Extremismus

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Als Extremismus bezeichnen Behörden in Deutschland seit etwa 1973 politische Einstellungen und Bestrebungen, die sie den äußersten Rändern des politischen Spektrums zuordnen. Der Begriff ersetzte an vielen Stellen den bis dahin gebräuchlichen Begriff Radikalismus. Behörden verwenden ihn unter anderem, um Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) zu benennen.

Für den deutschen Verfassungsschutz hat der Begriff eine normative und abwertende Funktion.[1]

Definition und Anwendung des in der Politikwissenschaft etablierten Begriffs sind umstritten. Besonders diskutiert wird, inwieweit er als Oberbegriff für Linksextremismus und Rechtsextremismus geeignet ist.[2]

Definition

Die Attribute „extrem“ und „extremistisch“ sind vom lateinischen Wort extremus abgeleitet, dem Superlativ von „außen“ (exterus), laut Stowasser übersetzbar als „das Äußerste“, „das Entfernteste“ oder „das Ärgste“. Der Begriff geht von der Vorstellung eines „politischen Spektrums“ aus, das aus einer normativen Mitte und „Rändern“ („links außen“ und „rechts außen“) besteht. Eine „extreme“ Position wird demgemäß als Rand im Verhältnis zur angenommenen Mitte, zugleich als Minderheit im Verhältnis zur derzeitigen Mehrheit und als Gegensatz zu deren politischer Orientierung und zur herrschenden politischen Ordnung betrachtet. Damit wird diese Ordnung und die Mehrheitshaltung dazu zugleich als „normaler“, gültiger und zu schützender Zustand akzeptiert und bewertet. Als „extremistisch“ werden also jene Teile eines politischen Spektrums gekennzeichnet, von denen eine aktive Gefährdung der Grundwerte der zur Zeit herrschenden politischen Ordnung angenommen wird.

Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz definierte im Jahr 2000 Extremismus in Form einer definitio ex negativo als „fundamentale Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats“.[3] Darunter fallen für ihn alle Bestrebungen, die sich gegen den „Kernbestand“ des Grundgesetzes bzw. der FDGO insgesamt richten.

Uwe Backes definierte Extremismus als „politische Diskurse, Programme und Ideologien, die sich implizit oder explizit gegen grundlegende Werte und Verfahrensregeln demokratischer Verfassungsstaaten richten“.[4]

Begriffsherkunft und Abgrenzung

Dieser Extremismusbegriff leitet sich aus dem KPD-Verbot von 1956 ab. In dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wurden die Prinzipien der „streitbaren Demokratie“ des Grundgesetzes präzisiert und der darin mehrfach erwähnte Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ausgeführt.[5] Diese gelte es zu schützen:

„Wenn das Grundgesetz einerseits noch der traditionellen freiheitlich-demokratischen Linie folgt, die den politischen Parteien gegenüber grundsätzliche Toleranz fordert, so geht es doch nicht mehr so weit, aus bloßer Unparteilichkeit auf die Aufstellung und den Schutz eines eigenen Wertsystems überhaupt zu verzichten. Es nimmt aus dem Pluralismus von Zielen und Wertungen, die in den politischen Parteien Gestalt gewonnen haben, gewisse Grundprinzipien der Staatsgestaltung heraus, die, wenn sie einmal auf demokratische Weise gebilligt sind, als absolute Werte anerkannt und deshalb entschlossen gegen alle Angriffe verteidigt werden sollen; soweit zum Zwecke dieser Verteidigung Einschränkungen der politischen Betätigungsfreiheit der Gegner erforderlich sind, werden sie in Kauf genommen. Das Grundgesetz hat also bewußt den Versuch einer Synthese zwischen dem Prinzip der Toleranz gegenüber allen politischen Auffassungen und dem Bekenntnis zu gewissen unantastbaren Grundwerten der Staatsordnung unternommen.[6]

„Extremismus“ wird vom Anforderungsprofil des Urteils abgeleitet als Arbeitsbegriff für die Verwaltungspraxis verwendet. Er erschien in dieser Form erstmals im Verfassungsschutzbericht von 1973.

