Friedrich Pützer

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Friedrich Pützer (* 25. Juli 1871 in Aachen; † 31. Januar 1922 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Architekt, Stadtplaner, evangelischer Kirchenbaumeister, Denkmalpfleger und einflussreicher Hochschullehrer.

Leben

Friedrich Pützer wurde im Juli 1871 als Sohn des Regierungsrats und Direktors der Städtischen Gewerbeschule Johann Mathias Joseph Pützer (1831-1913) und dessen Ehefrau Elisabeth Zander in Aachen geboren. Er absolvierte die Realschule 1889. Der Sohn des Schuldirektors studierte anschließend an der Technischen Hochschule Aachen bei Karl Henrici, einem Anhänger der neuen Lehre von Camillo Sitte. Das Studium schloss er 1894 ab. Von 1894 bis 1896 war er wissenschaftlicher Hilfslehrer an der Oberrealschule in Aachen. 1897 kam er vermutlich auf Wunsch von Georg Wickop nach Darmstadt, wo er zuerst als Assistent bei Karl Hofmann, Erwin Marx und Georg Wickop an der Technischen Hochschule Darmstadt tätig war. Bereits 1898 habilitierte er sich und wurde 1900 außerordentlicher Professor. 1902 wurde er an der Technischen Hochschule Darmstadt zum ordentlichen Professor für Städtebau, Kirchenbau, Perspektive und Stegreifentwurf berufen. Pützer gilt damit als Begründer des Darmstädter Städtebaulehrstuhls. Im selben Jahr übernahm er das Amt des Denkmalpflegers für die hessische Provinz Starkenburg. 1908 folgte die Ernennung zum Kirchenbaumeister der Evangelischen Landeskirche in Hessen. Zu seinen Aufgaben gehörte die Begutachtung und Korrektur von Neubauplänen für evangelische Kirchen im Bereich der Landeskirche. Sein Assistent war Josef Rings.

1914 wurde Pützer in der Nachfolg von Georg Wickop Baureferent der Technischen Hochschule Darmstadt. Der Beginn des Ersten Weltkrieges verhinderte eine größere Bautätigkeit an der TH. 1918/19 war er dann Rektor der TH.

Leistungen

Pützer-Turm in der Hochschulstraße

Pützer entwarf zahlreiche Neu- oder Umbauten von Kirchen im Rhein-Main-Gebiet. Besonders prägend war seine Tätigkeit in Darmstadt, wo er zahlreiche Spuren hinterließ, so zum Beispiel Teile des Hauptsitzes der Merck KGaA an der Frankfurter Straße, den Pützerturm in der Hochschulstraße oder den Bebauungsplan für das Villengebiet Paulusviertel in Darmstadt-Bessungen. Im Jahr 1900 erhielt er vom Magistrat der Stadt Darmstadt den Auftrag, für das Viertel zwischen Herdweg, Nieder Ramstädter Straße, Schießhaus- und Martinstraße (Herdweg-Viertel) einen Bebauungsplan aufzustellen. Bei seiner Planung orientierte Pützer sich an den Prinzipien des Künstlerischen Städtebaus, welcher auf den Architekten, Städteplaner und bildenden Künstler Camillo Sitte zurückgeht. Sitte hatte 1889 mit dem Buch „Der Städtebau nach seine künstlerischen Grundsätzen“ einen 'Bestseller' geschrieben, welcher eine ganze Generation von Planern beeinflusste. Das Paulusviertel ist mit dem Paulusplatz und der evangelischen Pauluskirche (1907), die Pützer ebenfalls entwarf, eine der bedeutendsten bestehenden Anlagen des Künstlerischen Städtebaus in Deutschland.

Auch das erste Hochhaus Deutschlands, das 1915 bis 1916 entstandene Turmhaus der Carl Zeiss AG in Jena, wurde nach seinen Plänen errichtet. Es erreicht mit 11 Stockwerken eine Höhe von 43 Metern.

Einige Werke Pützers haben Jugendstilelemente, so der Hauptbahnhof Darmstadt. Pützer war gemäßigt reformfreudig, pflegte eigentlich den traditionalistischen Stil der Zeit nach der Jahrhundertwende und war vom Expressionismus beeinflusst. Die Gegnerschaft Pützers und seiner ebenfalls dem traditionellen Bauen verschriebenen Professorenkollegen an der Technischen Hochschule bewirkte, dass der Einfluss der Architekten der Darmstädter Künstlerkolonie auf das Gesamtbild der Stadt gering war.

