Kaufhaus Schocken

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Rekonstruierter Eingang des ehemaligen Kaufhauses in Chemnitz, heute Staatliches Museum für Archäologie (2013)

Kaufhaus Schocken ist die Bezeichnung mehrerer Warenhäuser des ehemaligen westsächsischen Einzelhandelskonzerns I. Schocken Söhne Zwickau. Die Eigentümer des Warenhaus-Konzerns waren – bis zur Enteignung in der NS-Diktatur – die jüdischen Gebrüder Salman und Simon Schocken.

Kaufhaus Zwickau, Hauptstraße (2015)

Am 18. März 1901 wurde in Zwickau das Warenhaus Ury Gebrüder, Zwickau / Leipzig von den Gebrüdern Moritz und Julius Ury gegründet. Leiter des Warenhauses in der damaligen Wilhelmstraße 9 – heute Hauptstraße – war Simon Schocken (1874–1929), der in die Eigentümerfamilie Ury eingeheiratet hatte. Im gleichen Jahr ging auch Salman Schocken auf das Angebot seines Bruders Simon Schocken mit dem Geschäft ein. Im Jahre 1904 gründeten die Brüder Schocken ihr erstes eigenes Kaufhaus in der Meinertstraße 18 in Oelsnitz/Erzgeb. Das Zwickauer Warenhaus ging 1906 in den alleinigen Besitz von Simon Schocken über, der dann 1907 gemeinsam mit Salman Schocken die Firma I. Schocken Söhne Zwickau gründete. Außerdem kam es zur Gründung einer Einkaufszentrale mit Sitz in Zwickau, die beide Warenhäuser belieferte.

Kaufhaus Schocken in Stuttgart, erbaut 1926/28, Zustand 1960
Das ehemalige Kaufhaus Schocken in Chemnitz (2015)
Aktie über 1000 RM der Merkur AG vom Oktober 1941

Zwischen 1909 und 1913 eröffnete das Unternehmen Warenhäuser u. a. in Aue, Planitz, Meißen, Zerbst, Cottbus und Frankenberg. Schocken expandierte bis 1930 zur viertgrößten Warenhauskette Deutschlands mit insgesamt 20 Filialen und Zwickau als Hauptbüro. Im Dezember 1921 wurde das Unternehmen zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien umgeformt. Die offene Handelsgesellschaft I. Schocken Söhne blieb Zentraleinkaufsbetrieb der Warenhäuser.

In den 1920er Jahren entwickelte sich der Schocken-Konzern dank der von Salman Schocken entwickelten Verkaufs- und Geschäftsstrategien, der sorgsamen Vorbereitung des Einkaufs, des Ausbaus leistungsfähiger Produktionsbetriebe und der stetigen Umsatzsteigerung in den Warenhäusern zu einem der erfolgreichsten Warenhausunternehmen in Deutschland (1932 mit 5.200 Angestellten). Soziales Engagement wurde 1920 mit Einrichtung von Personalbibliotheken in allen Filialen, und 1924 mit der Errichtung des Erholungsheims in Rautenkranz (Vogtland) deutlich sichtbar.

Im Jahre 1926 wurde die Filiale am Nürnberger Aufseßplatz eröffnet. Das Gebäude wurde von dem namhaften Architekten Erich Mendelsohn 1925 entworfen und galt als Meilenstein des Neuen Bauens in Nürnberg. Auch für Stuttgart entwarf Erich Mendelsohn von 1926 bis 1928 das Kaufhaus Schocken gegenüber dem Tagblatt-Turm und dem Hegelhaus.[1]

Am 15. Mai 1930 wurde in Chemnitz eine Filiale des Schocken-Konzerns eröffnet, die nach der Wende von 1989/90 in ein Museum umgewandelt wurde.[2] Die Entwürfe für diesen Bau stammten ebenfalls von Mendelsohn. Es wurde vor allem durch seine dynamisch wirkende Fassade, deren Fensterbänder sich nachts als Lichtbahnen präsentierten, berühmt, und es wurde zum architektonischen Wahrzeichen des modernen Chemnitz. Zu dieser Zeit war Schocken die viertgrößte Warenhauskette Deutschlands, mit allein über 20 Filialen im Freistaat Sachsen.

Das ehemalige Kaufhaus Schocken in Waldenburg (Wałbrzych 2013)

Weitere Kaufhäuser existierten in Auerbach, Augsburg, Bremerhaven, Crimmitschau, Freiberg, Lugau, Pforzheim, Regensburg, Stuttgart, Waldenburg (Schlesien). Das Waldenburger Kaufhaus wurde 1929 vom Gropius-Schüler Bernhard Sturtzkopf errichtet. Das Unternehmen unterhielt weiterhin ein Einkaufshaus für Strumpfwaren, Textilwerkstätten, eine eigene Strumpffabrik (1921), Warenprüfungsstellen und Einkaufszentralen in Nürnberg und Berlin.

