Mormonentum

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Der Salt-Lake-Tempel der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist das bekannteste architektonische Symbol des Mormonentums

Dem Mormonentum (auch Mormonismus) werden alle christlichen Glaubensgemeinschaften zugerechnet, die sich neben der Bibel auf das Buch Mormon berufen. Nach mormonischer Überlieferung hat Joseph Smith, jr. das Buch Mormon 1827 von goldenen Platten, die er im Hügel Cumorah fand, übersetzt. Die große Mehrheit der mormonischen Konfessionen kennt noch weitere Offenbarungen, die in der Schrift „Lehre und Bündnisse“ zusammengefasst wurden.

1830 gründete Smith die erste mormonische Religionsgemeinschaft Church of Christ. Aus ihr ging die Gemeinschaft Christi hervor, die heute mit rund 250.000 Mitgliedern[1] die zweitgrößte mormonische Kirche stellt. Sie wurde 1880 als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Church of Christ anerkannt und ist daher im Besitz des ältesten Tempels – die Mormonen nennen ihre zentralen Niederlassungen „Tempel“ – und der meisten Dokumente aus dem Nachlass von Joseph Smith, jr.

Die größte mormonische Kirche mit 16 Millionen Mitgliedern ist die seit 1838 bestehende Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (oft kurz HLT; englisch: The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints; kurz LDS). Sie ist zumeist gemeint, wenn von Mormonen die Rede ist,[2][3][4][5] obwohl sie seit 2018 nicht mehr so genannt werden möchte.[6][7]

Geografische Verteilung

Rom-Tempel beim Sonnenuntergang

Mormonen leben überwiegend in den Vereinigten Staaten mit Schwerpunkten in Utah und den angrenzenden Gebieten in Arizona, Wyoming und Idaho sowie in Missouri und Kansas. Darüber hinaus betreibt insbesondere die Kirche Jesu Christi HLT seit 1974 internationale Mission und hat Angehörige in vielen Staaten der Erde.

Nach eigenen Angaben hat die Kirche Jesu Christi HLT weltweit etwa 16,1 Millionen getaufte Mitglieder,[8] davon 6,6 Millionen in den Vereinigten Staaten. Etwa 60 % leben in Nordamerika, 25 % in Südamerika, 10 % in den angelsächsischen Staaten Vereinigtes Königreich, Australien sowie den asiatischen Inselnationen, insbesondere den Philippinen und Japan, und nur 5 % in Kontinentaleuropa, Kontinentalasien und Afrika zusammen.[9] In Europa hat die Kirche nach eigenen Angaben über 510.000 Mitglieder in 40 Ländern und etwa 1300 Ortsgruppen/Gemeinden.[10] In Deutschland leben über 40.000 Angehörige der Kirche Jesu Christi HLT, 4600 in Österreich und über 9000 in der Schweiz.[11] Die offiziellen Zahlen erfassen jeweils alle durch die Kirche Bekehrtentaufen sowie neu eingetragene Kinder, die in einem Gottesdienst gesegnet wurden.[12] Allerdings ist die Bindung an die Kirche außerhalb der Vereinigten Staaten als eher locker anzusehen. So hätten nur 1,8 % der rund 2,25 Millionen Getauften in Südamerika auch eine für Mitglieder der Kirche so wichtige Ehe im Tempel geschlossen.[13]

Glaubensinhalte und Bezug zum Christentum

Deutsche HLT-Ausgabe des Buches Mormon

Das Buch Mormon beschreibt in Anlehnung an biblische Ereignisse ergänzende Besiedlungen Amerikas und geschichtliche Ausschnitte einiger vergangener amerikanischer Kulturen: Eine erste Besiedlungswelle habe bereits nach der babylonischen Sprachverwirrung stattgefunden; die damals nach Amerika ausgewanderten Jarediten seien jedoch ausgestorben, bevor es zu einer weiteren Einwanderungswelle kam. Diese zweite Gruppe sei nach der Zerstörung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar II. und dem Beginn des Babylonischen Exils im Jahr 598 v. Chr. ausgewandert. Diese Personen hätten zu den Stämmen Israels gehört und hätten sich nach einiger Zeit in die Nephiten, die die Gebote Gottes hielten, und die vom Glauben abtrünnigen Lamaniten aufgeteilt.

