Nahverkehr

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Als Nahverkehr, in Bezug auf Siedlungen auch Ortsverkehr, werden Verkehrsleistungen bezeichnet, die über geringe Entfernungen erbracht werden. Dazu zählen der Güter- oder Personenverkehr im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), aber auch im Individualverkehr.

Umfang und Entwicklung des Begriffs

In einer Hierarchie der Ebenen der Verkehrsströme nach Aktionsradius wird der Nahverkehr/Ortsverkehr heute neben Regionalverkehr und Fernverkehr gesehen, wo er für die Feinerschließung im Siedlungsraum fungiert.[1]

„Der Ortsverkehr ist durch viele Kurzstreckenfahrten zwischen Gemeinde- oder Ortsteilen charakterisiert. Dazu zählen auch Fahrten ins und im unmittelbaren Umland.“[1]

Im öffentlichen Personenverkehr zeichnet sich der Nahverkehr aus durch:[1]

  • hohe Haltestellen- und Taktdichte
  • Orts-, City- und Quartierbusse – zur Feinerschließung
  • Straßenbahn- und Stadtbus- (und andere) Systeme – für gebündelte Verkehrsströme über Distanzen von mehr als 5 km

Dazu treten seit jüngeren Jahren trassenungebundene, aber bedarfsgesteuerte Systemen (wie Rufbusse, Sammeltaxis) für die Flächenbedienung weniger aufkommenstarker Relationen.

Im Straßenverkehr ist Nahverkehr durch ein meist dichtes Netz niederrangiger Straßen (Innerortsstraßen, Gemeindestraßen und ähnliche niederrangige Straßen) geprägt, die teils auch die Funktion haben, den Verkehr durch Siedlungsräume (Orte, Stadtteile) zu schleusen und den überörtlichen Straßenverbindungen zuzuführen (lokale Durchgangsstraßen).

In manchen Regionen spielt auch der Schiffsverkehr im Nahverkehr eine bedeutende Rolle, im öffentlichen, teils auch Individualverkehr, das betrifft Städte an Flüssen oder Seen ebenso wie Inselregionen.

Die Grenze des Nahbereichs ist dabei nicht genau definiert und von der Größe des zentralörtlichen Raumes bestimmt. Der Begriff Nahverkehr vermischt sich – im urbanen Raum – zunehmend mit Regionalverkehr, insbesondere durch den Aufbau von Verkehrsverbünden.

Ortsverkehr kann im Stadtbereich als innerstädtischer Nahverkehr umschrieben werden; für Großstädte ergeben sich dabei bereits größere Entfernungen von 30–50 km, teils noch mehr im Großstadtbereich. Städtische Ballungsräume können als Nahbereich aufgefasst werden – in solchen Bereichen wird u.a. das Nahverkehrssystem des Personennahverkehrs als gemeinsamer Verbundraum organisiert.

Im ländlichen Raum ist der Nahverkehr fast ausschließlich vom Individualverkehr geprägt, bewegt sich bis heute – im engeren Sinne als Ortsverkehr – in einem Radius von 5–10 km und ist relativ scharf vom regionalen Verkehr abgegrenzt. Hier gibt es meist nur einen zweckgebundenen öffentlichen Personennahverkehr, etwa Schulbusse, oft nur auf kommunaler Ebene (zum Gemeindehauptort als Schulstandort), während der Verkehr zu größeren Nachbarorten und regionalen Zentren (überörtlicher Verkehr) in Regional- und teils auch Fernverkehrskonzepte eingebunden ist (Überlandstraßen, Regionalbusse und -züge).

Im Laufe der Jahrzehnte bzw. seit der Industriellen Revolution erfolgte eine stetige Vergrößerung dieses Bereiches durch die Motorisierung, Mobilität im Alltag, und auch das zunehmend unbeschwerliche Reisen über größere Entfernungen. In den 1950er Jahren konnte als Nahbereich von einer Entfernung bis zu 50 km ausgegangen werden[2], Nahverkehrstarife gelten heute in Verkehrsverbund bis etwa 100 km und darüber hinaus.[3] Der Güterkraftverkehr geht für den Güternahverkehr von der an einem Arbeitstag erreichbaren Entfernung (mit Ladetätigkeit und Rückweg) aus.[4]
Gleichzeitig dehnt sich auch der Begriff des Regionalen aus: So wurden Nahverkehrszüge ab Mitte der 1990er Jahre zu „Regionalzügen“, durchaus Entfernungen von 300 km zurücklegen können. In Deutschland beispielsweise besteht für den Personenverkehr heute eine scharfe Trennung zwischen öffentlichem Personennahverkehr und schnellem Fernverkehr mit Intercity- und Hochgeschwindigkeitsverkehren.

Insgesamt wird Nah- beziehungsweise Ortsverkehr heute nicht mehr geographisch in einem konkreten Umfang, sondern – durch die vielfältigen verkehrstechnischen Erschließungssysteme – rein funktionell gesehen, im Verhältnis der Dichte der Anbindung an diese Verkehrssysteme zu den ortsüblichen Größenordnungen der Siedlungsstruktur und ihrer Kleinteiligkeit, also funktionale siedlungsgeographische Einheiten.

Zum anderen findet durch den „inflationären“ Gebrauch des Begriffs zunehmend auch eine Neu- (bzw. Rück-)Besetzung statt, so fokussiert eine österreichische Legaldefinition unter dem Begriff (Personen-)Nahverkehr auf Stadtverkehr und Vororteverkehr.[5]

Nahverkehr in Österreich

In Österreich ist der öffentliche Personennahverkehr Sache der Länder, Städte und Gemeinden, und im Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 (ÖPNRV-G) bundesweit geregelt.[6] Nahverkehr ist laut Gesetz[5] auf den Stadt-Umland-Verkehr fokussiert, während ländlicher Raum unter Regionalverkehr subsumiert wird.[7] Die Verkehrsverbünde sind seit spätestens 2007 für jedes Bundesland eingerichtet (womit Österreich weltweit das erste Land mit flächendeckenden, alle öffentlichen Verkehrssysteme umfassenden Takt- und Tarifsystemen ist).[8]

Im Straßenverkehr gibt es mit den Gemeindestraßen und den in Landesverwaltung übergeführten ehemaligen Bundesstraßen (B-Nummerung beibehalten) eine klare Abgrenzung von Nah-/Regionalverkehr zu Fernverkehr, mit den noch in Bundesverwaltung stehenden Autobahnen/Schnellstraßen und den ausgewiesenen Europastraßen, wobei in den wenigen Großstädten Österreich die Autobahnen oder Schnellstraßen jeweils auch eine wichtige Funktion als Stadtautobahn wahrnehmen. Nah-/Regionalverkehr ist in Österreich prinzipiell kostenlos, während für Autobahnen Maut anfällt (Vignette, GO-Box).

In Folge werden Nah- und Regionalverkehr gemeinsam betrachtet, Verkehrsplanung findet heute durchwegs im Kontext zentralörtlicher Betrachtung und im Rahmen von Gemeindeverbänden statt.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Heiner Monheim: Grundsätze für die Aufstellung von Nahverkehrsplänen und die Förderung eines attraktiven ÖPNV, Trier 1997, S. 28. Zitiert nach Michael Hölzinger: Strategische Bedeutung von Lobbyarbeit im Spiegel der historischen Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland. GRIN-Verlag, 2008, ISBN 978-363806303-6, S. 293 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. diese Grenze hat sich in Deutschland bei der Besteuerung (ermäßigter Mehrwertsteuersatz Quelle: Umsatzsteuergesetz § 12 Abs. 2 Nr. 10, bundesrecht.juris.de) und der Gewährung von Nachteilsausgleichen für Behinderte erhalten.
  3. etwa der DB: Die Produktklasse C des DB-Preissystems hat keine Kilometerbegrenzung, sie gilt für alle ausschließlich mit Regionalzügen ausgeführten Reisen.
  4. Güternahverkehr (Deutschland): „Heute wird im Gütertransportgewerbe der Güternahverkehr als Begriff benutzt, wenn es sich um Tagesfahrten handelt.“ In Deutschland hatte der Güternahverkehr gegenüber dem Güterfernverkehr über Jahrzehnte andere gesetzliche Grundlagen.
  5. a b „Unter Personennahverkehr im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Verkehrsdienste zu verstehen, die den Verkehrsbedarf innerhalb eines Stadtgebietes (Stadtverkehre) oder zwischen einem Stadtgebiet und seinem Umland (Vororteverkehre) befriedigen.“ § 2 (Begriffsbestimmungen) Z. 1 Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999, StF: BGBl. I Nr. 204/1999 (i.d.g.F. ris.bka)
  6. zur seinerzeitigen Reform siehe Wilhelmine Goldmann: Der öffentliche Personennah- und Regionalverkehr in Österreich. In: Österreichische Gemeinde-Zeitung (ÖGZ) 71 (2005), 8, S. 18–22 (online, ÖGZ-Beiträge, Jahresarchiv)
  7. In Österreich gibt es keine Stadt, die nicht von Grüngürtel umgeben wäre, selbst Wien bricht noch gutteils innerhalb der Stadtgrenzen recht unvermittelt in Landwirtschaftszonen und Wald ab. In den wenigen urbanen Ballungsräumen, wie etwa entlang der Thermenlinie südwärts von Wien, im Oberösterreichischen Zentralraum, Salzburger Becken, Tiroler Inntal, Vorarlberger Rheintal, Klagenfurter Becken überlappen sich die urbanen Einzugsgebiete nur linienhaft entlang der Flüsse oder Verkehrsachsen.
  8. Nahverkehr. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, bmvit.gv.at > Verkehr, abgerufen 18. Januar 2012