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Alfred Krupp

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Alfred Krupp

Alfred Krupp (* 26. April 1812 in Essen; † 14. Juli 1887 in Essen, ursprünglich eigentlich Alfried Krupp) war Industrieller und Erfinder. Er baute die von seinem Vater Friedrich Krupp gegründete Kruppsche Gussstahlfabrik, die heute in der ThyssenKrupp AG aufgegangen ist, zum damals größten Industrieunternehmen Europas aus. Dies bewerkstelligte er zunächst mit der Herstellung nahtloser Radreifen, die beim Ausbau des Eisenbahnwesens reißenden Absatz fanden, später jedoch vor allem mit Rüstungsaufträgen. Alfred Krupp war der größte Waffenproduzent seiner Zeit, was ihm den Beinamen Kanonenkönig einbrachte.

Die Anfänge

Geburtshaus von Alfred Krupp und seinem Vater Friedrich Krupp in Essen, etwa 1850–1880
Alfred Krupp. Gemälde von Julius Gruen.
Alfred Krupp teilte das Vergnügen am Reitsport mit dem Adel
Alfred Krupp

Alfred Krupp wurde als Sohn von Friedrich Krupp (1787–1826) und dessen Frau Theresia Helena Johanna Wilhelmi (1790–1850) geboren. Das Geburtshaus war ein Stadthaus am Flachsmarkt 9 in Essen, in dem auch sein Vater zur Welt kam. Die Vorfahren der Familie Krupp waren Essener Ratsleute und angesehene Kaufleute. Als deren Stammvater gilt der holländische Religionsflüchtling Arndt Kruipe († 1624).

Alfreds Vater Friedrich Krupp war es zeitlebens nicht gelungen, die von ihm 1812 aus der Walkmühle nördlich von Essen gegründete Gussstahlfabrik, bestehend aus Hammerwerk mit Steinschmelze, auf eine gesunde Wirtschaftsbasis zu stellen. Bis 1839 blieb dieses erste produktive Werk in kruppschem Besitz. 1819 wurde die Fabrik auf das Familiengrundstück an die Altendorfer Chaussee verlegt. Durch diesen Neubau waren bald alle finanziellen Mittel aufgebraucht. 1824 wurde das gemeinsame Geburtshaus am Flachsmarkt verkauft, so dass die Familie in das Aufseherhaus, später Stammhaus Krupp genannt, bei der neuen Fabrik zog. Friedrich Krupp starb 1826, als Alfred Krupp 14 Jahre alt war. Alfred war zuvor von seinem Vater in die Gussstahlherstellung eingewiesen worden. Die Familie lebte zu diesem Zeitpunkt bei der Tante in Metternich, da die Versorgung nur dort gesichert war. Der Betrieb, der zu diesem Zeitpunkt nur sieben Arbeitnehmer beschäftigte aber mit 10.000 Talern verschuldet war, ging an Friedrichs Frau Theresia über. Gemeinsam mit der Schwägerin Helene von Müller geb. Krupp wurde eine Gesellschaft zur Gussstahlherstellung gegründet. Der Gesellschaftsvertrag wurde von allen Erben Friedrichs und der Schwester Helene von Müller als neue hinzutretende Teilhaberin unterschrieben. Der Sohn Alfred brach zu diesem Zeitpunkt die Schule ab und übernahm die Firmenleitung, wenngleich der Betrieb offiziell weiterhin der Mutter gehörte. Das Unternehmen dümpelte weiterhin jahrelang mit wenigen Mitarbeitern vor sich hin. Erst ab etwa 1830 änderte sich die Situation. Durch die Entwicklung des Eisenbahnwesens in Deutschland und Europa stieg der Bedarf an Gussstahl, der zur Schienenherstellung und für Achsen benötigt wurde, stark an. Am 26. August 1830 lieferte Krupp, nach der Überwindung einiger Mühen bei der Herstellung, zum ersten Mal Walzen aus Gussstahl an die Firma Hüsecken in Hohenlimburg.

Die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 förderte den Güterverkehr in Deutschland. 1836 beschäftigte Krupp etwa 60 Arbeiter. Um seine Kruppianer, wie sie später genannt werden, kümmerte Alfred Krupp sich zeit seines Lebens: Er führte eine Krankenversicherung ein und ließ - beginnend mit den Meisterhäusern - ab 1861 Werkswohnungen bauen. Im Gegenzug verlangte er Loyalität und Identifikation mit der Firma.

