Politische Linke

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Unter der politischen Linken werden relativ breit gefächerte weltanschauliche Strömungen des politischen Spektrums verstanden. Die mitunter weit voneinander entfernten Strömungen der politischen Linken eint dabei, dass sie von der Gleichheit der Menschen ausgehen.[1][2][3] Mit linker Politik werden sehr unterschiedliche Umsetzungsversuche jener ideologischen Ansätze bezeichnet, welche die Aufhebung von Ungleichheit und als Unterdrückung begriffenen Sozialstrukturen, zugunsten der wirtschaftlich oder gesellschaftlich Benachteiligten, zum Ziel haben.[3] Ihr traditioneller Gegenpol ist die Politische Rechte.

Bereits unmittelbar vor der ersten – der „großen“ – Französischen Revolution (1789–1799) angewandt, hat sich der Begriff der politischen „Linken“ (und deren Gegenpol, der „Rechten“) während der sogenannten „Julimonarchie“ in Frankreich nach der Julirevolution von 1830 für die Einteilung der parlamentarischen Sitzordnung etabliert. Inhaltlich wurden damals unter der Linken zunächst alle in Opposition gegenüber den tradierten, monarchischen Herrschaftsformen der europäischen Staatsgebilde der frühen Neuzeit stehenden politischen Vorstellungen subsumiert. In diesem Verständnis wurden mit der Linken tendenziell antimonarchistische und republikanische, auch am klassischen Liberalismus orientierte politische Strömungen bezeichnet.

Im heutigen Sprachgebrauch wird unter einer „linken“ politischen Positionierung in der Regel eine Haltung verstanden, die sich ideologisch von mehr oder weniger ausgeprägten und gefestigten sozialistischen Grundsätzen ableitet. Er wird vor allem angewendet auf den Kommunismus und den Anarchismus, historisch stärker, in der Gegenwart eingeschränkter auch auf die Sozialdemokratie und bisweilen den Sozialliberalismus (bzw. auch Linksliberalismus).[4][5]

Obwohl die Einteilung der politischen Pole in rechts und links angesichts der Komplexität der modernen Anforderungen in der gesellschaftspolitischen Praxis sowohl auf nationalstaatlich-innenpolitischer und mehr noch auf internationaler Ebene zunehmend umstritten ist, ist eine entsprechende Einordnung im alltäglichen Sprachgebrauch weiterhin üblich und auch in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in den Massenmedien, verbreitet. Sie dient beispielsweise sowohl der eigenen weltanschaulichen Standortbestimmung und Identifikation von Individuen, politischen Gruppen und Parteien als auch der Abgrenzung von politischen Gegnern.

Definition

Die politische Linke versucht die herkömmliche, meist als reaktionär oder konservativ verstandene Politik, die am Rückschritt auf ehemalige (reaktionäre) oder Erhalt der bestehenden (konservativen) Staats- und Gesellschaftsstrukturen ausgerichtet ist, zu überwinden. Dem setzt sie eine progressive, das heißt als fortschrittlich verstandene Politik entgegen, die durch Reformen des Bestehenden, nicht selten auch durch revolutionäre Aktivitäten neue soziale, ökonomische und politische Verhältnisse zum Vorteil der eher unterprivilegierten Bevölkerungsschichten durchzusetzen versucht.

Ein klassisches Politikverständnis der Linken ist geprägt von einem egalitären Menschenbild, das heißt: Sie betrachtet unter anderem die Gleichberechtigung aller Menschen, unabhängig von nationalen, ethnischen, geschlechtlichen und anderen Gruppenzugehörigkeiten, als anzustrebendes politisches Ziel – gemäß den Idealen der Französischen Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ (liberté, égalité, fraternité). Daraus abgeleitet wurde und wird bis heute auch eine Politik der Chancengleichheit für alle Bevölkerungsschichten und schließlich die Forderung nach gleichem Zugang zum gesellschaftlichen, gerade auch materiellen, Reichtum. Das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit führte und führt bis zur Forderung nach einer gleichen Wohlstandsverteilung, Vergesellschaftung oder Verstaatlichung der Produktionsmittel und – in der Idealvorstellung des Kommunismus – zum Ziel einer klassenlosen Gesellschaft, oder im Anarchismus zu einer herrschaftsfreien, nicht staatlich strukturierten Gesellschaft.

Hervorgegangen aus den radikaldemokratischen und größtenteils antimonarchistischen liberalen Strömungen des frühen 19. Jahrhunderts, werden heute wesentlich vom Sozialismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen inspirierte Umsetzungsversuche der entsprechenden Weltanschauungen als linke Politik angesehen.

Unabhängig von der grundlegenden ideologischen Ausrichtung existieren bis heute in allen, auch als eher „rechts“ verstandenen (konservativ bis reaktionär geprägten) politischen Parteien, Organisationen und Gruppierungen sogenannte „linke Flügel“. Diese übernehmen in Einzelaspekten, beispielsweise zum Anspruch auf soziale Gerechtigkeit (zum Teil nur für bestimmte Teile der Bevölkerung), Forderungen, die aus den Idealen der klassischen Linken abgeleitet sind und die in den entsprechenden Parteien eine mehr oder weniger tolerierte Randposition einnehmen. Der „linke Flügel“ von aus ihrem Selbstverständnis heraus sich bereits als links (meist sozialdemokratisch, sozialistisch oder kommunistisch) verstehenden Parteien klagt oft eine konsequentere, radikalere (grundsätzlichere) Umsetzung des linken Anspruches ein und steht seinerseits meist am Rande des innerparteilichen Spektrums – ebenso wie der „rechte Flügel“ als dessen Gegenpart, den es entsprechend ebenfalls in jeder Partei gibt. Insofern sind die etikettierenden Begriffe „links“ und „rechts“ – bezogen auf das politische Spektrum – immer auch relativ zu dem zu sehen, was in der Gesellschaft eines Landes als „politische Mitte“ betrachtet wird.

