Benutzer:Roxanna/Islam in Ungarn

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restaurierte Hassan-Jakovali-Pascha-Moschee in Pécs

Vor der Flüchtlingskrise von 2015 lag der moslemische Bevölkerungsanteil in Ungarn mit einer Anzahl von nur 60.000 Muslimen bei 0,6% von 10 Millionen Einwohnern. Einschließlich der Flüchtlinge waren 2017 fast XXX.XXX bzw. X,X%. Der Islam in Ungarn aber hat eine fast tausendjährige Geschichte, und im 19. Jahrhundert kam es sogar zu einem Massenübertritt ungarischer Patrioten zum Islam.

Als einziges Land Mitteleuropas standen weite Teile Ungarns 150 Jahre lang unter türkisch-muslimischer Herrschaft - verglichen mit anderen Balkanstaaten ist das allerdings eine relativ kurze Zeitspanne.[1] In der Wahrnehmung des Abendlandes fiel jedoch Ungarn eine größere Bedeutung zu, weil es unmittelbar an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation angrenzte und im Gegensatz zum orthodoxen Balkan ebenfalls katholisch und protestantisch war.

Ungarn und der Islam: Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nur der äußerste Westen Ungarns war niemals türkisch

Zweimal breitete sich ein autochthoner Islam in Ungarn aus, zweimal wurde er fast vollständig vernichtet. Beide Male waren turkstämmige Muslime die Hauptvertreter eines ungarischen Islam.

"Baschkiren" im Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ungarischen Herkunftssagen zufolge sollen finnougrische Magyaren (Ungarn) und turkstämmige Baschkiren gemeinsame ural-altaische Vorfahren gehabt haben. Die Baschkiren wiederum waren Nachbarn der Wolgabulgaren, welche im 10. Jahrhundert den Islam angenommen hatten. Obwohl die vollständige Islamisierung der Baschkiren zeitgleich mit der Vernichtung der am Ural verbliebenen Magyaren erst mit der mongolisch-tatarischen Eroberung erfolgte, so bekannte sich schon zu Beginn des 11. Jahrhunderts eine baschkirische Minderheit zum Islam, während die Ungarn zeitgleich das Christentum annahmen.[2] Zusammen mit wolgabulgarischen Händlern gelangten muslimische Baschkiren offenbar im 12. Jahrhundert nach Ungarn, wohin die Magyaren gezogen waren, seit die Petschenegen sie aus Etelköz vertrieben hatten (Ende des 9. Jahrhunderts). Arabische und persische Geographen verwandten daher die Begriffe Magyaristan (Land der Ungarn) und Baschkirien sowie Hunkar (Ungarn) und Baschkirt (türkisch Bozkurt = Baschkiren) teilweise synonym, teilweise aber auch in religiöser Abgrenzung zueinander: Ungarn als die christlichen, Baschkiren als die muslimischen Einwohner des mittelalterlichen Ungarn.

Im 10. Jahrhundert sollen sich die ersten wolgabulgarischen Ismailiten in Ungarn niedergelassen haben.[3] Zur gleichen Zeit hatte Al-Masudi muslimische Petschenegen in Ungarn erwähnt, aber auch zahlreiche Muslime unter den Ungarn, die er Baschkiren nannte, obwohl der Andalusier Abu Abdullah al-Bakri die Islamisierung der Petschenegen erst ins 11. Jahrhundert verlegte. Sein Landsmann und Zeitgenosse Abu Hamid al-Gharnati, der 1150-1153 als Berater am Hof des ungarischen Königs Geza II. lebte, bestätigte muslimische Petschenegen ebenso wie Maghrebiner und Choresmier, die alle seit dem 11. Jahrhundert in Ungarn seßhaft gewesen sein sollen. Auch christliche Quellen des 12. Jahrhunderts bestätigten die choresmischen Kaliz, christliche Quellen des 13. Jahrhunderts erwähnten zudem Sarazenen, Ismailiten und Böszörmeny (das ungarische Wort für "Muslime" an sich), die z.B. die durchziehenden Kreuzritter behinderten. Die ungarischen Muslime erfreuten sich königlichen Wohlwollens unter Stephan II., der die Petschenegen ansiedelte, und Geza II., der al-Gharnati zum Scheikh ul-Islam machte und mit der Anwerbung muslimischer Kumanen beauftragte. Noch unter Andreas II. wurden die Muslime zu Studien nach Aleppo gesandt, wie der syrische Geograph Yaqut al-Hamawi nach 1220 überlieferte. Doch dann änderte der ungarische König unter päpstlichem Einfluß seine Haltung und erließ 1222 und 1233 diverse anti-islamische Religionsgesetze. Es folgte eine Christianisierungspolitik, der auch die um 1238 aufgenommenen Kumanen zum Opfer fielen, und die nach dem Ende der Arpaden-Dynastie noch verschärft wurde. Im 14. Jahrhundert konvertierten die Petschenegen zum Christentum, dennoch sind Reste muslimischer Petschenegen und Kumanen noch bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts überliefert. Bei Anbruch der Neuzeit, zum Zeitpunkt des Einfalls der Türken Anfang des 16. Jahrhunderts, gab es in Ungarn keine Muslime mehr.