1838 meldete Krupp ein Patent für die Löffelwalze aus Gussstahl zur Herstellung von Löffeln und Gabeln an. Alfred Krupp bereiste in den folgenden Jahren ganz Europa, immer auf der Suche nach Kunden, um das Geschäft am Leben zu erhalten. Die Firma expandierte zwar, hatte jedoch eine sehr dünne Finanzdecke und blieb so ständig in Gefahr, bankrott zu gehen. Im niederösterreichischen Berndorf gründete er mit dem Bankier und Geschäftsmann Alexander von Schoeller die Berndorfer Metallwarenfabrik, wo zuerst Essbestecke aus Silber, bald aber aus Alpacca hergestellt wurden. Diese Firma übernahm aber, nachdem er sich wieder nach Deutschland zurückzog, sein Bruder Hermann Krupp.

Die Herstellung von Waffen begann als Hobby: Nach einer siebenjährigen Versuchszeit schmiedete Krupp 1843 in Handarbeit seinen ersten Gewehrlauf. Erste Versuche, Schusswaffen aus Stahl zu verkaufen, scheiterten kläglich, da die Militärs lieber auf solide Bronze vertrauten. In ihren Augen war Stahl zu eng mit Gusseisen verwandt, das zu spröde und deshalb für den Zweck der Geschützherstellung nicht verwendbar sei.

Er pflegte eine freundschaftliche Beziehung zu Friedrich Carl Devens (1782-1849) und dessen Familie. Krupp beschenkte Mitglieder der Familie Devens mit den in seinem Werk in Essen gefertigten ersten Gußstahlläufen für Jagdgewehre und Scheibenpistolen bei seinen Besuchen auf der nahe gelegenen Knippenburg. Er war auch öfter Gast auf Schloss Welheim, wo er u.a. den Schießplatz nutzte, um seine neuen Gewehrläufe zu testen. [1]

1847 wurde die erste kruppsche Gussstahlkanone hergestellt und dem preußischen Kriegsministerium zur Ansicht gegeben. Diese wurde direkt ins Arsenal gegeben und erst nach zwei Jahren getestet. Die Resultate waren zwar hervorragend, das Ministerium sah aber dennoch keinen Grund, solche Kanonen zu bestellen.

1848 wurde Alfred Krupp Alleineigentümer der Essener Gussstahlfabrik, die in den darauf folgenden Jahren weiterhin den Umsatz im Wesentlichen mit der Produktion von Walzen und Besteck aus Gussstahl erzielte.

Aufstieg

Die drei nahtlosen Eisenbahn-Radreifen von Krupp

Der endgültige Durchbruch gelang Alfred Krupp mit der Erfindung des nahtlosen Radreifens 1852/1853: Ein geschmiedetes längliches Stück Stahl wurde mittig gespalten, ringförmig auseinandergetrieben, gestreckt und schließlich gewalzt. Für Jahrzehnte waren Eisenbahnreifen Krupps Kernprodukt, was vor allem daher rührte, dass die meisten US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften Kruppsche Radreifen nutzten. Das Symbol der Firma Krupp ist deswegen auch keineswegs eine Kanone, sondern zeigt drei versetzt aufeinander liegende – nicht ineinander verwobene – Radreifen. Als Ergebnis dieses ersten Wachstumsschubs beschäftigte die Firma in den 1850er Jahren rund 1.000 Arbeiter.

Alfred Krupp heiratete im Jahre 1853 die rund zwanzig Jahre jüngere Bertha geb. Eichhoff (* 13. Dezember 1831; † 4. September 1888). Die beiden hatten einen Sohn, Friedrich, insgesamt verlief die Ehe eher unglücklich. Sein fast ausschließliches Interesse galt dem Unternehmen, in das er seine ganze Zeit investierte. Seine Frau konnte sich wegen der industriellen Verschmutzung mit der Stadt Essen nicht anfreunden. Bertha verbrachte daher die meiste Zeit des Jahres mit ihrem Sohn Friedrich in Italien.

Um 1857 entwickelte Alfred eine eigene Version einer Hinterlader-Kanone. Als er sie dem preußischen Militär 1858 zum Kauf anbot, wurde sie jedoch abgelehnt, da man berechtigte Zweifel an der Funktionstüchtigkeit der Waffe hatte, die im Zusammenhang mit der Unzuverlässigkeit der Verschlüsse stand. Alfred Krupp verfolgte jedoch auch weiterhin sein Ziel, sich als Waffenproduzent zu etablieren, und im April 1860 verkaufte er die ersten Stahlkanonen: Preußen ordert 312 Sechspfünder-Vorderlader.

