Gemeinsame Agrarpolitik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. Juli 2016 um 16:52 Uhr durch Giftmischer (Diskussion | Beiträge) (Datum). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist ein Politikbereich der Europäischen Union.

Die Gemeinsame Agrarpolitik gehört zu den ältesten und finanziell bedeutendsten Politikfeldern der EU. Die sechs Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaft einigten sich mit Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 auf die Vergemeinschaftung der Landwirtschaftspolitik, die 1962 in Kraft trat.

Die GAP unterstützte Landwirte ursprünglich über Preisgarantien für ihre Erzeugnisse. Produkte, die für den garantierten Preis (Interventionspreis) nicht abgesetzt werden konnten, wurden von staatlichen Stellen aufgekauft. In den 1990er Jahren wurde die GAP liberalisiert. Preisgarantien wurden gesenkt und Schritt für Schritt durch produktionsunabhängige Direktbeihilfen an landwirtschaftliche Höfe ersetzt.[1]

Die GAP beruht heute auf zwei „Säulen“. Die erste Säule beinhaltet Direktzahlungen an Landwirte sowie die gemeinsamen Marktordnungen für einzelne landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die zweite Säule ergänzt die GAP seit 1999 und zielt auf die Entwicklung des ländlichen Raums.[2]

Die Förder-Leitlinien der GAP werden in der Regel alle sieben Jahre beschlossen und richten sich nach den mehrjährigen Haushaltsplänen der EU. Von 2014 bis 2020 sind 312,7 Mrd. EUR (29 %) für marktbezogene Ausgaben und Direktbeihilfen (Säule 1) geplant sowie 95,6 Mrd. EUR (9 %) für die Entwicklung des ländlichen Raums (Säule 2). 1984 wurden für die gesamte GAP etwa 70 % des EU-Haushalts aufgewendet.[3]

Ursprung der GAP

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lag die Landwirtschaft in Europa am Boden. Die Staaten, die später die EWG gründeten, benötigten Nahrungsmittelimporte. Deutschlands Nahrungsmittelimporte wurden bis 1952 zumeist von den USA finanziert, da die deutsche Wirtschaft zunächst noch keine Außenhandelsüberschüsse erzielte.[4] Der Wunsch, Abhängigkeiten auf dem sensiblen Feld der Lebensmittelversorgung durch höhere Ernteerträge zu verringern, bildete die Motivation zur engeren Kooperation der sechs EG-Gründungsmitglieder, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande und Luxemburg.[5]

Steigerung der Produktivität durch Einsatz technischer Produktionsfaktoren ist eines der Ziele der GAP

Zum Zeitpunkt der Errichtung des Gemeinsamen Marktes durch den Vertrag von Rom im Jahr 1957 war die Landwirtschaft in den EG-Gründerstaaten durch eine starke Intervention des Staates gekennzeichnet. Um die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in den freien Warenverkehr der neu gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einzubeziehen und zugleich die öffentliche Unterstützung der Landwirtschaft zu erhalten, wurden die bisherigen nationalstaatlichen Interventionsmechanismen auf die Ebene der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft übertragen.[6]

Für die Gründerstaaten Frankreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Deutschland und Italien ermöglichte dies eine enorme Vergrößerung der jeweiligen Märkte, ohne dass der landwirtschaftliche Sektor auf staatliche Unterstützung verzichten musste. Ein weiterer Effekt war, dass die finanzielle Verantwortung auf die europäische Ebene, weg von den nationalen Regierungen, übertragen werden konnte[7]. Während der französische Agrarsektor Ende der 1950er Jahre vergleichsweise modern und produktiv war und nach einer Vergrößerung der Absatzmärkte strebte, legte die junge Bundesrepublik den Schwerpunkt ihrer Wiederaufbauanstrengungen auf die Industrie. Die Landwirtschaft war, im Vergleich zur französischen und niederländischen, nicht wettbewerbsfähig.[7]

Doch auch ohne die nötigen Investitionen fand in Deutschland bereits eine “Revolution der Landwirtschaft”[8] statt: Output- und Produktivitätssteigerungen hatten zur Folge, dass immer weniger Bauern und Landarbeiter benötigt wurden, um gleich viel oder sogar mehr zu produzieren, als früher. Die alte ländliche Struktur befand sich im Umbruch, die Arbeitslosigkeit der Landbevölkerung stieg. Außerdem fiel der Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens in der Landwirtschaft weit hinter dem anderer Wirtschaftszweige zurück[8].

Die Politik reagierte mit “protektionistischen Abwehrwaffen”[8] und sorgte so für ein hohes Preisniveau für landwirtschaftliche Erzeugnisse[7]. Deutschlands Interesse war also dergestalt, dass die Preise möglichst hoch bleiben sollten, wohingegen Frankreich und die Niederlande vor allem eine Abschirmung nach außen und einen gemeinsamen Binnenmarkt anstrebten. Die GAP spiegelte diese Interessen wider. Sie stützte sich auf hohe Produzentenpreise als Einkommensunterstützung für die Landwirte und eine Isolation des Marktes der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nach außen durch die faktische Errichtung von Schutzzöllen[7][9].

Titel II des Vertrags der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGVtr) regelte zunächst nur grundsätzliches[9]. So ist festgeschrieben, dass auch die Agrarpolitik den Vorschriften des Gemeinsamen Marktes unterliegt, allerdings die spezielleren Regeln der Art. 39 bis 46 EWGVtr Vorrang vor ersteren haben (Art. 38 Abs. 2 EWGVtr) (EWG-VO 26/1962 formuliert diesen Vorrang noch einmal explizit aus).

Der Regelungsbereich des Titel II EWGVtr erstreckt sich auf “die Erzeugnisse des Bodes, der Viehzucht und der Fischerei sowie die mit diesen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe” (Art. 38 Abs. 1 EWGVtr). Eine Auflistung der einzelnen Produkte wurde dem Vertrag angehängt und sollte binnen zwei Jahren, also bis 1960, aktualisiert werden (Art. 38 Abs. 3 i.V.m. Anhang II EWGVtr).