Ideengeschichtlich stammt er aus dem Umfeld der Totalitarismustheorien und wurde in den siebziger Jahren von bundesdeutschen Regierungsstellen aufgegriffen, um mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen besser erfassen zu können. Heute verwenden ihn die meisten der im Parlament vertretenen politischen Parteien ebenso wie die staatlichen Institutionen der Bundesrepublik. In Gesetzestexten wird auf ihn ebenfalls Bezug genommen.[7]

Zuvor war in dem Zusammenhang von Rechts- bzw. Linksradikalismus gesprochen worden. Seitdem hat der Begriff „Extremismus“ den des „Radikalismus“ im staatlichen Sprachgebrauch weitgehend verdrängt. Der frühere Innenminister Werner Maihofer begründete die begriffliche Änderung mit dem Hinweis, dass politische Bestrebungen nicht allein deshalb verfassungswidrig seien, weil sie radikale Fragen stellen. Zwar werden die Begriffe auch in der wissenschaftlichen Literatur weiterhin nicht präzise abgegrenzt und oft synonym verwendet. In der behördlichen Terminologie macht es jedoch einen erheblichen Unterschied, ob eine Gesinnung oder Organisation als „radikal“ oder „extremistisch“ eingestuft wird, da davon abhängt, ob sie als noch verfassungsgemäß (radikal) oder verfassungswidrig (extremistisch) eingeschätzt wird.[8]

Da dieser so genannte „normative Extremismusbegriff“ eine Abweichung von der gesellschaftlichen Norm beinhaltet und diese Abweichung zugleich negativ bewertet, nennen sich so bezeichnete Gruppen in der Regel nicht selbst „extremistisch“. Vielmehr betrachten sie dieses Attribut als herabsetzende Zuschreibung und Ausgrenzung ihrer politischen Positionen aus dem demokratischen Meinungsspektrum und dem gesellschaftlichen Diskurs.

Hauptarten

Dem Verständnis von Extremismus in der Verwaltungspraxis von Innen- und Sicherheitsbehörden, sowie der normativen Auslegung des Begriffs in den Sozialwissenschaften zufolge gelten als Hauptarten des Extremismus:

  • Ausländerextremismus
  • der Linksextremismus: Dieser galt durch den Terror der Roten Armee Fraktion in den 1970er Jahren in der Bundesrepublik als Hauptgefahr für den Verfassungsstaat. Die Behörden fassen darunter sehr verschiedene politische Richtungen, die den Kapitalismus überwinden wollen: einerseits Autonome und Anarchisten, andererseits K-Gruppen und Parteien, die Formen des Kommunismus anstreben. Dabei bezieht sich die Einordnung als Linksextremismus oft eher auf programmatische Ziele als auf tatsächliche Politik.
  • der Rechtsextremismus: Dieser galt in den neunziger Jahren als Hauptgefahr und ist Quelle hoher Gewaltbereitschaft. Auch hier werden verschiedene Gruppen und Parteien in ein gemeinsames Spektrum „rechts von“ den demokratischen konservativen Parteien eingeordnet. Als Hauptdifferenz zum Linksextremismus wird genannt, dass der Rechtsextremismus das „Ethos fundamentaler Menschengleichheit“ ablehne (Uwe Backes, a.a.O.). Solche Strömungen werden seit dem Brandanschlag von Solingen, dem Mordanschlag von Mölln, den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen und den Ausschreitungen von Hoyerswerda in der Regel als gewaltbereiter und aggressiver eingeschätzt als der Linksextremismus. Seit dem vom ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerufenen „Aufstand der Anständigen“ und dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens hat die Aufmerksamkeit in den Medien wie auch bei Behörden hier jedoch wieder nachgelassen. Das Thema Rechtsextremismus bekam dann seit November 2011 wieder größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, nachdem die Verantwortung der rechtsextremen terroristischen Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) für eine Mordserie an Ausländern, das Nagelbomben-Attentat in Köln und den Polizistenmord von Heilbronn publik geworden war.
  • der islamistische Extremismus. Dieser gilt seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 als größte Gefahr für die innere und äußere Sicherheit demokratischer Verfassungsstaaten des Westens. Er soll besonders von Gruppen ausgehen, die Al-Qaida nahestehen. Als hiesige Akteure rücken Personen aus der zweiten oder dritten Einwandergeneration oder zum Islam Konvertierte, die aufgrund „religiöser, gesellschaftlicher, kultureller oder psychologischer Faktoren“ das westliche Wertesystem ablehnen, in den Fokus von Wissenschaft und Verfassungsschutz.[9] Diese agierten in Gruppierungen mit Kontakten zu islamistischen Strukturen im Ausland, sowie in Kleinstgruppen oder aber auch als Einzelpersonen und seien nur in den wenigsten Fällen organisatorisch an al-Qaida angebunden, dennoch aber ideologisch in ihrer Nähe anzusiedeln.[10]

