Kruzifix

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Kruzifix im Kreuzgang des Essener Münsters

Das Kruzifix (von lateinisch cruci fixus „ans Kreuz geheftet“) ist die künstlerische Darstellung des gekreuzigten Christus. Im Unterschied zum einfachen Kreuz trägt das Kruzifix den Leib des Gekreuzigten (Korpus, Corpus Christi[1], Kruzifixus), in der Regel als plastische Darstellung, aber auch aufgemalt oder zusammen mit den Leidenswerkzeugen (Arma-Christi-Kreuz). Das Kruzifix ist Sinnbild für das Opfer Christi, das dieser nach christlichem Glauben zur Erlösung der Menschheit gebracht hat. Diese sinnbildliche Bedeutung wurde im Mittelalter durch monumentale Triumphkreuze in zahlreichen Kirchen betont.

Manchmal ist das Kreuz selbst verlorengegangen und nur der Korpus (Kruzifixus) als kreuzförmige Skulptur erhalten geblieben, oder es wurde von vorneherein nur ein Corpus Christi als Kunstwerk geschaffen.

Ursprünglich standen der Kreuzesverehrung zwei Faktoren entgegen: Die Auferstehung Jesu Christi wurde als der alleinige Mittelpunkt des Heilsgeschehens angesehen und die Hinrichtungsart der Kreuzigung Christi galt als nicht besonders hervorhebenswert, da viele Hunderttausende so hingerichtet wurden, bzw. als schändlich. Ein Spottkruzifix aus der Römerzeit gilt dafür als Beleg.

Verwendung

Flurkreuz

In der katholischen Kirche und den orthodoxen, anglikanischen und lutherischen Kirchen wird das Kruzifix unter anderem als Vortragekreuz und Altarkreuz im Gottesdienst verwendet.

„Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. (1 Kor 1,22 EU)“

Auf der Kraxe einer Figur der Münchner Stadtkrippe

Das Gebet vor einem Kruzifix ist oftmals Teil einer Andacht oder stillen Einkehr der Gläubigen. In der Heiligen Messe wird zum feierlichen Einzug und zum Auszug das Kruzifix vorangetragen, dem die Prozession als Sinnbild für das wandernde Volk Gottes folgt. Auch Prozessions- und Wallfahrtszüge folgen meist dem Vortragekreuz. Am Karfreitag und Karsamstag ist es in der katholischen Kirche vielfach üblich, statt des Allerheiligsten im Tabernakel das Kruzifix durch eine Kniebeuge zu verehren. Die feierliche Kreuzverehrung ist ein zentraler Teil der katholischen Karfreitagsliturgie.

Als Flurkreuze dienen Kruzifixe in katholischen Gebieten außer zum stillen Verweilen auch als Wegemarkierungen. Kruzifixe werden auch oft als Schmuck getragen, beispielsweise als Anhänger von Halsketten.

In katholischen Familien ist es vielerorts üblich, Kruzifixe in den Räumen oder an hervorragender Stelle der Wohnung zusammen mit Kerzen und anderen Devotionalien anzubringen („Herrgottswinkel“). An Ostern werden die Kreuze als Hinweis auf die Auferstehung Jesu mit frischen, an Palmsonntag gesegneten Zweigen geschmückt.

In den Reformierten Kirchen findet man in der Kirche weder Kruzifixe noch Kreuze noch bildliche Darstellungen. Auch in vielen evangelischen Freikirchen (wie zum Beispiel in Pfingstkirchen) wird auf die Anbringung von Kruzifixen verzichtet. Mitglieder der gnostischen Kirchen, der Zeugen Jehovas und der Christadelphians lehnen die Verwendung von Kreuzen ebenfalls ab.

Geschichte des Kruzifixes in der Kunst

Das Kruzifix ist eine besondere künstlerische Variante des Kreuzes (zur Geschichte des Kreuzes siehe dort).

In der Romanik wurde Jesus am Kreuz in der Regel als Christus triumphans dargestellt. Er trug teilweise eine Königskrone und war durch die Hände und Füße mit vier Nägeln ans Kreuz geschlagen (Viernageltypus).