Ziele der GAP

Auf der Konferenz von Stresa vom 3. Juli 1958 einigten sich die EG-Gründungsstaaten auf drei Grundprinzipien zur Organisation der gemeinsamen Agrarmärkte[10]:

  1. Freier Warenaustausch in allen Mitgliedstaaten („Einheit des Marktes“). Der gesamte Binnenmarkt sollte einheitlichen Regelungen unterliegen.
  2. Vorrang für EU-Produkte („Gemeinschaftspräferenz“). Aus der EU stammenden Agrarerzeugnissen werden gegenüber Importprodukten Vorrang und Preisvorteile eingeräumt. Der Binnenmarkt sollte vor Niedrigpreisprodukten aus Drittländern und vor größeren Schwankungen des Weltmarktes geschützt werden.
  3. Gemeinschaftliche Finanzierung: Alle Ausgaben im Rahmen der GAP werden aus dem Gemeinschaftshaushalt der EG/ EU getragen.

Ein einheitlicher Markt sollte durch die Gemeinsamen Marktordnungen (GMO) für landwirtschaftliche Erzeugnisse geschaffen werden (nach Art. 40 Abs. 2 EWGVtr). In den zahlreichen GMOs wurde die Preispolitik, Herstellungsmodalitäten und zum Teil auch die Produktionsmengen einzelner Gütergruppen EWG-weit festgelegt. Damit wurde das Ziel verfolgt, einen Binnenmarkt gleich einem nationalen Markt ohne jegliche Handelshemmnise zu haben [8][11]. Laut EuGH besteht die Ordnung eines Marktes “aus einer Gesamtheit von Einrichtungen und Vorschriften, mit deren Hilfe die zuständigen Behörden versuchen, den Markt zu kontrollieren und zu lenken.”[11] Je nach Erzeugnis kann eine GMO eine der folgenden Organisationsformen aufweisen:

  1. gemeinsame Wettbewerbsregeln;
  2. bindende Koordinierung der einzelstaatlichen Marktordnungen;
  3. eine europäische Marktordnung.

Die Gemeinschaftspräferenz findet sich bereits in der Entschließung der Stresa-Konferenz von 1958[10]. Es besagt, dass innerhalb der EWG produzierte Erzeugnisse gegenüber denen aus Drittländern zu bevorzugen sind und vor ihnen zu schützen sind. Der EuGH bekräftigte diesen Grundsatz 1967[12] in Bezugnahme auf Art. 44 Abs. 2 EWGVtr. Umgesetzt wurde das Prinzip durch Gebühren auf Importe. Außerdem wurden für importierte Waren höhere Preise vorgeschrieben, als der Schwellenpreis für heimische Waren war[7][13].

Die finanzielle Solidarität äußerte sich in der Einrichtung des “Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft” (EAGFL)[14]. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 dieser VO 25/1962 beschreibt den Aufgabenumfang des Fonds. Demnach sollen

  1. die Erstattungen bei Exporten in dritte Länder,
  2. das Eingreifen zum Zweck der Regulierung der Märkte und
  3. die Agrarstrukturpolitik und Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität aus dem EAGFL finanziert werden.

Der Fonds speist sich aus Beiträgen der Mitgliedstaaten, welche jährlich vom Rat festgelegt werden (Art. 6) und Einnahmen durch Abschöpfungen auf Einfuhren aus Drittländern (Art. 2 Abs. 1).

Die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik wurden im Artikel 33 des (konsolidierten) Gründungsvertrages der Europäischen Gemeinschaft[15] festgelegt:

  1. die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;
  2. auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;
  3. die Märkte zu stabilisieren;
  4. die Versorgung sicherzustellen;
  5. für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen.

Da sich die vertraglich festgelegten Ziele nicht gleichzeitig in gleichem Maße erfüllen lassen, verfügt der Gesetzgeber nach gefestigter Rechtsprechung über einen beträchtlichen Ermessensspielraum zur Umsetzung aktueller politischer Prioritäten.[16]

Finanzierung der GAP

Seit einigen Jahren nimmt der Anteil der Agrarausgaben am Haushaltsplan der EU stetig ab. Während noch Anfang der 1980er Jahre 66 % des EU-Haushalts auf die GAP entfielen, sind im Zeitraum 2014–2020 nur noch 37,8 % für die gemeinsame Agrarpolitik vorgesehen.

Mit dem Abbau der staatlichen Unterstützung der Landwirtschaft liegt die EU dabei im internationalen Trend. Nach Berechnungen der OECD wurde der Gesamtumfang der Stützungsmaßnahmen in den Industrieländern von durchschnittlich 3 % im Zeitraum 1986‑1988 auf weniger als 1 % (2011‑2013) zurückgefahren.[17] Mit Transferleistungen im Umfang von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt die Europäische Union aktuell leicht unter dem OECD-Schnitt von 1,1 Prozent /BIP. Die niedrigsten Stützungsniveaus im OECD-Vergleich sind in Neuseeland, Australien und Chile zu beobachten. Anders ist die Lage in Norwegen, der Schweiz, Japan, Korea und Island, wo zwischen der Hälfte und zwei Drittel der Bruttoagrareinnahmen aus Transferleistungen stammen.[18]

Die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik wurde bis 2007 einzig über den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) organisiert. Der EAGFL machte als bedeutendster Strukturfonds zuletzt rund die Hälfte des Haushaltes der Europäischen Union aus.

Der EAGFL war seit 1964 in zwei Abteilungen unterteilt, die Abteilung Garantie und die Abteilung Ausrichtung, für die unterschiedliche Vorschriften galten. Die sehr viel größere Abteilung Garantie diente der Finanzierung von Ausgaben, die sich aus der Anwendung der Markt- und Preispolitik ergeben. Diese sind schwer voraussehbar, da ihre Höhe von zahlreichen Variablen wie ungünstige Witterung, Probleme bei der Tiergesundheit, Entwicklung der Nachfrage, internationale Preise usw. abhängt und erfahren daher im Laufe des Haushaltsjahres Anpassungen. In der Vergangenheit erhielten die drei Bereiche Kulturpflanzen (Getreide, Ölsaaten und Eiweißpflanzen), Rindfleisch und Milchprodukte die meisten Mittel aus der Abteilung „Garantie“ des EAGFL. Die Abteilung Ausrichtung diente der Finanzierung von strukturpolitischen Maßnahmen und von Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Im Unterschied zur Abteilung Garantie basierte die Abteilung Ausrichtung des EAGFL auf dem Grundsatz der Kofinanzierung.

