merkmale verfügt“.[1]
Begriffsdefinition
In der Geschichte der Hochgebirgsforschung wurde lange nach einer allgemeingültigen Definition für Hochgebirge gesucht.[2] Sie ergab sich aus der Notwendigkeit, in Mitteleuropa die Alpen im Gegensatz zu den Mittelgebirgen Mitteleuropas zu kennzeichnen und sie sollte alle Hochgebirge von der Arktis bis in die inneren Tropen, der ozeanischen Küstengebirge bis zu den Hochgebirgen der absoluten Trockenzonen sowie Vulkanen mit Hochgebirgscharakter, einschließen. Als wirkungsmächtig hatte sich dabei zuerst die Definition Carl Trolls erwiesen, die „eine rezente oder ehemalige Vergletscherung, eine Erhebung über die klimatische Waldgrenze und das Vorhandensein einer Solifluktionsstufe mit den geomorphologischen Prozessen der Frostverwitterung voraussetzte“.[3]
Da die Definition Trolls nur den Bereich oberhalb der Waldgrenze, nicht aber den Gebirgsfuß einschloss sowie Polar- und Trockengebirge sowie Vulkane nicht in die Definition mit einschloss, wurden die Attribute weiter ergänzt. Demnach sind folgende Kriterien notwendig:[4]
- die Erhebung über die obere Waldgrenze
- die erkennbare Wirkung jahreszeitlicher Bodengefrornis mit Frostsprengung, Strukturböden und Solifluktion
- eine rezente Vergletscherung oder Spuren quartärer Vergletscherung mit Karen, Trogtälern und Hängetälern
- ein Gebirgszug, der sich aus Voll- und Hohlformen zusammensetzt und Reliefenergie von mehr als 1500 m aufweist
- eine weitgehende Aufzehrung von flachen Altformen
- das Auftreten von Graten, Gipfelpyramiden und Hörnern
- ein steiles Relief (mehr als 30°) mit aktiven Hangschutthalden
- mehrere übereinanderliegende Höhenstufen
- ein raues Klima im Vergleich zu wärmerem tieferen Umland
Charakteristik
Physiogeographisch zeichnen sich Hochgebirge in den mittleren Breiten (ca. 40–70° Nord/ Süd) durch glaziale Formen wie Kare, Vergratungen und Wandversteilungen aus, die in den Gipfelfluren in Höhen ab etwa 2000 bis 2200 m anzutreffen sind, Wandversteilungen auch tiefer. Ebenfalls werden das Vorkommen rezenter Solifluktion und das Erreichen der Waldgrenze als landschaftsökologische Gesichtspunkte herangezogen. Landschaftlich (geomorphologisch) sind oft Steilformen und große Höhenunterschiede auf engem Raum für Hochgebirge kennzeichnend, damit verbunden eine ausgeprägte Gliederung in Vegetations-Höhenstufen.
Neben der Kennzeichnung eines Gebirgszuges als solches beschreibt der Begriff aber auch nur die Höhenstufe, die Hochgebirgsstufe, die – in den Alpen und anderen Gebirgen der gemäßigten Breiten – die beiden an der Frostgrenze geteilten Stufen alpin und nival umfasst, und sich oberhalb der Mittelgebirgszone (montan) erstreckt.
Während sich in Mitteleuropa die Grenzziehung zur Mittelgebirgsstufe beziehungsweise den Mittelgebirgen, die die Hochgebirgsstufe gar nicht erreichen, ab etwa 1500 bzw. 2000 m nach Waldgrenze (weil ab dieser Höhenstufe die Felsformationen weitgehend offen zutage treten) wie auch Besiedelbarkeit (Obergrenze der Ökumene, des Dauersiedlungsraumes) etabliert hat, ist das Bild je nach Klimazone sehr differenziert: Im (sub-)tropischen andinen Bereich etwa liegen selbst größere Städte bevorzugt auf 2000 bis 3500 m über dem Meeresspiegel, das Kriterium der Besiedlung erscheint hier wenig sinnvoll, ähnlich verhält es sich in äthiopischen Hochland von Abessinien oder am Himalaya.
