Big Band

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Eine Big Band oder Bigband (früher häufig auch Jazz Orchestra genannt) ist eine große Jazz-Band mit mehrfach besetzten Blasinstrumenten. Big Bands kamen in den USA der 1920er Jahre auf und waren stilprägend für die Swing-Ära. Der Begriff wird auch allgemein für große Tanzorchester verwendet, unabhängig von deren Stilrichtung.

Brussels Jazz Orchestra mit Sängerin Tutu Puoane (2014)

Besetzungen

Swing- oder Jazz-Big-Band

In der Big Band wurden ursprünglich die Parts der verschiedenen Einzelinstrumente des frühen Jazz (New Orleans Jazz) größeren Sektionen, das heißt Gruppen von gleichartigen Instrumenten, zugeteilt. Die Standard-Sektionen einer modernen Big Band sind:

*in der Regel in B gestimmt

Jede Bläsersektion wird normalerweise von vier bis fünf Instrumenten der jeweiligen Gruppe gebildet, die nach maximal spielbarer (oder arrangementmäßig gesetzter) Tonhöhe gestaffelt sind:

Eine übliche Aufstellung der Musiker in einer Big Band

Dabei übernehmen die ersten Stimmen jeweils die Führungs- oder Lead-Stimme ihrer Sektion. Bei Tutti- oder Shout-Phrasen ist in der Regel die erste Trompete als das höchste und durchdringendste Instrument die Leadstimme.

Auch geläufig sind Big Bands, die zusätzlich von einem Streichensemble (Violinen, Bratschen, Celli - keine Kontrabässe) begleitet werden, auch wenn diese hier im Gegensatz zu den Streichern im Sinfonieorchester häufig nicht das komplette Stück durchspielen, bzw. deutlich punktueller eingesetzt werden. Auch andere Instrumente, die ursprünglich eher der klassischen Orchesterliteratur entstammen, werden gelegentlich eingebunden. So z. B. Harfe, Hörner, Oboe/Englisch Horn oder Pauken. [1] Seltener wird auch das Bassregister mit Tuba oder Fagott verstärkt. All diese Ergänzungen zählen allerdings im Gegensatz zur obigen (fast immer ähnlich besetzten) Rhythmus- und Bläsergruppe nie zur Standardformation. Wie bereits erwähnt wechseln die Alt- und Tenor-Saxophonisten häufig zur Flöte bzw. Klarinette, teilweise bleiben die Saxophonstimmen aber auch bestehen und es kommen eigenständige Flötisten und/oder Klarinettisten hinzu. [2]

Der Klang des Ensembles wird wesentlich von dem Arrangeur bestimmt, der die mögliche Stimmführung und die technischen Möglichkeiten der Big-Band-Instrumente und Instrumentalisten sehr genau kennen muss, um den gewünschten Gesamtklang möglichst effektvoll zu gestalten.

Mambo-Big-Band

Eine besondere Ausprägung der Big Band ist die Mambo-Big-Band, ein großes Ensemble von Musikern, das sich musikalisch auf den Mambo spezialisiert hat.

Eine typische Mambo-Big-Band setzt sich zusammen aus:

Alle Instrumente – mit Ausnahme von Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug – sind stets mehrfach besetzt. Oft kommen mehrere Sänger dazu, meist bestehend aus einem Solisten und einer Begleitgruppe. Gelegentlich kommen weitere Instrumente wie etwa das Vibraphon zum Einsatz.

Im Gegensatz zur klassischen Jazz-Big-Band liegt hier der Schwerpunkt auf der Rhythmusgruppe, während im Gegenzug Holzbläser vernachlässigt werden. Bei den Blechbläsern spielen die Posaunen eine untergeordnete Rolle.

Akkordeon-Bigband

Eine weitere Ausprägung der Bigband ist die Akkordeon-Bigband, eine Bigband, in der das Akkordeon die Rolle der eigentlichen Blasinstrumente übernimmt.

Eine typische Akkordeon-Bigband setzt sich zusammen aus:

  • Akkordeonsektion in 3-4 Stimmen:
    • je Stimme 2-4 Akkordeons

Die Akkordeon-Bigband hat sich seit Ende der 1980er Jahre aus der Form des Akkordeon-Orchesters entwickelt.[3] Sie grenzt sich vom Akkordeon-Orchester einerseits durch Stil und Repertoire ab, aber vor allem durch den konsequenten Einsatz einer klassischen Rhythmusgruppe: Statt eines Bassakkordeons und einer Stimme die vornehmlich mit Akkorden begleitet, wird zur Begleitung ein Kontra- oder E-Bass zusammen mit Klavier oder Gitarre eingesetzt. In der Regel müssen dazu existierende Arrangements aus der Akkordeon- oder Bigband-Literatur angepasst werden.