Entwicklung in der NS-Diktatur

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Im November 1933 wurde die Schocken KGaA, die zu dieser Zeit über ein weit verzweigtes Filialnetz mit mehr als 30 Geschäften außerhalb Berlins verfügte, in eine Aktiengesellschaft mit 4,2 Millionen Reichsmark Kapital bei 3,75 Millionen Reichsmark offenen Reserven umgewandelt, deren Hauptaktionär weiterhin Salman Schocken war. Am 26. Oktober 1929 starb Simon Schocken, 55-jährig, an den Folgen eines Verkehrsunfalls.[3] Dem Aufsichtsrat gehörte auch der Bruder Julius Schocken an, selbst Betreiber von Warenhäusern im Raum Bremerhaven, die allerdings nicht zum Schocken-Konzern gehörten, wohl aber im Bereich Personalausbildung und Einkauf über Jahre kooperierten.

In deutschen Wirtschaftskreisen war Salman Schocken namentlich dadurch bekannt geworden, dass er die Grundfragen des Warenhauswesens in Schriften und Vorträgen vielfach erörterte und insbesondere die Warenhaus-Idee theoretisch fundierte.

1936 übernahm eine von Sir Andrew McFadyean geführte britische Bankengruppe die Mehrheit des Besitzes, um so als „arisiert“ zu gelten, während eine starke Minderheit und ein Teil des Grundbesitzes in der Hand von Salman Schocken verblieben. 1937 erfolgte ein Boykott gegen jüdische Geschäfte und 1938 erfolgten im Rahmen des reichsweiten Pogroms Übergriffe auf viele Filialen des Konzerns. Ende 1938 folgte die vollständige „Arisierung“ des Konzerns durch den Verkauf an eine deutsche Bankengruppe unter der Führung der Deutsche Bank AG und der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG, beide mit Sitz in Berlin, und damit die faktische Enteignung. Auf Beschluss der Hauptversammlung vom 9. Dezember 1938 führte die Schocken AG ab Januar 1939 den Namen Merkur Aktiengesellschaft.

Die Funktionsfähigkeit des Unternehmens konnte auch während der Kriegsjahre von 1939 bis 1945 erhalten werden.

Chemnitzer HO-Warenhaus, 1961

Gesamtunternehmen

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Mit dem Volksentscheid in Sachsen 1946 wurden alle sächsischen Filialen der Merkur AG zu Gunsten des Landes Sachsen enteignet. Die sächsischen Geschäfte wurden als landeseigenes Unternehmen der Industrieverwaltung 64 – Kauf- und Warenhäuser unterstellt und Ende 1948 dem Verband Sächsischer Konsumgenossenschaften angeschlossen. Aus dem Chemnitzer Haus wurde zuerst ein HO-Warenhaus, dann 1965 das erste Centrum Warenhaus der DDR.

Die Rückerstattung des Konzerns an die Familie Schocken, bezogen auf die in der US-amerikanischen Besatzungszone liegenden Teile der Merkur AG, erfolgte 1949. Die Familie Schocken erhielt 51 % des Grundkapitals der Gesellschaft. Obwohl das Unternehmen sich bereits wieder positiv entwickelte, verkaufte Salman Schocken aus nicht bekannten Gründen seinen Anteil an der Merkur AG 1953 an Merkur, Horten & Co. mit Hauptsitz in Nürnberg.

Aus der Merkur, Horten & Co. wurde später die Horten AG mit Sitz in Düsseldorf, später übernommen durch die Kaufhof AG, die heute zur Signa Holding gehört.

Der Name Schocken ist bis heute im Sprachgebrauch der Bremerhavener, Chemnitzer, Cottbuser, Nürnberger, Regensburger, Stuttgarter, Pforzheimer und Zwickauer Bevölkerung erhalten geblieben; so existiert beispielsweise heute in der Stuttgarter Hirschstraße der in Anlehnung an das frühere Kaufhaus benannte „Club Schocken“.

Einzelne Filialen

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Das 1930 nach Plänen Mendelsohns errichtete Gebäude wurde im Mai 2014 als Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz (smac) wiedereröffnet,[4] wobei im Zuge umfangreicher Sanierung die ursprüngliche Fassadengestaltung einschließlich des Schocken-Signets rekonstruiert wurden.[5] Die Innenausstattung plante 1930 Bernhard Sturtzkopf. Das Haus verfügte über die erste Rolltreppe in Chemnitz.[6]

Das Warenhausgebäude des Schocken-Konzerns in Cottbus in der Spremberger Straße war bis zur Eröffnung des „Konsument“-Warenhauses 1968 zeitweise HO-Warenhaus. Es wurde 1980 bis auf einen Seitenflügel abgerissen.

Das 1926 eröffnete Gebäude des namhaften Architekten Erich Mendelsohn wurde im Zweiten Weltkrieg bei den Luftangriffen auf Nürnberg nur leicht zerstört, der Geschäftsbetrieb begann bereits wieder im Herbst 1945. 1953 wurde das Gebäude erheblich vergrößert, 1958 und 1963 nochmals umgebaut und vergrößert, wobei dann auch die Hortenwaben angebracht wurden. Nach Schocken waren die Ketten Merkur, dann Horten, dann Kaufhof vertreten. 2013 wurde das Gebäude vorerst geschlossen. Im September 2020 begann der Abriss des Komplexes.[7]

Oelsnitz/Erzgeb.