Ursprünge

Die Unterscheidung nach „Linken“ und „Rechten“ in einem Parlament geht laut zeitgenössischer Mitschriften auf die Sitzordnung der Delegierten bei der Einberufung der Generalstände und der nachfolgenden Konstituante im Übergang zur französischen Nationalversammlung zwischen 1789 und 1791[6] zurück. Dort war der traditionell „ehrenvollere“ Sitz rechts vom Parlamentspräsidenten dem Adel vorbehalten, so dass das Bürgertum links saß. Von Frankreich aus breitete sich die Links-rechts-Unterscheidung in ganz Europa aus. Im Deutschen Bund während der Zeit der Märzrevolution konstituierte sich das Paulskirchenparlament von 1848 nach ihrem Muster. Hier saßen die republikanischen Abgeordneten, die den Sturz der damaligen monarchisch strukturierten deutschen Fürstentümer forderten, links, und die Vertreter des Status quo sowie die Befürworter einer konstitutionellen gesamtdeutschen Monarchie saßen rechts.

Später wurde diese Sitzordnung im tendenziellen Überblick übertragen auf andere Parlamente: Von reaktionären, nationalistischen Parteien auf der rechten Seite über konservative oder bürgerliche Parteien der politischen Mitte bis hin zu sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Parteien auf der linken Seite.

Parlamentarische Linke in Deutschland

Im engeren Sinn fordern die Anhänger einer parlamentarischen linken Politik in der Moderne oft Sozialleistungen und staatliche Interventionen in Wirtschaftsfragen, um die materielle Gleichstellung von sozial schwächeren Menschen zu fördern. Während die linken Parteien der Weimarer Republik den Freihandel als Maßnahme zur Senkung der Lebensmittelpreise befürwortet haben, gibt es in den Kreisen der politischen Linken seit der Globalisierung der 1990er Jahre oft eine Ablehnung von aktuelleren Freihandelsabkommen. Gefordert wird unter anderem, dass nicht alle Waren und Dienstleistungen, einschließlich der Bildungseinrichtungen, des öffentlichen Verkehrswesens und der Güter der Grundversorgung überall verkauft und gekauft werden dürfen. Gegenwärtig werden in Deutschland im Wesentlichen die Partei Die Linke und Teile von Bündnis 90/Die Grünen als Vertreter einer eher linken parlamentarischen Politik verstanden. In der SPD prägte Willy Brandt den Begriff der „Neuen Mitte“. Der Bremer Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm der SPD vom Januar 2007 bezeichnete die SPD noch als „Partei der solidarischen Mitte“, das aktuelle Grundsatzprogramm (Hamburger Programm) spricht von einer „linken Volkspartei“.

Außerparlamentarische Linke

Von jeher war linke Politik jedoch nicht nur auf Parlamentspolitik beschränkt. Unter anderem im 19. Jahrhundert blieben linke Parteien und Gruppen über relativ große Zeiträume hinweg aus Parlamenten ausgegrenzt, waren verboten oder infolge eines Zensuswahlrechts in der Relation zu den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen in der Bevölkerung nur unterrepräsentiert in den Kammerparlamenten vertreten. Dies galt insbesondere für sozialistisch inspirierte Zusammenschlüsse, die gerade im 19. Jahrhundert, aber auch bis in die Gegenwart hinein, revolutionäre Umwälzungen anstrebten und teilweise auch umsetzten. Entsprechend waren diese Gruppen auch immer vor Ort aktiv an Revolutionen, Aufständen, Revolten und anderen sozialen (Klassen-)Kämpfen über die gesamte Neuzeit hinweg beteiligt oder führten diese an.

Außerparlamentarisch existieren heute viele politische Gruppierungen mit unterschiedlicher Wirkungskraft, die sich auf linke Positionen beziehen. Die inhaltlichen Vorstellungen darüber, was linke Politik mit welchen Mitteln anstrebt, sind sehr heterogen.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. T. Alexander Smith, Raymond Tatalovich: Cultures at War: Moral Conflicts in Western Democracies. Broadview Press, Toronto 2003, S. 30.
  2. Norberto Bobbio, Allan Cameron: Left and Right: The Significance of a Political Distinction. University of Chicago Press, 1997, S. 37.
  3. a b Steven Lukes: Epilogue: The Grand Dichotomy of the Twentieth Century. (PDF; 240 kB). T. Ball, R. Bellamy (eds.): The Cambridge History of Twentieth-Century Political Thought.
  4. Ian Adams: Political Ideology Today (Politics Today). Manchester University Press, Manchester 2001, ISBN 0-7190-6020-6, S. 32: „Liberal parties in Europe now find their niche at the centre of the political spectrum“.
  5. Hans Slomp: European Politics Into the Twenty-First Century: Integration and Division. Praeger, Westport 2000, ISBN 0-275-96814-6, S. 35: „Conservative liberals occupy a place at the right end, social liberals in the middle.“
  6. Jean A. Laponce: Left and Right, The Topography of Political Perceptions. Toronto / Buffalo / London 1981