Mainz Hauptbahnhof

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Der Hauptbahnhof von Mainz

Der Mainzer Hauptbahnhof ist eine Drehscheibe des Verkehrs im Rhein-Main-Gebiet Er befindet sich am südwestlichen Rand der Neustadt und wird von täglich ca. 55.000 Reisenden und Besuchern frequentiert.

Geschichte

Der heutige Hauptbahnhof wurde 1882–1884 nach Plänen von Philipp Johann Berdellé (* 1838, † 1903) im Rahmen der Stadterweiterung nach dem deutsch-französischen Krieg als Centralbahnhof errichtet.

Ausgangssituation

Mainz Südbrücke

Durch die Rheinschifffahrtsakte 1831 verlor Mainz das Stapelrecht und wurde von der Schifffahrt wegen seines versandeten Hafens und der hohen Zwischenzölle gemieden. Am 13. April 1840 wurde die Taunus-Eisenbahn zwischen Frankfurt am Main, Mainz-Kastel und Wiesbaden eröffnet und zog Transit- und Fremdenverkehr aus Mainz ab. Andererseits war Mainz die größte Stadt des Großherzogtums Hessen und damit ein attraktives Ziel im entstehenden Eisenbahnnetz. Die in Mainz ansässige Ludwigsbahngesellschaft erwirkte daher Konzessionen zum Bau von Eisenbahnstrecken, die von Mainz ausgingen, zunächst im Jahr 1845 für die Bahnstrecke Mainz–Worms–Ludwigshafen. Der Bau begann 1847. Die Fertigstellung der Strecke verzögerte sich infolge der politischen Ereignisse 1848/49 bis zum 23. März 1853. Der dafür in Mainz erforderliche erste Bahnhof lag am Rhein, außerhalb der Stadtmauer zwischen Holzturm, Fort Malakoff und dem heutigen Römerschiffmuseum und wurde im August 1853 eröffnet.

Im Dezember 1858 nahm die Ludwigsbahn die Strecke nach Aschaffenburg über die damalige Landeshauptstadt Darmstadt in Betrieb. Mangels Brücke endete diese jedoch am rechten Rheinufer oberhalb der Mainmündung. Die Reisenden mussten samt Gepäck auf einem Trajekt den Rhein überqueren. 1860 begann daher der Bau einer festen Eisenbahnbrücke, die am 20. Dezember 1862 als erste feste Mainzer Rheinbrücke seit römischer Zeit den Betrieb aufnehmen konnte.

Am 17. Oktober 1859 nahm die Strecke Mainz-Bingen den Betrieb auf und endete in Mainz in einem eigenen Kopfbahnhof. Der befand sich außerhalb der Festungsmauern im Gartenfeld, der heutigen Neustadt zwischen Frauenlobstraße und Feldbergplatz, etwa dort, wo heute die Grüne Brücke über die Rheinallee führt.

Eine weitere Bahnlinie der Hessischen Ludwigsbahn wurde 1871 entlang des Gastellschen Firmengeländes, heute: Bahnhof Waggonfabrik, Richtung Gonsenheim bis Alzey geführt.

Planungen

Im Laufe des 19. Jahrhunderts erhöhte sich das Fahrgastaufkommen, als Mainz sich zu einem Knotenpunkt der Linien nach Darmstadt, Ludwigshafen, Aschaffenburg, Bingen und Frankfurt entwickelte. Zwischen den Kopfbahnhöfen lag jedoch die Festung und der Raum am Rheinufer war sehr begrenzt und ließ eine Erweiterung der Bahnanlagen nicht zu. Bereits 1858 berichtete die Mainzer Zeitung über Pläne zu einer Bahnhofsverlegung.

