Küstenstraßen-Anschlag
Als Küstenstraßen-Anschlag (hebräisch פִּגּוּעַ כְּבִישׁ הַחוֹף Piggūʿa Kvīsch haChōf, deutsch ‚Anschlag der Fernstraße der Küste‘, englisch Coastal Road Massacre[1]) wird ein Terroranschlag der palästinensischen Fatah vom 11. März 1978 bezeichnet, bei dem 37 Zivilisten, darunter 10 Kinder, getötet und weitere 76 Zivilisten verletzt wurden. Es war bis dahin das schwerste terroristische Attentat in der Geschichte Israels[2] und blieb es bis zum Massaker beim Festival Supernova Sukkot Gathering am 7. Oktober 2023. Nach einer Reihe von Anschlägen war der Küstenstraßen-Anschlag der unmittelbare Anlass für die Operation Litani im Libanon.
Hergang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 11. März 1978, einem Sabbat, drangen elf Terroristen der palästinensischen Fatah unter der Führung der neunzehnjährigen Dalal al-Mughrabi vom südlichen Libanon aus mit Booten nach Israel ein.[2] Sie landeten am Strand des Naturreservats Tanninim am Südrand Maʿagan Michaʾels. Zuerst ermordeten sie die US-amerikanische Touristin Gail Rubin, eine Nichte des US-amerikanischen Senators Abraham A. Ribicoff, am Strand, die dort Landschaftsaufnahmen machte. Sie stoppten ein Taxi und brachten dessen Insassen um,[2] schossen und warfen Granaten auf Autofahrer auf dem vierspurigen Kvisch haChof (כְּבִישׁ הַחוֹף, klassifiziert als Haupt-Landesstraße 2, כְּבִישׁ אַרְצִי רָאשִׁי 2 Kvīsch Arzī Roschī ). Dann überfielen sie auf der Küstenstraße einen Bus mit Egged-Mitarbeitern auf der Rückfahrt von einem Betriebsausflug in Richtung Haifa und enterten noch einen zweiten auf dem Weg nach Tel Aviv.[3] Nach einer Verfolgungsjagd über 53 Kilometer südwärts auf dem Kvisch wurde der zweite Bus an einer Straßensperre der israelischen Verkehrspolizei nahe der westlichen Zufahrt zum Verkehrsknoten Mechlaf Glilot (hebräisch מֶחְלַף גְּלִילוֹת) im südlichen Herzlia gestoppt.
Es kam zu einem Schusswechsel und dramatischen Szenen. Der Bus geriet in Brand. Sechs Terroristen und ein israelischer Polizist wurden getötet, 20 Businsassen verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Eine inzwischen alarmierte israelische Militäreinheit, der auch Ehud Barak[4] angehörte, kam erst spät zum Ort des Geschehens; Ehud Barak wurde dabei gefilmt, wie er Schüsse auf al-Mughrabi abgab und ihre Leiche über die Straße zog.[4] Zwei bewaffneten israelischen Soldaten, die zufällig in der Nähe waren (Schaʾul Weizman, Sohn des damaligen Verteidigungsministers Ezer Weizman, und einem befreundeten Armeeoberst[2]), gelang es zwei Terroristen festzunehmen. Die Polizei verhängte eine Ausgangssperre über den Nordteil Tel Avivs und den Süden der Ebene Scharon und versuchte drei flüchtige Terroristen aufzuspüren.[2]
Später wurde intensiv debattiert, wieso es nicht gelungen war, rechtzeitig Antiterroreinheiten der Polizei oder des Militärs an den Ort des Geschehens zu bringen. Die etwa 30 anwesenden Polizisten waren unzureichend bewaffnet und mit der Situation völlig überfordert.[2][5][6][7]
Beitrag zum Libanonkrieg 1982
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dem Blutbad waren einige ähnliche Terroranschläge von PLO-Terroristen vorausgegangen, so der Avivim-Schulbus-Anschlag und das Maʿalot-Massaker. Als direkte Reaktion auf den Anschlag beschloss die israelische Regierung, der Bedrohung durch die PLO aus dem Libanon militärisch ein Ende zu bereiten. Der Küstenstraßen-Anschlag wurde so zum Auslöser für die Operation Litani, die in den ersten Libanonkrieg mündete.[3]
Attentäter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von den elf Attentätern wurden neun erschossen. Die beiden überlebenden Terroristen, Khaled Abu Asba und Hussein Fayyad, wurden verhaftet. Beide Männer kamen nach sieben Jahren im Gefängnis im Rahmen eines Gefangenenaustausches (englisch Jibril Agreement) 1985 frei.
