Andreas Gayk

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Andreas Gayk 1948

Andreas Gayk (* 11. Oktober 1893 in Kiel;[1]1. Oktober 1954 ebenda) war ein deutscher Sozialdemokrat. Er war nach dem Zweiten Weltkrieg Oberbürgermeister von Kiel und betrieb den Wiederaufbau der zerstörten Stadt.

Zur Welt kam Andreas Gayk in Gaarden, das damals noch kein Teil von Kiel war. Sein Vater arbeitete als Tischler auf einer Werft. Nach dem Besuch der Volksschule begann Gayk zunächst eine kaufmännische Lehre, die er jedoch abbrach, um als Journalist bei einer SPD-Parteizeitung in Lüdenscheid zu arbeiten. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg kehrte er nach Kiel zurück. Hier war er 1919 Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates. Er trat in die Redaktion der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung ein, deren Lokalredakteur er ab 1926 war. Er war schleswig-holsteinischer Landesvorsitzender der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde.[2] 1927 organisierte er auf dem städtischen Gut Seekamp die erste Kinderrepublik der „Kinderfreunde“, an der 2.000 Kinder teilnahmen. Eine Dokumentation der „roten Kinderrepublik“ erschien 1929.[3] In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Volkszeitung verboten und Gayk kurzzeitig inhaftiert. Einer weiteren Verfolgung entging er durch den Wohnortswechsel nach Berlin. Hier arbeitete er als Schriftleiter im Verlag Dr. A. Ristow, der von Juni 1933 bis August 1935 die regimekritische Wochenzeitschrift Blick in die Zeit herausgeben konnte. Die Geschäftsleitung hatte Kurt Exner übernommen. Die Zeitschrift wurde 1935 ebenfalls verboten. Bis zu dessen Festnahme arbeitete Gayk bei Blick in die Zeit auch mit Rudolf Küstermeier zusammen. Dieser führte mit anderen 1933 die linkssozialistische Widerstandsgruppe Roter Stoßtrupp an. Im Auftrag von Küstermeier soll Gayk die illegale Zeitung Roter Stoßtrupp 1933 in Kiel verteilt haben.[4] 1936 übernahm Gayk als freier Mitarbeiter von Otto Suhr wissenschaftliche Recherchen, die Suhr für seine Artikel in der Frankfurter Zeitung und im Magazin Deutscher Volkswirt verwendete.[5] Im Januar 1937 begannen Gayks Tätigkeiten in der pharmazeutischen Industrie, und zwar ab dem 1. April 1939 als Handelsvertreter für die Chemischen Werke Albert-Wiesbaden-Biebrich. Am 26. Juli 1943 wurde Gayk zur Berliner Hilfspolizei eingezogen. 1946 übernahm er in Kiel die Chefredaktion der wiederbegründeten Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung.

Verheiratet war Gayk mit Frieda Gayk. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, die im Zweiten Weltkrieg fielen. Nach dem Krieg wohnte das Ehepaar in einem genossenschaftlichen Mehrfamilienhaus (Virchowstraße 2/1. Etage rechts/Ecke Westring). 1954 bezog es eine Wohnung in der Eichendorffstraße.

Seit 1911 war Andreas Gayk Mitglied der SPD Schleswig-Holstein. Danker und Lehmann-Himmel charakterisieren ihn in ihrer Studie über das Verhalten und die Einstellungen der Schleswig-Holsteinischen Landtagsabgeordneten und Regierungsmitglieder der Nachkriegszeit in der NS-Zeit als Protagonisten der Arbeiterbewegung und daher als „oppositionell-gemeinschaftsfremd“.[6]

Nach dem Tag der Befreiung zählte er zu den Wiederbegründern der Parteiorganisation. Zur Vorbereitung der ersten Bezirkskonferenz hatte sich im Sommer 1945 in Kiel eine Organisationsgruppe konstituiert, der neben Andreas Gayk auch Karl Ratz, Heinrich Fischer und Wilhelm Kuklinski angehörten. Entgegen einem Verbot der britischen Militärregierung wurde am 27. und 28. Oktober 1945 in Kiel eine erste Bezirkskonferenz abgehalten.[7]

Auf dem 1. Bezirksparteitag (heute Landesparteitag) der SPD Schleswig-Holstein am 10. März 1946 in Neumünster wurde Gayk zum 3. Vorsitzenden der Bezirksorganisation gewählt. Seit dem 2. Bezirksparteitag, der am 7. Juni 1947 in Bad Segeberg stattfand, gehörte Gayk dem erweiterten Bezirksvorstand an. Im Mai 1948 wurde er zum Vorsitzenden der Bezirksorganisation gewählt. In dieser Eigenschaft erlebte er im Juli 1954 auf dem Bezirksparteitag den Zusammenschluss mit der 1946 abgespalteten Sozialdemokratischen Partei Flensburg (SPF).

