Leopold Blahak

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Leopold Blahak (* 7. Februar 1905 in Markersdorf, Markgrafschaft Mähren, Österreich-Ungarn; † um den 24. Mai 1945 in Stift Břevnov, Prag, Tschechoslowakei) war ein Prager Bildhauer mährisch-deutscher Herkunft.

Herkunft, Ausbildung und Familiengründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leopold Blahak war das älteste von fünf Kindern einer Bauernfamilie. Nach dem Tod des Vaters im Ersten Weltkrieg absolvierte er 1917 bis 1920 die Bürgerschule in Mährisch-Neustadt. Vermittelt durch das Olmützer Priesterseminar, begann er 1921 eine Lehre als Steinmetz in der Werkstatt des Bildhauers Julius Pelikán in Olmütz, wo er bis 1928 tätig war. 1929 wurde er an die Akademie der bildenden Künste in Prag aufgenommen und studierte bis 1934 Bildhauerei bei dem Myslbek-Schüler Bohumil Kafka. Nach einem zusätzlichen Ehrenjahr an der Akademie machte er sich 1935 als Bildhauer in Prag selbstständig.[1] 1937 heiratete er Hedwig Exner, mit der er einen Sohn (* 1939) und eine Tochter (* 1944) hatte.

Werdegang als Bildhauer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Freiberuflich versuchte Leopold Blahak zunächst, nicht nur in der deutschen, sondern v. a. auch in der tschechoslowakischen Kunstszene Fuß zu fassen: 1936 arbeitete er mit den avantgardistischen Aktivisten zusammen,[2] 1936 stellte er auf dem Ersten Zliner Frühlingssalon, 1937 auch auf dem Zweiten Zliner Salon aus.[3] 1937 wurde ihm durch die Tschechische Akademie der Wissenschaften und Künste eine Förderung zugesprochen.[4] In diesem Zusammenhang ist die 1933 bis 1937 nachweisbare Slawisierung seines Namens zu (Lev) Blahák zu sehen, die er ab der Teilnahme an der Sudetendeutschen Kunstausstellung 1937/38[5] wieder aufgab.

Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch NS-Deutschland partizipierte Leopold Blahak an der Förderung „bodenständige[r] deutscher Kunst“ (NS-Jargon)[6] im Protektorat Böhmen und Mähren: Bereits 1939 wählte eine Kommission des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und des Reichsprotektors seine Werke dazu aus, das Kunstschaffen im Protektorat auf der Biennale 1940 in Venedig zu vertreten. Das Vorhaben, tschechische und deutsche Künstler dort gemeinsam auszustellen, wurde allerdings wieder fallengelassen.[7] Doch wurden 1939 seine Werke durch die Stadt Prag,[8] 1941 durch das Schulministerium des Protektorats angekauft.[9] 1940/41 erhielt er einen dauerhaften Ausstellungsplatz in der Städtischen Galerie im Prager Gemeindehaus.[10] 1942 und 1943 war er mit je einer, 1944 mit zwei Skulpturen auf der Großen deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst zu München vertreten.[11] 1944 schließlich wurde ihm der Kulturförderpreis der Peter-Parler-Kulturstiftung der Hauptstadt Prag verliehen.[12]

In diesen Jahren scheint sich Leopold Blahak als einer der „Vorzeige-Bildhauer“ der Prager Protektoratsdeutschen gegenüber der Kunstszene des Dritten Reichs etabliert zu haben: Seine Skulpturen wurden laufend in Prager deutschen Printmedien abgebildet oder zierten deren Titelblätter.[13] Förderlich war seinem Vorankommen die Nähe zu einflussreichen lokalen NS-Funktionsträgern: zu Josef Pfitzner, 1939 bis 1945 Primator-Stellvertreter von Prag, den Blahak mehrfach porträtierte und der ihm dafür den Peter-Parler-Preis zuerkannte,[14] und zu seinem Studienfreund und Trauzeugen Franz Höller, 1939 bis 1944 Leiter des NSDAP-Gaupropagandaamtes im Reichsgau Sudetenland, der schon 1937 die Aufnahme von Blahaks Werken in die Sudetendeutsche Kunstausstellung unterstützt hatte und ihn auch sonst, wo er konnte, protegierte. Nicht zuletzt hatte er in Guido Reif, dem Hauptschriftleiter der Prager Illustrierten Wochenschau und des Prager Jahrbuchs einen Bewunderer, der Künstlerporträts über ihn verfasste und Abbildungen seiner Werke in seine Publikationen einbezog.[15]

