Impulsivität
Impulsivität bezeichnet ein Verhalten, bei dem der Handelnde spontan und ohne jede Erwägung selbst naheliegender Konsequenzen auf Außenreize oder innere Impulse reagiert. Dabei wird auch von Leichtfertigkeit, Mangel an Selbstkontrolle oder Störung der Impulskontrolle gesprochen. Das Verhalten wirkt auf Außenstehende situationsunangemessen, unkontrolliert und unbedacht.[1] Da Impulskontrolle keine angeborene Fähigkeit ist, können Säuglinge und Kleinkinder ihre Impulse noch nicht kontrollieren, ohne dass in diesen Fällen von Impulsivität gesprochen würde. Erst etwa im 4. Lebensjahr gelingt Bedürfnisaufschub.[2]
Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben verbalen und motorischen Reaktionen kann Impulsivität auch das Denken eines Menschen beherrschen; es ist dann gekennzeichnet durch vorschnelle Schlussfolgerungen und Entscheidungsfindungen. Ein weiteres Merkmal kann die Unfähigkeit sein, vorübergehende Unannehmlichkeiten im Hinblick auf eine erst später zu erwartende Belohnung in Kauf zu nehmen (Frustrationstoleranz, Belohnungsaufschub).
Untersuchungen zeigten, dass bestimmte Faktoren wie eine erhöhte Impulsivität und die geringe Hemmung von Nervensignalen in Zusammenhang mit der Hirnaktivität im Frontallappen stehen. Sie können zahlreiche klinische Symptome beeinflussen. Ein geringerer P3-Ausschlag im EEG und die verminderte Aktivität im vorderen Hirnbereich kann daher als Risikofaktor für zahlreiche Verhaltensstörungen gelten wie unter anderem eine Alkoholabhängigkeit.[3][4]
Vorkommen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Impulsivität kann als Symptom bei einer Vielzahl verschiedener psychischer Störungen auftreten – insbesondere bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung bzw. der Borderline-Persönlichkeitsstörung und der antisozialen bzw. dissozialen Persönlichkeitsstörung.
Sie ist aber auch bei Psychopathie, Schizophrenie, Manie, Zwangsstörung (OCD), dem Tourette-Syndrom und dem Fetalen Alkoholsyndrom (FAS)[5] zu beobachten. Einige impulsive Verhaltensweisen werden im ICD-10 als Störungen der Impulskontrolle klassifiziert: z. B. Glücksspiel (pathologisches Spielen), zwanghafte Brandstiftung (Pyromanie), wiederkehrendes Stehlen ohne Motiv (Kleptomanie), Sexsucht (Hypersexualität) oder zwanghaftes Haarezupfen (Trichotillomanie).[6]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Thomas Bronisch: Störungen der Impulskontrolle. In: Hans-Jürgen Möller, Gerd Laux, Hans-Peter Kapfhammer (Hrsg.): Psychiatrie und Psychotherapie. 2. neu bearbeitete und ergänzte Auflage, Nachdruck, Sonderausgabe. Springer, Heidelberg 2005, ISBN 3-540-25074-3, S. 1632–1636, doi:10.1007/3-540-27386-7_64.
- Arno Deister: Störungen der Impulskontrolle. Klassifikation, Symptomatologie und therapeutische Maßnahmen. In: Psychotherapie im Dialog (PiD). Band 18, Nr. 1, 2017, S. 24–27, doi:10.1055/s-0042-121701.
- Sabine Herpertz, Henning Saß: Impulsivität und Impulskontrolle. Zur psychologischen und psychopathologischen Konzeptionalisierung. In: Der Nervenarzt. Band 68, 1997, S. 171–183, doi:10.1007/s001150050112.
- Michael Osterheider: Zwang und Störungen der Impulskontrolle. In: H. Beckmann, Michael Osterheider (Hrsg.): Neurotransmitter und psychische Erkrankungen. Tropon-Symposium VI. Band 6. Springer, Berlin, Heidelberg 1991, S. 105–121, doi:10.1007/978-3-642-84544-4_8.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sabine C. Herpertz: Affektregulation, Impulsivität, & Dissozialität. auf lwl.org (PDF; 3,8 MB)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Was bedeutet impulsiv sein oder Impulsivität? In: adhs.info. adhs.info, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 1. November 2013; abgerufen am 12. Mai 2014 (in vereinfachter, kindgerechter Sprache).
- ↑ Brita Schirmer: Impulskontrolle in der Adoleszenz. S. 2 (autismuszentrum-oberlausitz.de [PDF; 151 kB; abgerufen am 19. Oktober 2021]).
- ↑ Focus online: Risikofaktor Impulsivität
- ↑ Andrew C. H. Chen, Bernice Porjesz u. a.: Reduced Frontal Lobe Activity in Subjects With High Impulsivity and Alcoholism. In: Alcoholism: Clinical and Experimental Research. 31, 2007, S. 156–165, doi:10.1111/j.1530-0277.2006.00277.x.
- ↑ Hans-Ludwig Spohr: Das Fetale Alkoholsyndrom. 2. Auflage. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-044466-7, S. 69, 101–103, 202.
- ↑ Borderline Studie Forschung Mannheim Heidelberg... In: kfo256.de. Mannheim Heidelberg BPS Forschergruppe, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 12. Mai 2014; abgerufen am 12. Mai 2014.