Am 11. Mai 1946 wählten die Delegierten des Parteitages in Hannover Andreas Gayk in den Parteivorstand. Seine erste Wiederwahl als Beisitzer erfolgte auf dem Nürnberger Parteitag (29. Juni bis 2. Juli 1947). Vorstandsmitglied blieb er bis zu seinem Tod. Auf dem Düsseldorfer Parteitag (11.–14. September 1948) verlas Gayk für den erkrankten Kurt Schumacher dessen programmatische Rede. Manche Delegierte sahen in Gayk den „Kronprinzen“ der Partei. Nach dem Tod von Schumacher im Jahre 1952 wiederholten sich die Spekulationen über eine Wahl Gayks zum Parteivorsitzenden.[8]

Von 1945 bis 1950 gehörte Gayk der Kieler Ratsversammlung an. Stadtverordneter war er schon in der Weimarer Republik seit 1927 gewesen. Vom 26. Februar 1946 bis zum 9. April 1947 gehörte er dem Ernannten Landtag in beiden Ernennungsperioden an. Am 20. April 1947 erfolgte seine Wahl in den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Die SPD hatte bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1947 dank des Wahlrechtes mit 43 Sitzen die absolute Mehrheit erhalten, so dass Hermann Lüdemann (SPD) zum Ministerpräsidenten gewählt werden konnte. Von 1947 bis 1950 stellte die SPD die Landesregierung. Vom 26. Februar bis zum 11. November 1946 war Gayk Vorsitzender des Landtagsausschusses für Landesplanung und vom 11. April 1946 bis zum 10. Oktober 1950 Vorsitzender der SPD-Fraktion. Gayk war stets als direkt gewählter Abgeordneter des Landtagswahlkreises Kiel-Ost in den Landtag eingezogen. Gayk saß im Parlamentarischen Rat, der in Bonn seit dem 1. September 1948 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (für die Trizone) ausarbeiten sollte. Gayk gehörte dem Fraktionsvorstand an, zu dessen Vorsitzenden die SPD-Fraktion Carlo Schmid wählte.[9]

Öffentliche Ämter

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Am 11. März 1946 wählte die von der Britischen Besatzungsmacht ernannte Ratsversammlung den Zeitungsherausgeber Willi Koch zum Oberbürgermeister und Andreas Gayk zum Bürgermeister, der in dieser Eigenschaft das Amt für Stadtplanung und Wiederaufbau übernahm.

Schüler der Hebbelschule (Kiel) beim Pflanzen junger Bäume (1948)

Am 13. Oktober 1946 wurde – erstmals in der Nachkriegszeit in Deutschland – die Ratsversammlung frei gewählt. In ihrer ersten Sitzung am 18. Oktober 1946 wählte sie Gayk zum Oberbürgermeister von Kiel. Zu dieser Zeit hatte die von der Besatzungsmacht verfügte Kommunalordnung noch Gültigkeit: Der Oberbürgermeister war politischer Repräsentant und Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, wogegen ein Oberstadtdirektor die Verwaltung leitete. Zum Leiter des Presseamtes ernannte Gayk den Journalisten Friedrich Wendel.

Nachdem der schleswig-holsteinische Landtag die Kommunalordnung revidiert hatte, kam es am 24. Oktober 1948 zu Neuwahlen in den Kreisen und Städten. Die neue Kieler Ratsversammlung wählte wiederum Andreas Gayk zum Oberbürgermeister. Eine nochmalige Revision der Kommunalordnung führte schließlich die Magistratsverfassung ein, so dass die Ratsversammlung Andreas Gayk am 20. Mai 1950 zum Oberbürgermeister mit einer Amtszeit von neun Jahren wählte.

In diesem Amt brachte Gayk es in der durch die Luftangriffe auf Kiel besonders schwer getroffenen Landeshauptstadt zu großem Ansehen. Er stellte sich gegen die von den Briten geplante Demontage (Reparation) der Industrieanlagen auf dem Ostufer. Unter dem Schlagwort Bürger bauen eine Stadt forcierte Gayk die Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau der zu 80 % zerstörten Stadt. Geräumte Trümmerflächen, die nicht sofort bebaut werden konnten, wurden nach seiner Idee mit Bäumen bepflanzt. Noch heute gibt es in Kiel einige Reste dieser sog. Gayk-Wäldchen. Er sorgte auch für die Wiederauflage der Kieler Woche.