Übersicht der wichtigsten Hochgebirge
Europa
- Alpen
- Westalpen (Mont Blanc 4810 m; Monte Rosa 4634 m)
- Ostalpen
- Zentrale Ostalpen (Bernina 4049 m; Großglockner 3798 m)
- Nördliche Kalkalpen (Parseierspitze 3036 m)
- Südalpen (Ortler 3905 m) mit Dolomiten (Marmolata 3343 m)
- Apennin (bis 2912 m)
- Balkan (bis 2376 m)
- Dinariden (bis 2696 m)
- Karpaten
- Tatra
- Osttatra: Hohe Tatra 2655 m
- Westtatra 2248 m
- Südkarpaten 2550 m
- Tatra
- Kantabrisches Gebirge (bis 2650 m)
- Kastilien (bis 2600 m)
- Kaukasus (bis 5600 m; Grenze zu Asien)
- Peloponnes (bis 2400 m)
- Pindos (bis 2600 m, Olymp 2900 m)
- Pirin (bis 2914 m)
- Pyrenäen (bis 3400 m)
- Rhodopen (bis 2191 m)
- Rila (bis 2925 m)
- Sierra Nevada (bis 3482 m)
- Skandinavisches Gebirge („Skanden“)
- Galdhøpiggen (2469 m, Norwegen)
- Kebnekaise (2111 m, Schweden)
- Sudeten
- Riesengebirge (1603 m)
- Altvater (1492 m)
- Ural (bis 1895 m; Grenze zu Asien)
- Zentralmassiv (bis 1900 m)
- Island (bis 2106 m)
- Korsika (Monte Cinto, Paglia Orba bis 2700 m)
- Kreta (Ida etc. bis 2450 m)
- Nowaja Semlja (bis 1590 m)
- Sardinien (bis 1834 m)
- Spitzbergen (bis 1700 m)
Asien
- Alai (bis 5600 m)
- Altai (bis 4506 m)
- Altun Shan (bis 6200 m)
- Arakan-Joma-Gebirge (bis 3100 m)
- Belutschistan (bis 4050 m)
- Changai-Gebirge (bis 3905 m)
- Chingan (bis 1700 m)
- Elburs (bis 5604 m)
- Ghats
- Gobi-Altai (bis 3957 m)
- Himalaya (bis 8848 m Mount Everest / (Tschomolungma), zehn Achttausender)
- Hindukusch (bis 7700 m)
- Karakorum (bis 8611 m, vier Achttausender)
- Sredinnyj-Höhenrücken (bis 3621 m)
- Kaukasus (bis 5642 m)
- Kunlun Shan (bis 7724 m)
- Mongolischer Altai (bis 4362 m)
- Pamir (bis 7495 m)
- Putorana-Gebirge (bis 1701 m)
- Qin Ling (bis 3800 m)
- Sichote-Alin (bis 2078 m)
- Stanowojgebirge (bis 2412 m)
- Taihangshan (bis 3100 m)
- Taurusgebirge, Pontisches Gebirge (je bis 2900 m)
- Tianshan (bis 7439 m)
- Tscherskigebirge (bis 3147 m)
- Werchojansker Gebirge, Suntar Chajata (bis 2959 m)
- Zagros-Gebirge (Persien, bis 4600 m)
- Borneo (Kalimantan) (bis 4100 m)
- Sri Lanka (Ceylon) (bis 2500 m)
- Java (bis 3676 m)
- Kamtschatka (bis 4750 m)
- Sumatra (bis 3805 m)
- Sulawesi (früher Celebes) (bis 3455 m)
- Japan (bis 3800 m)
- Philippinen (bis 3000 m)
- Sachalin (bis 1600 m)
Afrika
- Atlas (bis 4165 m)
- Drakensberge (bis 3482 m)
- Ahaggar (bis 3005 m)
- Hochland von Abessinien (bis 4620 m)
- Hochland von Adamaua (bis 2710 m)
- Hochland von Bié (bis 2610 m)
- Marra-Plateau (bis 3088 m)