Die Interessen der Stadtentwicklung, Ufererweiterung und -gestaltung und Bahnentwicklung erforderten ein hohes Maß an Koordination, um eine sinnvolle Perspektive zu schaffen. Stadtbaumeister Kreyßig, der 1866 den bisherigen Stadtbaumeister Laske ablöste, schlug 1873 vor, den Bahnhof auf die Westseite der Stadt zu verlegen. Zutreffend stellte der unabhängige Mainzer Schriftsteller und Zeitungsrezensent Philipp Wasserburg, der 1877 und 1880 für die Volkspartei in die Stadtverordnetenversammlung gewählt werden sollte, 1874 fest, dass zwar die staatliche Festungserweiterung Fortschritte mache, die kommunale Stadtplanung aber nicht, weil der Stadt Mainz nur in ungenügendem Umfang Mittel zur Verfügung stünden.

Der Bahnhof von Berdellé

Dort wo früher einmal nach dem Münstertor der Münsterschlag mit dem Hauptweg in das Gartenfeld stand, sollte ein Centralbahnhof die bisherigen Gleisanlagen zusammenführen. Die Finanzierung der Grundstückskäufe im Zusammenspiel von Stadterweiterung und Bahnhofsneubau wurde von der Mainzer Kaufmannsfamilie Lauteren organisiert, die ihrerseits finanziell bei der Ludwigsbahn beteiligt war. Die Stadt allein konnte nicht alle erforderlichen Flächen ankaufen. Etwa 50 % waren als Gelände für die allgemeine Bebauung vorgesehen und je 25 % für Straßen und Plätze sowie für die Bahnanlagen.

Um das Projekt am vorgesehenen Ort zu realisieren mussten die Zufahrtsgleise in einem großen Bogen westlich um die Stadt geführt werden. Dazu war auch ein Tunnel unter der Zitadelle erforderlich. Er wurde 1876 begonnen. Eine sagenumwobene Institution der Mainzer, das Pankratiusbrünnchen, aus dem alle neugeborenen Mainzer stammen sollen, fiel dem Neubau zum Opfer. Es lag seitlich der heutigen Bahnunterführung zur Mombacher Straße hin.

Ausführung

Der Mainzer Architekt Philipp Johann Berdellé (1838–1903) schuf das Empfangsgebäude des neuen Hauptbahnhofes in hellem Flonheimer Sandstein in italienischer Neorenaissance mit barocken und klassizistischen Elementen. Ein markanter Mittelbau wird von zwei niedrigeren Seitenflügeln mit Arkaden eingerahmt, die wiederum in Risaliten enden. Das Gebäude wurde am 15. Oktober 1884 feierlich eröffnet.

Kunst am Bau

Abfahrt
Ankunft

Berdellé setzte den Schwerpunkt der bildhaften Ausschmückungen auf den zentralen Eingangsbau. Allegorische Darstellungen verwiesen auf die Funktion des Gebäudes.

Auf beiden Seiten des Eingangs zeigen Reliefs, geschaffen von den Mainzer Bildhauern Valentin Barth und Anton Scholl, Putten, antik gewandet, in spielerischer Weise Ankommen und Abreisen mit der Eisenbahn:

  • Das Bild Abfahrt befindet sich am linken Hauptgebäudeteil: Im der linken oberen Ecke kann man das Wort Billet erkennen. Es zeigt Szenen die sich rund um das Thema Abfahrt und Abschied am Bahnhof behandeln. Dazu gehört auch ein schwerer Koffer.
  • Das Bild Ankunft befindet sich am rechten Hauptgebäudeteil: Hier steigen die Putten wieder aus dem Zug und die freudige Ankunft ist zu erkennen. Der schwere Koffer wird weg getragen.

Die Bahnhofsuhr auf dem Dach wurde vom geflügelten Genius des Dampfes und der Elektrizität gekrönt.

Des Weiteren befinden sich über den drei Haupteingangstüren Figuren. Die Abbildungen sind in der Reihenfolge (von links nach rechts), wie sie auch am Gebäude angebracht sind, wiedergegeben.


Bahnhofsvorplatz

Die ursprüngliche Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes dominierte ein Rondell. Dieses war mit Bäumen, Rasen und Blumen begrünt. Ringsherum verliefen die Schienen der Pferdebahn. Zahlreiche Droschken und Hotelomnibusse ergänzten das Beförderungsangebot.

