Joseph von Hammer-Purgstall

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Joseph von Hammer-Purgstall, Lithographie von Joseph Kriehuber 1843

Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall (* 9. Juni 1774 in Graz, Steiermark; † 23. November 1856 in Wien) war ein österreichischer Diplomat und Orientalist. Er wurde bekannt als Übersetzer orientalischer Literatur und gilt als der Begründer der wissenschaftlichen Osmanistik und als österreichischer Pionier der Orientalistik.

Leben und Schaffen

Josef Hammer jr. wurde 1774 als Sohn des 1791 geadelten österreichischen Gubernialrates Josef (von) Hammer geboren. Bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die unteren Klassen des Grazer Gymnasiums und kam 1784 nach Wien, wo er die Schule am Barbarastift besuchte. Mit 15 Jahren trat er in die k.k. Akademie für Orientalische Sprachen in Wien ein, die vor allem Dolmetscher („Sprachjünglinge“) für den diplomatischen Dienst ausbildete. In dem fünfjährigen Lehrgang lernte er, unter anderem zusammen mit dem späteren österreichischen Außenminister Franz Maria von Thugut, Türkisch, Persisch und Arabisch, aber auch Italienisch, Französisch, Latein und Griechisch. Es zeigte sich seine Sprachbegabung, bereits 1790 dolmetschte er beim Besuch einer türkischen Delegation.

Er verblieb nach seinem Abschluss an der Akademie, wo seine wissenschaftliche Arbeit begann. Er übersetzte auszugsweise die Enzyklopädie des türkischen Wissenschaftlers Hajji Khalifa und arbeitete mit dem Historiker Johannes von Müller (1752–1809) und dem Orientalisten Bernhard Freiherr von Jenisch (1734–1807).

1799 kam er zum ersten Mal nach Istanbul. 1800 machte er als Dolmetscher und Sekretär des britischen Admirals Sir William Sidney Smith den Feldzug gegen die Franzosen in Ägypten auf der HMS Tigre mit und nahm auch am Entsatz von Akko teil. Er begleitete Sidney Smith nach London, wo er Englisch lernte und kehrte über Paris, wo er den Orientalisten Silvestre de Sacy traf, 1801 nach Österreich zurück.

1802 wurde er Legationssekretär in Istanbul, von wo er kleinere Reisen nach Griechenland und in die Türkei unternahm. In dieser Zeit schrieb er Reiseberichte, den Roman Antar und übersetzte Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“.

Der ständige Konflikt mit seinem Vorgesetzten führte 1806 zu seiner Versetzung ins Österreichische Generalkonsulat in Jassy (Fürstentum Moldau).

1807 erhielt er eine Stelle als Hofdolmetscher der Hofkanzlei in Wien und gab von 1809 bis 1818 die Zeitschrift Fundgruben des Orients heraus. 1817 wurde er zum Hofrat ernannt. Caroline von Henikstein (1797–1844), Tochter des Joseph von Henikstein, wurde seine Ehefrau. Sie hatten zwei Töchter: Isabella (1819–1872), die später den Industriellen und Erben von Ludwig Brevillier Heinrich Trenk von Tonder (1812–1887) heiratete, und Eveline (1824–1887), die den Industriellen Adolf Maximilian von Bernd (1819–1897) heiratete.

Schloss Hainfeld, Steiermark

Nachdem er nach dem Tod seines Freundes Graf Wenzel Johann Purgstall und dessen Sohnes von der aus Schottland stammenden Gräfin Jane Anne von Purgstall adoptiert wurde, die ihn auch als Erben von Schloss Hainfeld in der Steiermark einschließlich der dortigen Fideikommissherrschaft einsetzte, wurde er 1835 unter dem Namen von Hammer-Purgstall in den Freiherrnstand erhoben.

Da er bereits in Istanbul keine zeitraubende Aufgabe übertragen bekam, widmete er sich vorrangig der Literatur. Später in Wien geriet er in Konflikt zu Metternich, als er die von Schriftstellern verfasste „Denkschrift über die gegenwärtigen Zustände der Zensur in Österreich“ mit unterzeichnete. Schließlich arbeitete er nur noch zu Hause. Während der napoleonischen Besetzung war er für die Bibliotheken verantwortlich. Es gelang ihm, deren Plünderungen zu limitieren. Im Dezember 1809 konnte er in Paris sogar die Rückgabe einiger wertvoller Schriften aushandeln.

Originaldruck eines Vortrages von J.v.Hammer-Purgstall (Wien 1841)

In der europäischen Geistesgeschichte ist Joseph von Hammer-Purgstall vor allem als Übersetzer zu großem Ansehen gelangt. Er übersetzte aus dem Türkischen, Arabischen und Persischen zahlreiche Werke ins Deutsche – z.B. Diwan des Hafis (1812), ein Werk, das für Johann Wolfgang von Goethe die Anregung zu seinem West-östlichen Divan (1819) bildete. Er war auch als Übersetzer ins Persische tätig und veröffentlichte mit Marku Antōninu Aitokratoros Tōn eis heauton biblia 12 (1831) eine zweisprachige altgriechisch-persische Ausgabe der Selbstbetrachtungen des römischen Kaisers Marc Aurel, die sich an den persischen Herrscher Fath Ali Schah richtete.[1]

1847 schließlich kam die Österreichische Akademie der Wissenschaften zustande, um deren Gründung sich Hammer-Purgstall seit 1810 bemüht hatte. Von 1848 bis 1849 war er deren erster Präsident.