Künstlerische Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Schüler Bohumil Kafkas, der den strengen akademischen Stil seines Lehrers Josef Václav Myslbek mit weicher impressionistisch-zerfließender Formgebung verbunden hatte, strebte auch der junge Leopold Blahak zunächst nach einem progressiven Stil auf der Höhe der Zeit: Bis ca. 1939 blieb seine Formensprache reduziert, physische Details wurden nur angedeutet oder nicht ausgeführt (z. B. Holzskulptur Mädchenakt 1937, Kalkstein-Doppelskulptur Mutter 1937), bisweilen ist eine dynamisch-expressive Modellierung für seine Porträts wie Figurendarstellungen charakteristisch (z. B. Bronzebüste Dr. Kubista 1936, Marmorrelief Tanz 1939). Aus dieser Zeit ist auch seine Bewunderung für die avantgardistische Bildhauerei eines Henry Moore und sein Austausch mit expressionistisch arbeitenden Künstlern, etwa Theodor Sternhell, einem Gründungsmitglied der Künstlergruppe Die Pilger, belegt.

In seinen seit der Okkupation entstandenen und immer häufiger in den Prager Medien präsenten Werken setzte sich dagegen ein ausgeprägter Realismus durch (z. B. Bronzebüste K. Postl Sealsfield, ca. 1943; Gipsbüste Bildnis meiner Frau (Hedwig), ca. 1943), der als partielle Anpassung an den Geschmack der nationalsozialistisch dominierten Kunstszene im Protektorat Böhmen und Mähren gedeutet werden muss. Das für seinen Durchbruch als Bildhauer maßgebliche Schlüsselwerk stellte seine 1943 oder 1944 durch die Stadt Prag angekaufte, heute verschollene Bronzebüste Rainer Maria Rilkes (ca. 1940/41) dar, die nicht nur vielerorts (München, Straßburg, Reichenberg) ausgestellt wurde, sondern auch durch zahlreiche Abbildungen in Zeitschriften und Büchern[16] bekannt war; noch 1956 wurde sie anlässlich eines Rilke-Jubiläums im Prager im Náprstek-Museum gezeigt.[17] Zeitgenössische Kunstkritiker vermerkten, sie sei „eine Verkörperung alles Geistigen in Stein“,[18] „vor der man etwas von der Diskrepanz zwischen dem Mann und seinem Werk verspürt.“[19] Es sei, „als hätte ihn der Bildner ins Leben zurückgeholt; sein Wesen, der Gehalt seiner Verse, die Musik seiner Sprache ist um den Kopf, dessen Komposition und Durchführung meisterlich gelang!“[20]

Kriegs- und Lebensende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1943 diente Leopold Blahak als Soldat der deutschen Luftabwehr im Prager Stadtteil Troja.[21] Nach dem Prager Aufstand im Mai 1945 wurde er mit seiner Familie von tschechischen Milizionären verhaftet und mit anderen Prager Deutschen in das im Westen der Stadt gelegene Kloster Braunau deportiert. Dort kam er um den 24. Mai 1945 unter ungeklärten Umständen ums Leben.

Ausstellungsbeteiligungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werkauswahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Skulptur Lesender Mönch (Ton, 1936)
  • Porträtbüste Dr. Kubista (Bronze, 1936)
  • Skulptur Ecce Homo (Bronze, 1936)
  • Skulptur Mutter (Kalkstein, 1937)
  • Skulptur Mädchenakt (Holz, 1937)
  • Relief Holzschuhmacher (Holz, 1937)
  • Relief Tanz (Marmor, 1939)
  • Skulptur Werdende Mutter (Bronze, 1939)
  • Skulptur Frau am Pfluge (Ton, 1940)
  • Grabskulptur Segnender Christus (Kalkstein, 1940)
  • Porträtbüste Rainer Maria Rilke (Bronze, 1940/41)
  • Porträtbüste Der Führer (Bronze, 1942)
  • Porträtbüste Mein Batteriechef Hauptmann Dr. P. (Stein, 1943)
  • Porträtbüste Bildnis meiner Frau (Hedwig) (Gips und Bronze, 1943)
  • Porträtbüste K. Postl Sealsfield (Kalkstein und Bronze, 1943)
  • Porträtbüste Regimentskommandeur Oberst Sch. (Kalkstein, 1944)
  • Skulptur Die Sitzende (Ton, 1944)
  • Porträtbüste Der Sohn des Künstlers (Dieter) (Ton, 1944)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke Leopold Blahaks in der Galerie der Stadt Prag:

Werke Leopold Blahaks in der Mährischen Galerie Brno:

