Tschiertschen

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Tschiertschen
Wappen von Tschiertschen
Wappen von Tschiertschen
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Graubünden Graubünden (GR)
Region: Plessur
Politische Gemeinde: Tschiertschen-Pradeni2
Postleitzahl: 7064
frühere BFS-Nr.: 3915
Koordinaten: 765420 / 187529Koordinaten: 46° 49′ 6″ N, 9° 36′ 23″ O; CH1903: 765420 / 187529
Höhe: 1350 m ü. M.
Fläche: 21,35 km²
Einwohner: 212 (31. Dezember 2007)
Einwohnerdichte: 10 Einw. pro km²
Website: Tschiertschen
Tschiertschen
Tschiertschen

Tschiertschen

Karte
Karte von Tschiertschen
Karte von Tschiertschen
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Willkommen in Tschiertschen.
Tschiertschen im Winter 1957

Tschiertschen ([tʃiə̯rtʃən]/?) war bis zum 31. Dezember 2008 eine politische Gemeinde im ehemaligen Kreis Churwalden, Bezirk Plessur, des Kantons Graubünden in der Schweiz.

Per 1. Januar 2009 fusionierte Tschiertschen mit der Gemeinde Praden zur neuen Gemeinde Tschiertschen-Praden.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historisches Luftbild von Werner Friedli (1949)

Tschiertschen liegt auf der linken, südlichen Talseite des Schanfiggs, sieben Kilometer (Luftlinie) südöstlich von Chur. Das Gemeindegebiet erstreckt sich von der tief eingeschnittenen Plessur (770 m ü. M.) bis zu den Gipfeln der Weisshornkette. Am Flusslauf selbst hat Tschiertschen nur auf wenigen hundert Metern zwischen den Mündungen von Pajüelbach und Sagenbach Anteil; hangaufwärts verbreiterte sich das Territorium der ehemaligen Gemeinde jedoch rasch und umfasste fast das gesamte Einzugsgebiet der beiden Bäche, wobei sich das Sagenbachtal auf Kote 1320 in die beiden Quelltäler Farur und Urden verzweigt. Die östliche Begrenzung verlief vom Aroser Weisshorn (2653 m) über Plattenhorn und Tschirpen zum Parpaner Weisshorn, das den südlichsten und mit 2824 m ü. M. auch höchsten Punkt der Gemeinde markiert. Von dort führte die Grenze über das Parpaner Schwarzhorn (2683 m) zur dem Gürgaletsch (2441 m) vorgelagerten Täliflue, dem nordwestlichen Ausläufer der Lenzer Horn-Rothorn-Kette. Zur Gemeinde gehörten neben dem Haufendorf Tschiertschen, zwischen Pajüel- und Sagenbach am nach Nordosten abfallenden Hang gelegen, auch die Hofgruppen Clüs, Fups und Furgglis sowie die Alpsiedlungen im Farur- und Urdental.

Nachbargemeinden waren Praden, Lüen, Molinis, Arosa, Vaz/Obervaz, Parpan und Churwalden.

Wappen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beschreibung: In Blau ein goldener Pfahl, belegt von einem sechsstrahligen blauen Stern, beseitet von zwei goldenen Ähren. Nach dem Gemeindesiegel von 1825, das einen gespaltenen Schild mit einem Stern in gewechselten Farben zeigte. Der Stern ist das Wappenbild des Kreises Churwalden, dem auf Wunsch der Gemeinde die Ähren hinzugefügt wurden. Farben des Zehngerichtenbundes.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ursprünglich war der bereits im 8. Jahrhundert als Cercene erwähnte Ort von Romanen besiedelt, woran heute noch viele Flurnamen erinnern. Der seit 1222 belegte Grundbesitz des Klosters Churwalden begründete die Zugehörigkeit zur Herrschaft Strassberg, später zum Gericht Churwalden des Zehngerichtenbundes. Um 1530 schloss sich Tschiertschen der Reformation an; Ende des 16. Jahrhunderts ging man von der romanischen zur deutschen Sprache über.

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tschiertschen zählt rund 220 mehrheitlich reformierte Einwohner. Der Grossteil der Bevölkerung lebt direkt oder indirekt vom Tourismus, hauptsächlich in der Wintersaison.

Jahr 1803 1850 1900 1950 2000[1] 2005 2007
Einwohnerzahl 130 124 139 174 225 219 212

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Letzter Gemeindepräsident von Tschiertschen war Werni Walser.

Wirtschaft und Infrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dorf gibt es eine Primarschule, ein evangelisches Pfarramt, das Büro der Fremdenverkehrsorganisation Schanfigg-Tourismus, zwei Hotels und eine Mehrzweckhalle.

Enge Beziehungen bestanden schon vor der Fusion traditionell zur Nachbargemeinde Praden. Gemeindeverwaltung, Feuerwehr und Schulverband wurden gemeinschaftlich organisiert.

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fahnen am Dorfeingang

In den Jahren 1893–1894 wurde die Tschiertscherstrasse von Chur über Passugg und Praden nach Tschiertschen gebaut. Die Gemeinde ist mit der Postautolinie Chur–Tschiertschen ans Netz des öffentlichen Verkehrs angeschlossen.