Durch die Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 wurde der EAGFL in zwei getrennte Fonds unterteilt[19]:

  • Der Europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) verfügt über einen Jahreshaushalt von annähernd 47 Mrd. EUR (Stand: 2013) und finanziert die Ausgaben der einheitlichen gemeinsamen Marktorganisation, Direktzahlungen an die Betriebe, Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse sowie einmalige Ausgaben, beispielsweise für Veterinärmaßnahmen. Hauptnutznießer des EGFL sind Frankreich (16,6 %), Spanien (12,1 %), Deutschland (11,4 %) und Italien (10,3 %) (Stand: 2013). Die 2004 und 2007 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten erhalten insgesamt nur 18,2 % der EGFL-Mittel.
  • Im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) werden Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft, Agrarumweltmaßnahmen, Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum, zur Förderung der Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft sowie zum Aufbau lokaler Kapazitäten kofinanziert. Die wichtigsten Empfängerländer des ELER sind Polen (14 %), Italien (9,8 %), Deutschland (9,8 %) und Rumänien (9,2 %). Insgesamt entfallen 40,1 % der ELER-Fördergelder auf die 12 neuen Mitgliedsländer der EU.

Zuständigkeiten und Beschlussverfahren

Zuständig für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ist die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie die untergeordneten Behörden in den Mitgliedsländern der Europäischen Union.

Die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in Brüssel

Für Beschlüsse über den Neuerlass oder die Abänderung von Richtlinien und Verordnungen gilt seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (1. Dezember 2009) das Mitentscheidungsverfahren. Dies bedeutet, dass Beschlüsse sowohl von im Rat für Landwirtschaft und Fischerei vertretenen nationalen Fachminister als auch von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments gefasst werden müssen, nachdem die Unterhändler der beiden Organe Übereinkunft zu allen Detailfragen erzielen konnten. Die Vorlagen für Rechtsakte werden von der Generaldirektion Landwirtschaft ausgearbeitet. Die vom Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung verantworteten Entwürfe bilden die Grundlage der Meinungsbildung im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments und im Sonderausschuss Landwirtschaft, der die Entscheidungsfindung im Agrarrat vorbereitet.

Bis 2009 galt für den gesamten Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik das Konsultationsverfahren, nach dem das das Europäische Parlament vor Entscheidungen nur angehört werden musste.

Der Vertrag von Lissabon sieht allerdings Ausnahmen vom ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der EU zugunsten des Rates vor. Demnach ist der Rat für Landwirtschaft und Fischerei unter bestimmten Voraussetzungen befugt, Entscheidungen über von der Kommission vorgeschlagene Beihilfen und die Ausgestaltung der Marktordnungen zu treffen (Artikel 42 und 43, AEUV).[20]

Der Lissabon-Vertrag sieht eine weitere Neuerung der Gemeinsamen Agrarpolitik vor. Seitdem kann eine Gruppe von Mitgliedstaaten (d. h. mindestens neun) untereinander zusätzliche Agrarverpflichtungen beschließen, ohne dass die Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten einer solchen vertieften Zusammenarbeit anschließen muss. Man spricht hier vom Instrument der verstärkten Zusammenarbeit (Art. 20, EU-Vertrag).[21]

Reformen und Weiterentwicklung der GAP

Die Unterzeichnung des Vertrages von Rom 1957, welcher die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) begründete, führte zur Entwicklung einer gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Sie wurde 1958 auf der Konferenz von Stresa beschlossen und trat 1962 in Kraft.

Reformen im Überblick

Seither wurde die GAP vielfach reformiert. Einige Meilensteine sind:

Jahr Reform Ziele
1968 Mansholt-Plan Verringerung der landwirtschaftlichen Erwerbsbevölkerung in einem Zehnjahreszeitraum um etwa die Hälfte und Förderung größerer, effizienterer landwirtschaftlicher Betriebe (wurde nicht vollständig umgesetzt)
1972 Strukturmaßnahmen Modernisierung der Landwirtschaft (hiermit wurde die Beschränkung der investiven Förderung auf „entwicklungsfähige“ Betriebe vom Jahr 1968 umgesetzt), Bekämpfung der Überproduktion
1985 Grünbuch „Perspektiven der Gemeinsamen Agrarpolitik“ Bekämpfung der Überproduktion, ebenfalls 1985 Erlass einer Verordnung zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur (Effizienzverordnung)
1988 „Leitlinie für die Agrarausgaben“ Begrenzung der Agrarausgaben
1992 MacSharry-Reform Grundlagenreform mit den Zielen: Senkung der Agrarpreise, Ausgleichszahlungen für die entstandenen Einkommensverluste, Marktmechanismen fördern, Maßnahmen des Umweltschutzes
1999 Agenda 2000 Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Preissenkungen, Politik für den ländlichen Raum, Förderung von Umweltmaßnahmen und Lebensmittelsicherheit. Einführung von „Cross Compliance“, Modulation bei Prämienzahlungen
2003 Halbzeitbewertung Entkopplung der Direktzahlungen von der Produktion und Bindung an Cross Compliance.
2009 „Health-Check“-Reform Beschleunigung der Agenda-2000-Maßnahmen bei Begrenzung der EU-Agrarausgaben.
2014 Greening obligatorische Anbaudiversifizierung, Dauergrünland-Erhalt und Flächennutzung im Umweltinteresse.

