Henry David Thoreau
Henry David Thoreau (sprich: [ˈθɔɹoʊ] oder [θəˈɹoʊ], * 12. Juli 1817 in Concord, Massachusetts; † 6. Mai 1862 ebenda) war ein amerikanischer Schriftsteller und Philosoph.
Leben
Thoreau wurde am 12. Juli 1817 als Sohn eines Bleistiftfabrikanten geboren und studierte von 1833 bis 1837 an der Harvard University.
Tätigkeit als Lehrer
Er war für kurze Zeit als Lehrer tätig, da er jedoch „keinen Gebrauch von der unerlässlichen körperlichen Züchtigung“ machte, überwarf er sich mit der Leitung seiner Schule und quittierte seinen Dienst. 1838 gründete er mit seinem Bruder John eine eigene Privatschule. Als der Bruder 1842 starb, wurde die Schule geschlossen.
Thoreau lernte 1841 Ralph Waldo Emerson kennen, der als Dichter, Unitarier und Philosoph die unitarische Bewegung des amerikanischen Transzendentalismus begründet hatte, dem ein großer Kreis amerikanischer Dichter und Denker angehörte. Zeitweilig lebte Thoreau in Emersons Haus in Concord bei Boston.
Rückzug in die „Wälder“
Unter Emersons Einfluss entwickelte Thoreau reformerische Ideen. Am 4. Juli 1845, dem Unabhängigkeitstag, bezog Thoreau eine selbsterbaute Blockhütte (Walden Hut) bei Concord am Walden-See, auf einem Grundstück Emersons. Hier lebte er etwa zwei Jahre zwar allein und selbständig, aber nicht abgeschieden. In seinem Werk Walden. Or life in the Woods (deutsch: Walden. Oder das Leben in den Wäldern) beschrieb er sein einfaches Leben am See und dessen Natur, aber er integrierte auch Themen wie Wirtschaft und Gesellschaft.
Thoreau als Prophet des zivilen Ungehorsams
Den 23. Juli 1846 verbrachte Thoreau im Gefängnis, weil er sich weigerte, seine Steuerschuld gegenüber Massachusetts, die Poll tax oder Kopfsteuer, zu begleichen und mit diesen Steuergeldern die amerikanische Regierung (und damit die Sklaverei und den expansiven Mexiko-Krieg) zu unterstützen. Der Krieg begann allerdings erst kurze Zeit vor Thoreaus Inhaftierung, die Steuerschulden waren deutlich älter. Die Schulden wurden beglichen; von wem, lässt sich nicht endgültig klären, und Thoreau wurde aus dem Gefängnis entlassen.
Inspiriert durch die Nacht im Gefängnis hielt Thoreau später Vorträge zu dem Grund seiner Zahlungsverweigerung. Diese Vorträge fasste er zu dem Essay Resistance to Civil Government (1849) zusammen, der unter dem späteren Titel Civil Disobedience bekannt wurde (dt. Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat). Die Schrift avancierte zur „Bibel“ der „Helden der Widersetzlichkeit“.[1] Sie diente unter anderem Mahatma Gandhi und Martin Luther King als Inspirationsquelle für den gewissensgeleiteten, gewaltfreien Widerstand gegen die Obrigkeit und wirkt bis in die Gegenwart als Standardwerk und Namensgeber des zivilen Ungehorsams weiter.
Ab 1849 verdiente Thoreau seinen Lebensunterhalt als Landvermesser, Gelegenheitsarbeiter und Vortragsreisender. Dabei wetterte er immer wieder gegen soziale Ungerechtigkeit und Sklaverei. 1857 lernte er den militanten Sklaverei-Gegner und Guerilla-Kämpfer John Brown kennen, der mit seinen Anhängern einen „Privatkrieg“ gegen die Sklaverei führte und zwei Jahre später gehängt wurde. Obwohl Henry David Thoreau weiter den gewaltlosen Widerstand favorisierte, zeigte er in Essays und einem Gedicht großen Respekt vor John Brown, den er gar mit Christus verglich.
Die letzten Jahre
Thoreau hatte sich 1835 mit Tuberkulose infiziert, die Krankheit trat aber nur sporadisch in Erscheinung. 1859 kam eine Bronchitis hinzu, nachdem Thoreau nachts bei stürmischem Regen unterwegs gewesen war. Danach verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends. In den letzten Jahren arbeitete er an noch unveröffentlichten Werken (vor allem The Maine Woods and Excursions). Er schrieb Briefe und Tagebucheinträge, bis er zu schwach dazu wurde. Seine Freunde staunten über die Gelassenheit, mit der Thoreau seinem Ende entgegensah. Er starb 1862 im Alter von 44 Jahren.