Türken in der Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Kirche umgebaute Moschee im Zentrum von Pécs
Osmanisches Minarett in Eger
Sulaiman Pascha, 1541/42 erster muslimischer Gouverneur in Buda
Kiraly-Bad in Budapest
Noch 400 Jahre nach Mohács und über den Untergang der Osmanen hinaus wurde das Türkenbild verzerrt
In Szigetvar erinnert seit 1996 ein Park der ungarisch-türkischen Freundschaft an Zrinyi und Sulaiman

Schon 1396 und 1443-48 hatte sich Ungarn an Kreuzzügen gegen das Vordringen der osmanischen Türken auf dem Balkan beteiligt. Der Fall Konstantinopels 1453 konnte nicht verhindert werden, doch Janos Hunyadis Abwehrsieg bei Belgrad 1456 hielt die Türken zumindest 70 Jahre auf. Nachdem es 1514 statt eines geplanten erneuten Kreuzzuges zu einem Bauernaufstand unter György Dózsa gekommen war, wurden die Abwehrkräfte des Königreichs in dessen Niederschlagung geschwächt. In der Schlacht bei Mohacs verlor König Lajos II. 1526 Reich und Leben.

Dennoch verschwand Ungarn nicht sofort von der Landkarte. Um die Erbfolge kämpften Lajos´ Schwager Ferdinand von Österreich und Lajos´ Onkel Johann Zapolya, der als siebenbürgischer Woiwode und ehemaliger Regent Ungarns 1514 den Bauernaufstand niedergeschlagen hatte. Der türkische Sultan Sulaiman I. Kanuni besetzte 1529 Buda (Ofen), krönte dort Zapolya zum letzten ungarischen König von türkischen Gnaden, und marschierte gegen Wien. Trotz der erfolglosen Belagerungen von Wien (1529) und Güns (1532) und trotz österreichischer Gegenangriffe nach Zapolyas Tod besetzten die Türken 1541/44 mit Buda, Pecs, Szeged, Székesfehérvár, Vác, Nograd, Kalocsa, Esztergom und Miskolc[4] den größten und wichtigsten Teil Ungarns. Zapolyas Sohn, der die Türken ins Land gerufen hatte, wurde als Fürst von Siebenbürgen osmanischer Vasall. In einer zweiten Welle eroberten die Türken 1551/55 auch Arad, Temesvar, Veszprem, Szolnok und Debrecen[5], scheiterten aber zunächst vor Eger. Mit dem Fall der Festung Szigetvar endete der ungarische Widerstand, sowohl der ungarisch-kroatische Kommandant Zrinyi als auch Sulaiman fanden dabei den Tod. Ungarn wurde dreigeteilt, im Westen markierte zunächst der Balaton die Grenze zwischen dem türkischen und dem österreichischen Teil Ungarns, im Osten fielen ungarische Grenzgebiete (Partium) 1570 an Siebenbürgen, im Norden die Slowakei an Österreich. Obwohl die Türken ab 1595 sogar einen "Heiligen Krieg" führten und nach der Schlacht von Mezőkeresztes (1596) im Norden auch Györ[6], Eger und Nyíregyháza erobern konnten, mußten sie 1606 mit Österreich einen Kompromißfrieden schließen. Ein ähnlicher Kompromißfrieden wurde 1664 in Eisenburg geschlossen - trotz ihrer Niederlage bei Szentgotthárd erhielten die Türken im Osten Oradea, im slowakischen Norden Nitra[7] bzw. Nové Zámky sowie Levice und konnten im Westen die Grenze bis an die Flüsse Raab und Waag vorverlegen, Türkisch-Ungarn erreichte damit seine größte Ausdehnung. Lediglich die Gebiete westlich von Györ (Komitat Győr-Moson-Sopron) und östlich von Tokaj (Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén) waren niemals türkisch.[8]

Türkisch-Ungarn wurde in vier Vilayets gegliedert: Eger, Buda, Temesvar und Szigetvar-Mohacs. Zwar hatte die türkisch-osmanische Herrschaft als brutaler Eroberungszug begonnen, und die Türken raubten das Land ebenso rücksichtslos aus wie die Österreicher, sie betrieben aber keine Politik der planmäßigen Islamisierung Ungarns. Sie überzogen allerdings das Land mit Garnison, und für die türkischen Soldaten wurden dann ähnlich Garnisonskirchen zahlreiche Moscheen errichtet. Nach und nach konvertierten auch zahlreiche Ungarn zum Islam, die meisten freiwillig in der Hoffnung auf Karriere im osmanischen Staatsapparat und Befreiung von der Nichtmuslimen auferlegten Kopfsteuer, einige Ausnahmen traten unter Zwang zum Islam über. Einigen ungarischen Familien wurden Söhne geraubt und verschleppt, um in Istanbul und im türkischen Kernland zu Muslimen erzogen zu werden, doch diese Knabenlese traf Ungarn weit weniger als andere Balkanstaaten, die länger unter türkischer Herrschaft standen. Sulaiman Pascha, 1541/42 der erste osmanische Gouverneur in Buda, war ein ungarischer Muslim, doch die Hauptstadt verfiel unter osmanischer Herrschaft allmählich, während sich Eger und Pecs (Sitz des Muftis) zu türkisch-muslimischen Zentren entwickelten. Türken ließen sich Buda, Pest, Vác, Tolna und Szeged, aber auch in Esztergom, Visegrad und Nograd nieder. Aus Nagykanizsa stammte der Türke Kanijeli Siyavuş Pascha, zwischen 1582 und 1593 dreimal osmanischer Großwesir (Regierungschef).

Die dunklen Seiten der türkischen Herrschaft wurden vor allem durch die österreichische und polnische Propaganda von der Türkengefahr z.T. überhöht und verzerrt. Zweifellos trugen die Türkenkriege sowie die Flucht vor ihnen zur weitgehenden Entvölkerung der ungarischen Tiefebene bei und warfen die wirtschaftliche sowie soziale Entwicklung Ungarns zurück, ebenso aber hatten auch die im Schatten der Türkenherrschaft stattfinden Kämpfe um Reformation bzw. Gegenreformation dazu beigetragen, in denen sich die muslimischen Türken auf Seiten der Unitarier und Lutheraner gegen die Katholiken stellten. Das protestantische Christentum und auch das Judentum erfreuten sich in Türkisch-Ungarn und Siebenbürgen sogar einer gewissen Protektion durch die muslimischen Osmanen.

Nach einer zweiten Niederlage vor Wien 1683, dem Verlust Budapests 1686 und einer zweiten Schlacht bei Mohacs 1687 brach die 150jährige türkische Herrschaft unter österreichisch-polnischen Angriffen zusammen. Eine türkische Gegenoffensive ab 1690 endete 1697 mit der Niederlage von Zenta, das Osmanische Reich trat schließlich 1699 Ungarn an Österreich ab. Ungarn war scheinbar wieder frei, nur das Banat von Temesvar blieb noch bis 1718 unter türkischer Herrschaft. Türken und ungarische Konvertiten flohen, die Zurückbleibenden wurden zwangskatholisiert, fast alle Moscheen wurden zerstört oder zu Kirchen umgebaut. Erneut war der Islam in Ungarn vernichtet, doch die von Türken errichteten Budapester Thermalbäder haben die Zerstörungen überstanden.

Konvertiten im türkischen Exil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen die bloße Auswechslung der türkisch-muslimischen durch die österreichisch-katholische Fremdherrschaft rebellierten sofort die Protestanten Siebenbürgens und die Kuruzen Oberungarns.

Der Konvertit Ibrahim Müteferrika errichtete 1727 die erste Druckerei in Istanbul.

Muslime in Ungarn: Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Restaurationen seit dem 19. Jahrhundert, Bosniaken ab 1878, ungarisch-türkische Freundschaft spätestens 1916, Ungarn ab 1918/19

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Für einige Jahrzehnte stand im 17. Jahrhundert auch ein Drittel der Slowakei unter türkischer Herrschaft, von 1528/92-1699/1718 ebenso fast neun Zehntel Kroatiens.
  2. Die meisten Quellen setzen die Islamisierung der Baschkiren allerdings erst im 13. Jahrhundert an, die Ural-Magyaren hingegen fanden ungarische Missionare noch kurz vor ihrem Untergang im 13. Jahrhundert heidisch und nicht christianisiert vor.
  3. Damit waren aber offenbar keine sich auf Imam Ismail berufene Siebener-Schiiten, sondern allgemein nach dem arabischen Stammvater Ismail bezeichnete sunnitische Muslime gemeint, auch wenn das ismailitische Schiiten gern anders interpretieren.
  4. 1544 von Türken zerstört, danach bis 1687 "nur" Tributzahlungen
  5. 1555 von Türken erobert, danach bis 1687 "nur" Tributzahlungen
  6. 1592-1598 türkisch besetzt
  7. 1663-1664 türkisch besetzt
  8. Dennoch standen auch Tokaj und Nordostungarn unter türkisch-siebenbürgischer Oberhoheit

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Kategorie:Islam in Europa Kategorie:Religion (Ungarn)