Wegweisend für die Geschichte des Arbeiterwohnungsbaus war Pützers bereits 1905 entworfene Wohnsiedlung auf dem Gelände des Chemie-Unternehmens Merck, die allerdings nur zu rund einem Fünftel verwirklicht und in den 1970er Jahren abgerissen wurde.

Verschiedene Rufe an die Technische Hochschule Hannover, die Technische Hochschule Charlottenburg sowie vertrauliche Anfragen der Technischen Hochschule München hat er nicht angenommen. Friedrich Pützer lehrte an der Technischen Hochschule Darmstadt bis zu seinem Tod; er starb bereits im Jahr 1922 mit 50 Jahren nach eineinhalbjährigem Krankenlager. Er war mit Elisabeth Selck verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen. Das Grab von Püttzer, das seiner Frau sowie seiner zwei Söhne befindet sich auf dem Waldfriedhof Darmstadt.

Auf dem Städtebaulehrstuhl folgte ihm Karl Roth.

Friedrich Pützer hat selbst sehr wenig veröffentlicht; daher war er bis Ende der 1970er Jahre nahezu vergessen. Die Rezeption dieses bedeutsamen Städtebaulehrers basiert auf den inzwischen publizierten Darstellungen seiner gebauten Projekte und den Berichten insbesondere von seinem späteren Nachfolger Max Guther über ihn. Aus Anlass der Sanierung des 1904 eröffneten Erweiterungsgebäudes für die Elektrotechnik (mit dem Pützer-Turm) in der Hochschulstraße plant die TU Darmstadt 2015 eine umfassende Ausstellung zu seinem Leben und Werk.

Ehrungen

Friedrich Pützer erhielt die Preußische Staatsmedaille (1900), den Preußischen Roten Adlerorden 4. Klasse (1905), das Ritterkreuz 1. Klasse Philipps des Großmütigen (1905), die Krone hierzu (1908), den Königlichen Kronenorden 3. Klasse (1912), die Ernennung zum Geheimen Baurat (1913) und die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Aachen (als Dr.-Ing. E.h.).

Friedrich Pützer liegt auf dem Darmstädter Waldfriedhof (Grabstelle: L 8a 51) begraben. Sein Grabmal gestaltete Augusto Varnesi, sein Professorenkollege für dekorative Plastik an der Architekturfakultät der Darmstädter Hochschule.

Nach Pützer sind eine Straße im Frankfurter Stadtteil Praunheim sowie eine Straße in Darmstadt benannt.

Werk

Bauten

„Pützerturm“ der Merck KGaA in Darmstadt
evang. Pauluskirche in Darmstadt-Bessungen
Bau 15 in Jena, ältestes Hochhaus Deutschlands
  • Aachen
    Burghaus Classen, (1899–1900)
    Stadthaus am Katschhof (1900–1903)[1]
  • Affolterbach (Odenwald)
    evangelisch-reformierte Kirche (1907)[2]
  • Bechtheim
    evangelische Kirche
  • Budenheim
    evangelische Kirche (1913)
  • Darmstadt
    • Doppelwohnhaus Becker/Bornscheuer (1901)
    • Wohnhaus Müller (1901, 1944 zerstört)
    • Villa Prinz Isenburg (Haus im Loss) (1903, 1944 abgebrannt)
    • Haus Herta/Ramspeck (1903, 1944 zerstört)
    • Wohnhaus Leydhecker (1904)
    • Erweiterung der Elektrotechnischen Fakultät der Technischen Hochschule (1904)
    • Hörsaalbau mit Observatorium für das Physikalische Institut der Technischen Hochschule (1904; größtenteils im September 1944 zerstört)
    • Arbeiterwohnsiedlung des Chemie-Unternehmens Merck (1905, abgerissen)
    • Wohnhaus Mühlberger (1905)
    • Pützerturm (Beamtenwohnhaus und heutiges Wahrzeichen des Unternehmens Merck KGaA) (1905)
    • Repräsentationsbauten, Laboratorien und Verwaltungsgebäude des Unternehmens Merck (1905; größtenteils im Zweiten Weltkrieg zerstört)
    • Brunnen des Bismarckdenkmals zusammen mit Ludwig Habich (1906)
    • Hauptbahnhof Darmstadt (Wettbewerbsentwurf 1907, Ausführung 1908–1912)
    • Umbau der evangelischen Petruskirche (1910)
    • Wohnhaus der Familie Pützer mit Gartenhaus und Brunnen von Heinrich Jobst, Alexandraweg 8 (1910)
    • Verwaltungsgebäude der Preußisch-Hessischen Staatseisenbahn (nach 1912)
    • Stadtteil Bessungen
      Bebauungsplan für das Paulusviertel (ab 1900)
      evangelische Pauluskirche (1907)[3]
    • Stadtteil Eberstadt
      Umbau der evangelischen Dreifaltigkeitskirche (1913)
  • Düsseldorf-Benrath
    evangelische Dankeskirche (1915)
  • Eimsheim
    Evangelische Kirche (1906)
  • Frankfurt am Main
    evangelische Matthäuskirche (1905)
  • Hanau
    Landratsamt, Heinrich-Bott-Straße (ehemals Marienstraße) (1902/1903)[4]
  • Jena
    Fabrik-Hochhaus der Carl Zeiss AG (sogenannter Bau 15) (1916)
  • Mainz
    Umbau der St.-Johannis-Kirche (1906; in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Ludwig Habich)
    Konzept für die Süderweiterung von Mainz (1908)[5]
  • Neckarsteinach
    Katholische Pfarrkirche (1908)[6]
  • Offenbach am Main
  • Pfaffen-Schwabenheim
    evangelische Gustav-Adolf-Kirche (1908)
  • Wiesbaden
    evangelische Lutherkirche (1910)
  • Worms
    evangelische Lutherkirche (1912)

