König Ottokars Glück und Ende

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Daten
Titel: König Ottokars Glück und Ende
Gattung: Trauerspiel
Originalsprache: Deutsch
Autor: Franz Grillparzer
Erscheinungsjahr: 1825
Uraufführung: 19. Februar 1825
Ort der Uraufführung: Burgtheater, Wien
Personen
  • Primislaus Ottokar, König von Böhmen
  • Margareta von Österreich, Witwe Heinrichs von Hohenstaufen, seine Gemahlin
  • Die Rosenberge:
  • Berta, Beneschs Tochter
  • Braun von Olmütz, des Königs Kanzler
  • Bela, König von Ungarn
  • Kunigunde von Massovien, seine Enkelin
  • Rudolf von Habsburg
  • Seine Söhne:
    • Albrecht
    • Rudolf
  • Friedrich Zollern, Burggraf von Nürnberg
  • Österreichische Ritter:
    • Heinrich von Lichtenstein
    • Berthold Schenk von Emerberg
  • Steirische Ritter:
  • Herbott von Füllenstein
  • Ortolf von Windischgrätz
  • Ottokar von Horneck
  • Merenbergs Frau
  • Paltram Vatzo, Bürgermeister von Wien
  • Der Bürgermeister von Prag
  • Ein kaiserlicher Hauptmann
  • Eine Frau mit ihrem Kinde
  • Ein Schweizersoldat
  • Ein kaiserlicher Herold
  • Der Küster von Götzendorf
  • Der Kanzler des Erzbischofs von Mainz
  • Elisabeth, Margaretas Kammerfrau
  • Barbara, eine Kammerfrau Margaretas
  • Ein Kammerfräulein Kunigundens
  • Abgeordnete der deutschen Wahlversammlung
  • Böhmische, österreichische, steirische, kärntnerische Landesherren und Kriegsleute
  • Bürger, Diener, Knappen, Knechte, männliches und weibliches Gefolge

König Ottokars Glück und Ende ist ein Trauerspiel in fünf Aufzügen von Franz Grillparzer.

Entstehung, Stoff, Veröffentlichung

Grillparzer wollte ursprünglich ein Drama über Napoléon schreiben, da er jedoch befürchtete, dass das Stück von der Zensur abgelehnt wird, wählte er statt seiner den Böhmenkönig Přemysl Ottokar II. (1232–1278), der ähnliche Charakterzüge aufweist. Er wurde wahrscheinlich durch die Dramen über Rudolf von Habsburg und König Ottokar sowie das spanische Barockdrama beeinflusst.

Das Drama entstand schließlich 1823, aber die Veröffentlichung verzögerte sich wegen Zensurschwierigkeiten, die Josef Schreyvogel veranlasste. Das Stück wurde vorerst wegen „ungünstiger Erinnerungen an Napoléons zweite Heirat mit Marie-Louise von Österreich und ungünstiger Schilderung der Böhmen“ verboten. Kaiserin Karoline Charlotte Auguste beauftragte eines Tages den Dichter Matthäus von Collin, der Erzieher des Herzogs von Reichstadt war, in der Hofburgtheaterdirektion nach einem interessanten Manuskript nachzufragen. Dort erfuhr er, dass ein Grillparzerstück bereits zwei Jahre bei der Zensurbehörde liege, wo es anscheinend verlegt worden war oder man es habe verschwinden lassen. Collin intervenierte bei der Zensur – und das Stück wurde auf der Stelle gefunden und ihm ausgehändigt. Er las es der Kaiserin vor, welche sehr erstaunt war, dass dieses ihrer Meinung nach äußerst patriotische Werk von der Zensur so verkannt wurde und bewirkte beim Kaiser die Freigabe zur Aufführung, die am 19. Februar 1825 im Wiener Burgtheater stattfand.[1] Die Metternichsche Zensur wirkte sich unter anderem auch dahingehend aus, dass das Ansuchen Grillparzers um die Stelle des Direktors der Wiener Hofbibliothek abgewiesen wurde.

Relief „König Ottokars Glück und Ende“ von Rudolf Weyr am Grillparzer-Denkmal im Volksgarten Wien, 1889
Max Devrient als Zawisch am Burgtheater in Wien nach 1891.

Handlung

Die Handlung des Trauerspiels beginnt im Jahre 1261 mit der Trennung Ottokars von seiner Frau Margarethe. Als Grund der Trennung wird angegeben, dass Margarethe keine Kinder hat und somit keinen Erben bekommen kann, und dass sie mit Ottokar in vierter Linie verwandt ist. Margarethe verzichtet auf die Länder, die sie von ihrem ersten Ehemann geerbt hat.

Ottokar heiratet Kunigunde, die Enkelin des ungarischen Königs Béla, die somit die neue Königin wird. König Ottokar wird unter anderem auch die Kaiserkrone angeboten, aber da der Bischof von Mainz mit einem Brief von diesen Vorgängen informiert wird, fällt die Entscheidung auf Graf Rudolf von Habsburg. Das hat zur Folge, dass die Länder Österreich und Steiermark wieder in den Besitz des Kaisers fallen, da diese nicht weitervererbt wurden.

Ottokar kann sich mit diesem Verlust nicht abfinden, und es kommt zu einem Konflikt. Der Kanzler Ottokars kann diesen zu einer Aussprache mit dem Kaiser überreden: Ottokar ist bereit, bei dieser Aussprache die Wahl zum Kaiser anzuerkennen, aber auf den Besitz der Länder will er nicht verzichten. Bei dieser Begegnung muss Ottokar erkennen, dass seine Verbündeten aus der Steiermark auf der Seite des Kaisers stehen. Aus diesem Grund muss Ottokar seine Forderungen zurückstecken und sich damit begnügen, dass er die Gebiete Böhmen und Mähren kniend vom Kaiser als Lehen entgegennimmt. Als der kaiserliche Herold die Gefangenen, die gemäß Vertrag freizulassen sind, abholen will, lässt Ottokar alle frei bis auf einen: Merenberg, der wegen des von ihm verfassten Briefes an den Bischof zum Hochverräter abgestempelt wird und deswegen eines grausamen Todes sterben muss.

Auch die junge Königin weist Ottokar zurück. Diese Zurückweisung sowie die erlittene Demütigung bewegen Ottokar dazu, den Vertrag zu zerreißen. Ottokar befiehlt, ein neues Heer aufzustellen. Die Königin flieht mit Zawisch und sucht Zuflucht beim Kaiser. Während des Krieges erfährt Ottokar, dass seine ehemalige Frau Margarethe gestorben ist; Ottokar erkennt an ihrem Totenbett, dass er durch Täuschung zur Trennung von ihr veranlasst wurde. Der Kaiser befiehlt, dass niemand Ottokar – außer in Notwehr – das Leben nehmen dürfe. Als Seyfried von Merenberg auf Ottokar trifft, will er den Tod seines Vaters rächen und fordert Ottokar zum Kampf auf, bei dem Ottokar getötet wird. Kaiser Rudolf, der erste Habsburger, belehnt noch am Schlachtfeld von Marchfeld seine Kinder mit Österreich und der Steiermark.

Rede auf Österreich

Eine sehr bekannte und oft zitierte Stelle aus dem Drama ist eine Rede im dritten Akt, die Ottokar von Hornek (oder Horneck) hält, der nur diesen einzigen Auftritt im Stück hat. In der Rede wird das Land Österreich gepriesen, deswegen wird sie gemeinhin als Lob auf Österreich bezeichnet. Sie beginnt mit den Worten „Es ist ein gutes Land“. Diese Stelle mussten österreichische Schüler jahrzehntelang auswendig lernen. Weiters kommt die Rede auf die Unterschiede zwischen österreichischer und deutscher Mentalität zu sprechen : »’s ist möglich, dass in Sachsen und beim Rhein es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen; Allein, was Noth thut und was Gott gefällt, der klare Blick, der offne, richt’ge Sinn, da tritt der Österreicher hin vor Jeden, denkt sich sein Theil, und lässt die Andern reden!« Ottokar von Hornek hieß Ottokar aus der Gaal (eigentlich Otacher ouz der Geul, gelegentlich Ottokar von Steiermark, der Name Hornek oder Horneck ist falsch, er stammt vom Historiografen Wolfgang Lazius) und lebte zwischen 1265 und 1319 oder 1321. Er war ein steirischer Dichter und Geschichtsschreiber aus dem Geschlecht der Herren von Strettweg. Er stand im Dienst der steirischen Liechtensteiner, deren prominenter Vertreter Ulrich von Liechtenstein war, und lebte laut Urkunden ab 1304 in der Steiermark. Er nahm auch an Kriegszügen teil und war ein reisender Diplomat seiner Zeit. Er verfasste das erste umfassende Geschichtswerk über Österreich in deutscher Sprache, die sog. Steirische Reimchronik mit fast 100.000 Versen, die den Zeitraum zwischen 1246 und 1309, die Geschichte des Heiligen Römischen Reichs, die Landesgeschichte Österreichs und der Steiermark beschreibt, indem er auf historische und dichterische Quellen zurückgreift.[2]

Ottokar von Hornek wurde bei der Wiedereröffnung des Wiener Burgtheaters 1955 von Raoul Aslan dargestellt – es war die letzte Rolle des Schauspielers –,[3] in der Fassung von Martin Kušej (2005) spielte ihn bis zu seinem Tod Wolfgang Gasser, und für diese Rolle in dieser Inszenierung sprang einige Male Udo Samel ein.

Wichtige Inszenierungen

Das Stück wurde nach 1825 oft im deutschsprachigen Raum aufgeführt, besonders häufig stand es auf dem Programm des Burgtheaters, es gab bis 2005 zwölf Inszenierungen.