Bahnhofshalle

Die gesamten bahntechnischen Anlagen wurden unter der Bauleitung des Geheimen Baurates J. Kramer erstellt.

Die Reisenden schützte die damals längste Bahnhofshalle Europas, die von der Süddeutschen Brückenbau-Actien-Gesellschaft, heute MAN, errichtet wurde. Sie hatte auch die Eisenbahnbrücke über den Rhein gebaut. Mit einer Länge von dreihundert Metern und einer Breite von 47 Metern überdachte die Konstruktion aus Guss- und Schmiedeeisen, Glas und Wellblech rund 14.000 Quadratmeter Fläche. Die Dachkonstruktion war in 29 Felder aufgeteilt und wurde von sechzig schmiedeeisernen Pfeilern gestützt. Die Stirnseiten waren mit Glasschürzen bis zur Einfahrtshöhe der Züge verschlossen. Der höchste Punkt des Daches war mit einem verglasten, seitlich offenen Aufsatz zum Abzug von Rauch und Dampf versehen. Weitere zwei Glasfelder unterbrachen die im Übrigen aus Wellblech bestehende Abdeckung.

Der erste Umbau

Der Tunnel zwischen Hauptbahnhof und Mainz Süd wurde in den dreißiger Jahren im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilweise „geschlitzt“, also zur Oberfläche hin geöffnet, wodurch zwei Tunnel entstanden:

Die erste Halle versah bis 1935 ihren Dienst. Bei einem Brand des Dachstuhls des Empfangsgebäudes am 23. Dezember 1934 wurde sie in Mitleidenschaft gezogen. Im Empfangsgebäude fielen Speicher und Schlafräume des Personals der Bahnhofswirtschaft den Flammen zum Opfer. Trotz des geringen Schadens an der Halle entschied sich die Reichsbahndirektion Mainz im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, sie komplett zu ersetzen.

Die Außenfassade blieb im wesentlichen unverändert, das Bahnhofsdach verlor allerdings seine Genius-Statue und die von Allegorien flankierte zentrale Uhr. Die Abschlusskuppeln der Eckrisalite überdauerten bis zum Kriegsende. Gepäck- und Schalterhalle wurde neu eingerichtet, die Bahnsteighalle durch MAN 1939 neu gebaut. Sie war nur noch 140 m lang. Während des zweiten Weltkrieges wurde sie bei Luftangriffen erheblich beschädigt. Als Verkehrsknotenpunkt befand Mainz sich im Blickfeld der Militärstrategen. Immer wieder fielen Bomben auch auf den Bahnhof. Im Abstand weniger Tage flogen im September 1944 Verbände der RAF und der US Air Force Angriffe auch den Hauptbahnhof in Mainz. Der Bahnhof und sein Vorplatz wurden schwer beschädigt. Ämter-, Abfertigungsgebäude, Lagerhallen und die Weinhalle brannten komplett aus. 1.767 Meter Gleise, sechs Stellwerke und 198 Weichen wurden zerstört. Die Reichsbahndirektion registrierte 1945 einen Schaden von rund 180 Millionen Mark. Trotz allem wurde der Zugverkehr mit kurzen Unterbrechungen aufrechterhalten.

Der zweite Umbau

Mit Erlaubnis der amerikanischen und französischen Besatzer wurde der Verkehr auf einzelnen Strecken wieder aufgenommen und noch 1945 begann der Wiederaufbau. 1947 begann auch die Wiederherstellung des Bahnhofvorplatzes und des Empfangsgebäudes. Außenmauern und die Grundkonzeption wurden beibehalten, der Grundriss verbessert.

Der Hauptbahnhof wurde in der Folgezeit vergrößert, modernisiert und dem technischen Fortschritt angepasst. Das Bahnbetriebswerk Mainz war als eines der ersten „dampffrei“, als 1959 die letzte Dampflok den Mainzer Lokschuppen verließ. Vorangegangen war die Elektrifizierung des Bahnhofs.

Wahrzeichen des Bahnhofs war nun das große Kupferberg-Fenster in der Schürze der Gleishalle und das Fenster von Blendax-Zahnpasta.