Politik der Preisstützung (1962–1992)

Ziele der Preisstützungen

  • Sicherung des Einkommens der Landwirte
  • Verhinderung von Landflucht
  • Unabhängigkeit der EU von Nahrungsimporten
  • Pflege der Kulturlandschaft und Tradition
  • gesicherte Nahrungsmittelversorgung EU-weit

Zur Preisstützung dienten drei Verfahren:

  1. Intervention = Einlagerung von EU-Überschüssen (Interventionspreis): Die EU setzt Mindestpreise (= Interventionspreis) für Agrargüter fest. Fällt der Marktpreis darunter, kauft die EU Erzeugern Produkte ab. Indem die Stützungskäufe Überschüsse vom Markt nehmen, stabilisieren sie die Erzeugerpreise. Eingelagerte Produkte werden bei passender Marktlage verkauft, manchmal auf dem Weltmarkt - oder vernichtet.
  2. Importabschöpfung (Abschöpfung): Strömt Weltmarkt-Ware viel zu billig in die EU, setzt man „Schwellenpreise“ fest: Die EU fordert die Differenz zwischen Weltmarktpreis und Schwellenpreis als eine Art Zoll ein.
  3. Exporterstattung: Um am Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein, können Exporteure sich die Differenz zwischen Weltmarktpreis und Schwellenpreis von der EU auszahlen lassen. Landwirte erhalten attraktive Binnenpreise und die Ware gelangt dennoch auf den Weltmarkt.
Marktordnungspreissystem GAP

Folgen der Preisstützungen

  • Hohe Versorgungssicherheit mit hochwertiger Nahrung in der EU
  • Die Marktordnungskosten in der EU wurden untragbar hoch und erzeugten Kritik, auch vom Steuerzahler
  • Einkommen der Landwirte blieben teilweise unbefriedigend
  • Vernichtung bzw. Verschleuderung von Agrarprodukten ethisch bedenklich
  • Hohe Preise fördern eine intensive Produktion auf Kosten der Umwelt.
  • Dumpingpreise europäischer Agrarunternehmen zerstören lokale Märkte in armen Ländern.
  • Die Abschottung des EU-Markts erschwert Nicht-EU-Staaten Exporte.
  • Verbraucher müssen weit über dem Weltmarktniveau liegende Preise zahlen.
  • Der EU-Agrarprotektionismus war in den Außenbeziehungen mit den USA, Kanada und Entwicklungsländern ein häufiger Streitpunkt.

Seit 1993 kamen diese Instrumente nur in Ausnahmesituationen in abgeschwächter Form zum Einsatz. Butterberge, Milchseen, und Obstbaum-Rodungsprämien sind Vergangenheit. Preisstützungen bei Milch und Zucker werden bis 2017 beendet, ersatzweise erhalten Landwirte seit 1993 „Prämien“ in Abhängigkeit von der Anbauflächengröße.

Umstellung auf Betriebs- und Produktprämien

Mit dem Förderjahr 1993 begann eine radikale Umstellung. Preisstützungen wurden verringert, für bestimmte Kulturen (Getreide, Mais, Raps, etc.) führte man Prämien pro Hektar ein. So erhielt 1 ha Weizen 1993 eine Prämie von 330 DM. Zur „Marktentlastung“ mussten Antragsteller, die mehr als ca. 15 ha Fläche hatten, mindestens 15 Prozent davon ein Jahr stilllegen. Tierhaltern wurde neben Bullenprämien, Mutterkuhprämien und Mutterschafprämien in einigen Ländern auch eine sogenannte Herodes-Prämie gewährt. In Deutschland, Österreich und einigen anderen Ländern war dies aus Gründen des Tierschutzes nicht möglich. Dies erforderte die EDV-Erfassung jedes Feldstücks und jedes Nutztiers in der EU. Der Bürokratieaufwand war enorm. Die Konflikte mit anderen Weltmarkt-Teilnehmern (WTO, USA, etc.) hielten an. Diese warfen EU-Vertretern weiterhin eine „Überschuss-Produktion“ vor.

Die EU-Agrarminister haben sich am 26. Juni 2003 in Luxemburg auf eine weitere Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik geeinigt (Luxemburger Beschlüsse). Mit der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003[22] des Rates vom 29. September 2003 wurden die Richtlinien für den Zeitraum von 2005 bis 2013 festgelegt.

Durch das neue System sollten die EU-Agrarausgaben trotz der EU-Osterweiterung finanzierbar bleiben und Drittländer leichteren Marktzugang erhalten. Grünlandstandorte, die durch die bisherige Förderung benachteiligt waren, sollten besser gestellt werden.

Das produktbezogene Prämiensystem wurde ab 2005 durch ein System abgelöst, bei dem es nebensächlich ist, was auf der Fläche wächst, solange es „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ ist. Dies nennt sich „Entkopplung“. Alle Prämien im „tierischen Bereich“ wurden abgeschafft - außer der Hilfen für Milcherzeuger. Weitere Kernpunkte waren Cross Compliance und eine obligatorische Modulation. Für die meisten Förderungen gab es ab diesem Zeitpunkt einen Gemeinsamen Antrag.

„Health-Check“ 2008/2009 und weitere Änderungen seit 2010

Im November 2008 vereinbarten die EU-Landwirtschaftsminister, dass die Direktzahlungen an Landwirte um 10 Prozent gekürzt werden. Ab einer Jahres-Subventionssumme von mehr als 300.000 Euro erhalten Landwirte darüber hinaus bis zu vier Prozent Modulations-Abzüge. Zudem wurde vereinbart, dass die Milchquote zwischen 2009 und 2013 um jährlich ein Prozent erhöht wird.[23]

Ab 2010 fallen die Energiepflanzenprämie und die Tabakbeihilfe weg. Dem Landwirt werden Erosionsklassen der Feldstücke im Nutzungsnachweis abgedruckt mit Überlappungen mit den Gebietskulissen Naturschutzgebiet, Wasserschutzgebiet, Ökoflächenkataster und Natura 2000-Gebiet. Die EU-Kommission überwacht die „Feldstücksbildung“. Landwirte haben mit Internet-Kartenprogrammen wie dem „Bayern-Viewer“ jährlich die korrekte Erfassung ihrer Feldstücke zu prüfen.

In einigen Bundesländern wurde 2010 die „Mindestantragsfläche“ verschärft, z. B. auf 1 ha landw. Fläche. Die Ausgrenzung der „Hobbylandwirte“ entlastete die Verwaltungsbehörden. Gefördert werden nur Nutzungen, die pro Antrag 0,1 ha betragen.

Durch den Preisverfall am Milchmarkt und Demonstrationen der Landwirte gab es 2010 und 2011 ein „Milchsonderprogramm“ mit drei Prämien:

  1. Die Kuhprämie (zusammen mit anderen Förderungen max. 7500 € in drei Jahren). Gewährt vom Bund. Prämiensatz ca. 21 € je Kuh.
  2. Die Grünlandprämie, v. a. vom Bund gewährt, die EU zahlt etwas mit. Prämiensatz ca. 25 - 35 € je ha Rauhfutterfläche.
  3. Die zusätzliche EU-finanzierte Grünlandprämie war als Sofort- und Notmaßnahme zu verstehen. Sie betrug ca. 20 €/ha Rauhfutterfläche.