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gatalogy. Prof. B. Kafka. Archiv der Akademie der Bildenden Künste Prag. K 31, 1929/30, 1930/31, 1931/32, 1932/33, 1933/34, 1934/35.
  2. Výtvarníci z kruhu „aktivistů“. In: Národní listy, 14.6.1936, S. 2.
  3. I. Jární Zlínský salon. 26. duben – 31. srpen 1936. Katalog vystavených uměleckých děl. Zlín 1936; Druhý Zlínský salon: sochaři. In: Pestrý týden, 10.7.1937.
  4. Výročný ceny České akademie. In: Moravský deník, 9.12.1937, S. 5.
  5. Sudetendeutsche Kunstausstellung. Veranstalter: Bund der Deutschen. Bundesleitung, Teplitz-Schönau. Karlsbad, Kunsthalle, 1.–25. August 1937. Reichenberg, Messehalle, 19. September bis 10. Oktober 1937. Teplitz-Schönau: Wächter, S. 9.
  6. Prag fördert deutsche Künstler. In: Deutsche Post, 18.1.1940, S. 6.
  7. Wolf, Veronika: The Protectorate of Bohemia and Moravia & Slovak State 1940–1942. In: May, Jan/Meine, Sabine (Hg.): Der Deutsche Pavillon. Ein Jahrhundert nationaler Repräsentation auf der Internationalen Kunstausstellung „La Biennale di Venezia“ 1912–2012. Regensburg 2015, S. 101–108, hier 103.
  8. Prag fördert deutsche Künstler. In: Deutsche Post, 18.1.1940, S. 6.
  9. Brauner v. Heydringen, G.: Großer Erfolg der Prager Weihnachtsausstellung. In: Tagesbote, 5.1.1941, S. 8.
  10. Deutsche Kunst in Prag. In: Neues Wiener Tagblatt, 5.2.1942, S. 3.
  11. Kataloge Große Deutsche Kunstausstellung 1942 im Haus der Deutschen Kunst zu München. Juli bis auf weiteres. München 1942, S. 21; Große Deutsche Kunstausstellung 1943 im Haus der Deutschen Kunst zu München. Juni bis auf weiteres. München 1943, S. 20; Große Deutsche Kunstausstellung 1944 im Haus der Deutschen Kunst zu München. Juli bis auf weiteres. München 1944, S. 20.
  12. Dambacher, Eva: Literatur- und Kulturpreise 1859–1949. Eine Dokumentation. Marbach a. N. 1996, S. 150.
  13. Prager Illustrierte Wochenschau, 30.5.1942, S. 1; 25.7.1942, S. 10; 30.1.1943, S. 12; 7.8.1943, S. 7; 27.11.1943, S. 1; 22.4.1944, S. 9; 3.6.1944, S. 6; 2.9.1944, S. 4; 28.10.1944, S. 1; Prager Jahrbuch 1941/42. Prag 1941, S. 192, Prager Jahrbuch 1943. Prag/Amsterdam/Berlin/Wien, S. 241.
  14. Pfitzner, Josef: Deník. In: Míšková, Alena/Šustek, Vojtěch: Josef Pfitzner a protektorátní Praha v letech 1939–1945. Bd. 1. Deník Josefa Pfitznera. Úřední korespondence Josefa Pfitznera s Karlem Hermannem Frankem. Praha 2000, S. 115–262, hier 191.
  15. Reif, Guido: Antlitz und Werk. Leo Blahak. In: Prager Illustrierte Wochenschau, 27.11.1943, S. 1.
  16. Prager Jahrbuch 1941/42. Prag 1941, S. 192; Prager Illustrierte Wochenschau, 25.7.1942, S. 10; Prager Illustrierte Wochenschau, 22.4.1944, Titelseite.
  17. Rilke-Ausstellung in Prag. In: Das Antiquariat 13/1, S. 16.
  18. Paetzold, Paul: Ein deutscher Bildhauer in Prag. Aus der Künstlerwerkstatt Leo Blahaks. In: Oberdonau-Zeitung. Tages-Post, 18.1.1945, S. 4.
  19. Mensch und Landschaft des Sudetenlandes. In: Straßburger Neueste Nachrichten, 17.1.1943, S. 5–6.
  20. Daeglau. Greta: Die Große Deutsche Kunstausstellung 1942 im Haus der Deutschen Kunst zu München II. In: Brünner Abendblatt, 23.7.1942, S. 2.
  21. Reif, Guido: Antlitz und Werk. Leo Blahak. In: Prager Illustrierte Wochenschau, 27.11.1943, S. 1.