John Money

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John William Money (* 8. Juli 1921 in Morrinsville, Neuseeland; † 7. Juli 2006 in Towson, Maryland, USA) war ein klinischer Psychologe und Sexologe. Schwerpunkte seiner Arbeit waren Entwicklungssexologie, insbesondere die Entwicklung der Geschlechtsidentität, sexueller Orientierungen, Vorlieben und Paraphilien, sowie Intersexualität und Psychoendokrinologie. Seine Forschungstätigkeit beinhaltete langfristige Verlaufsstudien über Kinder und Jugendliche, die von unterschiedlichen endokrinen und intersexuellen Syndromen betroffen waren.[1] Money führte die Begriffe „Geschlechtsidentität“ (engl. gender identity) und „Geschlechterrolle“ (engl. gender role) ein.[2] Er wird zu den besonders einflussreichen US-amerikanischen Sexualwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts gezählt.[1]

Leben

Nach einem Doppelabschluss 1944 an der Victoria University of Wellington migrierte der gebürtige Neuseeländer Money 1947 in die Vereinigten Staaten und studierte Psychologie an der University of Pittsburgh. Er erwarb 1952 seinen Doktor der Psychologie an der Harvard-Universität. Money war Professor für medizinische Psychologie an der Johns-Hopkins-Universität von 1951 bis zu seinem Tod.

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, für die Money arbeitete, verlieh ihm 2002 die Magnus-Hirschfeld-Medaille – wie zuvor schon auch seinem Kritiker Milton Diamond.

Der Fall „John/Joan“

Money riet 1967 den Eltern des knapp zwei Jahre alten Jungen Bruce Reimer, ihren Sohn einer feminisierenden Operation zu unterziehen, nachdem dessen Penis bei einer medizinisch indizierten Zirkumzision versehentlich irreparabel verletzt worden war. Im Alter von 22 Monaten wurden daraufhin die noch vorhandenen Hoden entfernt (Orchiektomie) und aus der Haut des Hodensacks rudimentäre Schamlippen geformt. Darüber hinaus wurde das Kind etwa ab dem 12. Lebensjahr mit weiblichen Hormonen behandelt. Man sah dies als Gelegenheit, zu beobachten, ob das Kind sich anders entwickeln würde als sein Zwillingsbruder. „Brenda“, wie Bruce nun genannt wurde, nahm das ihm zugewiesene Geschlecht jedoch nicht an. Das Kind wollte keine Mädchenkleidung tragen und nicht mit Mädchenspielzeug spielen. Mit 14 Jahren erfuhr er, dass er als Junge auf die Welt gekommen war und ließ die „Geschlechtsumwandlung“ rückgängig machen. Fortan nannte er sich David.

Im Frühjahr 2004 beging Reimer Suizid. Zwei Jahre zuvor war sein Zwillingsbruder durch eine Medikamentenüberdosis gestorben.[3]

Der „John/Joan-Fall“ diente zunächst als Beleg für die soziale Wahlmöglichkeit von Geschlecht. So schrieb Alice Schwarzer 1975, dass „die Gebärfähigkeit auch der einzige Unterschied ist, der zwischen Mann und Frau bleibt. Alles andere ist künstlich aufgesetzt.“ Das Experiment von Money würdigt sie als eine der „wenigen Ausnahmen, die nicht manipulieren, sondern dem aufklärenden Auftrag der Forschung gerecht werden.“[4] Davids Mutter sagte im Gegensatz dazu, sie glaube, dass ihr Sohn noch am Leben wäre, wenn er nicht das Opfer jenes „katastrophalen Experiments“ geworden wäre, das bei ihm so viel Leid verursacht habe.

Bei der 2004 erschienenen Schrift Undoing Gender (deutsch Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen) stellt Judith Butler ihren Begriff der Performativität am Schicksal David Reimers dar.[5]

Sexuelle Erziehung von Kindern

Money vertrat die Ansicht, dass sexuelle Fehlorientierungen und Pathologien vor allem auf Fehlentwicklungen in der Kindheit zurückgehen. Insbesondere gingen Fälle von sexuellem Missbrauch vor allem von solchen Tätern aus, die in ihrer Jugend Opfer solcher Praktiken waren. Auch führe die öffentliche Doppelmoral und Zensur zu einer Förderung gerade solcher Handlungen, die sie vorgeblich verdamme. Als Gegenmittel gegen Fehlentwicklungen empfahl er eine sexuelle Schulung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die seiner Ansicht nach auch spielerische Proben (rehearsal) und Pornographie durchaus mit einschließen sollte. Money wandte sich öffentlich häufig und vehement gegen die Verdrängung und Dämonisierung kindlicher und jugendlicher Sexualität. Er vertrat dabei die Tendenz, alle sexuellen Beziehungen, insbesondere auch solche zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, als besondere Fälle von „Paarbindungen“ aufzufassen; er verurteilte „Tabus“ ebenso wie eine Viktimologie, die einen der Beteiligten allein zum Täter macht, den anderen allein als Opfer herausstellt. Seine Kritiker sehen darin eine Tendenz, Pädophilie zu rechtfertigen und zu entschuldigen. [6]

Einzelnachweise

  1. a b Gunter Schmidt: John Money (1921–2006) In: Volkmar Sigusch, Günter Grau (Hrsg.): Personenlexikon der Sexualforschung, Campus Verlag 2009, ISBN 978-3-593-39049-9, S. 521.
  2. Anke A. Ehrhardt: Preface In: Eli Coleman (Hrsg.): John Money: A Tribute, Psychology Press 1991; S. xiv. ISBN 9781560241904.
  3. Volker Zastrow: „Gender Mainstreaming“ Der kleine Unterschied. In: Frankfurter Allgemeine, 7. September 2006, Politik
  4. Alice Schwarzer: Der kleine Unterschied und seine großen Folgen: Frauen über sich; Beginn einer Befreiung. Originalausgabe, S. Fischer, Frankfurt 1975, ISBN 3-10-076301-7, S. 192f.
  5. Judith Butler: Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen. (am. Originaltitel: Undoing Gender, 2004) Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009. ISBN 978-3-518-58505-4.
  6. Terry Goldie: The Man Who Invented Gender: Engaging the Ideas of John Money. University of British Columbia Press, 2014. ISBN 978 0774827928. darin Kap. 7, S.151 ff.

Sekundärliteratur

Weblinks