Antoniter-Orden
Der Antoniter-Orden (Canonici Regulares Sancti Antonii, Ordenskürzel: CRSAnt; auch Antoniusorden, Antonier, Antoniterorden oder Antonianer) war ein christlicher Hospitalorden.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gründung und Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Orden wurde 1095 als Laienbruderschaft in St.-Didier-la-Mothe (auch St-Didier-de-la-Motte oder La-Motte-Saint-Didier; heute: Saint-Antoine-l’Abbaye) in der Dauphiné in Südostfrankreich gegründet und von Papst Urban II. im gleichen Jahr bestätigt. Er ist nach Antonius dem Großen (um 251–356) benannt. Die Aufgabe des Ordens war die Pflege und Behandlung am Antoniusfeuer Erkrankter, einer im Mittelalter in Europa weit verbreiteten Krankheit, die durch den Genuss von mutterkornverseuchtem Brot verursacht wurde.
Das Stammkloster des Ordens, die Abtei Saint-Antoine-l’Abbaye, befindet sich in Saint Antoine l’Abbaye (Dept. Isère, Frankreich). Ein französischer Ritter, Jocelin von Châteuneuf, brachte um das Jahr 1070 die Reliquien des heiligen Antonius aus Konstantinopel nach Frankreich. Dort übergab er diese der Kirche von St. Didier de la Motte, dem späteren Saint-Antoine l'Abbaye. Später, um 1095, soll der französische Adlige Gaston den Orden als Dank für die Heilung seines Sohnes Guerin vom Antoniusfeuer mit Hilfe der dort befindlichen wundertätigen Reliquien des heiligen Antonius gestiftet haben.[1] Ursprünglich der Pflege von heimkehrenden Pilgern gewidmet, konzentrierte sich die Tätigkeit der Antoniter ab 1217 vor allem auf die Krankenpflege.
Im Spätmittelalter subsumierte man unter dem Namen des Antoniusfeuers alle Arten von Gangränen wie z. B. Wundbrand, den Altersbrand oder den ulcerösen Syphilid.[2] Ein bekannter Antoniter dieser Zeit war der deutsche Wundarzt Hans von Gersdorff am Straßburger Antoniterhof. Er verfasste das chirurgisches Handbuch Feldbuch der Wundarzney.
Ordensregel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ab 1247 lebten die Brüder nach den Ordensregeln des hl. Augustinus. Im Jahr 1298 wurde die Bruderschaft durch Papst Bonifatius VIII. in einen Chorherrenorden umgewandelt. Durch seine Erfolge bei der Heilung des Antoniusfeuers breitete sich der Orden in den Folgejahren auch außerhalb Frankreichs aus. Im 15. Jahrhundert unterhielten die Antoniter in Europa annähernd 370 Spitäler. Mit der Entdeckung des Zusammenhangs zwischen von Mutterkornpilz befallenem Getreide und Antoniusfeuer durch die Medizinische Fakultät der Universität Marburg im Jahre 1597 sank auch die Zahl der Erkrankungen. Im Jahr 1630 hatte dann Tuillier der Ältere, Leibarzt des Herzogs von Sully in Angers, das Mutterkorn als Ursache für jene Form der Gangraen erkannt, die in der Sologne – einem sumpfigen Gebiet südlich von Orleans – endemisch war[3].
Der Quest der Antoniter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um finanzielle Mittel für den Unterhalt der Klöster und Hospitäler zu erzielen, kam der Brauch auf, umherziehende Antonitermönche als Almosenbitter, die auch Reliquien des heiligen Antonius mit sich führten, in die Dörfer und Städte zu senden. Diese Sammelfahrten, Quest genannt, erreichten jährlich fast alle Pfarreien der katholischen Länder Europas. Der „Antoniusbote“ wurde in den Gemeinden mit einer Predigt empfangen, anschließend sammelte er unter der Dorf- und Stadtbevölkerung die Gaben ein – Münzen oder lang haltbare Lebensmittel.[4]
Sebald Beham (1500–1550), ein Nürnberger Maler und Graphiker, hat die Skepsis seiner Zeitgenossen gegenüber den aufdringlichen Sammlungen der Antoniter in einem illustrierten Vers ausgedrückt:
Anthoni herrn man dise nendt / in alle landt man sie wol kendt / das macht ir stettes terminiren / das arm volck sie schentlich verfüren / mit trauung sanct Anthoni peyn / bettlen sehr / auch lerns ire schweyn / schwarz / darauff blaw creutz ist ir kleyt / sind all buben schwer ich eyn eyd.