Ende der 1950er Jahre wurde auch der wissenschaftlich umstrittene Begriff eines Extremismus der Mitte in die Soziologie eingeführt. Demzufolge neigten nicht nur die rechten und linken Ränder eines Parteiensystems zur Diktatur, sondern auch die Parteien der Mitte. Seit Anfang der 1990er Jahre wird er verstärkt benutzt, um auf intolerante Tendenzen der politischen Mitte aufmerksam zu machen, die den „Resonanzboden“ für die Ausbreitung extremistischer Weltanschauungen bilden könnten. Der Begriff wird häufig auch von Gruppierungen verwendet, die selbst als politisch extremistisch bezeichnet werden, um auf diese Weise die gegen sie gerichteten Vorwürfe oder Maßnahmen aus der politischen Mitte zu diskreditieren.

Kritik des Begriffes

Vor dem Hintergrund von Herkunft und Gebrauch der Begriffe „Radikalismus“ und „Extremismus“ ist auch in der Extremismusforschung selbst umstritten, ob und inwieweit die Abgrenzung gegenüber „radikalen“ oder „extremistischen“ Tendenzen der Verteidigung demokratischer Positionen dienen kann. Kritiker heben hervor: Da die „Definitionsmacht“ hier bei den politischen Institutionen des Staates liege, bestehe die Gefahr, dass andere Demokratievorstellungen ausgeblendet und Minderheitspositionen tendenziell mit illegitimen politischen Zielsetzungen gleichgesetzt werden.

Die Verwendung solcher Begriffe dient dazu, dem Staat gegenüber ablehnend eingestellte Gruppen oder Einzelpersonen, die durchaus unterschiedliche Ziele und Inhalte vertreten können, anhand bestimmter idealtypischer Merkmale zusammenzufassen und in eine „Schublade“ einzuordnen. So lassen sich nach herrschender Meinung Merkmale bestimmen, die allen Extremismen gemeinsam sind (Alleinvertretungsanspruch, Ablehnung pluralistisch-demokratischer Systeme, Dogmatismus, Freund-Feind-Denken und ein Fanatismus, dem jedes zum Ziel führende Mittel legitim erscheint). Damit werden nach Ansicht von Kritikern aber die inhaltlichen Divergenzen zwischen den verschiedenen „Extremisten“ ausgeblendet oder jedenfalls nicht genügend berücksichtigt.[11]