- Kamerunberg (bis 4070 m)
- Kilimandscharo-Massiv (bis 5895 m)
- Kipengere-Berge (bis 3000 m)
- Loma Mountains (bis 2000 m)
- Massai (bis 3400 m)
- Mitumba-Gebirge (bis 1735 m)
- Mount-Kenya-Massiv (bis 5199 m)
- Mulanje (bis 3000 m)
- Ruwenzori-Gebirge (bis 5109 m)
- Somali-Hochland (bis 4307 m)
- Swartberge (bis 2504 m) (Kompassberg)
- Tibesti (bis 3415 m)
- Kap Verde (bis 2829 m)
- Madagaskar (bis 2900 m)
Amerika
- Kordilleren
- Anden (>30 Sechstausender, Aconcagua 6961 m)
- Alaskakette (bis 6168 m)
- Rocky Mountains (bis 4400 m)
- Coast Mountains (bis 4000 m)
- Sierra Nevada (bis 4400 m)
- Sierra Madre Occidental (bis 3300 m)
- Sierra Madre Oriental (bis 3700 m)
- Cordillera Darwin (bis 2500 m)
- Appalachen (bis 2000 m)
- Brasilianisches Bergland (bis 2000 m)
- Grönland (bis 3700 m)
- Guayana (bis 2800 m)
- Serra do Mar (bis 2800 m)
- Baffin, Ellesmere (je bis 2600 m)
- Haiti (bis 3200 m)
- Kuba (bis 2000 m)
Ozeanien
- Great Dividing Range (bis 2230 m)
- Tasmanien (bis 1600 m)
- Neuguinea (bis 5000 m)
- Neukaledonien (bis 1600 m)
- Neuseeländische Alpen (bis 3700 m)
Antarktis
- Transantarktisches Gebirge (bis 4500 m)
- Ellsworthgebirge
- Mount Vinson (4892 m)
Siehe auch
Literatur
- C. Rathjens: Geographie des Hochgebirges. Teil 1: Der Naturraum. Teubner, Stuttgart 1982, ISBN 3-519-03419-0.
- A. R. Stahr, T. Hartmann: Landschaftsformen und Landschaftselemente im Hochgebirge. Springer, Berlin 1999, ISBN 3-540-65278-7.
- C. Troll: Vergleichende Geographie der Hochgebirge der Erde in landschaftsökologischer Sicht. In: Geographische Rundschau. 27, 1975, S. 185–198.
- Geographische Rundschau. 12, 2001. Thema: Hochgebirge.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hartmut Leser (Hrsg.): Diercke - Wörterbuch Allgemeine Geographie. 13. Auflage. Dtv, 2005, ISBN 3-423-03422-X.
- ↑ Carl Rathjens: Vergleichende Geographie der Hochgebirge, an Beispielen aus den Subtropen. In: Christoph Jentsch, Herbert Liedtke (Hrsg.): Höhengrenzen in Hochgebirgen. (= Arbeiten aus dem Geographischen Institut der Universität des Saarlandes. Band 29). Saarbrücken 1980, S. 15–27. ISSN 0563-1491
- ↑ Christoph Jentsch, Herbert Liedtke: Höhengrenzen in Hochgebirgen - Einleitende Bemerkungen zum Rundgespräch. In: Christoph Jentsch, Herbert Liedtke (Hrsg.): Höhengrenzen in Hochgebirgen. (= Arbeiten aus dem Geographischen Institut der Universität des Saarlandes. Band 29). Saarbrücken 1980, S. 29–33.
- ↑ Christoph Jentsch, Herbert Liedtke 1980, S. 30.