Sputnik 1

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Sputnik 1
Sputnik 1
Land: Sowjetunion Sowjetunion
COSPAR-ID: 1957-Alpha-2 (1957-001B)
Missionsdaten
Masse: 83,6 kg
Größe: 58 cm Durchmesser
Start: 4. Oktober 1957, 19:28:34 UTC
Startplatz: Baikonur LC-1
Trägerrakete: R-7 (Sputnik)
Status: verglüht am 4. Januar 1958
Bahndaten
Umlaufzeit: 96,2 min[1]
Bahnneigung: 65,1°
Apogäumshöhe 939 km
Perigäumshöhe 215 km
Sputnik 1 – Schau der Wirtschaftserfolge, Moskau

Sputnik 1 (russisch Спутник für Weggefährte[2], Begleiter, Trabant (der Erde)) war der erste künstliche Erdsatellit. Mit ihm begann am 4. Oktober 1957 das Zeitalter der Raumfahrt.

Der Satellit war zwar von der Sowjetunion für den Verlauf des Internationalen Geophysikalischen Jahres (IGY 1957–58) angekündigt worden, doch rechnete die westliche Fachwelt erst Mitte 1958 mit der Fertigstellung der sowjetischen Entwicklungen und wurde durch den Start überrascht. Auch in der westlichen Öffentlichkeit löste der Start Besorgnisse aus; diese wurden mit dem Begriff Sputnik-Schock benannt.

Entwicklung

US-Präsident Eisenhower hatte Ende Juli 1955 die Entwicklung eines amerikanischen Erdsatelliten in Auftrag gegeben, worauf die UdSSR vier Tage später, am 1. August 1955, eine ähnliche Entwicklung ankündigte. Dies wurde von der Weltöffentlichkeit teilweise als Propaganda-Coup für die Überlegenheit des marxistisch-wissenschaftlichen Systems über den Kapitalismus (Mitteilung Herbst 1955) angesehen.

Der erfolgreiche Start am 4. Oktober 1957 um 19:28:34 GMT (5. Oktober Ortszeit) von einer großen Startrampe in Baikonur (Kasachische SSR) überraschte daher alle Welt. Die Trägerrakete R-7 des Satelliten war eine Weiterentwicklung militärischer Interkontinentalraketen durch den Konstrukteur Sergei Pawlowitsch Koroljow.

Die Leistungsfähigkeit sowjetischer Raketen war für die Militärs der westlichen Welt ein zusätzlicher Grund zur Sorge. Das politische Klima zwischen den Großmächten USA und UdSSR hatte sich in den Vorjahren verschlechtert (siehe Koreakrieg Juni 1950–Juli 1953, Wettrüsten, Kernwaffentests), August 1953: erste Wasserstoffbombe der UdSSR). Bis zum Ende des Kalten Krieges 1989 wurde massiv in Waffen investiert – Verteidigungswaffen, Angriffswaffen und Massenvernichtungswaffen.

Wie erst viel später im Westen bekannt wurde, sollte ursprünglich ein als Objekt D bezeichneter Forschungssatellit (später als Sputnik 3 bekannt geworden) mit umfangreicher wissenschaftlicher Ausrüstung und etwa 1300 Kilogramm Gewicht den Anfang machen. Dessen Entwicklung geht auf einen Bericht Über künstliche Erdsatelliten zurück, den Koroljow am 26. Mai 1954 beim damaligen Verteidigungsminister Dmitri Fjodorowitsch Ustinow einreichte. Die eigentlichen Pläne stammen von einem Freund Koroljows, Michail Tichonrawow, der sich schon seit 1947 mit der Möglichkeit eines Erdsatelliten beschäftigt hatte und frühzeitig auch Koroljow dafür begeistern konnte. Zusammen mit Mstislaw Keldysch, Walentin Petrowitsch Gluschko und Michail Lawrentjew schafften sie es, am 30. Januar 1956 die Genehmigung für den Bau des Satelliten zu erhalten. Dessen Entwicklung kam als rein ziviles Projekt jedoch nur schleppend voran, da er von einflussreichen Stellen in Regierung und Militär als unwichtig eingestuft wurde, auch wenn Nikita Chruschtschow sich dem Projekt bei einem Besuch im Februar 1956 im Versuchskonstruktionsbüro Nr. 1 (OKB-1) in Kaliningrad bei Moskau, wo Koroljow ihm ein Modell vorführte, nicht abgeneigt zeigte.