Direktzahlungen und Greening: GAP-Leitlinien 2014–2020

Teilnehmer an der Konferenz zur Gemeinsamen Agrarpolitik 2014–2020 der Vorsitzenden der Landwirtschaftskomitees der EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2011

Für die Jahre von 2014 bis 2020 wurden als Leitlinien vereinbart:

  1. verstärkte Förderung von Gemeingütern, wie Biodiversität und sauberem Wasser,
  2. Ausweitung der Ko-Finanzierung, bei der sich Mitgliedstaaten an den Kosten der EU-Subventionen beteiligen,
  3. Umverteilungen zwischen Mitgliedstaaten und zwischen Landwirten je nach Betriebsgröße

Durch den 2009 ratifizierten Vertrag von Lissabon darf das Europäische Parlament im Mitentscheidungsverfahren auf Entscheidungen der Agrarpolitik Einfluss nehmen. Das siebenjährige Rahmenbudget war bisher nur bis 2013 festgelegt. Da das neue Rahmenbudget für die Jahre von 2014 bis 2020 gilt, regelt die EU-Verordnung 1310/2013 Übergangsvorschriften im Jahr 2014.

EU-Kommission, das Europäische Parlament und die im Rat versammelten EU-Landwirtschaftsminister formulierten die Grundzüge der GAP in vier aufeinanderfolgenden Verordnungen:

  1. Verordnung 1305/2013 - Ländliche Entwicklung
  2. Verordnung 1306/2013 - „Horizontale“ Themen (Finanzierung und Kontrollen)
  3. Verordnung 1307/2013 - Direktzahlungen für Landwirte
  4. Verordnung 1308/2013 - Marktmaßnahmen

Direktzahlungen erhalten nur Landwirte als „aktive Betriebsinhaber“ gemäß Artikel 9 der VO (EU) Nr. 1307/2013. In der BRD gilt diese Beschränkung für Direktzahlungen ab 5000 Euro. Eine Negativliste führt Unternehmensformen auf, für die der Anspruch auf Direktzahlung erweiterte Nachweise erfordert.

Greening

Extensivgrünland
Der Erhalt von Sorten ist ein Ziel des Greening

Ab 2015 ist das Greening eine Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen. Öko-Betriebe und Kleinerzeuger sind davon freigestellt.
Die Greening-Anforderungen umfassen drei obligatorische Maßnahmen:

  1. Anbaudiversifizierung
  2. Dauergrünland-Erhalt
  3. Flächennutzung im Umweltinteresse

Anbaudiversifizierung Für den Erhalt der Direktzahlung ist die Anbaudiversifizierung nicht erforderlich für Betriebe, die

  • bis zu 10 ha Ackerland bewirtschaften
  • mehr als 75 % Anteil Grünland an ihrer landwirtschaftlichen Fläche oder mehr als 75 % Ackergras / Stilllegung an der Ackerfläche bewirtschaften soweit die nicht auf diese Kulturen entfallende Fläche nicht mehr als 30 ha beträgt.

Betriebe bis 30 ha müssen mindestens zwei Kulturarten anbauen. Die Hauptkultur darf 75 % nicht überschreiten. Betriebe ab 30 ha müssen mindestens drei Kulturarten anbauen, davon die Hauptkultur auf bis zu 75 % der Fläche und die zwei größten Kulturen zusammen bis zu 95 %.

Flächennutzung im Umweltinteresse durch ökologische Vorrangflächen (ÖVF) Betriebe ab 15 ha Ackerfläche müssen mindestens 5 % davon als ökologische Vorrangflächen vorhalten. Bezugsgröße ist das Ackerland mit Landschaftselementen an oder auf Ackerland, ÖVF-Pufferstreifen, Kurzumtriebsplantagen und Aufforstungsflächen. Freigestellt sind Betriebe mit mehr als 75 % Grünland an der landwirtschaftlichen Fläche bzw. 75 % Ackergras / Stilllegung / Leguminosen an der Ackerfläche, soweit die nicht auf diese Kulturen entfallende Fläche max. 30 ha beträgt.

Direktzahlungen Ab 2015 umfasst die erste Säule der GAP in Deutschland verschiedene Direktzahlungen an die Landwirte:[24]

  • Basisprämie: Durch die Umverteilung der EU-Mittel zugunsten der neuen EU-Mitgliedstaaten werden sich die Mittel für Deutschland 2014 bis 2019 geringfügig verringern. Parallel dazu werden die regional in Deutschland noch unterschiedlichen Prämien von zunächst 154 bis 191 Euro pro Hektar bis 2019 auf rund 175 Euro pro Hektar angeglichen.
  • Konkrete Umweltleistungen („Greening“) werden prämiert mit rund 87 Euro (2015) bis rund 85 (2019) je Hektar bei:
    • Erhalt von Dauergrünlandflächen (Wiesen und Weiden),
    • Erhalt der Vielfalt beim Anbau von Kulturen auf Ackerflächen
    • Bereitstellung "ökologischer Vorrangflächen" auf fünf Prozent des Ackerlands (z. B. Stilllegungsflächen, Terrassen, Pufferstreifen, Hecken, Knicks oder Baumreihen).
  • Umverteilungsprämie: Betriebe erhalten für die ersten 30 Hektar zusätzlich etwa 50 Euro pro Hektar, für weitere 16 Hektar etwa 30 Euro pro Hektar.
  • Zusatzförderung für Junglandwirte: Junglandwirte bis 40 Jahre erhalten auf Antrag ab 2015 für maximal fünf Jahre und 90 Hektar Landwirtschaftsfläche eine Zusatzförderung von etwa 44 Euro pro Hektar.
  • Kleinerzeugerregelung: Die Summe der einzelnen Direktzahlungsprämien (auch Greeningprämie) wird gekappt auf bis 1.250 Euro je Jahr.
    Wer Direktzahlungspämien als Kleinerzeuger beantragt, unterliegt nicht den Vorschriften des Greening und der Cross Compliance.