Er wurde auf dem Friedhof in Klosterneuburg-Weidling begraben.

Wirkung

1958 gründete A. Weikert die nach ihm benannte „Hammer-Purgstall-Gesellschaft“ (kurz HPG), die kulturelle Kontakte zum Vorderen Orient pflegt und in Österreich lebende Studenten aus dem islamischen Raum betreut.

Zum 125. Todestag widmete ihm die österreichische Post eine Sondermarke.

2007 wurde Hammer-Purgstalls Übersetzung des Diwan des Hafis erstmals nach 200 Jahren wieder auf Deutsch publiziert.[2]

Das 2008 ausgetragene steirische Kulturfestival regionale08, unter dem Titel „DIWAN – Grenzen und Kongruenzen“, hatte Hammer-Purgstall als Hauptbezugspunkt und dessen Wirkungsort Schloss Hainfeld als zentralen Austragungsort für Veranstaltungen.

Werke

  • Diwan des Hafis aus dem Persischen, Stuttgart und Tübingen, 1812-13, 2 Bände.
  • Rosenöl. Erstes und zweytes Fläschchen, oder Sagen und Kunden des Morgenlandes aus arabischen, persischen und türkischen Quellen gesammelt. Stuttgart : Cotta, 1813, 2 Bände
  • Des osmanischen Reichs Staatsverfassung und Staatsverwaltung; Wien 1815, 2 Bände
  • Geschichte der schönen Redekünste Persiens, Wien 1818
  • Die Geschichte der Assassinen aus morgenländischen Quellen, Stuttgart und Tübingen 1818
  • Märchen der 1001 Nacht aus dem Arabischen, Stuttgart und Tübingen, 1823-24, 3 Bände
  • Gedichte des Baki aus dem Türkischen, Wien 1825
  • Geschichte des osmanischen Reiches, Pest 1827-33, 10 Bände (online)
  • Über die innere Länderverwaltung unter dem Chalifate (1835)
  • Gemäldesaal der Lebensbeschreibungen großer moslimischer Herrscher, 1837.39,6 Bände.
  • Geschichte der goldenen Horde in Kiptschak, Pest 1840
  • Leben des Kardinals Khlesl, Wien 1847-51, 4 Bände
  • Die Gallerinn auf der Rieggersburg (1849), 3 Bände
  • Literaturgeschichte der Araber. Von ihrem Beginne bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts der Hidschret (1850–1856)
  • Das Kamel (1854)
  • Porträtgalerie des steiermärkischen Adels, Wien 1855
  • Geschichte der Chane der Krim unter osmanischer Herrschaft (1856)
  • Erinnerungen und Briefe (Digitalisat der Ausgabe 2011: Bd. 1, Bd. 2, Bd.3)

Ehrungen und Auszeichnungen

Hammer-Purgstall-Büste in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

In Summe wurde er mit 15 Orden der Länder Österreich, Bayern, Dänemark, Frankreich, Hannover, Preußen, Russland, Sardinien, Schweden und der Türkei ausgezeichnet,u.a.:[3]

Er ist Ehrendoktor der Universitäten Graz und Prag.[3]

Im Jahr 1894 wurde in Wien Leopoldstadt (2. Bezirk) die Hammer-Purgstall-Gasse nach ihm benannt.

Literatur

Weblinks

Commons: Joseph von Hammer-Purgstall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Joseph von Hammer-Purgstall – Quellen und Volltexte

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jeffrey Einboden (2010): "Stoicism or Sufism? Hammer-Purgstall's Persian Meditations", in: Middle Eastern Literatures, Volume 13, Issue 1, pages 49-68, doi:10.1080/14752620903566137
  2. Hafis: Der Diwan. Aus dem Persischen von Joseph von Hammer-Purgstall. München: Süddeutsche Zeitung (Schriftenreihe Bibliotheca Anna Amalia), ISBN 3866154151
  3. a b c Constantin von Wurzbach: Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Band 7 (1861). Verlag L. C. Zamarski, Wien 1856–1891, S. 267ff.
  4. Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste (Hrsg.): Die Mitglieder des Ordens. Band 1: 1842-1881. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1975, ISBN 3-7861-6189-5 (orden-pourlemerite.de [PDF; abgerufen am 18. September 2011]).
  5. Hans Körner "Der Bayerische Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst und seine Mitglieder" in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, Bd. 47 (1984), S. 299-398. Online unter: http://periodika.digitale-sammlungen.de/zblg/kapitel/zblg47_kap28