Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern
Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) ist mit rund 9500[1] Mitgliedern die zweitgrößte jüdische Gemeinde Deutschlands. Sie bildet wie die Gemeinden von Köln, Frankfurt, Hamburg und Berlin einen eigenständigen Landesverband innerhalb des Zentralrats der Juden in Deutschland und ist einer der beiden Landesverbände in Bayern.
Das Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist das Jüdische Zentrum München in der Münchner Altstadt.
Heute verfügt die Israelitische Kultusgemeinde über die Infrastruktur, die für den Erhalt der jüdischen Tradition und die Ausübung der Religion für die Münchner Juden wichtig sind. Dazu gehören in der Stadt drei Synagogen, eine koschere Metzgerei, ein koscheres Restaurant, zwei Mikwaot (rituelle Tauchbäder), ein Seniorenheim, ein Kindergarten, eine Grundschule mit Hort, ein Jugend- und Kulturzentrum mit jüdischer Volkshochschule und Bibliothek sowie eine Sozialabteilung, eine Integrationsabteilung für Neuzuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und zwei Friedhöfe – den alten israelitischen und neuen israelitischen Friedhof.
Als Einheitsgemeinde umfasst die Israelitische Kultusgemeinde jüdische Mitglieder aller religiöser Ausrichtungen und wird gemäß dem jüdischen Religionsgesetz, den Regeln der Halacha, geführt.
Organe
Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern K.d.ö.R. (IKG) wird auf vier Jahre gewählt und besteht aus 15 Personen, aus deren Mitte ein Präsident und zwei Vizepräsidenten gewählt werden. Der Präsident führt die Geschäfte und vertritt die Gemeinde nach außen. Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten und den beiden Vizepräsidenten. Es hat die Beschlüsse des Vorstandes zu verwirklichen.
Vorstand Präsidium
Bei den Wahlen am 7. und 10 Juli 2016 wurden folgende Personen in den Vorstand gewählt:[2]
- Charlotte Knobloch
- Marian Offman
- Peter Guttmann
- Talia Presser
- Jehoshua Chmiel
- Judith Epstein
- Vera Szackamer
- Moris Lehner
- Peter Snopkowski
- Ariel Kligman
- Markus D. Baur
- Eugen Alter
- Anita Kaminski
- Abi Pitum
- Daniel Salzer
Präsidium
Bei seiner konstituierenden Sitzung am Abend des 11. Juli 2016 haben die Mitglieder des Vorstands aus ihrer Mitte das Präsidium gewählt. Es setzt sich künftig wie folgt zusammen:
- Präsidentin: Charlotte Knobloch
- Vizepräsidenten: Jehoshua Chmiel und Ariel Kligman
Rabbinat
Amtierender Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman
Rabbiner Yehuda Aharon Horovitz (MA)
Rabbiner Avigdor Bergauz, Assistenzrabbiner
Geschichte der IKG München und der jüdischen Gemeinden in Oberbayern
Geschichte jüdischen Lebens in München
Trotz unklarer Quellenlage sind sich Historiker einig, dass sich Juden schon kurz nach der Stadtgründung Münchens im Jahre 1158 ansiedelten. 1229 erfolgt die erste namentliche Erwähnung eines Münchner Juden: „Abraham der Municher“. 1381 wird erstmals eine Synagoge in München erwähnt. Im Mittelalter wechselten sich Pogrome gegen Juden mit Wachstumsphasen der jüdischen Gemeinde ab. 1442 wurden alle Juden aus München und Oberbayern vertrieben.
Erst im 18. Jahrhundert siedelten sich wieder Juden in München an. Maximilian I. Joseph sorgte erstmals für die Rechtssicherheit von Juden, so dass für die jüdische Gemeinschaft in Bayern ein geregeltes Leben auf der Basis von bestimmten Vorschriften möglich war. 1815 wurde die „Israelitische Kultusgemeinde München“ gegründet, 1816 ein jüdischer Friedhof angelegt. 1824 wurde der Bau der Synagoge an der Westenriederstraße am damaligen Stadtrand begonnen. König Ludwig II. sorgte 1882 dafür, dass gegenüber der Maxburg ein Grundstück für den Neubau einer Hauptsynagoge zur Verfügung gestellt wurde. Fünf Jahre später konnte dann die neue Synagoge mit vielen offiziellen Gästen feierlich eingeweiht werden.
