Heinrich von Ferstel
Heinrich Freiherr von Ferstel (* 7. Juli 1828 in Wien; † 14. Juli 1883 in Grinzing, heute zu Wien) war ein österreichischer Architekt, Hochschullehrer und gilt als herausragender Vertreter des Historismus.
Leben und Werk
Als Sohn von Ignaz Ferstel, einem Bankdirektor aus Prag, studierte er an der Wiener Kunstakademie unter Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg (1812–1868) Architektur. Seine besondere Begabung ermöglichte es ihm kleinere, prämierte Concurrencen zu gewinnen und Studienreisen nach Deutschland, ab 1855 Italien und abschließend Frankreich.[1]
Für den Wettbewerb um die Votivkirche, das erste Bauprojekt der damals noch projektierten Wiener Ringstraße, reichte Ferstel einen neugotischen Entwurf im Stil der französischen Kathedralgotik ein. Dies tat er, kurz bevor er seine Italienreise antrat, und er war gerade in Neapel, als ihn die Nachricht erreichte, dass der erste Preis auf seinen Entwurf gefallen sei und er 4000 Gulden gewonnen habe, die den Grundstock eines später beachtlichen Vermögens bildeten. Durch den Sieg in diesem Wettbewerb gelangte er 1855 zu schlagartiger Bekanntheit, hatte er sich doch gegen 74 Konkurrenten aus dem In- und Ausland durchgesetzt.
Er baute einige weitere öffentliche Gebäude in der Innenstadt und an der Ringstraße. Nach Anfängen in einem romantisierenden Historismus (namentlich im Bank- und Börsengebäude an der Freyung in Wien, heute Palais Ferstel genannt, das auch das bekannte Kaffeehaus Café Central beherbergt) wandte er sich einem strengeren Stil zu und wurde nicht zuletzt durch seine Professorenstelle am Polytechnikum stilistisch sehr einflussreich. Auf seine Initiative hin wurde der Wiener Cottage-Verein ins Leben gerufen, der das Cottageviertel gründete, mit dem Ziel, „den Bürgern ein Leben in gesunder frischer Luft“ zu ermöglichen.
Ferstel wohnte mit seiner Familie, seiner Frau Lotte († 8. April 1922)[2] sowie den sechs Kindern, in einer Villa in Grinzing, das damals noch nicht nach Wien eingemeindet und ein Dorf war. Er wurde auf dem Grinzinger Friedhof (Gruppe MA, Nummer 46) in einer ehrenhalber gewidmeten Gruft beigesetzt; sein Mausoleum ist einer gotischen Kapelle nachempfunden. Die Inschrift auf der Gruftplatte nennt nur seinen Namen sowie den seiner Ehefrau Lotte, einer geborenen Fehlmann. Erbaut wurde die Familiengruft 1891 von Heinrich von Ferstels Sohn, Max von Ferstel, der ebenfalls Architekt, Hofrat und Professor an der Technischen Hochschule in Wien war und wie weitere Familienmitglieder dort bestattet wurde.
1879 wurde Ferstel in Wien zum Ehrenbürger ernannt und von Kaiser Franz Joseph I. in den erblichen Freiherrenstand erhoben. 1882 wurde ihm die Royal Gold Medal verliehen.[3]
Er stand jahrelang im persönlichen Kontakt mit Hermann von der Hude (1830–1908) der am 3. September 1883 in der Versammlung des Architekten-Vereins, Berlin über sein Leben und Schaffen berichten wollte.[4]
Im Jahr 1886 wurde in Wien Alsergrund (9. Bezirk) unmittelbar hinter der Votivkirche die Ferstelgasse nach ihm benannt. Um 1980 wurde das von ihm erbaute Bank- und Börsengebäude an der Freyung im Zuge der Revitalisierung vom Eigentümer Palais Ferstel benannt.
Bauten
- Votivkirche in Wien, Entwurf 1855, Bauzeit 1856–1879
- Bank- und Börsengebäude an der Freyung (heute Palais Ferstel) in Wien, 1860
- Christuskirche, evang. Kirche, sog. Rote Kirche, Brünn, 1862–1868
- Palais Wertheim am Schwarzenbergplatz in Wien, 1868
- Palais Erzherzog Ludwig Viktor am Schwarzenbergplatz in Wien, 1869
- Museum für Kunst und Industrie (heute Museum für Angewandte Kunst (MAK)), 1871
- St.-Jakobs-Kirche, Brünn, Neugestaltung des Innenraumes, 1871–1879
- Villa Wartholz in Reichenau an der Rax, 1870–1872
- Gartenpalais in Wien 9., Alserbachstraße 14–16, beim Palais Liechtenstein, 1873–1875
- Kunstgewerbeschule (heute Universität für Angewandte Kunst Wien) in Wien, 1877
- Evangelische Erlöserkirche in Bielitz-Biala, Umbau 1881/1882
- Palazzo del Lloyd Austriaco (Lloydpalast) in Triest, 1883
- Hauptgebäude der Universität Wien, 1883
Ferstel baute außer den genannten weitere Palais und Villen.
Mitarbeiter
- Johann Mathias von Holst (1839–1905), baltisch-deutscher Architekt
Literatur
- Max von Ferstel: Ferstel, Heinrich von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 48, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 521–523.
- Norbert Wibiral: Ferstel, Johann Heinrich Ritter von, Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 100 f. (Digitalisat).
Einzelnachweise
- ↑ Biografie (PDF; 741 kB), Centralblatt der Bauverwaltung, 21. Juli 1883, S. 259 und 260, abgerufen am 19. Dezember 2012
- ↑ Lotte Ferstel †.. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 12. April 1922, S. 7, Mitte links. (online bei ANNO).
- ↑ Die königliche goldene Medaille des „Royal Institute of British Architects" (PDF; 997 kB), Centralblatt der Bauverwaltung, 1. Juli 1882, S. 235, abgerufen am 11. Dezember 2012
- ↑ Ankündigung (PDF; 664 kB) im Centralblatt der Bauverwaltung, 1. September 1883, S. 320, abgerufen am 20. Dezember 2012
Weblinks
- Heinrich von Ferstel in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
- Eintrag zu Ferstel, Heinrich Freiherr von im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Die Tage vom 13. bis 16. Juli 1883. Heinrich Freih. v. Ferstel's Tod. Rückblick auf dessen Leben. In: Allgemeine Bauzeitung, 1883 auf Anno (Austrian Newspapers Online)
- Das bürgerliche Wohnhaus und das Wiener Zinshaus, Wien 1860, E-Book der Universitätsbibliothek Wien (eBooks on Demand)
Personendaten | |
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NAME | Ferstel, Heinrich von |
ALTERNATIVNAMEN | Ferstel, Heinrich Freiherr von |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Architekt |
GEBURTSDATUM | 7. Juli 1828 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 14. Juli 1883 |
STERBEORT | Wien |