Freiwillige Maßnahmen Die zweite Säule der GAP bilden freiwillige Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen der Landwirtschaft zur Förderung der ländlichen Entwicklung.[25] Ein Beispiel für ein solches gezieltes Förderprogramm ist die Landschaftspflegerichtlinie in Baden-Württemberg.

Umsetzung nach bundesdeutschem Recht

Zahlungsansprüche auf Betriebsprämien

Ein Zahlungsanspruch (ZA) ist das Recht, die Betriebsprämie für ein Hektar Fläche zu erhalten. Die BRD wählte ein „Kombimodell“. Landwirten wurde für Ackerflächen, die sie im Jahr 2005 beantragten, Prämienrechte von ca. 298 €/ha zugewiesen. Für beantragte Dauergrünlandflächen gab es Prämienrechte von ca. 88 €/ha. Die „Kombination“ besteht darin, dass diese Grund-ZA aufgestockt wurden um Beträge, die sich aus früheren Tierproduktionsleistungen des Landwirts herleiten. Dies sollte verhindern, dass „viehstarke Betriebe“, die den bisherigen Prämien vertrauten, von heute auf morgen vor dem Untergang stehen. Dieser betriebsindividuelle Betrag (BIB) konnte den Acker-ZA eines Milchbauern oder Bullenmästers z. B. auf 490 €/ha erhöhen.

Im Jahr 2005 wurden Zahlungsansprüche nur für Acker und Dauergrünland zugewiesen. In Folgejahren wurden Zahlungsansprüche für Reb- und Baumschulflächen sowie Dauerkulturen (z. B. Obstplantagen) nachgereicht. Größeren Betrieben wurden 2005 auch Stilllegungs-Zahlungsansprüche zugewiesen. Wer z. B. 5 ha Stilllegungs-ZA erhielt, musste jährlich 5 ha Acker stilllegen und bekam dafür ca. 298 €/ha.

Die Zahlungsansprüche sind gekennzeichnet und in der Zentralen InVeKoS Datenbank (ZID) erfasst. Zahlungsansprüche sind in der Regel frei handelbar. Sie können nur von aktiven Landwirten erworben werden. Ein Zahlungsanspruch im Wert 298 Euro wird (Stand: Januar 2010) mit etwa 387 Euro gehandelt. Zahlungsansprüche können auch verpachtet werden. Wenn zum Beispiel 2 Hektar Zahlungsanspruch verpachtet werden, müssen mindestens zwei Hektar Fläche an den Bewirtschafter mitverpachtet werden. Die Landwirte können die Buchungen selbst in der ZI-Datenbank vornehmen oder einen Dienstleister damit beauftragen. Die Prämienbehörden wachen über die ZID. Sie können Falschbuchungen stornieren und ziehen Zahlungsansprüche, die zwei Jahre nicht genutzt wurden, in die „nationale Reserve“ ein.

Mit dem Jahr 2008 wurden die Stilllegungs-Zahlungsansprüche in normale Zahlungsansprüche umgewandelt und die Pflichtstilllegung abgeschafft. Zahlungsansprüche kleben grundsätzlich nicht an einer bestimmten Fläche. Wenn ein Landwirt 18 Hektar Zahlungsansprüche besitzt und 15 Hektar Fläche, werden ihm die 15 wertvollsten Zahlungsansprüche ausbezahlt. Diese „Benutzung von Zahlungsansprüchen mit Fläche“ nennt sich „Aktivierung“.

Angleichung der Zahlungsansprüche Die Zahlungsansprüche blieben bis 2009 unverändert. Während der Angleichung von 2010 bis 2013 werden alle Zahlungsansprüche auf ein einheitliches Niveau gebracht. Ein Wiesen-Zahlungsanspruch hat beispielsweise folgende Wertentwicklung:

Zahlungsansprüche
Jahr Betrag
2009 148€/ha
2010 168€/ha
2011 209€/ha
2012 271€/ha
2013 354€/ha

Analog würde ein hoher Zahlungsanspruch z. B. von 480 € auf 354 € schrumpfen. Durch diese Angleichung wird die „Schonfrist“, die den tierischen Erzeugern eingeräumt wurde, abgebaut und die Prämienberechnung vereinfacht.

Cross Compliance Landwirte, die Fördermittel beantragen, müssen Vorschriften zu Umwelt- und Tierschutz sowie Lebens- und Futtermittelsicherheit beachten. Regelungen zu Bodenschutz, Wasserrecht und eine „Mindestpflege für Flächen“ kamen hinzu. Bei Nichteinhaltung werden Direktzahlungen gekürzt, bei erstmaligen Verstößen maximal um fünf Prozent. Bei Wiederholungsverstößen oder vorsätzlichen Verstößen können sich Kürzungen bis zur völligen Einbehaltung der Prämien ergeben. Die EU-Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass das Dauergrünland gegenüber dem Stand 2003 nicht erheblich abnimmt.

Beispiel: Landwirt Rudi X. hat 62 ha Förderfläche. Bei einer Kontrolle stellt das Veterinäramt wird fest, dass er drei Ziegen nicht in der Internet-Datenbank HI-Tier meldete. Durch die dreiprozentige Sanktion verliert er bei der Betriebsprämie 503 €, bei der Ausgleichszulage 64 € und beim Kulturlandschaftsprogramm 194 €.

Modulation

Neben der Produktion („erste Säule“) sollen Maßnahmen der ländlichen Entwicklung und Ökologie („zweite Säule“) finanziell stärker gefördert werden. Um dafür Gelder zu gewinnen, werden die Betriebsprämien ab 2007 um fünf Prozent gekürzt. Dies wird „Modulation“ genannt. Ein Freibetrag von 5000 Euro bleibt ungekürzt.

Im Rahmen des „Health Check 2009“ führte der EU-Rat eine „Progressive Modulation“ ein: Für das Jahr 2009 eine Kürzung von sieben, 2010 von acht Prozent, 2011 von neun Prozent und 2012 von zehn Prozent (Verordnung (EG) Nr.73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009).