Anhänger des klassischen Extremismusbegriffs wenden demgegenüber ein, die unterschiedlichen (und möglicherweise auch moralisch unterschiedlich zu bewertenden) Zielsetzungen verschiedener extremistischer Gruppen seien jedenfalls dann verhältnismäßig unbeachtlich, wenn das explizit oder implizit favorisierte Endziel trotz der im Einzelnen abweichenden politischen Inhalte und Ideale ein diktatorisches, die persönliche Freiheit aufhebendes Regime sei oder die Bedrohung durch ein derartiges Szenario zumindest in Kauf genommen wird. „Mit der gemeinsamen Bezeichnung ‚Extremismus‘ ist nicht mehr oder weniger gemeint, als dass die Bewegung auf die Errichtung oder Bewahrung einer Diktatur zielt.“[12] Daher bestreiten Vertreter des klassischen Konzeptes die grundsätzliche Untauglichkeit der etablierten Begrifflichkeiten. Auch innerhalb des etablierten Extremismuskonzeptes werde zwischen den Ideologien von Rechtsextremismus und Linksextremismus deutlich unterschieden.[13] Dass diese Unterscheidung dennoch von der Warte eines eigenen Wertegerüstes ausgehe, das im demokratischen Verfassungsstaat wurzele, werde nicht geleugnet: „Der Extremismusansatz ist nämlich nicht staats- oder systemtreu, wie ihm ab und an vorgeworfen wird, sondern demokratietreu.“[14]

Die Auseinandersetzung um die Berechtigung des normativen Extremismusbegriffes macht deutlich, dass die Verwendung des Oberbegriffs „Extremismus“ bei staatlichen Behörden und Gerichten im Rahmen des Verfassungsschutzes wesentlich unproblematischer gesehen und gehandhabt wird als in Forschung und Wissenschaft.

Gero Neugebauer vertritt in diesem Zusammenhang den Standpunkt, von einer eigenständigen empirischen Extremismusforschung im eigentlichen Sinn könne bislang kaum die Rede sein. Die einschlägige Literatur fasse vor allem Ergebnisse anderer Forschungsbereiche zusammen und ordne sie unter den Extremismusbegriff, aufgeteilt nach Links- und Rechtsextremismus, ein. Obschon es in Bezug auf den Rechtsextremismus zwar durchaus beachtliche Forschungsleistungen gebe, treffe das für den Bereich des Linksextremismus aber nicht zu. Erschwerend komme hinzu, dass die Zuordnung zu einem politischen Spektrum zeitlichen Veränderungen unterworfen sein kann. Das normative Extremismuskonzept werde wegen seiner „Eindimensionalität“ und „Fixierung auf den demokratischen Rechtsstaat“ der komplexen gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit kaum gerecht.

Eindimensional sei der Begriff wegen der Vorstellung von einer „Achse“, auf der sich das politische Spektrum von links über die Mitte bis nach rechts gruppiere. Aus diesem Konstrukt ergäben sich vielfältige Zuordnungs- und Abgrenzungsprobleme und damit erhebliche Interpretationsspielräume. Der Extremismus markiere jeweils den äußersten Rand des Spektrums, dessen Mitte eine politische Wertung sei. Aus dieser normativen Sicht leite sich ein Extremismusbegriff her, der alle Einstellungen, Verhaltensweisen, Institutionen und Ideen einschließt, die sich in irgendeiner Weise gegen den demokratischen Verfassungsstaat richten.[15] Das mache die normative Begriffskonzeption aber noch nicht zur Grundlage für belastungsfähige empirische Forschung, die die Heterogenität politischer Einstellungen zufriedenstellend berücksichtigen könne.

Auch die Befürworter der herrschenden normativen Definition betonen, dass zwar Gemeinsamkeit in der Ablehnung des „demokratischen Verfassungsstaates“, zugleich aber auch fundamentale Unterschiede zwischen extremistischen Gruppen bestehen. So betonen etwa Uwe Backes und Eckhard Jesse:

„Zwischen rechten und linken Extremismen, Anarchisten und Kommunisten, Monarchisten und Neonationalsozialisten bestehen beträchtliche Divergenzen, so dass rechts- und linksextreme Gruppen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch untereinander oft heftig bekämpfen.[16]

Ähnlich führt Steffen Kailitz aus:

„Eine einheitliche extremistische Ideologie existiert natürlich nicht. Nicht nur, dass Links-und Rechtsextremisten keine gemeinsame Ideologie haben. Sie sind einander in aller Regel sogar spinnefeind.[17]