Skigebiet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Skigebiet Tschiertschen

Blick von Tschiertschen aus ins Schanfigg
Tschiertschen im Winter

Das Skigebiet Tschiertschen bietet im Winter 25 Pistenkilometer, der höchste Punkt des Skigebiets ist der 2441 m hohe Gürgaletsch, der etwas mehr als 1000 Höhenmeter über der Talstation im Dorf liegt. Zwei 2001 eröffnete Vierersesselbahnen von Leitner (Waldstafel und Hüenerchöpf) und zwei Skilifte aus dem Jahr 1978 von Von Roll (Gürgaletsch und Jochalp) erschliessen die Pisten, an der Sesselbahn Waldstafel befindet sich eine 3 Kilometer lange Schlittelbahn.

Die auf den Winter 2013/14 umgesetzte Skigebietsverbindung Arosa – Lenzerheide wurde vor Ort kontrovers diskutiert. Von den Gegnern wurden gravierende Eingriffe in die Landschaft des Farur- und Urdentals befürchtet. Die Befürworter unterstrichen demgegenüber die erheblichen touristischen Vorteile für die gesamte Region, von der auch Tschiertschen bei einem allfälligen künftigen Anschluss an diese neue Skiarena in bedeutender Weise profitieren hätte können.[2] Seit 2019 ist erneut eine Anbindung an Arosa in Form einer Pendelbahn von Tschiertschen auf das Weisshorn mit einer Rückführpiste durch das Urdental in der Diskussion. Bei einer Bevölkerungsumfrage im August 2019 wurde von 89 % der Befragten eine Machbarkeitsstudie für das Pendelbahnprojekt gewünscht.

Auswirkungen der globalen Erwärmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tschiertschen bereitet sich seit Jahren auf die drohende Insolvenz seines Skigebiets vor, die durch die globale Erwärmung dadurch zu einer realen Gefahr geworden ist, da immer weniger Schnee fällt.[3] Als traditionelle Wintersportgemeinde ist die Gemeinde seit Jahrzehnten vom Skifahren geprägt, sieht sich mittlerweile jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert, da die Einnahmen aus dem Skibetrieb die Kosten für Liftanlagen, Pistenpflege, Ausrüstung und Personal nicht decken können.[3] Eine außergewöhnliche Spendenaktion rettete das Skigebiet vorerst, indem doppelt so viel Geld gesammelt wurde wie benötigt, was den Betrieb für die nächsten zehn Jahre sichern könnte.[3] Dieser Fall zeigt, wie sich Gemeinden gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintersport zur Wehr setzen, auch wenn die Zukunft vieler Skigebiete in Europa weiterhin unsicher bleibt.[3]

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Holzhäuser in der walserischen Bautradition prägen den kompakten Dorfkern. Typisch für Tschiertschen sind die an nahezu sämtlichen älteren Häusern unter dem jeweiligen Dachgiebel kunstvoll aufgemalten Haussprüche, die fast alle der Bibel entnommen sind.

Die reformierte Kirche ist ein gotischer Bau des 15. Jahrhunderts. Erwähnt 1405; Chorgewölbe wohl Anfang 15. Jahrhundert, Turm letztes Viertel 15. Jahrhundert.; renoviert 1897 und 1951; restauriert aussen 1979–1980 und 1991.

Historisches Sägewerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das historische Sägewerk Sagi Tschiertschen wird vom Wasser des Sagäbachs angetrieben. Das Sägewerk wurde 1920 erbaut und 1989 renoviert. Demonstrationen erfolgen im Mai–September.

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Gemeinden des Kantons Graubünden. Chur/Zürich 2003, ISBN 3-7253-0741-5.
  • Hans Danuser, Walser-Vereinigung Graubünden (Hrsg.): Alte Wege im Schanfigg. Verlag Walser-Vereinigung Graubünden, Splügen 1997.
  • Carl Fischer: Land und Leute im Tale Schanfigg. Manatschal Ebner & Cie., Chur 1905.
  • Peter Masüger: Vom Alträtoromanischen zum «Tschalfiggerisch». In: Terra Grischuna. 48. Jahrgang, Heft 1, Terra Grischuna Verlag, Chur 1990, ISSN 1011-5196.
  • Christian Patt: Schanfigger Wörter – Eine Ergänzung zum Davoser Wörterbuch. Verlag Walservereinigung Graubünden, Chur 1986.
  • Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden II. Die Talschaften Herrschaft, Prättigau, Davos, Schanfigg, Churwalden, Albulatal. (= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 9). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 1937, DNB 811066703.
  • E. Rud: Das Schanfigg. Buchdruckerei AG Arosa, Arosa um 1920.
  • Jürg Simonett: Tschiertschen. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Dezember 2016.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tschiertschen – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jürg Simonett: Tschiertschen. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Dezember 2016.
  2. Tschiertschen träumt von einer Skipiste durchs Urdental. In: Südostschweiz.ch. 29. Oktober 2014, abgerufen am 8. November 2014.
  3. a b c d Victoria Krumbeck, Romina Kunze: „Würde für immer verschwinden“: Kleines Alpendorf stemmt sich gegen Insolvenz von Skigebiet. In: fr.de. 22. März 2024, abgerufen am 22. März 2024.