Niedergang des Ordens
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Orden lebte hauptsächlich von Stiftungen und Spenden, doch infolge der Reformation gingen sowohl die Geldmittel als auch die Bedeutung des Ordens stark zurück. So war auch die personelle Besetzung der einzelnen Niederlassungen zu gering, um ein geordnetes Klosterleben und die Hospitaltätigkeit durchzuführen. Auch waren die Präzeptoreien durch Misswirtschaft und Vernachlässigung der klösterlichen Pflichten in ihrem Bestand gefährdet.[5] Adalbert Mischlewski berichtet in seinem Aufsatz von 1958 über den Antoniter-Orden in Deutschland, dass die Klosterbrüder in Alzey Karten gespielt, die in Frankenberg getrunken und in die in Frankfurt getanzt hätten[6]. Durch ein päpstliches Dekret des Jahres 1777 wurden die letzten 33 in Deutschland verbliebenen Häuser in den Malteserorden inkorporiert. Nur das Kloster in Köln mit seinem 300 Morgen großen Gutshof in Kriel, auf dessen Äckern Weizen angebaut wurde,[7] sowie das Kloster in Höchst entzogen sich dem Dekret. Sie wurden beide 1803 säkularisiert.
Attribute
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Ordenszeichen der Antoniter war ein Antoniuskreuz mit daran herabhängendem Glöckchen.
Das Ordensgewand der Antoniter war ein schwarzes Chorkleid, darüber ein schwarzer Mantel mit hellblauem Antoniuskreuz.
Heute ist vor allem das Antoniterschwein bekannt. Die Antoniter bekamen von der Bevölkerung Ferkel geschenkt, welchen sie eine Glocke umhängten (um sie von den Tieren der Metzger, Bäcker und Müller zu unterscheiden)[8] und in ihre Bettelgebiete brachten. Dort wurden sie von der Bevölkerung über das Jahr hinweg gefüttert. Im Herbst kamen die Antoniter, um die Schweine, welche bis dahin schlachtreif waren, wieder abzuholen und um sie für das Kloster zu schlachten.
Antoniter-Klöster im Heiligen Römischen Reich (HRR)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine der ersten Niederlassungen der Antoniter im HRR war 1214 Memmingen (hier befindet sich heute auch das Antoniter-Museum, das der Geschichte des Ordens und seiner Wirkungsgeschichte gewidmet ist), weitere 41 Häuser folgten. Darunter waren die Klöster in:
- um 1190 Roßdorf, seit 1441 in Höchst am Main (Justinuskirche, Antoniterkloster Höchst)
- 1193 Grünberg (Hessen), Antoniterkloster Grünberg,
- 1222 Tempzin in Mecklenburg (Tochtergründung von Grünberg) mit dem Haus der Antoniter (Wismar)
- Mitte 13. Jh. Antoniterkloster Issenheim, Isenheim (Elsass)
- um 1280 Bern, Haus Bern
- um 1290 Freiburg im Breisgau
- 1315 Prettin, Haus Lichtenbergk
- 1384 Köln, Antoniterkirche (Köln)
- 14. Jahrhundert Antoniterkapelle (Mainz)
- 1391 Mohrkirch, Schleswig-Holstein (Tochtergründung von Tempzin)
- 1393 Nördlingen, Antoniterkloster Nördlingen
- 1434 Würzburg, Antoniterkloster Würzburg
- 1444 Regensburg
- 1454 Bamberg, Antoniterkloster Bamberg
- 1456 Nimburg
- 1490 Eicha
- 1492/93 Arolsen, Kloster Aroldessen
Weitere Niederlassungen enthält die Liste der Antoniterklöster.