Von 1920 an war der Richter Alfred Neumeyer Vorsitzender der jüdischen Gemeinde. Ab Januar 1933 begannen staatlich verordnete, massive Repressionen durch die Nationalsozialisten, die 1935 zu den Nürnberger Rassegesetzen führten und an deren Ende die systematische Vernichtung der europäischen Juden stand. München wurde zur „Hauptstadt der Bewegung“ proklamiert. Hatte die jüdische Gemeinde in München 1936 noch 9000 Mitglieder, hatte sich diese Zahl schon zwei Jahre später halbiert. Am 7. Juni 1938 gab Adolf Hitler persönlich den Befehl, unverzüglich die Münchner Hauptsynagoge abzureißen. Am 9. November 1938 nahm die Reichspogromnacht mit einer Hetzrede von Joseph Goebbels ihren Anfang im Alten Rathaus in München. In der Herzog-Rudolf-Straße brannte die Synagoge „Ohel Jakob“ aus, und die Synagoge an der Reichenbachstraße blieb nur wegen der dichten Bebauung im Gärtnerplatzviertel verschont. Die nicht emigrierten Münchener Juden wurden 1941 deportiert oder sie verübten, um dem zu entgehen, Suizid wie der Privatrechtler Karl Neumeyer und seine Frau am 17. Juli 1941.[3]
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte wieder jüdisches Leben in München ein, das zur Auffangstation für „Displaced Persons“ und damit für viele Juden und Verfolgte des Nationalsozialismus wurde. Am 15. Juli 1945 wurde die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) neu gegründet, und am 20. Mai 1947 konnte die wiederhergestellte Synagoge in der Reichenbachstraße 27 am 20. eingeweiht werden.
Am 13. Februar 1970 wurde ein Brandanschlag auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München verübt, bei dem sieben Bewohner umkamen.
Im November 2006 wurde die neue Hauptsynagoge am Jakobsplatz geweiht. In dem parallel errichteten Gemeindehaus im Jüdischen Zentrum konnte die IKG im März 2007 alle ihre Einrichtungen (Kulturzentrum, Sozialabteilung, Jugendzentrum etc.), die vorher über die gesamte Stadt verteilt waren, zusammenführen. Darüber hinaus entstand hier das Jüdische Museum München in städtischer Trägerschaft.
Geschichtsdaten jüdischer Gemeinden in Oberbayern
Jüdische Gemeinden in Oberbayern gab es außer in München auch in Altötting, Bad Tölz, Dachau, Eichstätt, Erding, Freising, Garmisch, Ingolstadt, Landsberg am Lech, Neuburg, Pfaffenhofen, Rosenheim, Starnberg, Traunstein und Weilheim [4].
Jüdische Gemeinden in Oberbayern |
Zeit | Anmerkung |
---|---|---|
Jüdische Kultusgemeinde Beilngries |
1634–1648 | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Eichstätt |
Jüdische Kultusgemeinde Burghausen |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Altötting |
Jüdische Kultusgemeinde Diessen /Ammersee |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Landsberg am Lech |
Jüdische Kultusgemeinde Dorfen |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Erding |
"Israelitische Betgesellschaft" Eichstätt |
Seit dem Mittelalter bis 1945 | Eigenständige Jüdische Gemeinde Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Erding |
Seit dem Mittelalter bis 1945 | Eigenständige Jüdische Gemeinde Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Feldafing |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Starnberg Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Föhrenwald |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Starnberg Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Gauting |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Starnberg Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Geisenfeld |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Pfaffenhofen Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Geretsried |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde von Bad Tölz Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Greifenberg |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Landsberg am Lech Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Ingolstadt |
Seit dem Mittelalter bis 1945 | Eigenständige Jüdische Gemeinde Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Königsdorf |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Bad Tölz Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Kraiburg am Inn |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Mühldorf Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Landsberg / Lech |
Seit dem Mittelalter bis 1945 | Eigenständige Jüdische Gemeinde Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Mittenwald |
Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Garmisch Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Jüdische Kultusgemeinde Mörnsheim |
Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Eichstätt. |
Jüdische Kultusgemeinde Neumarkt - Sankt Veit |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Mühldorf . |
Jüdische Kultusgemeinde Neuötting |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Altötting . |
Jüdische Kultusgemeinde Pfaffenhofen a.d. Ilm |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Ingolstadt . |
Jüdische Kultusgemeinde Rennertshofen |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Neuburg . |
Jüdische Kultusgemeinde St. Ottilien |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Landsberg am Lech . |
Jüdische Kultusgemeinde Vohburg a.d. Donau |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Pfaffenhofen . |
Jüdische Kultusgemeinde Wasserburg - Atteln |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Rosenheim . |
Jüdische Kultusgemeinde Wasserburg - Gabersee |
Mittelalter | Im 19./20. Jahrhundert: gehörte zur Jüdischen Gemeinde Rosenheim . |
Jüdische Kultusgemeinde Weilheim |
Seit dem Mittelalter bis 1945 | Eigenständige Jüdische Gemeinde Von 1945 bis 1948/50: Jüdische Gemeinde von Displaced Persons, d. h. Überlebende der Shoa und der KZ-Lager und jüdische Flüchtlinge. |
Siehe auch
Literatur
- Hans Lamm (Hrsg.): Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Ner-Tamid-Verl., München 1958.
Weblinks
- Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern
- Literaturempfehlungen des Zentralrats der Juden zu Jüdischer Geschichte
- Geschichte der Juden in München auf der Website des Jüdischen Zentrums Jakobsplatz
Einzelnachweise
- ↑ http://www.ikg-m.de/gemeinde/
- ↑ http://www.ikg-m.de/gemeinde/organe/
- ↑ Heinrich von Bonhorst: Karl Neumeyer, in: Manfred Treml, Wolf Weigand (Hrsg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Lebensläufe. München : Saur, 1988, S. 257–261
- ↑ [1]
Koordinaten: 48° 8′ 4,2″ N, 11° 34′ 20,3″ O