Libertas Schulze-Boysen

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Libertas Schulze-Boysen, geborene Libertas Viktoria Haas-Heye (* 20. November 1913 in Paris; † 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee) gehörte als Mitwisserin und Helferin während des NS-Regimes zur Widerstandsgruppe Rote Kapelle.

Leben

Eröffnungseite des Feldurteils des Reichskriegsgerichts vom 19. Dezember 1942

Libertas Schulze-Boysen war das jüngste von drei Kindern des aus Heidelberg stammenden Modeschöpfers Otto Ludwig Haas-Heye und dessen Frau Viktoria Ada Astrid Agnes, Fürstin zu Eulenburg und Hertefeld, Gräfin Sandels (1886–1967). Die Eltern hatten am 12. Mai 1909 in Liebenberg geheiratet und danach zeitweise in London und Paris gelebt. Ihre Geschwister waren Ottora Maria (* 13. Februar 1910 in Garmisch-Partenkirchen; † 2001) und Johannes Haas-Heye.

Die Mutter, genannt „Thora“, entstammte einer alten preußischen Adelsfamilie. Sie war das jüngste von acht Kindern des preußischen Diplomaten Philipp zu Eulenburg und dessen schwedischer Ehefrau, Augusta Gräfin Sandels (1853–1941). Als Libertas acht Jahre alt war, ließen sich die Eltern scheiden. Libertas verbrachte einen Teil ihrer Kindheit auf dem bei Berlin gelegenen Landgut der Eulenburgs, Schloss Liebenberg.[1]

Ab 1922 besuchte sie eine Schule in Berlin und lebte beim Vater, der die Modeabteilung des Kunstgewerbemuseums in der Prinz-Albrecht-Straße 8 leitete. Auf den weiten Fluren dieses Gebäudes, das 1933 zur Gestapozentrale wurde, spielte Libertas mit ihren Geschwistern und anderen Kindern. Sie wurde dabei betreut von der Zeichenlehrerin Valerie Wolffenstein, mit der Libertas den Sommer 1924 in der Schweiz verbrachte. Von 1926 bis 1932 besuchte sie das Mädchen-Lyzeum in Zürich. Nach dem Abitur und einem Aufenthalt in Großbritannien wurde sie 1933 in der Berliner Niederlassung der Filmgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer als Pressereferentin eingestellt. Im März 1933 wurde Libertas auch Mitglied der NSDAP.[2] 1935 engagierte sich Libertas für den „Freiwilligen Arbeitsdienst für die weibliche Jugend“ in Glindow bei Potsdam. Seit Anfang der 30er Jahre verfasste sie Filmkritiken, die eine deutliche Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie erkennen lassen.[3]

1934 machte sie die Bekanntschaft des Luftwaffenoffiziers Harro Schulze-Boysen, des Sohnes eines Seeoffiziers und Großneffen des Großadmirals Alfred von Tirpitz[4], den sie am 16. Juli 1936 in der Schlosskapelle von Liebenberg heiratete.

Das Ehepaar sammelte nach der Hochzeit junge Intellektuelle, Künstler und Arbeiter um sich und traf sich mit ihnen unbeobachtet von der Gestapo auf Schloss Liebenberg. In dem Kreis verkehrten ua. das Künstlerehepaar Kurt und Elisabeth Schumacher, die Schriftsteller Günther Weisenborn, Walter Küchenmeister und Adam Kuckhoff mit seiner Frau Greta, die Journalisten John Graudenz und Gisela von Poellnitz, die Ärzte John Rittmeister und Elfriede Paul, die Tänzerin Oda Schottmüller, seit 1938 das Ehepaar Walter und Schauspielerin Marta Husemann.

Anfang 1937 trat sie aus der NSDAP unter dem Vorwand aus, als Ehefrau zeitlich und gesundheitlich nicht mehr in der Lage zu sein, allen Anforderungen der Parteiarbeit zu entsprechen.[4]

Neben ihrer Arbeit als Filmkritikerin sammelte sie im Reichspropagandaministerium Bildmaterial über deutsche Kriegsverbrechen. Ihren Mann unterstützte sie auf der Suche nach gleichgesinnten Gegnern des NS-Regimes. Ende Oktober 1941 traf sie einen Offizier des sowjetischen Geheimdienstes GPU und vermittelte ihm einen Kontakt zu ihrem Mann, Harro Schulze-Boysen.

Libertas Schulze-Boysen begann im Sommer 1942 gemeinsam mit Alexander Spoerl in der Kulturfilmzentrale Bildmaterial über Gewaltverbrechen an der Ostfront zu sammeln. Diese Informationen wurden zum Ausgangspunkt für ein Flugblatt. Nach Entdeckung der Verbindungen zur Sowjetunion wurden Libertas und ihr Mann verhaftet und vor dem Reichskriegsgericht angeklagt. Das Verfahren endete am 9. Dezember 1942 mit Todesurteilen. Libertas Schulze-Boysen wurde am 22. Dezember 1942 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee mit fünf weiteren aus der Widerstandsgruppe zwischen 20:18 bis 20:33 Uhr im Dreiminutentakt durch Enthauptung hingerichtet. Ihr Mann wurde bereits zuvor um 19:05 Uhr im gleichen Gefängnis und - aus Sicht der Nationalsozialisten - besonders unehrenhaft am Fleischerhaken stranguliert.[5][6]

Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Moringen, Ursula Gerecht berichtet in ihrem Vortrag Marta Wolter und „Kuhle Wampe“ – Die Geschichte einer Frau und die Geschichte eines Films aus dem Hafttagebuch von Marta Husemann über die Weggefährtin Libertas Schulze-Boysen: Ein Mensch, den man niemals in die illegale Arbeit hätte einweihen dürfen. Keine bewusste Verräterin. Aber durch ihre maßlose Eitelkeit leicht zum Sprechen zu bringen.

Ehrungen

Berliner Gedenktafel für die Schulze-Boysens am Haus Altenburger Allee 19 in Berlin-Westend

Literatur

Weblinks

Commons: Libertas Schulze-Boysen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Schloss Liebenberg wurde von Theodor Fontane in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg (Band 5: Fünf Schlösser, 1889) beschrieben.
  2. Silke Kettelhake: „Erzähl allen, allen von mir!“ Das schöne kurze Leben der Libertas Schulze-Boysen. Leseprobe, PDF, abgerufen am 16. November 2014
  3. Günter Agde: Rezension zu: Aurich, Rolf; Jacobsen, Wolfgang; Deutschen Kinemathek Museum f. Film u. Fernsehen. (Hrsg.): Libertas Schulze-Boysen. Filmpublizistin. München 2008, in: H-Soz-u-Kult, vom 13. Januar 2010
  4. a b Rainer Blasius: Libertas Schulze-Boysen. Ein Weihnachtsengel vor der Hinrichtung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Dezember 2012.
  5. Peter Steinbach und Johannes Tuchel: Lexikon des Widerstandes 1933–1945. C.H. Beck; 2. überarb. u. erw. Auflage 1998; ISBN 3-406-43861-X; S. 178f.
  6. Kurt Finker: Teil der inneren Front (Nachdruck bei Junge Welt, 21. Dezember 2007)
  7. Schulze-Boysen-Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  8. deutschland-im-internet.de
  9. Sonderausstellung - Libertas Schulze-Boysen und die Rote Kapelle