Für Neugebauer hat der normative Extremismusbegriff deswegen insgesamt Stärken und Schwächen: Er eigne sich vor allem dazu, „Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu identifizieren und ihr Verhalten gegebenenfalls zu sanktionieren“.[18] Für die darüber hinausgehenden Forschungsinteressen der Sozialwissenschaften lehnt Neugebauer die Verwendung des „eindimensionalen“ Achsenmodells hingegen als „unterkomplex“ (will sagen: der Komplexität der beschriebenen Verhältnisse nicht angemessen) ab. Der Linksextremismus sei politisch und ideologisch wesentlich inhomogener als der Rechtsextremismus. Daher habe sich zwar eine sozialwissenschaftliche Rechtsextremismusforschung, aber keine Linksextremismusforschung etabliert und der Extremismusansatz habe sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung nicht durchsetzen können. Im Kontext behördlicher Exekutivmaßnahmen und des Schutzes der FDGO behält der Begriff jedoch auch für Neugebauer seine Berechtigung.

Claus Leggewie wirft der Verwendung des Begriffs durch die Ämter des Verfassungsschutzes mangelnde Präzision ebenso wie eine weit in das Vorfeld politischer Kommunikation hinein verlagerte Aktivität der Behörden vor:

„Eben weil im Kern des Vorwurfs kein objektiv beurteilbares Verhalten, sondern politische Kommunikation steht: das Vertreten von Zielen, die nur deshalb falsch und schädlich sein sollen, weil sie inhaltlich mit einer idealtypisch formulierten Grundordnung kollidieren. Anders gesagt: Verfassungsfeindschaft wird mit anstößigen Gesinnungen und Meinungen begründet. Hier, im Zentrum des ideologischen Verfassungsschutzes, rächt sich, dass der Begriff des hiesigen Extremismus nicht an ein gewaltsames Verhalten gekoppelt wird, sondern dass man eine rein politisch bestimmte (und ideologieanfällige) Definition ausreichen lässt. Praktisch gesehen ist daher die hierzulande übliche Ächtung von Extremisten nichts anderes als die politische Ideologie einer Mitte, die über die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ verfügt und waltet. Dass es einer demokratischen Regierung grundsätzlich nicht erlaubt ist, einzelne Abweichler als Extremisten zu überwachen oder missliebige Oppositionsparteien infiltrieren zu lassen, kommt den Adepten der „streitbaren“ Ideologie nicht in den Sinn. Auch fällt nicht weiter auf, dass mit Hilfe einer Formel, die ausdrücklich die „Chancengleichheit für alle politischen Parteien“ postuliert, missliebige Opposition diskriminiert wird. Die hypertrophe Prävention der „streitbaren“ Demokratie funktioniert hierzulande so: Das Recht auf Opposition wird geschützt, indem man bestimmte Oppositionsparteien verbietet, die eines Tages das Recht auf Opposition beeinträchtigen könnten.“

Claus Leggewie und Horst Meier: Blätter für deutsche und internationale Politik[19]

Abzustellen sei deswegen nicht schon auf eine Vorfeldaufklärung potentieller und vermuteter Extremisten im Rahmen eines „westdeutschen Sonderweges, wie er in keiner anderen westlichen Demokratie“ existiere[20], sondern erst auf Feststellung gewaltsamen Verhaltens oder politischer Straftaten.