Vor 1200 war die Darstellung Jesu am Kreuz als Leidender oder Toter selten. Mit der Gotik setzten sich die Darstellungen Jesu als von Schmerzen Geplagtem oder bereits Gestorbenem mit Dornenkrone durch. Die Stellung der Beine war übereinandergeschlagen, die Füße von einem Nagel durchbohrt (Dreinageltypus). Jesus hatte häufig einen ausgezehrten Körper und wies die Wundmale auf.

Die Renaissance zeigte Jesus oft in entspannter Haltung und anmutiger Bewegung. Im Barock trat nach dem Vorbild von Michelangelos Jesusdarstellung eine anklagende Haltung mit sich aufbäumendem Körper hinzu. Mit der Einführung des Kruzifixes für die private Andacht vervielfältigten sich die Stile.

Besonders mit dem Rückgang der Kirche als Hauptträgerin der Kunst lassen sich ab dem 19. Jahrhundert eine immer breitere Gestaltungsvarianz und die Rückkehr und die Vermischung vergangener Stilepochen finden.

Spätestens ab dem 20. Jahrhundert lässt sich nicht mehr von durchgängigen Leitmodellen der Kreuzigungsskulpturen sprechen. Die Persönlichkeit, die Kunstauffassung sowie die religiöse und gesellschaftliche Haltung der Künstler prägen die jeweilige Formfindung.[2][3]

In Deutschland befinden sich mehrere der ältesten Monumental-Kruzifixe weltweit. Dazu zählen

Das mit einer Höhe von 17 Metern höchste Kruzifix befindet sich im Lübecker Dom.

Eine besondere Form sind die Arma-Christi-Kreuze, die neben dem Korpus auch Darstellungen der Folterwerkzeuge tragen. Gelegentlich sind vom Korpus nur die Körperteile dargestellt, welche die Wundmale Jesu trugen.

Kontroversen

Kruzifixe im öffentlichen Raum

Demonstration gegen das Karlsruher Kruzifix-Urteil 1995 in München

Die Frage, ob in einem Staat im öffentlichen Raum Kruzifixe aufgestellt bzw. angebracht werden dürfen, ist umstritten. Die Frage spitzt sich im Hinblick auf Örtlichkeiten zu, die Kruzifix-Gegner bzw. deren Kinder aufsuchen müssen, also etwa Gerichtssäle oder Räume in Kindergärten oder Schulen, die nicht kirchliche Einrichtungen sind.

Befürworter der Haltung, dass Kruzifixe auf Verlangen an solchen Orten abgenommen werden müssen, argumentieren mit dem Prinzip der Trennung von Staat und Kirche und dem religiösen Pluralismus in der Gesellschaft. Ihr Recht auf „negative Religionsfreiheit“ gebiete es, dass sie oder ihre Kinder nicht gegen ihren Willen mit Symbolen einer Religion, mit der sie nichts zu tun haben wollen, konfrontiert würden. Entsprechend müssten Kruzifixe an Orten, an denen sie sich aufhalten, entfernt werden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte hierzu am 18. März 2011 in einem Urteil über die Zulässigkeit von Kruzifixen in Klassenzimmern fest:

„Die Entscheidung, Kruzifixe in Klassenzimmern anzubringen, fällt […] in den Beurteilungsspielraum des Staates, zumal es in der Frage der Präsenz religiöser Symbole in staatlichen Schulen unter den Mitgliedstaaten des Europarats keine Übereinstimmung gibt.“[4]

Die Organe der europäischen Staaten entscheiden also entsprechend ihren nationalen Traditionen, ob sie Kruzifixe in Klassenzimmern vorschreiben, erlauben oder verbieten. Gegen das Urteil des EGfM können keine Rechtsmittel eingelegt werden. Es ist bindend für alle 47 Mitgliedstaaten. http://www.spiegel.de/schulspiegel/strassburger-urteil-gericht-hebt-kruzifix-verbot-an-schulen-auf-a-751482.html