Dies beklagten Bauern, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und des Diskriminierungsverbots verletzt sahen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder bezweifelte im Urteil vom September 2011 die Gültigkeit der Modulationserhöhung ab 2009 und beauftragte den Europäischen Gerichtshof mit der Klärung der Frage. Ein Urteil wird nicht vor 2013 erwartet.[26]

Die fünf-prozentige Kürzung der Betriebsprämie bedeutet für größere Betriebe beträchtlichen Geldverlust. Damit eingesparte Mittel kommen kaum der Landwirtschaft zugute. Es ist schwer einzusehen, warum aktive Betriebe als Finanzierer Strukturmaßnahmen im ländlichen Raum bezahlen müssen. Sollte die „progressive Modulation“ juristisch Bestand haben, werden die Einkommensverluste ab 2009 deutlich herber.[27]

Kritikpunkte

Durch die Entkopplung der Prämien vom erzeugten Produkt wurden die Landwirte freier in ihren Anbauentscheidungen. Sie bauen eher an, was gefragt ist, da sie für alles dieselbe Förderung erhalten. „Exotische Kulturen“ wie Arzneipflanzen, Buchweizen, Dinkel, Einkorn usw. haben mehr Chancen gegenüber dem früher bevorzugten Winterweizen oder Raps. Der Spielraum für „Unternehmerisches Handeln“ wurde vergrößert.

Auch die Umwelt profitiert, so ist wertvolles Kleegras dem umweltbelastenden Silomais gleichgestellt. Zudem gewann die „freiwillige Stilllegung“ an Bedeutung. Hierbei erhält der Landwirt, der einmal jährlich die „Selbstbegrünung“ abschlegelt, fast so viel Geld wie jener, der Getreide anbaut. Dies veranlasste viele Bauern, Betriebe zu „extensivieren“ (weniger Arbeit, Dünger, Technik, Chemie einsetzen), was die Umwelt und den Markt entlastet.

Mit Zahlungsansprüchen (ZA) wollte die Politik „aktive“ Bewirtschafter stärken. Wer eine Fläche im Jahr 2005 bewirtschaftet, ist Eigentümer der dafür zugeteilten Zahlungsansprüche. Viele Verpächter empfanden dies als ungerecht. Wenn die Pachtfläche ohne Zahlungsansprüche zurückgeht, ist sie kaum mehr verpachtbar. Da Verpächter überwiegend keine aktiven Landwirte mehr sind, können sie von anderer Seite keine Zahlungsansprüche ankaufen. Es bleibt nur die Lösung, dass der nachfolgende Bewirtschafter sich - wenn er Betriebsprämie will - Zahlungsansprüche zukauft.

Bei der Vergabe von Zahlungsansprüchen sah das EU-Recht vor, dass bestimmte „Härtefälle“ bevorzugt bedacht werden (zum Beispiel wenn ein Hofnachfolger einen bisher verpachteten Betrieb übernimmt). Jedoch nutzte dies durch restriktive Bedingungen nur wenigen Landwirten. Die Preise für Zahlungsansprüche blieben in einem gemäßigten Rahmen, weil prinzipiell kein Mangel an Zahlungsansprüchen auftreten kann und das Horten von Zahlungsansprüchen unterbunden ist.

Das Betriebsprämiensystem bewährte sich, da es nicht „produktionsanheizend“ auf einige Erzeugnisse wirkt. Proteste anderer Wettbewerber in Afrika, Lateinamerlika und den USA flauten ab. Der Wegfall der Pflichtstilllegung vereinfachte die Förderanträge ab 2008. Der „Strukturwandel“ beschleunigte sich nach 2005 dennoch, weil sich durch Markt-Liberalisierungen und Produktionssteigerungen der globale Konkurrenzkampf verschärfte.

Neben dem allgemeinen Preisverfall bei Rohstoffen im Herbst 2008 verbilligten sich durch erhöhte Milchquoten Anfang 2009 die Milchpreise. Dies ging einher mit spektakulären Aktionen (Milch in Güllefässern auf Felder ausgebracht, Proteste vor Discountern etc.). Wegen des Preisdrucks werden vielerorts über 80 Prozent der Höfe im Nebenerwerb oder als Hobby geführt und dann meist im Generationswechsel aufgegeben. Die Masse der Fläche wird von wenigen Großbetrieben bewirtschaftet. Auch die tierische Produktion findet in ständig wachsenden Tierbeständen in immer weniger Betrieben statt (Konzentration).[28]

Auf Kritik stoßen „OGS-Genehmigungen“ auf Zahlungsansprüche, wobei die Betriebsprämie für Obstplantagen, Gemüse und Speisekartoffeln aufgrund „historischer Prämiendaten“ gewährt wurden. Diese unrationelle Sonderbehandlung wurde 2008 abgeschafft, da seit 2005 alle Feldstücke in der EU digitalisiert vorliegen und Behörden Unstimmigkeiten teilautomatisiert aufdecken können.

Die Betriebsprämie war als Ausgleich für die Einführung von „Weltmarktpreisen“ gedacht. Das System der „Betriebsprämie/Zahlungsansprüche“ wurde um Cross Compliance Regelungen ergänzt. So wird seit 2010 z.B. überwacht, ob der Landwirt Erosionen vermeidet. Da die Cross Compliance-Vorschriften nur EU-weit gelten, sehen manche Exportunternehmen die hohen Anforderungen für die Betriebsprämienzahlung als Wettbewerbsnachteil am Weltmarkt. Lediglich Kleinerzeuger unterliegen bei der Betriebsprämien-Beantragung keinen Cross Compliance-Vorschriften.

Bei der Prämiengewährung wird hoher Wert auf „einheitlichen Förderungsvollzug“ gelegt. Verwaltungsbehörden kontrollieren Landwirte durch Verwaltungs- und Vor-Ort-Kontrollen sowie mit Luftbild-Fernerkundungen. Verwaltungsbehörden selbst unterliegen Kontrollen durch Innenrevisionen, Landes- Bundes- und EU-Rechnungshöfe und Prüfungen von Seiten der EU-Kommission. Fallen bei Landwirtschaftsunternehmen Fehler auf, können verzinste Rückforderungen für mehrere Jahre und mehrere Förderprogramme anfallen. Legen Stichprobenkontrollen bei Geschäftsprozessen in Verwaltungsbehörden systematische Fehler nahe, wird vom Einzelfall aus ein Fehlerbetrag im Gesamtverfahren für alle Antragsteller geschätzt. Damit unterliegen Bundesländer einem Anlastungsrisiko, was zu extrem hohen Sanktionszahlungen führen kann.