Da das Akkordeon wegen seines Tonerzeugungsprinzips der durchschlagenden Zunge eng verwandt mit (eigentlichen) Blasinstrumenten ist, lassen sich insbesondere vergleichbare dynamische Effekte erreichen. Durch die Möglichkeit die Instrumente/Stimmen individuell zu registrieren, können verschiedene "klassische" Instrumentengruppen klanglich nachgeahmt werden (Streicher, Blech-, oder Holzbläser, s.o.). Da auf einem Instrument mehrstimmig gespielt werden kann, ist man beim Einsatz von drei Stimmengruppen nicht auf dreistimmige Sätze beschränkt.

Stilbildende Originalliteratur und Übertragungen für Akkordeon-Bigbands wurden insbesondere durch die Akkordeon-Komponisten Hans-Günter Kölz und Wolfgang Ruß-Plötz geprägt.

Spezifische Klangeigenheiten und Kompositionstechniken

Viele Stücke der Bigband-Musik basieren größtenteils auf der sich in der Swing-Era gebildeten Jazzharmonik. Allerdings gibt es auch Big-Band-Arrangements bzw. -Kompositionen, bspw. aus Pop oder Lateinamerikanischer Musik, welche anderen harmonischen Gesetzmäßigkeiten als denen des Jazz folgen können, oder nur teilweise auf der Jazzharmonik basieren.

Neben den Swing typischen, spezifisch-harmonischen sowie melodischen Eigenheiten kommen in der Big-Band-Musik insbesondere bei den Bläsern zahlreiche „moderne“ Techniken zum Einsatz, die in klassisch-konservativer Musik eher selten zu hören sind. Zu nennen sind hier hauptsächlich:

  • Fall: eine herab-glissandierende Figur (meist ohne feste Zielnote)
  • Doit: eine hinauf-glissandierende Figur (meist ohne feste Zielnote)
  • Bend: das Auf- und Abglissandieren auf einem gehaltenen Ton
  • Scoop/Slide-in: das Hineingleiten in eine feste Zielnote (für gewöhnlich von unten)
  • Rip: eine meist forte gespielte, weit von unten nach oben glissandierende Figur in eine vorgegebene Zielnote
  • Glissando/Portamento: längeres Gleiten von einer festen Ausgangsnote hin zu einer festen Zielnote
  • Shake: quasi eine „wildere“ Variante des klassischen Trillers
  • Flatterzunge: eine Art Tremolo auf einem Blasinstrument, das durch das Zungenrollen des Spielers entsteht
  • Growls: ein eher rauer, ungestümer Sound, der durch eine komplexere Kombination von mehreren Techniken bei den Bläsern entsteht

Für die Notation dieser Spielarten gibt es mehrere, verschiedene Arten. Für glissandierende Techniken (Fall, Doit, Scoop, Bend, Rip) wird gerne eine ab- bzw. aufsteigende wellenförmige oder gerade Glissandolinie, aber teilweise auch ein Bindebogen eingezeichnet, während bei anderen Techniken (wie dem Shake, Flatterzunge oder Growl) auch vom Arrangeur häufig (zusätzlich) der Name der auszuführenden Spielart über den entsprechenden Noten geschrieben wird.

Hinzu kommt, dass generell im Jazz und somit auch in der Big Band-Literatur die Range der Trompeten teilweise bis an die äußersten Grenzen ausgereizt wird, was in klassischer E-Musik generell nicht der Fall ist. So spielt besonders die erste Trompete teilweise bis zum drei-gestrichenen g oder, je nach Expertise des Spielers, sogar noch höher. Als weitere spezielle Technik gilt die Subtone-Technik der Saxophone.

Auch kommen in der Big-Band Musik bei den Blechbläsern (Trompeten und Posaunen) gerne zahlreiche Arten von Dämpfern zum Einsatz, z. B. Straight-, Harmon-, Cup-, Bucket- oder Pixiemute. Auch eher experimentelle Gerätschaften wie der Aufsatz eines Toilettenpömpels (engl. Plunger) oder ein aufgesetzter Sack kommen teils vor. Die Wahl des Dämpfers kann maßgeblich die Klangfarbe und Wirkung des Sounds verändern. So erzeugt z. B. ein aufgesetzter Harmon-Mute ohne „Stem“ auf der Trompete den scharfen, nasalen „Miles-Davis-Sound“ und der Harmon-Mute gespielt mit zusätzlichem „Stem“ den typischen „Wah-Wah“-Sound, welcher häufig für humorvolle Klangwirkungen eingesetzt wird, während demgegenüber der Bucket- oder die Cup-Mutes den Klang und die Strahlkraft des Bleches deutlich mindern und für einen eher dumpfen, verschleierten Sound sorgen, der sich z. B. dem Gesamtklang eines eher leiseren Arrangements mit Flöten und Klarinetten statt Saxophonen besser anpassen lässt. [4] Auch Straight-Mutes werden gerne verwendet, diese ergeben, einen scharfen und fokussierten Klang.

Als Alternative zum Spiel mit Dämpfer bzw. falls dieser nicht vorhanden ist, kann auch „in stand“ gespielt werden. Hierbei wird der Schalltrichter des Instruments direkt vor das Notenpult gehalten, was die allgemeine Strahlkraft des Klangs abmindert. [5]

Eine weitere typische Gegebenheit in vielen Big-Band Arrangements ist das Fordern sehr hoher Stimmpartien für die erste Trompete. Im Gegensatz zu Trompetern in klassischen Symphonieorchestern, denen (bei der Verwendung einer gewöhnlichen B-Trompete) für gewöhnlich, zumindest bei ersten Trompetern mit hoher Expertise; Töne bis ungefähr zum c''' oder im Extremfall e''' zugemutet werden können, werden von Jazztrompetern teilweise Töne bis zum g''' oder sogar noch höhere Töne erwartet. Bei solch hohen Noten ergibt sich ein, besonders wenn im fortissimo gespielt wird, sehr durchdringender Sound, der fähig ist, durch die restliche Big-Band zu schneiden (für länger andauernde Passagen, welche zudem in einem sehr hohen Register stattfinden, kann auch von der B-Trompete zur Piccolotrompete gewechselt werden). Als Beispiel für teils extrem hohe Trompetenpartien wäre z.B. Michael Bubles Arrangement zum Jazz Standard "Feeling Good" zu nennen, hier schießt die erste Trompete teils bis zum viergestrichenen g (g'''') hoch.

Auch das Partiturbild unterscheidet sich von der klassischen Musik, denn im Gegensatz zu letzterer, bei welcher insbesondere die Blechstimmen normalerweise in Trompete 1-2, Trompete 3-4 etc. kategorisiert werden, wird in der Big Band-Literatur für jede einzelne Instrumentenstimme auch ein komplett eigenes System verwendet (also Trompete 1, Trompete 2 etc.). Im Gegensatz zu kleineren Jazz-Ensembles, in welcher die Instrumente häufig der Range von oben nach unten geordnet werden (z.B. von o. nach u.; Trompete - Tenor Sax. - Posaune - Piano - Bass - Drums) folgt die Instrumentenstaffelung einer Big-Band Partitur standardisiert dem Schema (von o. nach u.) Saxophone, Trompeten, Posaunen, Rhythmusgruppe.

Bekannte Vertreter

Im Europa der Gegenwart gilt das Pasadena Roof Orchestra als authentischer Vertreter des Genres „weißer Ballroommusik“ im Stil von Paul Whiteman oder Glen Grays Casa Loma Orchestra. Erste Swing-Arrangements in Big-Band-Besetzung sind in den Aufnahmen des Fletcher Henderson Orchestra zu hören. Fletcher Henderson hat im Laufe der Zeit diesen Arrangierstil für die Benny Goodman Bigband perfektioniert. Klanglich sind insbesondere die Musiker des Duke Ellington Orchestras, dessen Kompositionen und Arrangements als authentisch für Klang und Jazz in der Big Band, zu nennen. Standards der moderneren Big-Band-Musik setzte die Big Band von Count Basie, die sich vor allem durch den Groove der Rhythmusgruppe auszeichnete. Billy Eckstine integrierte Harmonien des neuen Bebop; symphonische Klangfarben führte Stan Kenton ein.