Die gottesfürchtigen Nephiten seien von Jesus Christus unmittelbar nach dessen Auferstehung besucht worden, wobei er ihnen einen Kern des Evangeliums vermittelt habe, bevor er in den Himmel aufgefahren sei. Nach etlichen Kriegen zwischen den Gruppen seien Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. die Nephiten völlig vernichtet worden. Die Lamaniten, welche bereits nach der Abspaltung von den Nephiten eine dunklere Hautfarbe angenommen hätten,[14] seien verblieben und zählen zu den Vorfahren der amerikanischen Indianer.[15] Der Prophet Mormon habe die Geschichte auf Goldplatten in „reformiertem Ägyptisch“[16] aufgezeichnet. Der letzte überlebende Nephit sei der Prophet Moroni gewesen, der die Platten im Hügel Cumorah verborgen habe.

1823 soll Moroni Joseph Smith, jr. als Engel in Manchester (New York) erschienen sein, wo er Smith Hinweise übergeben habe, wo diese Platten zu finden seien. Smith soll die Platten 1827 im Hügel Cumorah entdeckt und mit Hilfe der Sehersteine Urim und Thummim ins Englische übersetzt haben, bevor er sie an Moroni habe zurückgeben müssen. Dieser Text bildet das Buch Mormon.

Im Laufe seines Lebens fasste Smith zudem 133 Offenbarungen in seinem mehrfach ergänzten und überarbeiteten Werk Lehre und Bündnisse zusammen. Darunter befinden sich Anordnungen über die Kirchenorganisation, vertiefende Heilslehren, zeitliche Anweisungen und weitere Lebensweisen wie Hinweise zur Mehrfachehe und Regelungen zur Taufe Verstorbener in Form lebender Stellvertreter, um auch bereits Verstorbenen die Aufnahme in die Kirche und das Ewige Leben zu ermöglichen. Neben Ergänzungen zur Bibel, welche später in dem Schriftband Köstliche Perle herausgebracht wurden, erwarb Smith von einem Händler eine Sammlung altägyptischer Papyri und veröffentlichte das Buch Abraham, in dem weitere Lehren enthalten sind, die eine inspirierte Übersetzung der Papyri sein sollen (ebenfalls enthalten in dem Schriftband Köstliche Perle). Neben diese Kirchenschriften treten Aufzeichnungen von Lehrgesprächen und Vorträgen Smiths als eine weitere Grundlage der heutigen mormonischen Religionsgemeinschaften.

Das Gottesbild fast aller mormonischen Glaubensrichtungen ist antitrinitarisch.[17] Gott, Jesus Christus und der Heilige Geist stehen als verschiedene Personen nebeneinander. Die Gläubigen nehmen eine Möglichkeit an, selbst über die Erlösung hinaus zu göttlicher Würde aufzusteigen, so wie „Gott einst ein Mensch“ gewesen sei. Kritiker werfen ihnen daher Polytheismus vor: „Die Mormonen verehren nur einen Gott, glauben aber, dass es neben diesem noch andere gibt, die wie er göttliche Erhöhung erlangt haben. Auch Gott selbst war einmal ein Mensch, der durch Lernen, Prüfung und Wachstum zu einem Gott herangereift ist.“[18]

Abweichend hiervon lehrt die zweitgrößte mormonische Kirche, die Gemeinschaft Christi, ein trinitarisches Gottesbild. Sie hat auch das Bekenntnis von Nicäa anerkannt[19] und verwendet das Kreuz als Symbol in ihrer Kirche, während die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage das Kreuz als zentrales Erkennungszeichen ablehnt.

Die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bezeichnen sich selbst entschieden als Christen[20][21][22] und sehen sich durch die Offenbarungen Joseph Smiths gegenüber der „Großen und greuelreichen Kirche“ im Besitz der ursprünglichen christlichen Glaubensinhalte. Sie sind daher einer Wiederherstellungsbewegung zuzurechnen, die nach eigener Überzeugung ein Urchristentum entsprechend dem Arianismus bewahren. Demgegenüber verweisen die großen christlichen Kirchen darauf, dass nach dem Neuen Testament die christlichen Glaubensgrundsätze mit Jesus Christus abgeschlossen seien und daher Neuoffenbarungen nicht möglich wären. Außerdem seien mormonische Überzeugungen zum Wesen Gottes mit der christlichen Vorstellung der Trinität und zur Erlösung durch die Gnade Gottes nicht mit christlichen Grundsätzen (entsprechend der Ansichten des Athanasius) vereinbar.