Neben der EU-weit geltenden Betriebsprämie fördern Bundesländer landesspezifisch kofinanzierte Prämiensysteme für „freiwillige Umweltleistungen“, beispielsweise Kulturlandschaftsprogramme. Hierbei werden u. a. „Verzicht auf Chemie“, „Öko-Landbau“, „später Schnittzeitpunkt“ oder „vielfältige Fruchtfolge“ honoriert. Da die EU Auflagenüberschneidungen und Doppelförderungen unterbindet, darf man beispielsweise für eine Wiese, die aufgrund des Trinkwasserschutzes nicht gedüngt werden darf, nicht noch eine Agrarumweltprämie erhalten. Die Vielzahl an „Flächenfördermaßnahmen“ stellt Verwaltungsbehörden wie Landwirte vor eine schwer zu bewältigende Komplexität, etwa in „Flurbereinigungsgebieten“ oder wenn „Flächenabweichungen“ auffallen.

Weiterhin stößt die häufige Abänderung der Förderverfahren auf Kritik.

Literatur

  • Ulrich Kluge: Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland (= Berichte über Landwirtschaft. Sonderheft NF 202). 2 Bände. Parey, Hamburg u. a. 1989, ISBN 3-490-35215-7.
  • Ulrich Kluge: Ökowende. Agrarpolitik zwischen Reform und Rinderwahnsinn. Siedler, Berlin 2001, ISBN 3-88680-736-3.
  • Kiran Klaus Patel: Europäisierung wider Willen. Die Bundesrepublik Deutschland in der Agrarintegration der EWG 1955–1973 (= Studien zur internationalen Geschichte. Bd. 23). Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-59146-0.
  • Günter Rohrmoser: Landwirtschaft in der Ökologie- und Kulturkrise. Gesellschaft für Kulturwissenschaft, Bietigheim/Baden 1996, ISBN 3-930218-25-9 (Im Anhang: Hermann Priebe: Krisenbereich Agrarpolitik.).[29]
  • Guido Thiemeyer: Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Europäische Integration, Kalter Krieg und die Anfänge der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (= Studien zur internationalen Geschichte. Bd. 6). Oldenbourg, München 1999, ISBN 3-486-56427-7 (Zugleich: Köln, Universität, Dissertation, 1997).
  • Winfried von Urff: Agrarmarkt und Struktur des ländlichen Raumes in der Europäischen Union. In: Werner Weidenfeld (Hrsg.): Die Europäische Union. Politisches System und Politikbereiche (= Europa-Handbuch. Bd. 1). 3., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Verlag Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 2004, ISBN 3-89204-769-3, S. 205–222.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.eu-koordination.de/eu-themen/landwirtschaft-gentechnik/ueberblick?start=1
  2. http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/displayFtu.html?ftuId=theme5.html
  3. Eine Billion Euro für die Zukunft Europas – der Haushaltsrahmen der EU für 2014–2020.
  4. Grundlagen der Agrarpolitik Vorlesung, Universität Hohenheim, 2005.
  5. Die gemeinsame Agrarpolitik erklärt (Publikation der Europäischen Kommission, 2007)
  6. http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_5.2.1.html
  7. a b c d e Garzon, Isabelle: Reforming the Common Agricultural Policy. History of a Paradigm Change. Hampshire/New York 2006.
  8. a b c d Hallstein, Walter: Die Europäische Gemeinschaft. 5. Auflage. Düsseldorf/Wien 1979.
  9. a b Bieber, Roland: Landwirtschafts- und Fischereipolitik. In: Beutler, Bengt; Bieber, Roland; Pipkorn, Jörn; Streil, Jochen (Hrsg.): Die Europäische Gemeinschaft. Rechtsordnung und Politik. 3. Auflage. Baden-Baden 1987, S. 446–463.
  10. a b Europäische Gemeinschaften, Entschließung von Stresa, ABl 281/58 vom 1. August 1958.
  11. a b EuGH Rs. 90/63 und 91/63, Kommission der EWG vs. Luxemburg und Kommission der EWG vs. Belgien, Urteil vom 13. November 1964.
  12. EuGH Rs. 5/67, Beus vs. Hauptzollamt München, Urteil vom 13. März 1968.
  13. Frenz, Walter: Europarecht. Berlin/Heidelberg 2016.
  14. EWG-VO 25/1996: Verordnung über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik. Abl. 30 vom 20. April 1962, S. 991-993.
  15. Konsolidierte Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. 24. Dezember 2002, abgerufen am 27. Oktober 2010.
  16. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und der Vertrag. In: www.europarl.europa.eu. Abgerufen am 17. März 2016.
  17. http://www.oecd-ilibrary.org/sites/agr_pol-2014-sum-de/index.html?contentType=%2fns%2fSummary&itemId=%2fcontent%2fsummary%2f16f29128-de&mimeType=text%2fhtml&containerItemId=%2fcontent%2fsummary%2f16f29128-de&accessItemIds=
  18. http://www.keepeek.com/Digital-Asset-Management/oecd/agriculture-and-food/agricultural-policy-monitoring-and-evaluation-2014/producer-nominal-protection-coefficient-npc-by-country-1995-97-and-2011-13_agr_pol-2014-graph7-en#page1
  19. http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_5.2.2.html
  20. http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_5.2.1.html
  21. http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_5.2.1.html
  22. VERORDNUNG (EG) Nr. 1782/2003 DES RATES vom 29. September 2003. (PDF) Abgerufen am 6. Juni 2010.
  23. Tagesschau:Zehn Prozent weniger für die Bauern. Tagesschau.de, abgerufen am 6. Juni 2010.
  24. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft:Grundzüge der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und ihrer Umsetzung in Deutschland
  25. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft:Grundzüge der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und ihrer Umsetzung in Deutschland
  26. proplanta.de: Verwaltungsgericht bezweifelt Gültigkeit der Modulationserhöhung seit 2009, 14. Dezember 2011, Zugriff am 17. Dezember 2011
  27. Quelle: Landwirtschaftsverwaltung
  28. Quelle: Landwirtschaftsverwaltung
  29. Michael Th. Schäfer: Gesellschaft für Kulturwissenschaft e.V. Gfk-web.de, abgerufen am 6. Juni 2010..