Lokalendliche Gruppe

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Lokalendliche Gruppen werden im mathematischen Teilgebiet der Gruppentheorie untersucht. Es handelt sich um eine Verallgemeinerung der endlichen Gruppen dahingehend, dass nur noch die Endlichkeit jeder endlich erzeugten Untergruppe gefordert wird, die Gruppe selbst kann unendlich sein. (Auch die Getrenntschreibung lokal endlich kommt in der Literatur vor.[1])

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Gruppe heißt lokalendlich, wenn jede von endlich vielen Elementen erzeugte Untergruppe endlich ist.[2]

Eine offenbar äquivalente Formulierung ist: Eine Gruppe heißt lokalendlich, wenn jede endliche Teilmenge in einer endlichen Untergruppe enthalten ist.[3]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegenbeispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Da lokalendliche Gruppen Torsionsgruppen sind, denn jedes Element liegt definitionsgemäß in einer endlichen Gruppe, ist jede Nicht-Torsionsgruppe ein Gegenbeispiel. Also sind alle Gruppen mit einem Element unendlicher Ordnung nicht lokalendlich, insbesondere ist die additive Gruppe der ganzen Zahlen nicht lokalendlich.
  • Tarski-Gruppen sind Torsionsgruppen, die nicht lokalendlich sind.

Vererbungseigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Untergruppen von lokalendlichen Gruppen sind wieder lokalendlich.
  • Quotientengruppen von lokalendlichen Gruppen sind wieder lokalendlich.
  • Gruppenerweiterungen lokalendlicher Gruppen sind wieder lokalendlich, d. h., ist ein Normalteiler und sind und lokalendlich, so auch .[6]
  • Das eingeschränkte direkte Produkt von endlichen Gruppen ist lokalendlich. Ist also eine Familie von endlichen Gruppen, so ist auch
lokalendlich, wobei das neutrale Element in sei.[7]

Sylow-Gruppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie in der Theorie der endlichen Gruppen sind p-Sylowgruppen maximale p-Untergruppen einer Gruppe, wobei eine Primzahl sei. Eine Standardanwendung des zornschen Lemmas zeigt, dass jede, auch unendliche Gruppe -Sylowgruppen hat. Es stellt sich die Frage, ob je zwei -Sylowgruppen wie im endlichen Fall auch konjugiert sind. Das ist im Allgemeinen nicht der Fall, selbst für abzählbare lokalendliche Gruppen nicht.

Als Beispiel betrachte das eingeschränkte, abzählbare Produkt der symmetrischen Gruppe S3

.

Für jedes sei ein Element der Ordnung 2. Dann kann man zeigen, dass jede Untergruppe

eine 2-Sylowgruppe ist, wobei die von erzeugte zweielementige Untergruppe sei. Für jedes hat man drei mögliche Wahlen der , so dass es überabzählbar viele 2-Sylowgruppen gibt. Die können nicht alle konjugiert sein, denn eine Konjugation wird durch ein Gruppenelement vermittelt und davon gibt es nur abzählbar viele.[8] Die Konjugiertheit aller 2-Sylowgruppen scheitert also aus Mächtigkeitsgründen. Das ist aber auch der einzig mögliche Grund, denn es gilt folgender Satz:[9]

  • Es seien eine abzählbare, lokalendliche Gruppe und eine Primzahl. Es sind genau dann alle -Sylowgruppen untereinander konjugiert, wenn es höchstens abzählbar viele von ihnen gibt.

Abelsche Untergruppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Gruppentheorie gab es die alte Frage, deren genaue Herkunft unklar zu sein scheint, ob eine unendliche Gruppe stets eine unendliche abelsche Gruppe enthält. Es hat sich herausgestellt, dass das im Allgemeinen nicht der Fall ist. Die Tarski-Gruppen sind extreme Gegenbeispiele, denn sie sind selbst nicht abelsch und jede echte, nicht-triviale Untergruppe ist endlich von Primzahlordnung. Eine positive Antwort haben P. Hall, C. R. Kulatilaka und M. I. Kargapolow für lokalendliche Gruppen erzielt:[10][11][12]

  • Jede unendliche, lokalendliche Gruppe enthält eine unendliche abelsche Gruppe.

Der Beweis verwendet den Satz von Feit-Thompson. Es sind keine Beweise bekannt, die ohne dieses Hilfsmittel auskommen.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sergei Nikolajewitsch Tschernikow: Endlichkeitsbedingungen in der Gruppentheorie, Deutscher Verlag der Wissenschaften (1963)
  2. Wilhelm Specht: Gruppentheorie, Springer-Verlag 1956, Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, ISBN 978-3-642-94668-4, Kapitel 1.4.5 Lokale Gruppeneigenschaften, Definition 10
  3. B. Hartley, G. M. Seitz, A. V. Borovik, R. M. Bryant: Finite and Locally Finite Groups, Springer-Verlag 1995, ISBN 978-94-010-4145-4, Introduction
  4. O. H. Kegel, B. A. F. Wehrfritz: Locally Finite Groups, North Holland Publishing Company (1973), ISBN 0-7204-2454-2, Beispiel ii auf Seite 9
  5. Martyn R. Dixon: Sylow theory, formation and fitting classes in locally finite groups, World Scientific Publishing (1994), ISBN 9-8102-1795-1, Theorem 1.4.16
  6. D. J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups, Springer-Verlag 1996, ISBN 0-387-94461-3, Satz 14.3.1
  7. Martyn R. Dixon: Sylow theory, formation and fitting classes in locally finite groups, World Scientific Publishing (1994), ISBN 9-8102-1795-1, Beispiel 1.4.4
  8. D. J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups, Springer-Verlag 1996, ISBN 0-387-94461-3, Beispiel in Kap. 14.3
  9. D. J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups, Springer-Verlag 1996, ISBN 0-387-94461-3, Satz 14.3.6
  10. P. Hall, C. R. Kulatilaka: A property of locally finite groups, J. London Math. Soc. (1964), Band 39, Seiten 235–239
  11. D. J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups, Springer-Verlag 1996, ISBN 0-387-94461-3, Satz 14.3.7
  12. M. Kargapolov: On a problem of O. Ju. Schmidt, Sib. Mat. Zh. (1963), Band 4, Seiten 232–235