Zusätzlich war die zur Verfügung stehende Rakete zu diesem Zeitpunkt noch nicht leistungsfähig genug, um einen Satelliten dieser Masse in den Weltraum zu tragen. Die Ankündigung von Eisenhower 1955 und der Start einer Jupiter-C am 20. September 1956 liessen Koroljow jedoch vermuten, dass die Amerikaner ihm zuvorkommen könnten. So schlug er kurzerhand den Bau zweier einfacher Satelliten (PS 1 und PS 2, prostoi sputnik = einfacher Satellit) als Übergangslösung vor, was von den zuständigen Stellen genehmigt wurde (wahrscheinlich wurde die Genehmigung zum Bau am 25. November 1956 und zum Start am 5. Januar 1957 erteilt). Nach nur wenigen Wochen Entwicklungs- und Bauzeit unter persönlicher Beaufsichtigung durch Koroljow wurden die Satelliten fertig. Der Start von PS 1 war für den 6. Oktober 1957 vorgesehen, wurde jedoch (wieder wegen Befürchtungen Koroljows, dass die Amerikaner ihm zuvorkommen könnten) um zwei Tage vorverlegt.[3][4]

Technik

Dieser Sputnik – späteres Synonym für alle sowjetischen Satelliten, auch der Kosmos-Serie und anderer „Sputniks“ – wog 83,6 Kilogramm und damit fünfmal mehr als der US-Explorer 1 vom 31. Januar 1958 und war eine mit Stickstoff gefüllte, hochglanzpolierte Aluminiumkugel. Sie bestand aus zwei Millimeter starkem Blech aus der Aluminiumlegierung AlMg6T, hatte 58 cm Durchmesser, und zwei Antennenpaare (je 2,4 bzw. 2,9 Meter lang) ragten aus ihr heraus.

Der Satellit trug zwei Funksender vom Typ D 200 mit einem Watt Leistung für codierte Kurzwellensignale, in denen Innendruck und -temperatur verschlüsselt waren, auf einer Frequenz von 20,005 und 40,002 MHz, die 21 Tage funktionsfähig blieben. Weiterhin enthielt er drei Silber-Zink-Akkus und das Wärmeregulationssystem DTK 34, das mit Ventilatoren und Sensoren für Innen- und Außentemperatur ausgestattet war. Über die Innentemperatur wurde so eine Innendruckmessung realisiert (Temperaturabfall bei Drucksenkung), wodurch Beschädigungen der Außenhülle durch Mikrometeoriten festgestellt werden konnten. Es wurden mehrere Exemplare im OKB-1 in Kaliningrad bei Moskau gebaut.

Umlaufbahn

Die Umlaufbahn von Sputnik 1 verlief anfänglich in einer um 65,1° gegen den Erdäquator geneigten Bahn mit einer Flughöhe zwischen 215 und 939 km (siehe Peri- und Apogäum) und einer Umlaufzeit von 96,2 min. Durch die bremsende Wirkung der Ionosphäre – deren Dichte und Obergrenze man bis dahin stark unterschätzt hatte – sank die Bewegungsenergie des Satelliten und damit seine Bahnhöhe kontinuierlich. Nach 92 Tagen trat Sputnik 1 in die dichteren Atmosphärenschichten ein und verglühte am 4. Januar 1958.[1]

Die anfänglich stark elliptische Flugbahn hatte vor allem zwei Gründe:

  • Erstens beherrschte man die Steuerungstechnik für Raketen noch nicht genau genug. Um die geplante Bahnhöhe mit auch nur 100 km Genauigkeit einzuhalten, darf die tatsächliche Endgeschwindigkeit der obersten Raketenstufe nicht mehr als einige Promille vom Sollwert abweichen. Für solche Abweichungen sorgt schon ein nicht vollständig gleichmäßiger Abbrand im Triebwerk, wodurch entweder einige Promille des Treibstoffs oder des Oxidators in der Raketenhülle verbleiben.
  • Zweitens wollten die Wissenschaftler die äußerste Erdatmosphäre und geophysikalische Effekte nicht nur in einer Höhe erforschen, sondern in unterschiedlichen Bahnhöhen.

Die große Bahnneigung von 65° hatte einen größeren energetischen Effekt als die Wahl der Bahnellipse, allerdings in ungünstigere Richtung: Bei einem Satellitenstart bekommt die Trägerrakete abhängig vom Breitengrad des Startplatzes einen Anteil an der Erdrotation mit – am Äquator immerhin 465 m/s oder sechs Prozent der Startgeschwindigkeit (7,5 Kilometer pro Sekunde). Diese Geschwindigkeit kann man sich bei einem Start in östlicher Richtung – der aus diesem Grund üblichen Startrichtung für Raumfahrzeuge – zunutze machen, um Treibstoff und damit Startmasse einzusparen.

Je weiter entfernt vom Äquator ein Start erfolgt, desto geringer wird die wirksame Rotationsgeschwindigkeit. Hierin hatten die USA einen kleinen Vorteil gegenüber der Sowjetunion, nämlich die geringere geographische Breite ihrer Abschussrampen, jedoch waren die amerikanischen Raketen um mehr als zwei Drittel schwächer.

Ein Vorteil größerer Bahnneigungen ist wiederum, dass ein Satellit einen größeren Bereich der Erdoberfläche abdeckt, als bei äquatornahen Bahnneigungen. Darüber hinaus hatte die große Apogäumshöhe von fast 1000 km über der Erde auch den propagandistischen Nebeneffekt, die in Sachen Himmelsmechanik (siehe erster Grund) nicht bewanderte Weltöffentlichkeit in Staunen zu versetzen. Eine so große Höhe klingt schließlich viel beeindruckender als z.B. eine für stabile Bahn von 200 km Höhe, obwohl der Energieaufwand zum Erreichen dieser Bahnen sich kaum unterscheidet.