Gussstahlfabrik Essen im Jahre 1864

Sehr schnell wurden nun die Umsätze aus Waffenverkäufen gesteigert. Krupp lieferte Kanonen an alle europäischen Großmächte mit Ausnahme Frankreichs. Damit verbunden war ein weiteres Wachstum des Unternehmens, das durch die Einführung innovativer Produktionstechniken unterstützt wurde. 1861 entwickelte Krupp den mehrere Tonnen schweren Schmiede-Dampfhammer „Fritz“, und die Massenproduktion von Stahl wurde durch neuartige Methoden möglich gemacht: Sowohl das Bessemer-Verfahren, welches er aus England einkaufte, als auch das Siemens-Martin-Verfahren wurden von Krupp als erstem Unternehmen in Deutschland eingesetzt. Das Bessemer-Verfahren erlaubt die Herstellung von Stahl aus Roheisen durch Zufuhr von Luft und Wärme, beschleunigt den Umwandlungsprozess des Eisens zum Stahl von 24 Stunden des Puddelns herunter auf 20 Minuten des Frischens, und erleichtert die Produktion somit ungemein.

Nicht zuletzt wegen der Überlegenheit der Kruppschen Stahlgeschütze gegenüber den dänischen Bronzekanonen gewann Preußen 1864 den Deutsch-Dänischen Krieg. Im Jahre 1866 standen sich im Deutschen Krieg das erste Mal Heere gegenüber, die beide von Krupp ausgerüstet worden waren. Ein Jahr später wurde die Hinterlader-Kanone durch die Entwicklung des Rundkeil-Verschlusses durch Krupp perfektioniert. Der Deutsch-Französische Krieg wurde durch Moltkes logistisches Genie und vor allem die doppelte Reichweite der preußischen Stahlkanonen im Vergleich zu den französischen Bronzekanonen entschieden und machte Krupp reich.

Das größte Unternehmen Europas

In den Gründerjahren nach der Formierung des Deutschen Reiches verdoppelte sich die Produktion der deutschen Schwerindustrie und die Firma, wie man Krupp nun allgemein nannte, wurde das größte Industrieunternehmen Europas. Essen wurde Kruppstadt und wuchs um zehntausende Einwohner an. Trotzdem war Krupp ständig in Gefahr, bankrott zu gehen, so beispielsweise 1874 bei der Finanzkrise der deutschen Schwerindustrie, die aufgrund hoher Überkapazitäten in Schwierigkeiten kam. Als Ergebnis schuldete Krupp den Banken die beträchtliche Summe von 30 Millionen Mark, konnte die Verbindlichkeiten jedoch dank des Eisenbahnbooms in den USA recht schnell abbezahlen.

Villa Hügel (Gartenseite), links die Bibliothek, mittig verbindend der Gobelinsaal, rechts das heutige Krupp-Museum

Ebenfalls in diese Zeit fiel der Bau der Villa Hügel, des prächtigen „Stammschlosses“ der Krupps, dessen technischer Innenausbau von Alfred Krupp persönlich entworfen wurde. Aus Angst vor Feuer wurde es ohne jegliche brennbare Materialien gebaut und mit seinen technischen Einrichtungen – u. a. Heizung, Speisenaufzüge – ein Symbol der Industrialisierung.

Als Reaktion auf einen im Jahre 1871 von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) organisierten Generalstreik veröffentlichte er 1872 das Generalregulativ, das an alle Arbeiter verteilt wurde. In seinen 72 Paragraphen, die bis zum Ende der Firma als Familienunternehmen 1967 gültig blieben, werden die Rechte und Pflichten der „Kruppianer“ penibel beschrieben:

„Untreue und Verrat muss mit aller gesetzlichen Strenge verfolgt werden … denn wie aus dem Samen die Frucht hervorgeht und je nach seiner Art Nahrung oder Gift, so entspringt dem Geist die Tat – Gutes oder Böses.“

Die den Arbeitern auferlegten Pflichten waren streng, im Gegenzug wurden jedoch umfangreiche Sozialleistungen gewährt. So konnten die Arbeitnehmer verbilligten Wohnraum nutzen, und sie erhielten Krankenversicherungsschutz. Erstmals in Deutschland wurde zusätzlich demjenigen, der Zeit seines Lebens bei Krupp beschäftigt war, eine Betriebliche Altersversorgung gewährt. Wurde ein Arbeiter entlassen, so verlor er alle diese Privilegien. Die spätere Sozialgesetzgebung Otto von Bismarcks orientierte sich weitgehend am Kruppschen Generalregulativ.