Der dritte Umbau

Eine der wahrscheinlich größten Dunstabzugshauben der Welt, die Decke in der Empfangshalle.

Größter Umbau im Bereich des Mainzer Hauptbahnhofs in den letzten Jahren ist der Bau einer zweiten zweigleisigen Tunnelröhre auf der Strecke zum Südbahnhof (künftig: Mainz Römisches Theater) unter dem Kästrich. Die Sanierung des alten Tunnels, die folgen soll, ist noch nicht abgeschlossen.

Für rund 114 Millionen Euro wurden in fünfjähriger (Um-)Bauzeit bis Ende 2003 Empfangsgebäude und die Bahnhofshalle renoviert, teilweise neu errichtet. Der Bahnsteigzugang führt nun über einen Hochsteg, der über Rolltreppen und Aufzüge aus der Empfangshalle und von den Bahnsteigen barrierefrei erreicht werden kann. Er überspannt 4 Bahnsteige (Fläche der Bahnsteige 16.906 m²) und 7 Gleise. Drei weitere Stumpfgleise sind von Bahnsteig 1 aus zugänglich. Die Fläche für Geschäfte und Restaurants wurde auf 3.800 m² ausgedehnt.

Im Zuge der Umgestaltung wurde auf der Ostseite des Bahnhofs ein neuer Zugang geschaffen, der vor allem die Anfahrt von privaten PKW erlaubt. Am Bahnhof stehen 2.138 Parkplätze für den Individualverkehr (Park-and-Ride) zur Verfügung. Der Bahnhofsvorplatz wurde komplett entrümpelt, umgestaltet und ist nun dem ÖPNV und Taxen vorbehalten.

Um brandschutzrechtlichen Auflagen nachzukommen, wurde die Decke in der Empfangshalle durchbrochen, so dass Rauch – zusätzlich abgesaugt durch Ventilatoren –abziehen kann. Im Keller befindet sich ein Löschwasser-Vorratsbehälter mit 170 Kubikmeter Nutzinhalt. Dieser wird durch reichlich vorhandenes Grundwasser, das vom Hartenberg und Taubertsberg kommt und Richtung Rhein strömt, gespeist.

2003 zählte der Bahnhof der Landeshauptstadt, nach Angaben der Deutschen Bahn, zu den modernsten in der Bundesrepublik.

Verkehrliche Bedeutung

Der Mainzer Hauptbahnhof wird von ca. 55.000 Reisenden am Tag genutzt. Er ist Haltepunkt der Linie S 8: Wiesbaden Hauptbahnhof–Mainz Hbf–RüsselsheimFrankfurt (Main) HauptbahnhofHanau Hauptbahnhof; der S-Bahn Rhein-Main. Außerdem halten hier täglich 440 Züge des Nahverkehrs (StadtExpress, RE und RB) und 78 Züge des Fernverkehrs (IC, EC und ICE).

Der Bahnhof ist ein bedeutender innerstädtischer und regionaler Bus-Knotenpunkt von (RNN, ORN und MVG).

Trivia

vier Kameras für die Foto-Fahnung

Das Bundeskriminalamt will vom Oktober 2006 bis Januar 2007 in einem Forschungsprojekt die biometrischer Gesichtserkennung (Foto-Fahndung) im Mainzer Hauptbahnhof testen.

Literatur

  • Eisenbahn in Hessen. Kulturdenkmäler in Hessen. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Theiss Verlag Stuttgart, 2005, 3 Bände im Schuber, 1.448 S., ISBN 3-8062-1917-6, Bd. 2.1, S. 232f (Strecke 014).
  • Franz Dumont, Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz (Hrsg.): Mainz – Die Geschichte der Stadt. 2. Auflage. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-2000-0
  • Stadt Mainz (Hrsg.): Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte. Verlag Krach, 1981, ISSN 0720-5945
  • Heinrich Wohte (Hrsg.): Mainz – Ein Heimatbuch. Verlag Johann Falk Söhne, Mainz 1928

Weblinks

Commons: Train stations in Mainz – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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