Rezeption
Zu seinen Lebzeiten hatten Thoreaus Schriften relativ wenig Einfluss auf das politische Geschehen in den USA. Inzwischen ist er allerdings zu einer Art US-amerikanischer Konsensfigur geworden, die zwar meist in linken Kreisen, aber durchaus auch von als eher konservativ geltenden Denkern gern zitiert wird.[2][3]
Thoreau fand durch seine Beiträge Beachtung im amerikanischen Anarchismus,[4] etwa bei Emma Goldman.[5]
Er gilt heute als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Als „sorgfältig feilender Stilist, als hervorragender Sprachkünstler“ hat er durch die für ihn charakteristische Essayform „auf Generationen amerikanischer Schriftsteller anregend gewirkt“.[6]
Siehe auch
- (44597) Thoreau, Asteroid des inneren Hauptgürtels
Werke (auf Deutsch)
- Die Welt und ich. Aus den Tagebüchern, Schriften und Briefen. Bertelsmann, Gütersloh 1951.
- Neuere Auswahl: Aus den Tagebüchern (1837–1861). Übersetzt von Susanne Schaup. Tewes, Oelde 1996, ISBN 3-9802257-1-2.
- Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat und andere Essays. Diogenes, Zürich 2010, ISBN 978-3-257-06460-5.
- Walden oder Leben in den Wäldern. Übersetzt von Emma Emmerich und Tatjana Fischer. Diogenes, Zürich 1971, ISBN 3-257-20019-6.
- Auch als: Walden oder Hüttenleben im Walde. Übersetzt von Fritz Güttinger. Manesse, Zürich 1972, ISBN 3-7175-1440-7.
- Auch als: Walden. Ein Leben mit der Natur. Übersetzt von Erika Ziha. Dtv, München 1999, ISBN 3-423-12684-1.
- Leben aus den Wurzeln. Herder, Freiburg im Breisgau 1978, ISBN 3-451-07655-1.
- Vom Wandern. Übersetzt von Heiner Feldhoff. Verlag der Manufactur, Horn am Externsteine 1983, ISBN 3-88080-023-5.
- Vom Wandern. Übersetzt von Ulrich Bossier. Reclam, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-15-019074-6.
- Auch als: Vom Spazieren. Ein Essay. Übersetzt von Dirk van Gunsteren. Diogenes, Zürich 2004, ISBN 3-257-23463-5.
- Denken mit Henry David Thoreau. Diogenes, Zürich 2008, ISBN 978-3-257-23739-9.
- Die Wildnis von Maine. Eine Sommerreise. Jung und Jung, Salzburg und Wien 2012, ISBN 978-3-902497-98-7.
- Wilde Früchte. Manesse, München 2012, ISBN 978-3-7175-6006-7.
- Bradley P. Dean (Hrsg.); Briefe an einen spirituellen Sucher. Turia + Kant, Wien/ Berlin 2012, ISBN 978-3-85132-680-2.
- Wildäpfel. Übersetzt von Susanne Schaup. Verlagsbuchhandlung S. Göbel 2012, ISBN 978-3-940203-06-9.
- Herbstfarben • Ein Winterspaziergang. Übersetzt von Susanne Schaup. Verlagsbuchhandlung S. Göbel 2016, ISBN 978-3-940203-09-0.
- Ich befuhr einen Fluss bei günstigen Winden. Eine Bootfahrt auf dem Concord und Merrimack. Aus dem Amerikan. übertr., mit einer Einf. und einem Anh. von Susanne Schaup. Der andere Trommler, Berlin 2013, ISBN 978-3-944292-00-7.
- Kap Cod. Mit einem Essay von Ilija Trojanow. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Klaus Bonn. Residenz Verlag, St. Pölten/ Salzburg/ Wien 2014, ISBN 978-3-7017-1615-9.
- Lob der Wildnis. Übersetzt von Esther Kinsky, Matthes & Seitz, Berlin 2014, ISBN 978-3-88221-076-7.
- Tagebuch I. Übersetzt von Rainer G. Schmidt, Matthes & Seitz, Berlin 2016, ISBN 978-3-95757-147-2.
Literatur
- Helmut Klumpjan: Die Politik der Provokation. Henry David Thoreau: Literat – Gesellschaftskritiker – Nonkonformist. Lang, Frankfurt 1984, ISBN 3-8204-8066-8.