Büste von Andreas Gayk im Rathaus
  • Wilhelm Ludwig Christiansen: Meine Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Flensburg. Sozialdemokraten zwischen Deutsch und Dänisch 1945–1954. Redaktion: Johann Runge. Herausgeber: Studieafdelingen an der Dansk Centralbibliotek für Sydslesvig, Flensburg 1993, ISBN 87-89178-12-2.
  • Jürgen Jensen, Karl Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk und seine Zeit. 1893–1954. Erinnerungen an den Kieler Oberbürgermeister. Wachholtz, Neumünster 1974.
  • Ida Hinz: Die Kinderrepublik Seekamp. In: Christa Geckeler (Hrsg.): Erinnerungen an Kiel zwischen den Weltkriegen 1918/1939. (Band 58 der Ges. für Kieler Stadtgeschichte). Husum Verlag, Husum 2007, ISBN 978-3-89876-342-4.
  • Wilhelm Knelangen, Birte Meinschien (Hrsg.): »Lieber Gayk! Lieber Freund!« Der Briefwechsel zwischen Andreas Gayk und Michael Freund von 1944 bis 1954. Ludwig, Kiel 2015, ISBN 978-3-86935-269-5.
  • Frank Lubowitz: Kiel kämpft um seine Lebensgrundlagen. Wiederaufbau und Demontage als zentrale Themen der kommunalen Selbstverwaltung. In: Arbeitskreis Demokratische Geschichte (Hrsg.): Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950. Neuer Malik, Kiel 1985, ISBN 3-89029-950-4, S. 73–93.
  • Holger Martens: Zur Rolle von Andreas Gayk in der Kommunal- und Landespolitik 1945–1954. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Bd. 79 (1999), Heft 6, S. 241–276.
  • Franz Osterroth: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Herausgeber: Landesverband Schleswig-Holstein der SPD. Kiel o. J. (Vermutlich 1963).
  • Johannes Rempel: Andreas Gayk. In: ders.: Mit Gott über die Mauer springen. Vom mennonitischen Bauernjungen am Ural zum Kieler Pastor. Herausgegeben von Hans-Joachim Ramm, Husum: Matthiesen 2013, S. 448–450.
  • Hans-Ulrich Schilf: Der Aufbau der Kieler SPD 1945–1949. In: Arbeitskreis Demokratische Geschichte (Hrsg.): Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950. Neuer Malik, Kiel 1985, ISBN 3-89029-950-4.

Historisches Tondokument

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  • Aufbau der Stadt Kiel. Interview mit Andreas Gayk am 22. August 1952 (10:30 min.) In: Christa Geckeler, Jürgen Jensen (Hrsg.): Historische Tondokumente. Vol. 1: Bürger bauen eine neue Stadt. (CD 73:00 min.) Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 2002.
Commons: Andreas Gayk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Nach Recherchen des Stadtarchivs Kiel von 2015 wohnte die Familie des Tischlers Julius Gayk 1893 nicht in Gaarden, sondern in der Annenstraße 66 in Kiel. Vgl. Adreßbuch der Stadt Kiel, sowie der Ortschaften Gaarden und Ellerbek für das Jahr 1893, S. 263.
  2. Uwe Danker, Astrid Schwabe: Filme erzählen Geschichte. Schleswig-Holstein im 20. Jahrhundert. Wachholtz, Neumünster 2010, S. 27.
  3. 2017 zum 90. Jahrestag der Kinderrepublik Seekamp neu herausgegeben von der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte.
  4. Dennis Egginger-Gonzalez: Der Rote Stosstrupp. Eine frühe linkssozialistische Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus. Lukas Verlag, 2018, ISBN 978-3-86732-274-4, S. 572.
  5. Jensen u. Rickers: Andreas Gayk. Neumünster 1974, S. 196f.
  6. Landtagsdrucksache 18-4464, S. 285, abgerufen am 15. Oktober 2020.
  7. W. L. Christiansen: Meine Geschichte. S. 26f.
  8. Dokumentarteil, in: Jensen u. Rickers: Andreas Gayk. S. 249 (SPF) u. 219–222.
  9. Petra Weber: Carlo Schmid. München 1996, S. 353.
  10. Träger*innen der Andreas-Gayk-Medaille
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