Demgegenüber stehen die großen christlichen Kirchen auf dem Standpunkt, dass nach der Kanonisierung des Neuen Testaments die christlichen Glaubensgrundsätze abgeschlossen seien und Neuoffenbarungen nicht möglich seien. Die großen christlichen Kirchen halten die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht für eine christliche Religion, sondern für eine „eigenständige, synkretistische Neu-Religion“[21] und erkennen ihre Mitglieder nicht als getaufte Christen an.[23] Im Gegensatz dazu wird die Taufe der Gemeinschaft Christi anerkannt. Diese Position vertreten die römisch-katholische Kirche,[24] die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands,[21] die Evangelisch-methodistische Kirche[25] und die Presbyterian Church.[26]

Gemäß einer Umfrage aus dem Jahr 2007 wissen 51 % der US-Amerikaner nach eigenen Angaben kaum etwas über das Mormonentum. Eine knappe Mehrheit von 52 % der befragten US-Amerikaner hielten das Mormonentum für eine christliche Religion, während ein knappes Drittel (31 %) das Mormonentum nicht für eine christliche Religion hielt.[27]

Geschichte

Landkarte der östlichen Vereinigten Staaten, die die wichtigen Bewegungen der HLT in den Jahren 1830 bis 1839 zeigt.
Joseph Smith, jr.
Brigham Young
Joseph Smith III, Sohn von Joseph Smith, jr.

Laut der offiziellen Geschichtsschreibung der Mormonen erhielt Smith seine erste göttliche Offenbarung, die sogenannte Erste Vision, mit 14 Jahren nahe dem elterlichen Haus in Upstate New York.[28] In weiterer Folge brachte er das Buch Mormon hervor und gründete am 6. April 1830 mit sechs weiteren Personen die Church of Christ.

Die junge Religion wuchs schnell, da sie Glaubensansichten lehrte, die besonders in der ländlichen Bevölkerung Anklang fand, und zudem durch die Veröffentlichung des Buches Mormon eine Verbindung zu den archäologischen Funden und Leistungen amerikanischer Indianerkulturen herstellte. Anfang des 19. Jahrhunderts waren unter den damaligen Amateur-Archäologen Theorien verbreitet, wonach eine vergangene entwickeltere Rasse – die Verlorenen Stämme Israels, die Alten Ägypter, die Antiken Griechen oder andere – den amerikanischen Kontinent besiedelt und später verlassen habe.[29][30] Indem die zentrale Heilige Schrift Smiths, das Buch Mormon, an solchen Theorien anknüpfte und die amerikanische Landschaft sowie zum Teil auch deren Ureinwohner in den biblischen Heilsplan einbezog, wird die Religion der Mormonen von einigen heutigen Historikern als die amerikanischste unter allen Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts angesehen.[31]

Smiths Religion bot darüber hinaus eine klare Möglichkeit der Erlösung von Schuld für sich selbst und die eigene Familie und hatte eine strenge Struktur in Form von Bündnissen und Verordnungen, die später durch Rituale in speziellen Gotteshäusern – den Tempeln – erweitert wurden. Durch das Kirchenamt des „Propheten, Sehers und Offenbarers“ würden die Mormonen auch immer über göttliche Offenbarungen verfügen, die die Kirche leiten könnten.

Das Wachstum der Kirche und die Bestimmtheit der Anhänger lösten Ablehnung und Verfolgung aus. Smith und die Mitglieder der Kirche flohen nach Westen an die Frontier, wo sie ihr Zion zu finden hofften. Sie ließen sich in den erst kurz bestehenden Siedlungen nieder oder gründeten selbst neue Orte. Anfangs sammelten sie sich in Kirtland, Ohio. Hier etablierte Smith 1831 das Kirchenleben, gründete den United Order of Enoch mit in Gütergemeinschaft lebenden Angehörigen und sie bauten von 1833 bis 1836 ihren ersten Tempel, den Kirtland Temple. 1837 mussten sie den Ort aber nach dem Ruin ihrer Bank Kirtland Safety Society verlassen. Sie zogen nach Independence, Missouri und, als es dort zu Konflikten mit anderen Siedlergruppen kam, nach Far West, Missouri. Die Konflikte holten sie ein, die Gewalt eskalierte, es gab mehrere Ausweisungsbeschlüsse für alle Mormonen im ganzen Staat Missouri, und Smith war im Gefängnis von Liberty, Missouri, inhaftiert, als seine Anhänger 1839 nach Nauvoo in Illinois weiterzogen.[32]