nicht ausgeführte Entwürfe

  • Darmstadt
    Wettbewerbsentwurf für ein Hallenbad (1905)
  • Frankfurt am Main
    Wettbewerbsentwurf für die Westend-Synagoge (1906), ausgezeichnet mit dem 3. Preis[8]
  • Oberhausen
    Wettbewerbsentwurf für das Rathaus (1913; Zur Ausführung kam lediglich das dem Rathaus gegenüber liegende Sparkassengebäude, welches Teil des Pützerschen Gesamtkonzeptes war. Dieses Konzept wurde dann um 1927 für einen neuen Rathaus-Entwurf des Stadtbauamtes übernommen.)

Reden / Schriften

  • Rede auf einer Trauerfeier für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Studenten und Dozenten der Technischen Hochschule Darmstadt in der Pauluskirche am 8. April 1919

Literatur

  • Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen, Stadt Darmstadt. Vieweg, Braunschweig 1994, ISBN 3-528-06249-5.
  • Claudia Dutzi: Heimat aus zweiter Hand. Die Arbeitersiedlung Merck in Darmstadt und ihr Architekt Friedrich Pützer. Darmstadt 1990, ISBN 3-88443-168-4.
  • Gerlinde Gehrig: Friedrich Pützer und das Paulusviertel in Darmstadt. Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 169. Darmstadt 2014, ISBN 978-3-88443-324-9.
  • Max Guther: Friedrich Pützer. Architekt - Städtebauer - Hochschullehrer. In: Jahrbuch der Technischen Hochschule Darmstadt 1978/79, S. 7-28.
  • Max Guther: Zur Geschichte der Städtebaulehre an deutschen Hochschulen. In: Heinz Wetzel und die Geschichte der Städtebaulehre an deutschen Hochschulen. Stuttgart 1982.

Weblinks

Commons: Friedrich Pützer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Abbildung einer historischen Ansichtskarte des Aachener Stadthauses; Ausführung durch Stadtbaumeister Joseph Laurent
  2. evang.-ref. Kirche Affolterbach auf www.denkmalpflege-hessen.de, zuletzt abgerufen am 22. Juli 2012
  3. www.paulusgemeinde-darmstadt.de www.paulusgemeinde-darmstadt.de
  4. Werner Kurz: Auf dem Gelände der Störgerschen Turnhalle errichtet. Vom wilhelminischen Prachtbau zum Altenheim. Mit dem Umbau des Landratsamtes verschwindet das letzte Zeichen des Landkreises Hanau. In: Hanauer Anzeiger vom 18. Oktober 2008, S. 33.
  5. Franz Dumont (Hrsg.), Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz: Mainz. Die Geschichte der Stadt. 2. Auflage, Philipp von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-2000-0, S. 463.
  6. Pfarrkirche Neckarsteinach auf www.odenwald.de
  7. http://www.luthergemeinde-of.de/
  8. Deutsche Bauzeitung, 40. Jahrgang 1906, Nr. 79, S. 538 (Mitteilung der Wettbewerbs-Ergebnisse)