Das Spinnennetz (1989)

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Film
Titel Das Spinnennetz
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1989
Länge 196 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Bernhard Wicki
Drehbuch Wolfgang Kirchner,
Bernhard Wicki
Produktion Jürgen Haase
Musik Günther Fischer
Kamera Gérard Vandenberg
Schnitt Tanja Schmidbauer
Besetzung

Das Spinnennetz ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahre 1989 von Bernhard Wicki. Es ist die Filmadaption des Fortsetzungsromans Das Spinnennetz von Joseph Roth. Die Uraufführung des Filmes fand am 9. Mai 1989 im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Cannes statt.

Handlung

Der Film beginnt mit der Novemberrevolution 1918, als in Kiel meuternde Marinesoldaten von kaisertreuen Soldaten aufgehalten werden sollen. Leutnant Theodor Lohse (Ulrich Mühe) erteilt Schießbefehl; noch bevor es dazu kommt, wird Lohse von einem Bajonettstich verwundet. Die Revolution von 1918 ist nicht mehr aufzuhalten.

Berlin, Sommer 1923: Nach dem Untergang des Deutschen Kaiserreichs musste Theodor Lohse seine Militärkarriere aufgeben und studiert Jura. Das dringend nötige Geld verdient er sich als Hauslehrer beim jüdischen Bankier Efrussi. Im Hause des Bankiers lernt er den Baron von Rastchuk kennen, der Lohse zu einer nationalen Veranstaltung mitnimmt. Bei dieser Bootstaufe am Wannsee ist auch Prinz Heinrich anwesend, ein früherer Kommandeur von Lohses Einheit. Lohse wird von Prinz Heinrich zu einem Herrenabend zu zweit eingeladen und verbringt, von diesem massiv sexuell bedrängt, aus Opportunismus die Nacht mit dem Prinzen und hofft am nächsten Morgen zur Reichswehr protegiert zu werden. Prinz Heinrich vermittelt ihn stattdessen zu einer rechtsextremen Geheimorganisation (vergleichbar Organisation Consul), deren Chef ebenfalls Baron Rastchuk ist.

Lohse wird Spion für die Organisation, und mit beispiellosem, unerbittlichem Opportunismus und Skrupellosigkeit soll er eine kommunistische Künstler- und Anarchistengruppe um den Kunstmaler Klaften auskundschaften und zerschlagen. Teil dieser kommunistischen Gruppe ist auch Benjamin Lenz (Klaus Maria Brandauer), ein Jude, der sowohl als Polizei-Informant arbeitet als auch mit Informationen an linke wie rechte Gruppierungen sein Geld verdient. Als die kommunistische Gruppe die Berliner Siegessäule sprengen will, ist es Lenz, der das verhindert; die Gruppe wird von der Polizei verhaftet. Theodor Lohse hat trotz seines Antisemitismus inzwischen ein Verhältnis mit der schönen Bankiersgattin Rahel Efrussi begonnen. Bei einem Ernteeinsatz in Ostelbien macht Lohse die Bekanntschaft der aus einer einflussreichen Familie stammenden Else von Schlieffen, die seine künftige Braut wird.

Lohse schlägt sehr brutal einen Streik von polnischen Landarbeitern nieder und wird dafür von der Hugenberg-Presse überschwänglich gelobt. Als Belohnung wird er ins preußische Innenministerium protegiert. Zuvor hat er sich seines alten Schulfreundes Günter entledigt, der über seine Affäre mit Rahel Efrussi Bescheid wusste. Beim Pogrom gegen Juden im Berliner Scheunenviertel kommt es zu unkontrollierten Gewaltaktionen sowie zu Raub und Plünderungen. Benjamin Lenz macht Lohse für diese Aktion verantwortlich und will diesen zum Selbstmord durch einen Sprung aus dem Fenster zwingen, lässt dann jedoch aus Mitleid von dem völlig zusammengebrochenen Lohse ab. Lenz erpresst Lohse wegen des Mordes an Günter und wird schließlich von Schergen Lohses ermordet, indem sie Lenz vor einen herannahenden Zug werfen.

Der Film endet im November 1923, als Lohse und Rastschuk auf einem Fest der Konservativen und Monarchisten vom Hitlerputsch erfahren. Lohse, wie immer ganz Opportunist, ist bereits Parteimitglied der NSDAP.

Hintergrund

Vor dem Hintergrund des Inflationsjahres 1923 zeigt der Film in ausführlicher und detailgenauer Weise die unterschiedlichen Lebenswelten in Berlin: das großbürgerliche Milieu im Hause des Bankiers Efrussi, das kleinbürgerliche Milieu der Familie Lohse, das linke Künstler- und Intellektuellenmilieu, das jüdische Scheunenviertel und das adelige ostelbische Großgrundbesitzermilieu.

Der Arbeitsausschuss der FSK gab den Film ab 16 Jahren frei, wogegen eine Minderheit Einspruch erhob mit dem Ziel einer Freigabe ab 18 Jahren. Zur Prüfung im Hauptausschuss am 4. August 1989 war Bernhard Wicki persönlich anwesend. Der Hauptausschuss bestätigte die Freigabe ab 16. Die Prüfer gaben „Statements eines überaus beeindruckenden Kunsterlebnisses und ungeheurer emotionaler Betroffenheit“ zu Protokoll. Es handle sich um einen „hochmoralischen Film, ein Highlight in der Prüfpraxis der FSK“, weshalb „im Zweifelsfall angesichts des künstlerischen Niveaus der Prüfvorlage der Kunstvorbehalt gelte“.[1]

Der Begriff „Kunstvorbehalt“ hatte sich für nach Meinung der FSK filmische Kunstwerke etabliert, für die andere Grenzen des Zeigbaren gelten sollten.

Auszeichnungen

Buchausgaben

Literatur

  • Jürgen Kniep: „Keine Jugendfreigabe!“. Filmzensur in Westdeutschland 1949-1990, Wallstein Verlag Göttingen 2010 ISBN 978-3-8353-0638-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jürgen Kniep: Keine Jugendfreigabe!, S. 333