In Nauvoo formte Smith die Glaubensinhalte der Kirche weiter aus. Dem Buch Lehre und Bündnisse wurden auf Grund von neuen Offenbarungen Abschnitte über Errettung, Taufe für Verstorbene und Mehrfachehe beigefügt. Nach Errichtung des zweiten Tempels führte Smith die Mitglieder der Kirche in die weiteren Tempelzeremonien ein. Da Smith im selben Zeitraum einer Freimaurerloge beitrat,[33] mag die dort kennengelernte Symbolsprache Einfluss auf die Ausformung der Tempelverordnungen gehabt haben.

Des Weiteren veröffentlichte Smith 1842 das Buch Abraham, eine von ihm selbst angefertigte, vermeintliche Übersetzung einiger von ihm in Kirtland gekaufter ägyptischer Papyrusrollen. Smith war des Altägyptischen und der ägyptischen Hieroglyphen nicht mächtig, erklärte jedoch, die Rollen enthielten auch Textstellen über das Wirken Abrahams. Nachdem die Papyrusrollen jahrelang verschollen galten, wurden Teile davon im Jahr 1967 zufällig entdeckt. Bei den wiedergefundenen und noch erhaltenen Fragmenten – ein Großteil der ursprünglichen Rollen wurde zerstört oder ging verloren[34] – handelt es sich um eine Abschrift des „Buchs vom Atmen“, einer Kurzfassung des Ägyptischen Totenbuchs.

Durch Änderungen in der Kirche und Uneinigkeit in den Führungsgremien kam es zunehmend zu Fraktionsbildungen und Gewaltausbrüchen zwischen den einzelnen Gruppen. Außerdem geriet die wachsende mormonische Gemeinschaft in politische Konflikte zwischen den beiden großen Parteien im Staat Illinois. Wegen der Zerstörung der Druckerpresse einer nicht-mormonischen Zeitung wurde Smith im Juni 1844 in das Gefängnis zu Carthage gebracht. Nur wenige Tage später, am 27. Juni 1844, drangen radikalisierte Gegner Smiths in die Haftanstalt ein. Bei einem Schusswechsel zwischen den Angreifern und dem bewaffneten Häftling wurden Joseph Smith und sein älterer Bruder Hyrum erschossen.[35]

Der Tod ihres Propheten traf die Kirche unvorbereitet. Es gab keine allgemein akzeptierte Nachfolgeregelung. Smiths Sohn Joseph Smith III war zu diesem Zeitpunkt erst elf Jahre alt. Die Mehrzahl schloss sich Brigham Young, dem Präsidenten des 1835 gegründeten Kollegiums der Zwölf Apostel an. Er versuchte einen Neuanfang und zog ab 1846 von Missouri auf dem später so benannten Mormon Trail über die Rocky Mountains. Auf formal noch mexikanischem Boden, aber weit außerhalb der Reichweite von dessen Staatsgewalt, gründete er am Großen Salzsee die Stadt Salt Lake City und den Staat Deseret – später Utah.[36] Als Mormonische Pioniere machten sie Teile der Rocky Mountains und der Wüstenlandschaft des Colorado Plateaus urbar, was zu Konflikten mit den Indianern führte. Young und seine Anhänger behielten den Namen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und alle Lehren Smiths bei.