Grabmal auf dem Friedhof Bredeney: schwarzer Sarkophag mit zwei figürlichen Bronzeskulpturen

In den 1880er Jahren wurde die Konkurrenz der amerikanischen Stahlindustrie erdrückend. Krupp verlor den amerikanischen Markt und damit sein Hauptabsatzgebiet für Radreifen. Fortan konzentrierte er sich auf Rüstungsproduktion und -entwicklung. Gleiches galt für seine beiden größten Konkurrenten, den Franzosen Henri Schneider und den Engländer William Armstrong. Die drei zusammen setzten die europäische Rüstungsspirale in Gang, deren Resultat später die Materialschlachten des Ersten Weltkriegs waren.

In Deutschland kämpfte Alfred Krupp unterdessen gegen die Sozialistische Arbeiter-Partei. So fürchtete er bei Umsetzung der sozialistischen Ideen nicht nur einen Bankrott, sondern er betrachtete seine Arbeiter als sein Eigentum, denen er auch Vorschriften hinsichtlich Meinungsäußerungen und Wahlverhalten machen wollte. Es wurde eine schwarze Liste derjenigen Arbeiter geführt, die an Demonstrationen teilnahmen; wer auf ihr notiert war, wurde entlassen, beziehungsweise erst gar nicht eingestellt. Vor jeder Reichstagswahl wurden die Arbeiter aufgefordert, nicht die SDAP zu wählen.

1887 starb Alfred Krupp 75jährig an einem Herzinfarkt. Er wurde auf dem damaligen Friedhof am Kettwiger Tor an der Hohenburgstraße in Essen beigesetzt. Wegen Erweiterung des Bahnhofsvorplatzes 1910 wurden das Grab an die Freiheit südlich des Hauptbahnhofes verlegt. 1955 zwangen kommunale Baumaßnahmen erneut zu einer Verlegung der Grabstätte. Sie befindet sich seitdem auf dem städtischen Friedhof Bredeney an der Westerwaldstraße in Essen.

Sein Sohn Friedrich Alfred Krupp erbte die Firma, die mittlerweile 20.000 Beschäftigte hatte.

Persönlichkeit

Alfred Krupp war auf der einen Seite ein unermüdlicher Arbeiter, der sich nie auf Erfolgen ausruhte, andererseits aber auch ein Hypochonder ersten Ranges, der unter Depressionen litt und dann über Wochen und Monate das Bett nicht verließ.

Seine Einstellung als Arbeitgeber war die eines Patriarchen, der von seinen Arbeitnehmern nicht nur Respekt, sondern auch Gehorsam forderte und dafür eine umfassende Versorgung gewährleistete. Unternehmerisch war Krupp von sich selbst überzeugt. Mit diesem ausgeprägten Selbstbewusstsein empfing er in der Villa Hügel die europäischen Machthaber. Könige und Kaiser kamen zu Besuch, nicht aus gesellschaftlichen Gründen, sondern als Kunden. Daher lehnte er auch 1865 den Adelstitel ab, der ihm vom preußischen König angeboten worden war. Das sei „seinen Wünschen nicht entsprechend“. Er heiße Krupp, und das sei genug.

Bekannt ist Krupps Graphomanie. Er hatte ein großes Bedürfnis, sich mitzuteilen, und schrieb im Laufe seines Lebens mehrere Tausend Briefe – manchmal derselben Person mehrere an einem Tag. Er verfasste auch eine Unzahl an Memoranden an seine Arbeiter. 1877 richtete Krupp „ein Wort an meine Angehörigen“. Dort hieß es: „Ich habe die Erfindungen und neuen Produktionen eingeführt, nicht der Arbeiter. Er ist abgefunden mit seinem Lohne, und ob ich darauf gewinne oder verliere, das ist meine eigene Sache“. Im übrigen befahl er seinen Arbeitern: „Genießet, was Euch beschieden ist. Höhere Politik treiben erfordert mehr freie Zeit und Einblick in die Verhältnisse, als dem Arbeiter verliehen ist.“

Große Bewunderung hegte Krupp für England. Deshalb behielt er nicht seinen Taufnamen Alfried bei, sondern nannte sich Alfred.

Unbelegt ist die Anekdote, dass Krupp den Geruch von Pferdedung liebte und sich deshalb sein Arbeitszimmer über den Pferdeställen der Villa Hügel bauen ließ, um sich über Belüftungsschächte der mit Dunggeruch gewürzten Landluft zu versichern.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Berdrow: „Die Familie Krupp in Essen von 1587 bis 1887", Graphische Anstalt der Friedrich Krupp AG, Essen, 1931.
Commons: Alfred Krupp – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien