Mathias Brodkorb

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Mathias Brodkorb (2016)
Mathias Brodkorb (rechts) neben Manuela Schwesig (2013)

Mathias Brodkorb (* 20. März 1977 in Rostock) ist ein deutscher Politiker (SPD). Seit dem 20. September 2016 ist er Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, dem er seit 2002 angehört. Er war von Oktober 2011 bis Oktober 2016 Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern. Bekannt wurde er mit Aktivitäten in der Hochschulpolitik und der Bekämpfung des Rechtsextremismus mit dem von ihm initiierten Projekt Endstation Rechts.

Leben

Brodkorbs Familie reiste 1987 aus der DDR in die Heimat des Vaters nach Korneuburg/Österreich aus.[1] 1992 kehrte er in seine Geburtsstadt Rostock zurück. Dort legte er 1996 das Abitur ab und studierte nach dem anschließenden Zivildienst ab 1997 an der Universität Rostock Philosophie und Altgriechisch,[2] unter anderem bei Wolfgang Bernard und Markus Schmitz.[1] Brodkorb schloss 2005 mit dem Magister der Philosophie ab.

Von 1994 bis 1997 war Brodkorb Mitglied der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) und engagierte sich dort in der Kommunistischen Plattform.[1] Die Beschäftigung mit dem Marxismus führte ihn zur Philosophie. Im Laufe des Studiums distanzierte sich Brodkorb zunehmend vom Kommunismus. 1997 wechselte er zur SPD, wurde dort 1998 für zwei Jahre Landesvorsitzender der Jusos[3] und gehörte dem SPD-Landesvorstand von 1999 bis 2009 an. Bei der Landtagswahl im September 2002 wurde er über die SPD-Landesliste in den Landtag gewählt und gehört ihm seit Oktober 2002 an. Nach einem weiteren Einzug in den Landtag über die Landesliste nach der Landtagswahl 2006 wurde er im September 2011 als Abgeordneter des Wahlkreises 6 Rostock III direkt in den Landtag gewählt.[4] Von Oktober 208 bis Oktober 2011 war Brodkorb stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion. Am 25. Oktober 2011 wurde er vom Ministerpräsidenten Erwin Sellering zum Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur ernannt.[5] Er schied am 4. Oktober 2016 aus seinem Ministeramt aus, als der 7. Landtag sich konstituierte. Brodkorb war bereits am 20. September 2016 zum Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion gewählt worden, nachdem sein Vorgänger Norbert Nieszery zur Landtagswahl im September 2016 nicht mehr angetreten war, bei der Brodkorb sein Direktmandat verteidigt hatte. Er wechselte auf den Wunsch des Ministerpräsidenten, als dessen Vertrauter er gilt.[6]

Im Jahr 2003 zählte ihn die Zeitschrift Neon zu den 100 wichtigsten jungen Deutschen. Begründet wurde dies mit seinem politischen, vor allem aber wissenschaftlichen Engagement gegen Rechtsextremismus.[7] Neben seiner Landtagstätigkeit hatte Brodkorb Lehraufträge an der Universität Rostock im Fach Philosophie.[8]

Politische Schwerpunkte

Bekannt wurde Brodkorb unter anderem, als er bei einem Jugendfestival im Seebad Prora auf der Insel Rügen im Jahr 2003 in einem Workshop zu aufklärerischen Zwecken aus Hitlers Mein Kampf las und mit Jugendlichen darüber diskutierte. Brodkorb begründete die Diskussion, er wollte mit dieser Aktion auf den historischen Hintergrund des Veranstaltungsortes hinweisen. Prora wurde im Dritten Reich als KdF-Bad geplant und teilweise fertiggestellt. Kritiker, wie der Historiker Stefan Wolter, machen jedoch darauf aufmerksam, dass Prora nach dem Krieg zum Teil demontiert und anschließend zur stalinistischen Großkaserne wieder aufgemauert wurde. In Zusammenhang mit der historischen Bewertung der Proraer Monumentalbauten wird Brodkorb Einseitigkeit vorgeworfen. Ein 2010 seitens der Landesregierung in Aussicht gestelltes Bildungszentrum zur "doppelten Geschichte" am Standort der Proraer Bausoldaten kam unter ihm bislang nicht zustande.[9] Jugendfestivals fanden in Prora zwischen 2003 und 2010 statt. Brodkorb forderte 2003 auch die Veröffentlichung einer historisch-kritischen Gesamtausgabe des Hauptwerkes von Adolf Hitler, da nach Ablaufen des Urheberrechtsschutzes in wenigen Jahren damit zu rechnen sei, dass rechtsextremistische Verlage mit dem Nachdruck erhebliche Umsätze generieren könnten.[10]

Eine öffentliche Debatte entspann sich außerdem darüber, dass Brodkorb auf seiner Internetseite damals noch als Philosophiestudent die Thesen des australischen Philosophen Peter Singer über Tierschutz und Vegetarismus diskutierte, sich von dessen umstrittenen Schlussfolgerungen jedoch stets distanzierte. Brodkorb plädierte in diesem Zusammenhang für eine Ausweitung des Tierschutzes. Ein wissenschaftliches Gutachten des damaligen Rektors der Universität Rostock, Philosophieprofessor Hans-Jürgen Wendel, bestätigte, dass die gegen Brodkorb erhobenen Vorwürfe haltlos waren.

Im Jahr 2004 veröffentlichte der Jungpolitiker sein Diskussionspapier Die Zukunft der Hochschullandschaft von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahre 2020 mit Vorschlägen zu Hochschulveränderungen in Mecklenburg-Vorpommern unter dem Druck des demografischen Wandels in Ostdeutschland.[11] Er plädierte unter anderem für die Einführung „nachgelagerter Studiengebühren“ für besserverdienende Hochschulabsolventen und bezifferte den strukturellen Konsolidierungsbedarf auf 48–69 Mio. Euro. Das Papier löste in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche Diskussionen aus. Einige Monate nach Erscheinen des Papiers stellte der damalige Bildungsminister Metelmann auf einer Fachkonferenz die Rückbaubedarfe vor, die sich auf etwa 18 % der Gesamtausgaben beliefen.[12]

Wenige Wochen nach der Warnemünder Konferenz legten die Universitätsrektoren Westermann (Greifswald) und Wendel (Rostock) ein Rückbaukonzept vor, nach dem sich Rostock von der Juristenbildung und Greifswald von der Lehrerausbildung trennen wollte. Nur Tage später änderte der Rostocker Rektor seine Meinung. Parallel dazu lehnte der Rostocker Senat die Sparvorschläge ab. Die Landespolitik hielt am ursprünglichen Vorschlag fest. Hieraus entwickelte sich ein Konflikt mit der Universität Rostock, mit der im Jahr 2006 als einziger Hochschule des Landes keine einvernehmlichen Zielvereinbarungen ausgehandelt werden konnten. Der Landtag beschloss daher eine Zielvorgabe, die auch die Einstellung der Juristenausbildung am Standort Rostock vorsah. Dies führte zu heftigen Protesten seitens der Studierendenschaft der Universität Rostock. Im Jahr 2006 wurde Prof. Strothotte zum neuen Rektor der Universität Rostock gewählt und schließlich doch eine Einigung mit dem Land erzielt. Die Universität Rostock stellt demnach das Staatsexamen im Bereich Jura selbst ein. Eine im Jahr 2006 gebildete Volksinitiative „Pro Jura“, deren Forderungen mit der Unterstützung von knapp 20.000 Bürgern in den Landtag eingebracht wurden, konnte sich weder in der Universität noch gegenüber dem Land durchsetzen.

Unter Brodkorbs Amtsführung wurden in Mecklenburg-Vorpommern als erstem Bundesland seit Inkrafttreten der Bologna-Reform wieder Diplom-Studiengänge angeboten. In einem Monitor-Interview bezeichnete er die Bologna-Reform als Fehler. [13] [14]

Brodkorb gehört zu den Mitbegründern, Redakteuren und Herausgebern des seit dem Jahr 2002 erscheinenden politischen Magazins horizonte. Er ist Mitbegründer und Redakteur der Internetseite endstation-rechts.de, die über die Aktivitäten der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern aufklärt.

Zur Diskussion um die verschiedenen Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin meinte Brodkorb 2011, die Verfahrenseinstellung lasse nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder dulde die SPD nun doch ab sofort eugenische, sozialdarwinistische und grundgesetzwidrige Positionen. Oder die gegen Sarrazin erhobenen Vorwürfe seien ehrverletzend, überzogen und von Anfang an rein taktisch motiviert gewesen. Brodkorb unterstellt ein programmatisches Defizit auf der Linken. Man wisse im Sinne der „political correctness“ zwar, wogegen man sei, habe aber keine eigene Orientierung. Damit laufe man Gefahr, substanzielle Gesellschaftspolitik durch die billige Jagd nach einem „metaphysischen Nazi“ zu ersetzen.[15]

Wissenschaftliche Schwerpunkte

Seinen wissenschaftlichen Schwerpunkt setzt Brodkorb bei der Erforschung rechtsextremistischer Ideologien. Im Jahr 2003 veröffentlichte er in diesem Zusammenhang mit dem Buch Metamorphosen von Rechts eine Einführung in Ideologie und Strategie des modernen Rechtsextremismus der NPD.[16] Zuletzt war er Lehrbeauftragter im Fach Philosophie an der Universität Rostock.