Signal

Das Sputnik-Signal

Die „piepsenden“ Signale des Sputnik konnten an sich auf der ganzen Welt empfangen werden, wenn der verwendete Empfänger für die schwachen 1-Watt-Signale empfindlich genug war.

Im westlichen Europa konnte dabei ein Astronom den ersten Erfolg verkünden: Heinz Kaminski von der Volkssternwarte Bochum. Die gute Presse und die vielen Anfragen, die mit diesem Erfolg in den ersten Tagen der Raumfahrt verbunden waren, trugen wesentlich zum Entstehen des späteren Bochumer Instituts für Weltraumtechnik bei.

Erste Bahnspuraufnahme der Trägerrakete von Sputnik 1

An der Schulsternwarte Rodewisch (Sachsen) wurde der Sputnik am 8. Oktober 1957 erstmals mit Hilfe eines Fernglases gesehen. Hier entstand am 13. Oktober 1957 auch die erste Fotografie der Trägerrakete von Sputnik 1.

Weltweite Bewertung

Der „Sputnikschock“

Die Tatsache des ersten Sputnik-Starts machte aller Welt klar, dass die Sowjetunion nun in der Lage war, mit ihren Raketen nicht nur den Weltraum zu erreichen, sondern auch jeden Punkt auf der Erde. Dies löste in Teilen der westlichen Welt ein Gefühl der Bedrohung aus, weil die sowjetischen Interkontinentalraketen jenen der USA offenbar überlegen waren. Der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower nutzte allerdings den Sputnikschock vor allem zu einem Erneuern des als ungerecht empfundenen amerikanischen Bildungssystem aus. Eine militärische Bedrohung nahm der republikanische Exgeneral nicht weiter ernst, was noch sein Wahlkampfgegner und Nachfolger John F. Kennedy ausnutzte, der eine angebliche Raketenlücke als Wahlkampfthema verwendete.

Die etwas andersartigen Reaktionen vieler Wissenschaftler fasste Dr. Hynek vom SAO in folgenden Worten zusammen: «…a strange mixture of awe, admiration, and fear – the last enhanced, of course – because there had been no warning». In den ersten Tage erhielt das Observatorium hunderte Briefe und Telefonanrufe, denn manche rechneten sogar mit einer russischen Satelliten-Atombombe.[5]

Folgen

Das Wort Sputnik gehört zu den hundert Wörtern, die für das zwanzigste Jahrhundert als besonders bezeichnend angesehen werden.

Die charakteristische Wortendung -nik fand im Westen als Pejorativsuffix weitere Verwendung in Worten wie Beatnik oder Peacenik.

Hinsichtlich der technisch-fachlichen Bildungspolitik hatte der Sputnikschock sehr positive Folgen: Er führte nicht nur in Industrie und Verwaltung zu Umstrukturierungen, sondern auch in vielen Schulen und Hochschulen zu Initiativen der Beobachtungs- und Weltraumtechnik und zur Gründung zahlreicher Vereine und Messprogramme für an Raumfahrt und Astronomie interessierte Laien.

In vielen Staaten – besonders in der damaligen Sowjetunion, in den USA und in der DDR – entstanden Studienprogramme und Schulfächer für Astronomie. In den USA entstand die Moonwatch-Organisation des SAO zur genauen optischen Beobachtung von Erdsatelliten, an der bis 1975 etwa 200 Beobachterteams mitwirkten (zehn davon in der Bundesrepublik Deutschland und drei in Österreich). Ähnliche Gruppen entstanden in der Sowjetunion, Großbritannien und Japan.

In vielen Ländern entstanden Serien von Rundfunkprogrammen über Fragen des Weltraums – und natürlich Science-Fiction-Filme und -Bücher.

Siehe auch

Literatur

  • Matthew Brzezinski: Red Moon Rising. Bloomsbury Publishing London 2007
  • R. Wallisfurth: Russlands Weg zum Mond. Econ-Verlag Düsseldorf-Wien 1964
  • H. Giese: Raumfahrttechnik. BI-Taschenbuch 1962.
  • Igor J. Polianski; Matthias Schwartz (Hg.): Die Spur des Sputnik. Kulturhistorische Expeditionen ins kosmische Zeitalter. Campus Verlag 2009.

Weblinks

Commons: Sputnik – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Bahndaten nach Sputnik 1. In: National Space Science Data Center. NASA, abgerufen am 21. September 2012 (englisch).
  2. von путь = der Weg; die Bezeichnung stammt von Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski
  3. Anatoly Zak: Sputnik design. 2. Oktober 2007, abgerufen am 21. September 2012 (englisch).
  4. Flieger Revue 10/2007, ISSN 0941/889X
  5. N. Hayes: Trackers of the Skies, p.53. SAO 1968

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