Kinetische Energie

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Die kinetische Energie (von griechisch kinesis = Bewegung) oder auch Bewegungsenergie oder selten Geschwindigkeitsenergie ist die Energie, die ein Objekt aufgrund seiner Bewegung enthält. Sie entspricht der Arbeit, die aufgewendet werden muss, um das Objekt aus der Ruhe in die momentane Bewegung zu versetzen. Sie hängt von der Masse und der Geschwindigkeit des bewegten Körpers ab.

Als Formelzeichen für die kinetische Energie wird häufig oder verwendet.

Die SI-Maßeinheit der kinetischen Energie ist das Joule.

Das Konzept der kinetischen Energie als einer Größe, die bei elastischen Stößen und vielen anderen mechanischen Vorgängen erhalten bleibt, wurde als vis viva („Lebendige Kraft“) von Gottfried Wilhelm Leibniz eingeführt, der darin in Streit mit den Anhängern von René Descartes die korrekte Erhaltungsgröße in der Mechanik sah (1686). Diese Größe war allerdings um den Faktor 2 größer als die heute gültige kinetische Energie. Der findet sich schon 1726 bei Daniel Bernoulli[1], das eigentliche Energiekonzept bildete sich aber erst im 19. Jahrhundert heraus (insbesondere in der Schule angewandter Mathematiker in Frankreich) und mit dem Aufkommen der Thermodynamik um die Mitte des 19. Jahrhunderts und spielte in der Mechanik des 18. Jahrhunderts, deren Hauptuntersuchungsgegenstand die Himmelsmechanik war, noch keine große Rolle[2].

Kinetische Energie in der klassischen Mechanik

Massenpunkt

In der klassischen Mechanik ist die kinetische Energie E eines Massenpunktes abhängig von seiner Masse und seiner Geschwindigkeit . Es gilt:

Fährt beispielsweise ein Auto der Masse mit einer Geschwindigkeit von , hat es demzufolge eine kinetische Energie von .

Wenn man den Bewegungszustand des Körpers nicht durch seine Geschwindigkeit , sondern durch seinen Impuls beschreibt, wie das u. a. in der Hamiltonschen Mechanik üblich ist, so gilt für die kinetische Energie (wegen p = mv):

Einfache Herleitung

Wird ein Körper der Masse aus der Ruhe heraus auf die Geschwindigkeit beschleunigt, so muss man dafür die Beschleunigungsarbeit zufügen. Bei konstanter Kraft gilt:

Die Kraft erteilt dem Körper eine gleichmäßige Beschleunigung , nach der Grundgleichung der Mechanik ist . Nach einer Zeit ist die Geschwindigkeit und es wurde der Weg zurückgelegt. Alles oben eingesetzt ergibt die Beschleunigungsarbeit

.

Da die kinetische Energie in Ruhe den Wert Null hat, erreicht sie nach dem Beschleunigungsvorgang genau diesen Wert . Folglich gilt für einen Körper der Masse mit der Geschwindigkeit :

.

Spezielle Koordinatensysteme

In speziellen Koordinatensystemen hat dieser Ausdruck die Form:

Dabei bedeutet der Punkt über der Koordinate ihre zeitliche Änderung, die Ableitung nach der Zeit.

Starre Körper

Die kinetische Energie eines starren Körpers mit der Gesamtmasse und der Geschwindigkeit seines Schwerpunktes ist die Summe der Energie aus der Bewegung des Schwerpunkts (Translationsenergie) und der Rotationsenergie aus der Drehung um den Schwerpunkt:

Hier ist das Trägheitsmoment des Körpers bezüglich seines Schwerpunktes und die Winkelgeschwindigkeit der Drehung.

Mit dem Trägheitstensor wird dies allgemein geschrieben als

Hydrodynamik

In der Hydrodynamik wird oft statt der kinetischen Energie die kinetische Energiedichte angegeben. Diese wird meist durch ein kleines oder ausgedrückt:

Hierbei bezeichnet die Dichte.

Kinetische Energie in der relativistischen Mechanik

Relativistische und klassische kinetische Energie im Vergleich.

In der relativistischen Physik gilt die oben angegebene Abhängigkeit der kinetischen Energie von der Geschwindigkeit nur näherungsweise für Geschwindigkeiten deutlich kleiner als die Lichtgeschwindigkeit. Aus dem Ansatz, dass die kinetische Energie die Differenz aus Gesamtenergie und Ruheenergie ist, folgt:

Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit, m die Masse und γ der Lorentzfaktor

Aus der Taylor-Entwicklung nach erhält man

also für wieder die Newtonsche kinetische Energie.