1940 wurde es am Deutschen Volkstheater in Wien vom Intendanten Walter Bruno Iltz inszeniert, Gustav Manker entwarf das Bühnenbild, es spielten Eduard Wandrey und Wilhelm Klitsch sowie O. W. Fischer (Rosenberg) und Dorothea Neff (Margarethe von Österreich). Der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS berichtet am 16. Februar 1940 über einen pro-österreichischen Zwischenfall, zu dem es während einer Ausführung des Stücks kam:

„Bei dem Loblied auf Österreich, das Ottokar von Horneck vor Rudolf von Habsburg spricht, kam es an der Stelle, wo der Unterschied zwischen dem reichsdeutschen und österreichischen Geistesleben gezeichnet wird, zu ostentativem Beifall.“[4]

Nachdem das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wiener Burgtheater am 14. Oktober 1955 wieder eröffnet worden war, folgte eine festliche Aufführung des Dramas. Die Hauptrollen spielten damals Ewald Balser (Ottokar) und Attila Hörbiger (Rudolf). Diese Festaufführung löste viele Diskussionen aus, weil viele lieber Goethes Egmont auf der Bühne gesehen hätten. Letztendlich setzten sich in der nationalistisch aufgeheizten Diskussion die Befürworter des Grillparzerstückes durch, da man es als „österreichisch“ und damit passender empfand. Die Zeitung „Neues Österreich“ schrieb zum öffentlichen Disput um die Aufführung:

„Es gibt so etwas wie eine österreichische Verpflichtung. Und darum nochmals mit allem Nachdruck: Wir erwarten von dem Direktor des österreichischen Nationaltheaters …, daß er die einmalige Gelegenheit wahrnimmt und sich auf diese ideologische Verpflichtung (zu Grillparzer) besinnt.“[5]

Der deutsche „Spiegel“ wiederum berichtete über die aufgeheizte Lage:

„Um das ‚Neue Österreich‘ gruppierten sich alle Anhänger der österreichischen Nation, die vom "deutschen" Nationaltheater nichts mehr hören wollen. Der kommunistische Kulturpapst Dr. Matejka sekundierte.“[6]

1976 gab es eine Neuinszenierung anlässlich von 200 Jahren Burgtheater: Gerhard Klingenberg inszenierte Grillparzers Stück im Bühnenbild von Josef Svoboda und mit der Musik von George Gruntz, der sich an Motiven von Ludwig van Beethoven orientierte. Heinz Reincke verkörperte den Ottokar und Walter Reyer den Rudolf von Habsburg, Attila Hörbiger gab den Ottokar von Hornek.

1991 inszenierte Wolfgang Engel das Stück zum 200. Geburtstag Grillparzers. Diesmal verkörperte Franz Morak den Ottokar und Peter Fitz den Rudolf. Walter Reyer spielte diesmal den Ottokar von Hornek.

Eine völlig neuartige Interpretation von Martin Kušej war 2005 im Rahmen der Salzburger Festspiele zu sehen. Dieselbe Inszenierung wurde am 15. Oktober 2005 anlässlich des 50. Jahrestages der Wiedereröffnung im Wiener Burgtheater erneut aufgeführt. In dieser Inszenierung spielen Tobias Moretti (König Ottokar), Michael Maertens (Rudolf von Habsburg), Elisabeth Orth (Margarethe), Karl Merkatz (Benesch von Diedicz), Nicholas Ofczarek (Zawisch), Bibiana Beglau (Kunigunde von Massovien) und Daniel Jesch (Seyfried) die Hauptrollen. In Kušejs Interpretation des Stückes stehen einander zwei Machtmenschen gegenüber. Die Produktion wurde 2006 vom ORF unter der Leitung von Peter Schönhofer aufgezeichnet.

Siehe auch

Sekundärliteratur

  • Claudio Magris: Donau, Biographie eines Flusses. 1991 (erste Auflage), ISBN 3-423-11471-1; 2. Kapitel, 12. Abschnitt: Grillparzer und Napoleon (Der Abschnitt ist kurz, Grillparzer findet im Buch allerdings laufend Erwähnung.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Friedrich Weissensteiner: Frauen auf Habsburgs Thron – die österreichischen Kaiserinnen, Kaiserin Karoline Auguste, S. 87–88.
  2. Eintrag zu Ottokar aus der Gaal im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
  3. http://www.alt-hietzinger.at/archiv/personen/raoulaslan.shtml
  4. Der Spiegel vom 7. März 1966 – VIOLA LERNT ÜBERHAUPT NIEMAND MEHR, Aus den SD-Berichten über Österreich von 1939 bis 1940
  5. Der Spiegel vom 9. März 1955 – Der reichsdeutsche Goethe
  6. Der Spiegel vom 9. März 1955 – Der reichsdeutsche Goethe