Heroisierung der Tat auf arabischer Seite
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Rahmen einer Freilassung einiger israelischer Gefangener im Jahr 2008 und der Rückführung der Gebeine von Ehud Goldwasser und Eldad Regev nach Israel wurden auch die sterblichen Überreste Mughrabis und weiterer PLO-Kämpfer in den Libanon überführt.[4] Die Überführung der toten Terroristen wurde im Libanon wie auch von Seiten der Hisbollah triumphal gefeiert.[4]
Bereits im März 2002 hatte die proisraelische 'Palestinian Media Watch' festgestellt und kritisiert, dass die Palästinensische Autonomiebehörde Mughrabi als Rollenvorbild[8] bei Schulungen und Erziehungsmaßnahmen benutzt und etwa in Hebron eine Mädchenschule nach Dalal Mughrabi benannt[9] hatte. Belgien, das die Schule finanzierte, kürzte daraufhin seine finanzielle Unterstützung für das Bildungssystem der Palästinensischen Autonomiebehörde.[10] Im September 2018 wurde die Hilfe für Schulen komplett eingestellt.[11][12]
Auch waren in den palästinensischen Autonomiegebieten Ausbildungsprogramme für Sicherheitsbehörden wie auch Sommerlager im Namen der Anführerin des Küstenstraßen-Massakers veranstaltet worden.[13]
Dem Middle East Media Research Institute (MEMRI) zufolge hatte im Juli 2008 der Fernsehsender Al-Jazeera Mughrabi eine Sendung gewidmet und ihre Beteiligung am Küstenstraßen-Anschlag als „Geschlechtergrenzen überschreitendes Heldentum“ gefeiert („Heroism transcends the gender divide“).[14]
Todesopfer und Erinnerung in Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die ausgebrannten Überreste des Busses sind im Egged-Museum in Cholon zu finden. Zudem schuf der Bildhauer Jitzchaq Schmuʾeli (יִצְחָק שְׁמוּאֵלִי, 1941–1994) ein Denkmal, das 1982 am Ort des Busmassakers am Kvisch bei Einmündung in den Verkehrsknoten Mechlaf Glilot im südlichen Herzliah errichtet wurde. Auf Namenstafeln werden die Opfer genannt:[15]
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Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Presseerklärung der Israelischen Regierung
- Liste der Terroranschläge auf israelische Bürger und Einrichtungen des israelischen Außenministeriums (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Thorsten G. Schneiders: Heute sprenge ich mich in die Luft. Suizidanschläge im israelisch-palästinensischen Konflikt. Ein wissenschaftlicher Beitrag zur Frage des Warum ( Veröffentlichungen des Centrums für religionsbezogene Studien Münster. Band 6). Lit-Verlag, Münster 2006, ISBN 3-8258-8763-4, S. 58 (online)
- ↑ a b c d e f [1] "A Sabbath of Terror" (Ein Schabbat des Terrors), Time magazine, 20. März 1978
- ↑ a b [2] (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven) “Body of female fighter returned” (Leiche weiblicher Kämpferin zurückgeführt). Von Tom Perry. In National Post, 17. Juli 2008
- ↑ a b c d [3] Robert Fisk: 'Theatrical return for the living and the dead' (Theatralische Aufführung für die Lebenden und die Toten) - Robert Fisk, Commentators - The Independent
- ↑ Getty Images: "Polizist" Ehud Barak am 11. März 1978 bei der Arbeit ( vom 18. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ Haʾaretz am 5. August 2009: Coastal Road terrorist refuses to apologize, says peace 'important'
- ↑ www.guardian.co.uk 16. Juli 2008: Israel-Hizbullah prisoner exchange: profiles
- ↑ Special report # 39: Palestinian Culture and Society (Study #6 -Mar. 12,2002) "Encouraging Women Terrorists" by Itamar Marcus Archivierte Kopie ( vom 21. Dezember 2008 im Internet Archive)
- ↑ US Funds Will Renovate School Named After Palestinian Terrorist (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven) CNS News am 7. August 2002, von Julie Stahl
- ↑ Belgien kürzt Gelder für Palästinenser, Israelnetz, abgerufen am 26. Oktober 2017
- ↑ Belgium ends support to Palestinian schools, Ma'an News am 16. September 2018
- ↑ „Belgien stellt Unterstützung für palästinensische Schulen ein“ In: Israelnetz.de, 17. September 2018, abgerufen am 22. September 2018.
- ↑ PMW: Palestinian terrorists are the Palestinian heroes 15. August 2002 Palestinian Media Watch Special Report 15. August, 2002
- ↑ [4] "In an Al-Jazeera TV Program on Palestinian Terrorist Dalal Al-Mughrabi, Al-Mughrabi's Sister Salutes Jerusalem Bulldozer Terrorist" MEMRI
- ↑ Homepage der israelischen Nationalen Versicherungsanstalt Bittuach Leʾummi
- ↑ רויטל טלי אהרונוביץ ז"ל ( vom 21. Juli 2011 im Internet Archive)
- ↑ ארז אלפנד ז"ל ( vom 21. Juli 2011 im Internet Archive)
- ↑ יצחק אלפנד ז"ל ( vom 21. Juli 2011 im Internet Archive)
- ↑ חביב אנקווה ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive) NII
- ↑ גלית אנקווה ז"ל ( vom 21. Juli 2011 im Internet Archive)
- ↑ יצחק איציק אנקווה ז"ל ( vom 21. Juli 2011 im Internet Archive)
- ↑ מטילדה מטי אשכנזי דניאל ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ יהודה בסטרמן ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ דב בושקניץ ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ רינה בושקניץ ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ יוסף חלואני ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ אמנון דרורי ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ נעמי אליחי ז"ל ( vom 21. Juli 2011 im Internet Archive)
- ↑ צבי צביקה עֶשֶׁת ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ ליאת גלאון ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ שמעון גלוטמן ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ נעמה הדני ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ אילן הוכמן ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ רבקה הוכמן ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ רועי הוכמן ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ מלכה טוני ליבוביץ וייס ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ אברהם לוזיה ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ ציונה לוזיה כהן ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ אוטרי מנשרוב ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ יואב יואבי משקל ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ טוביה רוזנר ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ 'Gail Rubin,' Jewish Women's Encyclopedia
- ↑ גייל רובין ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ מרדכי מוטי זית ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ מאיר סגל ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ יוסף סוסינסקי ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ קטיה רינה סוסינסקי ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ אמרי תל-אורן ז"ל ( vom 3. März 2012 im Internet Archive)
Koordinaten: 32° 8′ 52,4″ N, 34° 48′ 11,5″ O