Deutschland

Die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, überschreitet nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts „die Grenze religiös-weltanschaulicher Ausrichtung der Schule“, urteilte das Bundesverfassungsgericht am 16. Mai 1995 über eine bayerische Verordnung, die die Anbringung eines Kruzifixes in allen staatlichen Schulen vorschrieb. Es symbolisiere gemäß Urteil „den wesentlichen Kern der christlichen Glaubensüberzeugung, die keineswegs von allen Gesellschaftsgliedern geteilt, sondern von vielen in Ausübung ihres Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG abgelehnt“ werde. Seine Anbringung sei „daher mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar.“[5]

Der Beschluss blieb bis heute weitgehend ohne praktische Folgen.

Österreich

In Österreich müssen von Rechts wegen (§2b Absatz 1 Religionsunterrichtsgesetz BGBl. Nr. 190/1949 sowie zahlreiche ähnliche Bestimmungen auf Landesebene) Kreuze in Klassenzimmern angebracht werden, sofern die Mehrheit der Schüler an der betreffenden Schule einem christlichen Glaubensbekenntnis angehören. Die in Patientenzimmern der Krankenhäuser und manchmal auch auf öffentlichen Ämtern und Banken angebrachten Kreuze bzw. Kruzifixe unterliegen jedoch keiner gesetzlichen Regelung. Im Gericht kommt ein Kruzifix nebst zweier brennender Kerzen bei der Vereidigung von Zeugen zur Anwendung (§4 Eindgesetz StGBl. Nr. 47/1945).

Schweiz

Nach Ansicht des Bundesgerichts verstoßen Kruzifixe in Klassenzimmern gegen die Pflicht zur religiösen Neutralität der öffentlichen Schulen (BGE 116 Ia 252 ff.).[6] Allerdings halten die mehrheitlich römisch-katholischen Kantone überwiegend an der Tradition fest. Das Bundesgericht hat diesbezüglich kein generelles Verbot erlassen, das Grundrecht der Gewissensfreiheit muss von Betroffenen jeweils für den spezifischen Einzelfall – gegebenenfalls erneut vor Gericht – erstritten werden. Erst dann wenden die Gerichte den bundesgerichtlichen Leit-Entscheid für den betreffenden Fall an. Zu der Frage, ob dies auch für schlichte Kreuze ohne Korpus gilt, hat sich das Bundesgericht damals nicht direkt ausgesprochen.[7]

Italien

Nach einer monatelangen rechtlichen Kontroverse entschied das italienische Verfassungsgericht, dass Kruzifixe in Italiens Klassenzimmern legitim seien. Zuvor ordnete ein Richter an, das Kreuz aus zwei Klassenzimmern in einer Schule im Abruzzen-Dorf Ofena zu entfernen. Damit entsprach er dem Antrag eines in Italien lebenden Muslim, der argumentierte, der Anblick der Kruzifixe sei seinen Kindern nicht zuzumuten. Das Urteil wurde jedoch später vorläufig ausgesetzt, nachdem der italienische Staat Berufung gegen das Urteil eingelegt hatte. Auch Papst Johannes Paul II. und Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi hatten sich in den Streit eingeschaltet und die Bedeutung des Kreuzes für Italien betont. In Italien sprach sich nach dem Kruzifixstreit eine Mehrheit von rund 80 Prozent der Bürger für religiöse Symbole in Schulen aus.

Dessen ungeachtet klagte eine Mutter gegen italienische Urteile, die im Kruzifix ein „Symbol der italienischen Geschichte und Kultur und folglich der italienischen Identität“ sahen. Sie verlangte, dass ihre Kinder, die in Abano Terme eine staatliche Schule besuchten, Unterricht in Klassenzimmern ohne religiöse Symbole erhielten. Nachdem alle italienischen Instanzen ihre Klage abgewiesen hatten, rief sie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. Das erstinstanzliche Urteil stellte am 3. November 2009 fest, dass ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer Staatsschule die Religionsfreiheit der Schüler verletze. Das Symbol sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Außerdem nehme das Kreuz den Eltern die Freiheit, ihre Kinder nach ihren philosophischen Überzeugungen zu erziehen. Italien muss der Klägerin 5000 Euro Entschädigung zahlen.[8]