1848 dehnten sich die Vereinigten Staaten auch auf den Westen jenseits der Rocky Mountains aus. Zunächst wurden die Mormonen und ihre Strukturen akzeptiert.[37] Brigham Young wurde 1850 von US-Präsident Millard Fillmore als Gouverneur des Utah Territory ernannt. Bald entstanden Konflikte und 1857 wurde Young abgesetzt. Aufgrund von Drohungen entsandte die Bundesregierung der Vereinigten Staaten seinen Nachfolger unter dem Schutz eines Truppenkontingents. Die Furcht vor dem Anrücken der Armee löste den Utah-Krieg und das Mountain-Meadows-Massaker aus, das Mormonen an unbeteiligten Siedlern anrichteten. Zwischen 1864 und 1874 spielten wieder Gütergemeinschaften unter dem Namen Vereinigte Ordnung eine große Rolle beim Aufbau der Gesellschaft in Utah. Die Mormonen gründeten eigene Handelsgesellschaften und boykottierten bis 1882 alle Betriebe von Nicht-Mormonen in Utah. Die wirtschaftliche, politische und kulturelle Macht der Mormonen zog Kritik an, die sich vor allem an der Mehrehe festmachte, in der rund 20 % der Mormonen lebten. 1862, 1874, 1882 und 1887 wurden Bundesgesetze gegen Mormonen erlassen. Mehr als tausend Mormonen wurden als Bigamisten zu Haftstrafen zwischen einem halben und fünf Jahren verurteilt, die politische Selbstverwaltung mormonischer Ortschaften wurde eingeschränkt und Kircheneigentum eingezogen. Erst nachdem die Kirchenführung 1890 die Mehrfachehe und 1891 die politische Partei der Mormonen abgeschafft hatte, konnte Utah 1896 der 45. Bundesstaat der Vereinigten Staaten werden. Mehrere kleinere Gruppen waren mit diesen Veränderungen nicht einverstanden. Sie spalteten sich von der Hauptkirche ab und leben zum Teil heute noch polygam.

Andere blieben beim Auszug Youngs in Illinois oder Missouri und verwarfen die Spätlehren Smiths. Die meisten von ihnen wurden 1860 von Smiths Sohn Joseph Smith III zur Reorganisierten Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage zusammengeführt. Während die Kirche Jesu Christi HLT wegen der Mehrfachehe unter Druck stand, wurde 1880 die Reorganisierte Kirche von einem Gericht in Lake County, Ohio als legitimer Rechtsnachfolger der ursprünglichen Church of Christ anerkannt, und ihr wurde der ursprüngliche mormonische Tempel, der Kirtland Temple nahe dem heutigen Cleveland, zugesprochen.[3] Die Reorganisierte Kirche heißt seit 2001 Gemeinschaft Christi und ist heute die zweitgrößte mormonische Gemeinschaft.

Heutige Aufteilung

Eine englische Zeitleiste, die die vielen Abspaltungen und Kirchengründungen innerhalb des Mormonentums darstellt.

Abspaltungen gab es im Mormonentum schon früh. Die Reine Kirche Christi war die erste Abspaltung. Es gibt heute rund 70 mormonische Glaubensgemeinschaften,[38] die in die folgenden Hauptströmungen geordnet werden können:

Die größte Gruppierung, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, beanspruchte in der Vergangenheit die Bezeichnung „Mormonen“ exklusiv für ihre Mitglieder, um eine Verwechslung mit den anderen Gruppen in der Berichterstattung zu vermeiden. Sie berief sich dabei auf das Associated Press Stylebook.[41] Diese Praxis wurde im Jahr 2018 geändert. Präsident Russell M. Nelson ließ neu festlegen, dass die Kirche Jesu Christi HLT die Bezeichnung Mormonen für sich nicht mehr wünscht und unter dem vollen Namen der Kirche oder einer entsprechenden Abkürzung bezeichnet werden möchte.[6] Eine Reihe der Prärie-Mormonischen Kirchen stimmt dem insoweit zu, als sie schon immer für sich selbst die Bezeichnung „Mormonen“ abgelehnt haben.

Siehe auch

Portal: Mormonentum – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Mormonentum