- Hans Dieter und Helmut Klumpjan: Henry David Thoreau. Rowohlt (rm 356), Reinbek 1986; 3. A. 2000, ISBN 3-499-50356-5.
- Heiner Feldhoff: Vom Glück des Ungehorsams. Die Lebensgeschichte des Henry David Thoreau. Beltz & Gelberg, Weinheim 1989, ISBN 3-407-80683-3.
- Dieter Schulz: Amerikanischer Transzendentalismus. Ralph Waldo Emerson, Henry David Thoreau, Margaret Fuller. Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG, Darmstadt 1997, ISBN 3-534-09407-7.
- Andreas Streim: Civil Disobedience. Henry David Thoreau und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung. Grin, München 2007, ISBN 978-3-638-64011-4.
- Gerhard Casper: Henry Thoreau und Civil Disobedience. In: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat. Wallstein, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0299-0.
- Jack Turner: A Political Companion to Henry David Thoreau. Lexington, Ky. : Univ. Press of Kentucky, 2009, ISBN 978-0-8131-2478-0.
- Mark Van Doren: Henry David Thoreau: A Critical Study. Houghton Mifflin, New York und Boston 1916
- Walter Fischer: Henry David Thoreau (1817–1862), der Dichter des Walden-Sees (1854). In: Franz H. Link (Hrsg.): Amerika. Vision und Wirklichkeit, Beiträge deutscher Forschung zur amerikanischen Literaturgeschichte. Athenäum, Frankfurt 1968, S. 97–113.
- Alain Refalo: Henri David Thoreau, précurseur de la désobéissance civile. Reihe: Culture de non-violence, n° 3, Centre de ressources sur la non-violence du Midi-Pyrénées, Colomiers 2006
- Ralph Waldo Emerson: Thoreau (1862). In: Drei Ansprachen. Über Bildung, Religion und Henry David Thoreau, mit einer Einleitung von Dieter Schulz, Derk Janßen Verlag, Freiburg 2007, ISBN 978-3-938871-01-0
Weblinks
- Literatur von und über Henry David Thoreau im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Henry David Thoreau in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Werke von Henry Thoreau im Projekt Gutenberg-DE
- Rick Anthony Furtak: Henry David Thoreau. In: Edward N. Zalta u. a. (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy. (Winter 2009 Edition)
- Kurzbiografie
- Leben und Werk, deutschsprachige Auszüge seiner Tagebücher
- Englischsprachige Bibliografie und Texte
- Uwe Ebbinghaus: Selbstversorgung: Feng Shui gegen das Gerümpel des Kapitalismus. In: FAZ.
- Henry David Thoreau: "Ziviler Ungehorsam" - Gedanken gegen Krieg und Sklaverei. Online-Ausstellung (2009)
Einzelnachweise
- ↑ Andreas Dorschel: Ein Staat, der solche Früchte trüge. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 19 (25. Januar 2005), S. 16.
- ↑ http://www.deutschlandfunk.de/henry-david-thoreaus-walden-plaedoyer-fuer-den-teilzeit.700.de.html?dram:article_id=319434
- ↑ Analysis and Notes on Walden: Henry Thoreau's Text with Adjacent Thoreauvian Commentary by Ken Kifer, 2002
- ↑ Siehe z. B. George Woodcock: Anarchism: A History of Libertarian Ideas and Movements.
- ↑ Emma Goldman: Anarchism and Other Essays. S. 62 bezeichnet ihn als „the greatest American anarchist“.[1]. Siehe auch [2]
- ↑ Walter Fischer: Henry David Thoreau (1817–1862), der Dichter des Walden-Sees (1854). In: Franz H. Link (Hrsg.): Amerika · Vision und Wirklichkeit, Beiträge deutscher Forschung zur amerikanischen Literaturgeschichte. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1968, S. 111.
Personendaten | |
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NAME | Thoreau, Henry David |
KURZBESCHREIBUNG | amerikanischer Schriftsteller und Philosoph |
GEBURTSDATUM | 12. Juli 1817 |
GEBURTSORT | Concord |
STERBEDATUM | 6. Mai 1862 |
STERBEORT | Concord |
- Abolitionist
- Autor
- Reformpädagoge
- Person des Anarchismus
- Literatur (19. Jahrhundert)
- Literatur (Englisch)
- Literatur (Vereinigte Staaten)
- Essay
- Tagebuch
- Autobiografie
- Sachliteratur
- Absolvent der Harvard University
- Namensgeber für einen Asteroiden
- Person (Unitarismus)
- US-Amerikaner
- Geboren 1817
- Gestorben 1862
- Mann
- Henry David Thoreau