Werke

Selbständige Schriften

  • Mit Jörg Nielandt: Ausbau der Zivilgesellschaft. Non-Profit-Organisationen und Dritter Sektor (= Sozialismus. Jg. 27, Suppl. 9). VSA, Hamburg 2000, ISBN 3-87975-956-1.
  • Mit Thomas Schmidt: Gibt es einen modernen Rechtsextremismus? Das Fallbeispiel Mecklenburg-Vorpommern. Friedrich-Ebert-Stiftung, Schwerin 2002, ISBN 3-89892-050-X.
  • Liberaler Kapitalismus oder soziale Demokratie? Die SPD auf dem Weg zu einem neuen Grundsatzprogramm. Bliemel, Banzkow 2003, ISBN 978-3-9809375-1-1.
  • Metamorphosen von rechts. Eine Einführung in Strategie und Ideologie des modernen Rechtsextremismus. Westfälisches Dampfboot, Münster 2003, ISBN 3-89691-595-9.[17]
  • Zur Zukunft der Hochschullandschaft von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020. SPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2004.

Herausgeberschaften

  • Singuläres Auschwitz? Ernst Nolte, Jürgen Habermas und 25 Jahre Historikerstreit. Adebor, Banzkow 2011, ISBN 978-3-9809375-9-7.[18]
  • Extremistenjäger!? Der Extremismus-Begriff und der demokratische Verfassungsstaat (= Endstation Rechts. Bd. 1). Adebor, Banzkow 2011, ISBN 978-3980937573.

Aufsätze (Auswahl)

  • Zwischen Hitlerismus und Ethnopluralismus. Ein etwas anderer Blick auf den deutschen Rechtsextremismus. In: Hartmut Brenneisen u. a. (Hrsg.): 60 Jahre Grundgesetz (= Polizei und Sicherheitsmanagement. Bd. 6). Lit, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-643-10636-0, S. 236–264.
  • Schmeißt Buschkowsky aus der SPD! In: Jürgen Bellers (Hrsg.): Zur Sache Sarrazin. Wissenschaft – Medien – Materialien. Lit, Berlin, ISBN 978-3-643-10991-0, S. 33–38.
  • Vom Verstehen zum Entlarven – über „neu-rechte“ und „jüdische Mimikry“ unter den Bedingungen politisierter Wissenschaft. In: Jahrbuch Extremismus & Demokratie. Bd. 23, 2011, S. 32–64.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Martin Otto: Parodie und Expertise: So intelligent kann Antifaschismus sein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. August 2010.
  2. Ein Mann mit Energie. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1. Mai 2016.
  3. Landtag Mecklenburg-Vorpommern: Biographie zu Mathias Brodkorb.
  4. Wahl zum Landtag von Mecklenburg-Vorpommern am 4. September 2011. Endgültiges Ergebnis. Gewählte Wahlkreisbewerber (Erststimmen)
  5. Pressemitteilung. Nr. 248/2011. Staatskanzlei, 25. Oktober 2011, abgerufen am 13. November 2015.
  6. Erstes Interview nach der Wahl: Was nun, Herr Brodkorb? In: Norddeutsche Neueste Nachrichten, 21. September 2016.
  7. Politikagenda: Politikagenda (PDF-Datei).
  8. Mathias Brodkorb: Lehraufträge.
  9. Stefan Wolter: Prora-inmitten der Geschichte, Bd. 1, Norderstedt 2015, ISBN 978-3-73863-237-8 und Wolfgang Repke: "Prora, Block V, TH 4", Einleitung von Stefan Wolter (Schriftenreihe Denk-MAL-Prora, Bd. 5), Halle 2013, S. 17, ISBN 978-3-95486-388-4
  10. Berliner Republik: Hitlers langer Schatten
  11. Mathias Brodkorb: Die Zukunft der Hochschullandschaft von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahre 2020 (PDF-Datei)
  12. Mathias Brodkorb: Dokumentation zur Fachkonferenz am 14. Januar 2005 in Warnemünde (PDF-Datei)
  13. http://www.news.de/wirtschaft/855086099/das-diplom-kehrt-in-mecklenburg-vorpommern-zurueck/1/
  14. http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/0426/bachelor.php5
  15. Brodkorb in endstation-rechts Donnerstag, den 21. April 2011 um 20:19 Uhr, Sarrazin bleibt Sozialdemokrat - Ein Kommentar
  16. http://library.fes.de/pdf-files/bueros/schwerin/01185-br.pdf
  17. Rezensionsnotizen bei Perlentaucher.
  18. Rezensionsnotizen bei Perlentaucher.