Literatur

Begriffsentstehung
  • Carl Joachim Friedrich: Totalitarismustheorie. In: Alfred Söllner u. a. (Hrsg.): Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts. Akademischer Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-05-003122-0.
  • Uwe Backes: Politische Extreme. Eine Begriffsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart (= Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung. Bd. 31). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-36908-5.
Forschung
  • Astrid Bötticher, Miroslav Mareš: Extremismus. Theorien – Konzepte – Formen. Oldenbourg Verlag, München 2012, ISBN 978-3-486-59793-6.
  • Jürgen P. Lang: Was ist Extremismusforschung? – Theoretische Grundlagen und Bestandsaufnahme. In: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.): Gefährdungen der Freiheit. Extremistische Ideologien im Vergleich. Göttingen 2006, ISBN 3-525-36905-0, S. 41–85.
  • Kai Arzheimer: Die Wahl extremistischer Parteien. In: Jürgen W. Falter, Harald Schoen (Hrsg.): Handbuch Wahlforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, ISBN 3-531-13220-2, S. 389–421.
  • Uwe Backes, Eckhard Jesse: Vergleichende Extremismusforschung. Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-0997-4.
  • Kai Arzheimer: Die Wähler der Extremen Rechten 1980–2002. VS Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-16065-8.
  • Anton Pelinka: Die unheilige Allianz. Die rechten und die linken Extremisten gegen Europa. Böhlau, Wien u. a. 2015, ISBN 978-3-205-79574-2.
Deutschland
  • Uwe Backes, Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. 4. Auflage. Bonn 1996.
  • Kai Arzheimer: Wahlen und Rechtsextremismus. In: Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Extremismus in Deutschland. Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme. Berlin 2004, S. 56–81.
  • Steffen Kailitz: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland: Eine Einführung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, ISBN 3-531-14193-7.
Kritik

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Petra Bendel, Extremismus. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik, Band 7: Politische Begriffe, C.H. Beck Verlag, München 1995, S. 8384.
  2. Petra Bendel, Extremismus. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik, Band 7: Politische Begriffe, C.H. Beck Verlag, München 1995, S. 8384–8387.
  3. Steffen Kailitz: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland: Eine Einführung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 212; vgl. hierzu auch Armin Pfahl-Traughber: Politischer Extremismus – was ist das überhaupt? In: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): Bundesamt für Verfassungsschutz. 50 Jahre im Dienst der inneren Sicherheit. Köln, 2000, S. 213.
  4. Uwe Backes: Gestalt und Bedeutung des intellektuellen Rechtsextremismus in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 46/2001), Bonn 2001, S. 24.
  5. BVerfGE 5, 85 (141)
  6. BVerfGE 5, 85 (141)
  7. Vgl. etwa § 18a Aufenthaltsgesetz oder § 27 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (StUG)
  8. Gero Neugebauer: Extremismus – Rechtsextremismus – Linksextremismus: Einige Anmerkungen zu Begriffen – Forschungskonzepten, Forschungsfragen und Forschungsergebnissen. In: Wilfried Schubarth, Richard Stöss (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz, Opladen 2001. S. 17 (Text online; PDF, S. 3. (Memento vom 24. Februar 2007 im Internet Archive))
  9. Matenia Sirseloudi: Radikalisierungsprozesse in der Diaspora. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 44/2010, S. 39–43 (online).
  10. Bundesministerium des Inneren (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2010. S. 202 (PDF).
  11. So etwa Christoph Butterwegge, Rechtsextremismus, Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 2002, S. 106 ff.
  12. Steffen Kailitz: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 16.
  13. Steffen Kailitz: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 16.
  14. Steffen Kailitz: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 16.
  15. Gero Neugebauer: Extremismus – Rechtsextremismus – Linksextremismus: Einige Anmerkungen zu Begriffen – Forschungskonzepten, Forschungsfragen und Forschungsergebnissen. In: Wilfried Schubarth, Richard Stöss (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz, Opladen 2001. S. 13–37.
  16. Uwe Backes / Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 272). 4. Auflage. Bonn 1996, S. 45.
  17. Steffen Kailitz: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 16.
  18. Gero Neugebauer: Extremismus – Rechtsextremismus – Linksextremismus: Einige Anmerkungen zu Begriffen – Forschungskonzepten, Forschungsfragen und Forschungsergebnissen (Memento vom 24. Februar 2007 im Internet Archive) (PDF), hier S. 2.
  19. Claus Leggewie und Horst Meier: Verfassungsschutz - Über das Ende eines deutschen Sonderwegs. In: Blätter für deutsche und internationale Politik
  20. Claus Leggewie und Horst Meier - Über das Ende eines deutschen Sonderwegs. In: Blätter für deutsche und internationale Politik