Glockenturm Berlin

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Glockenturm beim Olympiastadion Berlin

Der Glockenturm am Maifeld ist ein 77,17 Meter hoher Aussichtsturm auf dem Berliner Olympiagelände im Ortsteil Westend. Er wurde 1934–1936 nach Plänen von Werner March gebaut. Die Stahlskelettkonstruktion war mit Kalksteinplatten verkleidet.

Geschichte

Lage des Glockenturms auf dem Berliner Olympiagelände
Karte: Reichssportfeld, Olympische Sommerspiele 1936
Die Olympiaglocke als Denkmal
Gedenktafel für Glockenturm und Langemarckhalle

Der Turm wurde anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1936 gebaut. Zu den Olympischen Spielen in Berlin waren in den zahlreichen Stockwerken des Turmes Beobachtungsstände der Festleitung, der Polizei, des Sanitätsdienstes sowie der Rundfunk- und Filmberichterstattung untergebracht.[1] Die darunterliegende Langemarckhalle zelebriert den „Mythos von Langemarck“ mit Kriegerehrung und Opfertod. Glockenturm und Langemarckhalle bilden mit einem als Westwall bezeichneten Hügel die westliche Begrenzung des Maifelds. Es entstand, bevor das gleichnamige Befestigungswerk erdacht wurde.[2] In der Bauphase wurde der Glockenturm auch „Führerturm“ genannt. Unterhalb des Glockenturms, in den dem Maifeld zugewandten Tribünen, befand sich der sogenannte „Führerstand“, unter dem durch eine 8m breite Toröffnung große Menschenmassen den „Führer“ Adolf Hitler grüßend das Maifeld verlassen konnten.[3]

Die 4,28 Meter hohe Olympia-Glocke des ursprünglichen Turmes – mit einem Durchmesser von rund 2,8 Metern – wurde am 14. August 1935 vom Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation gegossen und nach feierlicher Überführung am 11. Mai 1936 in den Glockenturm gehoben.[4] Die Glocke wurde im Januar 1936 auf einem Tieflader (Culemeyer R 40) von Bochum nach Berlin überführt.[2] Die Fahrt („Triumphzug“) durch verschiedene deutsche Städte wurde ausgiebig zur Propaganda für die Olympischen Spiele 1936 und „ein wiedererstarktes Reich“ genutzt und auch per Rundfunk übertragen.[5] Die Olympia-Glocke war das Logo der Olympischen Sommerspiele 1936. Mit den Olympischen Ringen, dem Reichsadler und dem Brandenburger Tor darauf und in Verbindung mit dem Olympischen Fackellauf, der Olympischen Flamme im Stadion und dem Olympischen Eid wurde die Glocke ein Symbol der Olympischen Spiele von Berlin. Am unteren Rand erhielt sie die Beschriftung: „Olympische Spiele 1936“, Hakenkreuze und „Ich rufe die Jugend der Welt“. Mit der Olympia-Glocke, religiösen und römisch-antiken[6] Traditionen folgend, reklamierte das NS-Regime solche auch für sich. In der Neuzeit verbreitete sich allgemein im europäischen Raum die säkulare Verwendung von Glocken. Sie wurden auf Kriegerdenkmälern zum Gedenken an tote Soldaten angebracht oder fanden zwischen 1934 und 1936 Platz auf Glockentürmen der drei NS-Ordensburgen – Ausbildungsstätten für zukünftiges Führungspersonal (Kader) der NSDAP. Im Jahr der Olympischen Spiele in Berlin erklärte Hans von Tschammer und Osten, seit 1933 Reichssportführer und -kommissar sowie Vorsitzender des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen (DRL) und des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen (NSRL), die Olympia-Glocke zum „ewigen Mahner an den Opfertod unserer Helden“ und zu einer „Verpflichtung“ für die Lebenden.[7]

Das 75 Meter lange Mittelteil der Maifeldtribünen vor dem Turm ist nicht als Wall aufgeschüttet, sondern als ein dreigeschossiger Bau ausgeführt worden. In ihm war während des Zweiten Weltkriegs auch das Reichsfilmarchiv untergebracht. Nach Einmarsch der Roten Armee, vermutlich durch Nachlässigkeit der Militärs, fing dieses Archiv Feuer und die große Hitze wurde durch den Turm wie durch einen Kamin abgeleitet. Dadurch wurden tragende Teile des Stahlskelettes verformt.[8] Nach diesem Feuer zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Turm nicht mehr standsicher und wurde am 15. Februar 1947 von britischen Pionieren gesprengt.

Zwischen 1960 und 1962 wurde der Turm von Werner March nach den alten Plänen wieder aufgebaut. In ihm hängt eine neue 4,5 Tonnen schwere Olympiaglocke. Sie ist mit Darstellungen des Bundesadlers[9] und des Brandenburger Tors verziert und trägt am unteren Rand den Text „Olympische Spiele 1936“ und „Ich rufe die Jugend der Welt“ in Verbindung mit den Olympischen Ringen. Die Glocke erzeugt den Ton fis0.

Die ursprüngliche 9,6 Tonnen schwere Olympiaglocke, die vor der Sprengung 1947 nicht entfernt worden war, fiel bei der Aktion mit in die Tiefe und wurde so schwer beschädigt, dass sie beim Wiederaufbau nicht verwendet werden konnte. Um Metalldiebstahl zu verhindern, wurde sie vergraben, 1956 mithilfe von Metalldetektoren wiederentdeckt und am 16. Dezember desselben Jahres ausgegraben. Zwischenzeitlich stand die Glocke auch vor einem Gebäude am Hanns-Braun-Stadion auf dem Olympiagelände. Heute ist sie Denkmal und Treffpunkt an der Südseite des Olympiastadions.

Seit 1979 wird der Turm von Manfred Uhlitz, damals noch als 23-jähriger Student und Sohn des Berliner SPD-Politikers Otto Uhlitz (1923–1987), gepachtet und betrieben.[10]

Im Fuße des Turmes befindet sich die Langemarckhalle. Die anderen Räume dienen seit 2006 der multimedialen Dauerausstellung „Geschichtsort Olympiagelände 1909 – 1936 – 2006“ des Deutschen Historischen Museums. Langfristig soll das Sportmuseum Berlin in den Glockenturm umziehen.

360°-Panoramablick von der Aussichtsplattform des Glockenturms

Der Glockenturm ist von Mitte März bis Mitte November täglich sowie von Mitte November bis Mitte März an schneefreien Wochenenden geöffnet. Ein Expressaufzug befördert interessierte Besucher zu den Aussichtsplattformen, die einen Rundumblick unter anderem auf den Olympiapark, das Olympiastadion, die Waldbühne, das benachbarte Naturschutzgebiet Murellenberge, Murellenschlucht und Schanzenwald sowie über Berlin und das Brandenburger Umland ermöglichen.

Literatur

  • Manfred Uhlitz: Der Glockenturm am Olympia-Stadion in Berlin. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. 76, 1989, ZDB-ID 3615-8, S. 173–177.
  • Martin Kaule: Olympiastadion Berlin und Olympisches Dorf Elstal. Ch. Links Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86153-766-3.
  • Stephan Brandt: Von der Pferderennbahn Grunewald zum Olympiastadion. Sutton Verlag, Erfurt 2015, ISBN 978-3954004942.

Weblinks

Commons: Glockenturm Berlin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ausstellungs- und Besucherzentrum am Glockenturm des Olympiaparks in Berlin: Neuer und alter Turm
  2. a b Stephan Brandt: Von der Pferderennbahn Grunewald zum Olympiastadion. Sutton Verlag, Erfurt 2015, ISBN 978-3954004942, S. 71.
  3. Werner March: Bauwerk Reichssportfeld. Deutscher Kunstverlag, 1936, S. 28. Online bei digilib.tu-graz.at.
  4. Karin Stöckel: Berlin im olympischen Rausch. Die Organisation der Olympischen Spiele 1936, Diplomica Verlag, August 2009, ISBN 3-8366-6938-2, S. 41 f.
    Anm.: Im Buch wird das Gewicht der Glocke mit 16 Tonnen anstelle 9,6 Tonnen angegeben. Die höhere Angabe könnte daher stammen, dass zum Guss der Glocke 16 Tonnen Stahl verwendet wurden, Steiger, Füllkegel etc. aber natürlich entfernt wurden.
  5. Christian Bellinger: Funktionen und Methoden der propagandistischen Inszenierung der Olympischen Spiele von 1936, GRIN Verlag 2007, ISBN 3-638-77442-2, S. 31
    Anm.: Die Angabe zum Gewicht der Glocke beträgt in dieser Quelle 13 Tonnen.
  6. Sueton: Divus Augustus 91.2
  7. Infotafel auf dem Olympiagelände: Die Olympiaglocke
  8. Ausstellungs- und Besucherzentrum am Glockenturm des Olympiaparks in Berlin: Neuer und alter Turm
  9. Olympiaglocke Berlin. Bei: berlinstadtservice.de
  10. Der Türmer vom Olympiastadion. In: Tagesspiegel Online, 8. Juli 2012 und
    Was den Herrn des Glockenturms antreibt. In: Berliner Morgenpost Online, 23. Oktober 2010.

Koordinaten: 52° 30′ 50″ N, 13° 13′ 54″ O