Da die Energie über alle Grenzen wachsen müsste, wenn die Geschwindigkeit gegen die Lichtgeschwindigkeit geht, ist es nicht möglich, einen massebehafteten Körper auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen.

Das Diagramm rechts zeigt für einen Körper mit der Masse von die relativistische und die Newtonsche kinetische Energie als Funktion der Geschwindigkeit (gemessen in Vielfachen der Lichtgeschwindigkeit).

Da die Geschwindigkeit eines bewegten Körpers vom Bezugssystem abhängt, gilt dies auch für dessen kinetische Energie. Das gilt in Newtonscher und in relativistischer Physik.

Anwendungsbeispiele
Relativistische Geschwindigkeit eines Elektrons nach Durchlaufen eines elektrischen Felds.

Im elektrischen Feld nimmt die Energie eines Elektrons der Ladung und der Masse linear mit der durchlaufenen Beschleunigungsspannung zu. Die kinetische Energie ist nun die Differenz der relativistischen Gesamtenergie und der Ruheenergie 0[3]. Die kinetische Energie ist also:

Beachtet man, dass für die Gesamtenergie

gilt (: relativistischer Impuls) und zwischen Impuls und Gesamtenergie der Zusammenhang

besteht, folgt für die Gesamtenergie aus also:

Berechnet man nun die Differenz aus und , setzt den Ausdruck gleich und löst nach auf, erhält man abschließend:

mit der Ruheenergie eines Elektrons

Bei Beschleunigungsspannungen unterhalb 1 kV lässt sich die Geschwindigkeit aus dem klassischen Ansatz für die kinetische Energie abschätzen, bei höheren Energien muss relativistisch gerechnet werden. Bereits bei einer Spannung von 10 kV erreichen die Elektronen eine Geschwindigkeit von fast 20 % der Lichtgeschwindigkeit, bei 1 MV 94 %.

Der Large Hadron Collider führt Protonen eine Energie von 7 TeV zu. Die Protonen (Ruheenergie 940 MeV) werden dabei auf das 0,999999991-Fache der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.

Kinetische Energie in der Quantenmechanik

In der Quantenmechanik ist der Erwartungswert der kinetischen Energie eines Teilchens der Masse , welches durch die Wellenfunktion beschrieben wird, gegeben durch

,

wobei das Quadrat des Impuls-Operators des Teilchens ist.

Im Formalismus der Dichtefunktionaltheorie ist nur vorausgesetzt, dass die Elektronendichte bekannt ist, das heißt, dass die Wellenfunktion formal nicht bekannt sein muss. Mit der Elektronendichte ist das exakte Funktional der kinetischen Energie für Elektronen unbekannt; falls jedoch im Fall ein einzelnes Elektron betrachtet wird, so kann die kinetische Energie als

geschrieben werden, wobei das Weizsäcker-Funktional der kinetischen Energie ist.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Nolting: Klassische Mechanik. In: Grundkurs Theoretische Physik. Bd. 1, 8. Auflage. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-34832-0.
  • Richard P. Feynman: Feynman-Vorlesungen über Physik. Mechanik, Strahlung, Wärme 5., verbesserte Auflage, definitive Edition. Oldenbourg, München / Wien 2007, ISBN 978-3-486-58444-8 (= The Feynman Lectures on Physics, Band 1).
  • Paul A. Tipler: Physik. 3. korrigierter Nachdruck der 1. Auflage. 1994, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg / Berlin 2000, ISBN 3-86025-122-8.
  • Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer: Mechanik – Akustik – Wärme. In: Lehrbuch der Experimentalphysik. Bd. 1, 12. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019311-4.
  • Rainer Müller: Klassische Mechanik: Vom Weitsprung zum Marsflug. De Gruyter, 2015, ISBN 978-3-11-044530-5 (google.com).
  • Dieter Meschede: Gerthsen Physik. Springer-Verlag, 2015, ISBN 978-3-662-45977-5 (google.com).

Einzelnachweise

  1. Szabo, Geschichte der mechanischen Prinzipien, Birkhäuser, S. 71
  2. Max Jammer, Artikel Energie, in Donald Borchert (Hrsg.), Encyclopedia of Philosophy, Thomson Gale 2006
  3. A. P. French: Die spezielle Relativitätstheorie - M.I.T. Einführungskurs Physik 1968, S. 19–23