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging das erste Kaufhaus Schocken in Volkseigentum über. Nach der politischen Wende 1989/90 wurde es an die Familie Schocken zurückgegeben. Von 1999 bis 2000 wurden beide Gebäude umfassend restauriert.

Das ehemalige bei den Einwohnern beliebte Kaufhaus Schocken hatte seinen Standort auf dem Spielhof, einem kleinen, dreieckigen Platz mit nur vier Anwesen, östlich anschließend an den Neupfarrplatz, von diesem aber abgegrenzt durch eine Mauer und durch das Gebäude der 1885 entstandenen ehemaligen Kreissparkasse, ein Pseudorenaissancebau in Klinkertechnik. Bereits 1970 begannen dann Baumaßnahmen zum Neubau eines Großkaufhauses der Horten AG auf dem östlichen Neupfarrplatz, der mit dem Spielhof vereinigt werden sollte. Dafür wurde 1970 zunächst die abgrenzende Bebauung zum Spielhof abgebrochen und 1972 wurde dann auch die restliche Bebauung abgebrochen, darunter neben dem Kaufhaus Schocken auch ein 1911 erbautes Gebäude der Stadtsparkasse, ein Neubarockbau mit Jugendstilelementen. Erhalten blieben nur die Säulen und Teile der Fassade des Gebäudes Alte Wache (Regensburg), dessen Fassade in den Neubau einbezogen wurde.[8]

Das Kaufhausgebäude von Erich Mendelsohn wurde im Krieg durch Bombentreffer beschädigt und brannte aus, konnte aber nach dem Krieg wieder aufgebaut werden. 1960 wurde es von der Stadt Stuttgart unter großem, auch internationalem Protest zum Abriss freigegeben.[9] Der Club Schocken nahe dem ehemaligen Kaufhaus hat daher seinen Namen.[10]

Zum Gesamtunternehmen

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Zu einzelnen Filialen

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  • Wolfgang Müller: Stuttgart in alten Ansichten. In: Zaltbommel, 1979, Nr. 60, 61.
  • Ignaz E. Hollay: … in die Jahre gekommen. Schocken…Merkur…Horten. Die 60 Jahre eines Stuttgarter Kaufhauses. In Deutsche Bauzeitung, 122.1988, Heft 9, S. 102–112.
  • Renate Palmer: Der Stuttgarter Schocken-Bau von Erich Mendelsohn. Die Geschichte eines Kaufhauses und seiner Architektur. 1995, ISBN 3-87407-209-6.
  • Petra Ralle: Konsequenz Abriss. Das (un)vermeidbare Ende des Kaufhauses Schocken von Erich Mendelsohn in Stuttgart (= Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Band 90) Hohenheim, Stuttgart, 2002, ISBN 3-89850-974-5.
  • Uwe Bogen (Text); Thomas Wagner (Fotos): Stuttgart. Eine Stadt verändert ihr Gesicht. Erfurt 2012, S. 30–31.
  • Judith Breuer: Verloren, aber nicht vergessen: das Kaufhaus Schocken in Stuttgart. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Band 48, Nr. 3, 2019, S. 147–160
  • landesarchiv-bw.de: Warenhäuser als Zielscheiben des Judenhasses (PDF; 37 MB)
Commons: Kaufhaus Schocken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. K. Werner Schulze: Kaufhaus Schocken in Stuttgart. In: Die Bauzeitung vereinigt mit „Süddeutsche Bauzeitung“ München, Jg. 25, 1928, Heft 6, S. 52–58.
  2. magazin museum.de: smac - Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz. Abgerufen am 25. Oktober 2021.
  3. @1@2Vorlage:Toter Link/www.compactmemory.deKleine Chronik (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) In: C.V. Zeitung. Jg. 8. Heft 44 (1. November 1929) S. 594 und S. 595 (Todesanzeige).
  4. smac.sachsen.de (Memento vom 21. Juli 2015 im Internet Archive)
  5. Erich Mendelsohns Kaufhaus Schocken in Chemnitz. Abgerufen am 13. Juli 2014.
  6. Tilo Richter: Erich Mendelsohns Kaufhaus Schocken in Chemnitz, Passage-Verlag, Leipzig, 1998, S. 100.
  7. Überall Zäune: Abriss des Schocken steht bevor, abgerufen am 22. September 2020
  8. Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag, Regenstauf 2014, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 120 f.
  9. Judith Breuer, Verloren, aber nicht vergessen: das Kaufhaus Schocken in Stuttgart. doi:10.11588/nbdpfbw.2019.3.65511
  10. Diginights über den Club Schocken

Koordinaten: 48° 46′ 24″ N, 9° 10′ 33″ O