Nachwirken: Antoniter-Forum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Verein „Antoniter-Forum / Gesellschaft zur Pflege des Erbes der Antoniter“ wurde am 16. Februar 1991 gegründet. Es widmete sich der Erforschung und Dokumentation des Antoniterordens, befasste sich mit Kunst und Architektur im Umkreis des Antoniterordens, erteilte fachspezifische Informationen und verfolgte karitative Zwecke in Anlehnung an die Ziele der Antoniter. Zur Erfüllung der ersten Aufgabe der Gesellschaft, der Erforschung und Dokumentation des Antoniterordens, wurde 1993 eine Zeitschrift mit wissenschaftlichem Anspruch begründet, das „Antoniter-Forum“. Am 7. Oktober 2017 wurde der Verein auf Beschluss der Mitgliederversammlung aufgelöst.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wolfram Aichinger: El fuego de San Antón y los hospitales antonianos en España. Turia + Kant, Wien 2009, ISBN 978-3-85132-574-4 (in spanischer Sprache).
- Peer Frieß (Hg.): Auf den Spuren des heiligen Antonius. Festschrift für Adalbert Mischlewski zum 75. Geburtstag. Verlag der Memminger Zeitung, Memmingen 1994, ISBN 3-927003-12-3.
- Iso Himmelsbach: Nihil est in actis – nihil? Die Generalpräzeptorei der Antoniter im Bistum Konstanz in Freiburg i. Br. In: Antoniter-Forum, Jg. 16 (2008) ISSN 0944-8985, S. 7–60.
- Johann Paul Gottlob Kircheisen: Beobachtungen über das Mutterkorn und dessen Entstehung. Seidler, Altenburg 1800, Digitalisat.
- Adalbert Mischlewski: Der Antoniterorden in Deutschland. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, Jg. 10 (1958), ISSN 0066-6432, S. 39–66 (Auch als Sonderdruck), online.
- Adalbert Mischlewski: Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts. (Unter besonderer Berücksichtigung von Leben und Wirken des Petrus Mitte von Caprariis) (= Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte, Bd. 8). Böhlau, Köln 1976, ISBN 3-412-20075-1 (zugleich: Diss., Universität München, Katholisch-Theolische Fakultät, 1969).
- Adalbert Mischlewski: Die Antoniter. In: Friedhelm Jürgensmeier, Regina Elisabeth Schwerdtfeger (Hrsg.): Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform, 1500–1700, Bd. 3. Aschendorff, Münster 2007, ISBN 978-3-402-11085-0, S. 123–136.
- Jakob Rauch: Der Antoniterorden, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 9. Jahrgang 1957 S. 33–50
- Herbert Vossberg: Luther rät Reißenbusch zur Heirat. Aufstieg und Untergang der Antoniter in Deutschland. Ein reformationsgeschichtlicher Beitrag. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1968.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gesellschaft zur Pflege des Erbes der Antoniter e.V.
- Wolfgang Jahn: Antoniter. In: Historisches Lexikon Bayerns
- Die Antoniter in Memmingen
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Jakob Rauch, Der Antoniterorden; Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 9. Jahrgang 1957, S. 33–50
- ↑ Elisabeth Clementz: Die Isenheimer Antoniter: Kontinuität vom Spätmittelalter bis in die Frühneuzeit?
- ↑ V. H. Bauer; Das Antoniusfeuer in Kunst und Medizin, Verlag Springer, Heidelberg
- ↑ https://sites.google.com/site/antoniterforum/der-antoniter-orden (ohne Namensangabe)
- ↑ Historisches Lexikon Bayerns, Artikel Antoniter von Wolfgang Jahn www.historisches-lexikon-bayerns.de
- ↑ Adalbert Mischlewski: Der Antoniterorden in Deutschland (Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte); 10. Jg. 1958, S. 66
- ↑ 1. Ausführungsbericht zum Plane des katholischen Fortbildungsinstitutes für Gesundheitsfürsorge (hrsg. im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes). Köln 1930. S. 3f.
- ↑ Werner Dettelbacher: Vom Wirken der Antoniter in Würzburg. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 81–88, hier: S. 84 f.