Stan Kenton Big Band (1973)

Mit ihrer Free-and-Easy-Tour erregte die kurzlebige Quincy Jones Big Band in Europa 1959/60 Aufsehen. Ungewöhnlich war in den 1960er Jahren die in Europa beheimatete, aber zum großen Teil aus Afroamerikanern bestehende Kenny Clarke/Francy Boland Big Band, die sowohl zwei Bandleader (Clarke war Schlagzeuger und Boland Pianist und Arrangeur) als auch zwei Schlagzeuger hatte (den Afroamerikaner Kenny Clarke und den weißen Briten Kenny Clare). Im Bereich des Free Jazz agierten seit Mitte der 1960er Jahre Sun Ra und sein Arkestra und das Globe Unity Orchestra; auch Jef Gilson und Chris McGregor mit seiner Brotherhood of Breath bezogen das freie Spiel in die Big-Band-Arbeit ein.

In den 1970er Jahren gab es Bigband-Projekte von Charles Mingus (Let My Children Hear Music) und Charles Tolliver[6] oder The George Gruntz Concert Jazz Band mit zahlreichen US-amerikanischen und europäischen Gastsolisten. Gil Evans ließ seiner ungewöhnlich besetzten Produktion The Gil Evans Orchestra Plays the Music of Jimi Hendrix in den 1980er Jahren The Monday Night Orchestra folgen.

Ein bekannter Vertreter der Mambo-Big-Band-Gattung war die Band von Pérez Prado, der 1949 erfolgreich den Mambo No. 5 veröffentlichte. Heute steht das Palladium Night Orchestra in der Tradition der Bands von Machito, Tito Puente und Tito Rodríguez, die in den 1950er Jahren im Palladium am Broadway in New York City den Mambo berühmt machten.

Neben Tanz- und Unterhaltungsmusik war bis in die 1980er Jahre oft Rundfunk- bzw. Fernsehmusik Aufgabe einer Big Band. Dabei entwickelte sich die Musik fort von den Wurzeln des Jazz, aus dem dann auch die (freie und „wilde“) Improvisation beinahe vollständig verschwand. Viele Bands wurden in den 1980er Jahren aufgrund von Unwirtschaftlichkeit aufgelöst, etwa das New Yorker Thad Jones/Mel Lewis Orchestra.

Das heutige Big-Band-Repertoire reicht auf Grund der Vielseitigkeit der Besetzung vom alten Jazz bis zur gehobenen Unterhaltungs- und Tanzmusik, aber auch zu neuen, umfassenden Interpretationen und abendfüllenden Konzertwerken. Zeitgenössische Bigbands, die alte Traditionen mit neuen Entwicklungen verbinden, sind z. B. heute die NDR Bigband, die WDR Big Band, aber auch das Jazz at Lincoln Center Orchestra unter der Leitung von Wynton Marsalis, das sich der Pflege des klassischen Repertoires und der Techniken aus der Frühzeit der Jazzentwicklung widmet.

Improvisationen

In der Regel bieten Big-Band-Arrangements lediglich Raum für Soloimprovisationen, bei denen ein Spieler aus einer der Sections improvisiert und die Rhythmusgruppe der Big Band den Improvisierenden begleitet. Gegebenenfalls wird die Improvisation auch mit Begleitstimmen aus den Sektionen unterlegt. Kollektivimprovisationen, wie man sie etwa bei Dixieland-Ensembles findet, sind hingegen sehr selten vorgesehen.

Bekannte Big-Band-Leiter

Big Bands sind oft untrennbar mit dem Namen ihres Bandleaders verbunden. Zu den bekannteren gehören unter anderem:

Siehe auch

Literatur

  • George T. Simon: Die Goldene Ära der Big Bands. Hannibal, Höfen/Österreich 2004 (Original 1981), ISBN 3-85445-243-8.

Weblinks

Wiktionary: Bigband – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. thesmileybee: Seth MacFarlane - The Sadder But Wiser Girl. 19. Oktober 2011, abgerufen am 1. April 2016.
  2. Do nothing till you hear from me. Abgerufen am 3. April 2016.
  3. Von Mareike Fangmann: Keine Chance für altbackenes Gedudel. In: WAZ. Abgerufen am 14. Juli 2016.
  4. Beyond The Sea. Abgerufen am 2. April 2016 (englisch).
  5. https://books.google.de/books?id=FfzbBgAAQBAJ&pg=PA117&lpg=PA117&dq=%22in+stand%22+trumpet&source=bl&ots=-a0ykLnuFq&sig=PdsGjHYPYTw1eiYwxRzK-lzVZlk&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi6wuyX_srMAhWoL8AKHVZSAU0Q6AEILTAC#v=onepage&q=%22in%20stand%22%20trumpet&f=false
  6. David Brent Johnson: That '70s Swing: Big Bands And Bell Bottoms in NPR Jazz