Das Urteil hatte in Italien verbreitet für Überraschung und Empörung gesorgt. An vielen öffentlichen Orten wurden als Zeichen des Protests neue Kruzifixe angebracht und Kommunen vergewisserten sich, dass bereits vorhandene Kruzifixe nicht entfernt wurden.[9][10]

Die italienische Regierung beantragte die Überprüfung des Urteils durch die Große Kammer des Gerichtshofs;[11] diesem Antrag wurde stattgegeben. Am 18. März 2011 hob die Große Kammer des EGMR mit fünfzehn zu zwei Stimmen das Urteil erster Instanz auf und stellte fest, dass das Anbringen des Kruzifixes keinen Verstoß gegen die EMRK darstelle.[12]

Verbleib von Kruzifixen im öffentlichen Raum

In Frankreich gab es von 1902 bis 1905 eine Entwicklung, die zur Trennung von Staat und Kirche führte. 1905 wurden Kruzifixe und religiöse Symbole aus öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder Gerichten entfernt.

Während der Zeit des Nationalsozialismus gab es in Deutschland heftige Proteste gegen Versuche des NS-Regimes, Kreuze und Kruzifixe aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Insbesondere im Oldenburger Münsterland kam es 1936 zum sogenannten „Kreuzkampf“. Dabei nahm der damalige Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, eine zentrale Rolle ein, indem er die Gläubigen in Hirtenbriefen[13] zum Widerstand gegen die Entfernung von Kreuzen und Kruzifixen durch die Beauftragten des Gauleiters Carl Röver aufforderte. Letztlich verblieben die christlichen Symbole im öffentlichen Raum.

Ähnlich erfolgreich war 1941 der Kampf bayerischer Katholiken gegen eine Anordnung von Gauleiter Adolf Wagner, Kruzifixe aus bayerischen Klassenzimmern zu entfernen und durch „zeitgemäßen Wandschmuck“ zu ersetzen.[14]

Einzelnachweise

  1. Rudolf Huber (Hrsg.): Kirchengeräte, Kreuze und Reliquiare der christlichen Kirchen. (= Glossarium Artis. Band 2). K. G. Saur Verlag, 3. Auflage, München-London-New York-Paris 1991, ISBN 3-598-11079-0, S. 154.
  2. Begleittexte zur Kruzifixsammlung im Museum Abtei Liesborn 2007
  3. http://www.wertvoll-medien.de/reports/das-kreuz.html 7. Dezember 2007
  4. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Kruzifixe in Klassenzimmern staatlicher Schulen in Italien: Gerichtshof stellt keine Konventionsverletzung fest (PDF-Datei; 189 kB). Mitteilung des Kanzlers No. 234. 18. März 2011
  5. Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 16. Mai 1995
  6. Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Auflage, Schulthess Zürich, 2005, S. 127 f., N 423
  7. Erläuterungen einer Diskussionsrunde in Doppelpunkt vom Oktober 2010 bei Schweizer Radio DRS
  8. Kreuze in Klassenzimmern verletzen Religionsfreiheit Zeit Online, 3. November 2009
  9. Deutsche Welle
  10. [1] KNA-Meldung auf kath.net.
  11. Neue Zürcher Zeitung: Kruzifixe in Italiens Schulen verletzen die Religionsfreiheit vom 4. November 2009.
  12. Does Neutrality Equal Secularism? The European Court of Human Rights Decides Lautsi v. Italy. Federalist Society for Law and Public Policy Studies, 19. Dezember 2011, abgerufen am 25. September 2013 (englisch).
  13. dialogverlag Presse- + Medienservice GmbH: Clemens August Graf von Galen: Hirtenbrief zum „Oldenburger Kreuzkampf“. 27. November 1936
  14. chroniknet: Tageseinträge für 23. April 1941

Weblinks

Commons: Kruzifixe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Kruzifix – Zitate
Wiktionary: Kruzifix – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen