Kleider machen Leute (1940)

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Film
Titel Kleider machen Leute
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1940
Länge 91 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Helmut Käutner
Drehbuch Helmut Käutner
Produktion Heinz Rühmann und Hans Tost für Terra Film
Musik Bernhard Eichhorn
Kamera Ewald Daub
Schnitt Helmuth Schönnenbeck
Besetzung

Kleider machen Leute ist ein deutscher Film von Helmut Käutner aus dem Jahr 1940 nach Motiven der Novelle Kleider machen Leute von Gottfried Keller (Erstveröffentlichung 1874). Die Hauptrollen werden von Heinz Rühmann und Hertha Feiler gespielt.

Handlung

Das Stück spielt in der Schweiz des Biedermeiers. Der in Seldwyla bei einem Schneidermeister arbeitende Geselle Wenzel sinniert über sein armseliges Dasein. Im Traum sieht er seinen Aufstieg zu einem gut gekleideten Herrn von Ansehen. Daraufhin passt er den in Auftrag gegebenen Frack des Bürgermeisters von Seldwyla auf seine eigene Körpergröße an. Er wird deshalb von seinem Meister hinausgeworfen. Anstelle ausstehenden Lohns behält Wenzel den Frack und trägt ihn auf seiner Wanderung zu einer nächsten Gesellenstelle. Er trifft auf den Puppenspieler Christoffel, der sich den Spaß erlaubt, den Frack tragenden Wenzel einem vorbeikommenden Kutscher als inkognito reisenden Grafen vorzustellen: Der „Graf“ verleugne zwar ständig seine Identität, müsse nun aber zu dem nahegelegenen Städtchen Goldach gebracht werden. Wenzel wird in die Kutsche komplimentiert und tritt die Fahrt mit scheinbar neuer Identität an. Als der Kutscher anhalten muss, da eine andere Kutsche auf der Straße liegen geblieben ist, begegnet Wenzel zum ersten Mal dem hübschen Fräulein Nettchen, der Tochter des wohlhabenden Tuchhändlers und Amtsrats von Goldach. Wenzel lässt Nettchen einsteigen. In Goldach angekommen, wird er mit allen Ehren empfangen, denn man hält ihn aufgrund seiner vornehmen Kleidung für einen „Grafen aus dem Russischen“. Zwar widerstrebend, jedoch in Ermangelung eigener Geldmittel, fügt Wenzel sich in die neue Rolle, die ihm aufgrund seiner Kleidung auch zunächst erlaubt, ohne Barschaft auszukommen.

Wenzel gewinnt beim Spiel mit den Ortshonoratioren eine größere Summe Geld. Vor allem aber findet er die Zuneigung Nettchens, die ihn wie alle anderen für einen Grafen hält. Lediglich der Goldacher Schneidermeister Melcher Böhni, der seit längerem seine Verlobung mit Nettchen betreibt, erahnt aufgrund kleiner Beobachtungen die falsche Identität Wenzels bzw. dessen richtigen Beruf.

Die Angelegenheit verkompliziert sich, als tatsächlich ein Adeliger, der russische Graf Alexeij Stroganoff, allerdings inkognito, in Goldach eintrifft. Stroganoff will mit seinem Inkognito eine in Goldach weilende Brieffreundin, das Fräulein von Serafin, auf ihre wahre, nicht durch adelige Äußerlichkeiten gelenkte Zuneigung hin überprüfen. Das Fräulein von Serafin hält jedoch inzwischen den vermeintlichen Grafen Wenzel für ihren Verabredungspartner. Der echte Graf erkennt rasch die Situation. Er gibt sich als Diener des Grafen Wenzel aus und überspielt öffentlich Wenzels Bestreben, die eigene falsche Rolle aufzudecken. Er stattet als dessen vermeintlicher Diener Wenzel mit Geld aus, kann auf diese Weise die Geschehnisse steuern und dabei beobachten, ob das Fräulein von Serafin den Unterschied zwischen dem vermeintlichen (Frack-)Adel und Stroganoffs „echtem Adel“ bemerkt.

Im Goldacher Karneval decken sich die Verhältnisse auf. Wenzel wird in einem von Melcher Böni eingefädelten, theatralischen Spiel von Bürgern aus Seldwyla als Schneider entlarvt. Er flüchtet in den Wald, wo er seinem Leben ein Ende machen will. Nettchen, die ihn liebt, auch wenn er kein Graf ist, findet ihn aber noch rechtzeitig.

Produktionsnotizen

Der Film wurde vom 28. März 1940 bis zum Juli 1940 auf dem Freigelände Barrandov und im Atelier Prag sowie im Filmstudio Babelsberg und im UFA-Atelier Berlin-Tempelhof gedreht. Heinz Rühmann, der auch an der Herstellungsleitung beteiligt war, singt im Film das Lied Ein Schneider, der muß wandern, Hertha Feiler singt Taratata-iti. Uraufführung des Films war am 16. September 1940 in Konstanz, die Erstaufführung in Berlin am 23. Oktober 1940 im Marmorhaus. Im Fernsehen erfolgte die Erstsendung am 29. Januar 1957 durch die ARD.

Einordnung

Der Kostümfilm ist in romantischem Zeitkolorit des frühen 19. Jahrhunderts als Liebesromanze inszeniert, stellt zugleich aber auch falschen romantischen Anschein bloß.

So märchenhaft Stoff und Inszenierung wirken, so wenig folgte im Entstehungsjahr 1940 der Film irgendeiner Direktive der NS-Propaganda, das Publikum vom Krieg abzulenken; die Eroberungspolitik der NS-Wehrmacht benötigte zu dieser Zeit eine solche Entlastung nicht.

Gegenüber der Überlegung, Käutner habe mit diesem Filmstoff auf Emporkömmlinge im nationalsozialistischen Deutschland anspielen sowie in der Kleidermetapher insbesondere den zeitgenössischen Uniformfetischismus veralbern wollen, wäre einzuwenden: Eine entsprechende politische Parabel würde eher nach der Katastrophe eines Schurken verlangen, während der sympathisch–naive Schneider Wenzel durch die Liebe Nettchens aus seinen Verstrickungen erlöst wird.

Wenzel verkörpert, insbesondere in Abgrenzung zu martialischen Leitbildern der NS-Zeit, einen Typ des Anti-Helden. Dies wiederum ist kein Grund, dem Film betont widerständige Motive zuzuschreiben.[1] Angesichts des Drucks, unter den Käutner durch das Verbot seines vorangegangenen Films Kitty und die Weltkonferenz geraten war, dürfte der neue Filmstoff für Käutner eine willkommene Ausweichnische eröffnet haben, wobei auf dieser wie auf jeder Filmproduktion staatlicher Zensurdruck lastete.

Käutner erprobte im biedermeierlichen Milieu der Filmhandlung Elemente einer bisweilen magisch anmutenden Bild- und Szenenführung, die im französischen Film der dreißiger Jahre dem Poetischen Realismus zugeordnet werden. Solche Elemente werden Käutners Filmsprache bis in die Nachkriegszeit prägen.[1] Dazu gehört auch die dichte musikalische Inszenierung des befreundeten Filmkomponisten Bernhard Eichhorn, deren Klänge die Filmsituationen mal ironisierend, mal sentimentalisierend, mal mit entrückenden Modulationen begleiten.

Kritiken

„Detailfreudig, atmosphärisch und brillant hat Helmut Käutner die Stimmung von Gottfried Kellers Novelle in filmgerechte Bilder umgesetzt. Die ironischen Weisheiten und boshaften Anspielungen Kellers wurden durch tragikomische Akzente ergänzt.“

Thomas Kramer in Reclams Lexikon des deutschen Films, Stuttgart, 1995

„Eine vorzügliche Komödie in zart versponnener Romantik und satter Milieumalerei mit ironischen Lebensweisheiten.“

Literatur

Quellen

  1. a b Rudolf Worchesch, in: epd Film Nr. 3, 2008 (PDF-Datei; 164 kB), abgerufen am 8. Dezember 2011
  2. Kleider machen Leute murnau-stiftung.de

Weblinks