Literatur

Weblinks

Commons: Mormonen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Mormonentum – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Mormone – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Church of Christ: General Denominational Information (englisch).
  2. Reorganized Church of Jesus Christ of Latter Day Saints v. Williams, Record T, 1880, S. 488, Court of Common Pleas, Lake County Courthouse, Painesville, Ohio (englisch).
  3. a b Roger D. Launius: Joseph Smith III and the Kirtland Temple Suit (Memento vom 21. Oktober 2013 im Internet Archive) (PDF; 2,8 MB). In: BYU Studies. Brigham Young University, Volume 25 (Sommer 1985), S. 110–116 (englisch).
  4. Kim L. Loving: Ownership of the Kirtland Temple: Legends, Lies, and Misunderstandings.In: Journal of Mormon History 30(2): 1–80 (Herbst 2004).
  5. Eric Paul Rogers and R. Scott Glauser: The Kirtland Temple Suit and the Utah Church. In: Journal of Mormon History 30(2): 81–97 (Fall 2004) (englisch).
  6. a b The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints: Style Guide
  7. The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints: President Nelson Discusses the Name of the Church. Press release, 2018-08-21
  8. Mormonnewsroom: Facts and Statistics (Stand Dezember 2018, englisch)
  9. Cumorah: Law of the Harvest I 01 (englisch).
  10. www.presse-mormonen.de/zahlen-und-fakten
  11. Offizielle Presseseite: Zahlen und Fakten
  12. LDS.org: Statistischer Bericht 2014
  13. Cumorah: Law of the Harvest I 02 (englisch).
  14. Buch Mormon: 2 Nephi 5 (hier wird die dunkle Hautfarbe als ein Fluch beschrieben)
  15. https://www.lds.org/scriptures/bofm/introduction?lang=eng Einleitung des Buches Mormon englisch
  16. https://www.lds.org/scriptures/bofm: Mormon 9:32
  17. Dies gilt nicht für die zweitgrößte Kirche, die Gemeinschaft Christi. Vgl. Steven Shields: Divergent Paths of the Restoration, Independence 2001, S. 68.
  18. www.mormonismus-online.de: Der mormonische Polytheismus
  19. Steven Shields: Divergent Paths of the Restoration, Independence 2001, S. 68 (englisch).
  20. Offizielle Presseseite: Häufige Fragen
  21. a b c Horst Reller (Hrsg.): Handbuch religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen. Im Auftrag der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Gütersloher Verlagshaus, 2000, ISBN 3-579-03585-1. S. 425.
  22. Gary J. Coleman: „Mama, sind wir Christen?“ www.lds.org, 2017, abgerufen am 29. August 2017.
  23. Stellungnahmen der christlichen Kirchen zum Mormonismus. www.mormonentum.de, 2017, abgerufen am 29. August 2017.
  24. Glaubenskongregation der römisch-katholischen Kirche: Responsum ad propositum dubium de validitate baptismatis apud communitatem „The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints“, 5. Juni 2001 (englisch und Latein)
  25. Document of the General Conference of the United Methodist Church (Memento vom 21. Oktober 2013 im Internet Archive) vom Mai 2000, abgerufen am 10. Februar 2009 (englisch).
  26. Presbyterians and Latter-day Saints, abgerufen am 10. Februar 2009 (englisch).
  27. Pew Research Center Summary of Findings: Public Expresses Mixed Views of Islam, Mormonism (englisch).
  28. Richard Lyman Bushman: Mormonism. A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-531030-6, S. 16.
  29. Wolfgang Haberland: Amerikanische Archäologie, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1991, ISBN 3-534-07839-X, S. 236 f.
  30. Josiah Priest: American antiquities and discoveries in the West. Albany, New York, Printed by Hoffman & Whit, 1833, S. 279 in der Google-Buchsuche (englisch).
  31. Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts – München, Beck Verlag 2009; S. 1270.
  32. Richard Lyman Bushman: Mormonism. A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-531030-6, S. 11.
  33. Richard Lyman Bushman: Mormonism. A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-531030-6, S. 56.
  34. Brian M. Hauglid: Textual History of the Book of Abraham. Brigham Young Univ Pr (15. April 2011), ISBN 978-0-8425-2774-3, S. 213 f.
  35. Richard Lyman Bushman: Mormonism. A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-531030-6, S. 13.
  36. Richard Lyman Bushman: Mormonism. A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-531030-6, S. 84.
  37. Thomas G. Alexander: Mormonism. In: Paul Finkelman (Hrsg.): Encyclopedia of the United States in the nineteenth century. Scribner and Sons 2001, ISBN 0-684-80498-0, Band 2, S. 363–365 (englisch).
  38. Relinfo: Mormonentum
  39. https://www.kirche-jesu-christi.at/polygamie-unter-den-mormonen%C2%A0%E2%80%93-damals-und-heute
  40. Richard Lyman Bushman: Mormonism. A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-531030-6, S. 14.
  41. Style Guide – The Name of the Church (englisch).