Scheduled Tribes
Als Scheduled Tribes (ST, Hindi अनुसूचित जनजाति, „gelistete Stammesbevölkerungen“) werden in Indien bestimmte kulturell-soziologisch bzw. ethnolinguistisch definierte indigene Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die als unterprivilegiert angesehen werden und denen nach der indischen Verfassung Sonderrechte eingeräumt werden. Der Begriff ist in gewisser Hinsicht komplementär zum Begriff der Scheduled Castes.
Begriffsdefinition und -Geschichte
Nr. | Bezeichnung | Datum | Betroffene Bundesstaaten und Unionsterritorien[Anm. 1] |
---|---|---|---|
1 | The Constitution (Scheduled Tribes) Order 1950 (C.O.22) | 6.9.1950 | Andhra Pradesh, Arunachal Pradesh, Assam, Bihar, Gujarat, Goa, Himachal Pradesh, Karnataka, Kerala, Madhya Pradesh, Maharashtra, Manipur, Meghalaya, Mizoram, Odisha, Rajasthan, Tamil Nadu, Telangana, Tripura, Westbengalen |
2 | The Constitution (Scheduled Tribes) (Union Territories) Order, 1951 (C.O.33) | 20.9.1951 | Daman und Diu, Lakshadweep |
3 | The Constitution (Andaman AndNicobar Islands) Scheduled Tribes Order, 1959 (C.O. 58) | 31.3.1959 | Andamanen und Nikobaren |
4 | The Constitution (Dadra & Nagar Haveli) Scheduled Tribes Order, 1962 (C.O. 65) | 30.6.1962 | Dadra und Nagar Haveli |
5 | The Constitution (Uttar Pradesh) Scheduled Tribes Order, 1967 (C.O. 78) | 24.6.1967 | Uttar Pradesh |
6 | The Constitution (Nagaland) Scheduled Tribes Order, 1970 (C.O.88) | 23.7.1970 | Nagaland |
7 | The Constitution (Sikkim) Scheduled Tribes Order, 1978 (C.O.111) | 22.6.1978 | Sikkim |
8 | The Constitution (Jammu & Kashmir) Scheduled Tribes Order, 1989 (C.O. 142) | 7.10.1989 | Jammu und Kashmir |
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Die Väter der indischen Verfassung, namentlich Bhimrao Ramji Ambedkar, waren sehr darauf bedacht, das Prinzip der Chancengleichheit in der sehr stark durch Kastendenken, sowie religiöse und ethnische Grenzen bestimmten heterogenen Bevölkerung Indiens festzuschreiben. In Artikel 46 der 1949 verabschiedeten und 1950 in Kraft getretenen Verfassung hieß es:
“The State shall promote with special care the educational and economic interests of the weaker sections of the people, and, in particular, of the Scheduled Castes and the Scheduled Tribes, and shall protect them from social injustice and all forms of exploitation.”
„Der Staat soll sich besonders um die Bildung und die wirtschaftlichen Interessen der schwächeren Teile der Bevölkerung kümmern, in besonderem Maße um die Scheduled Castes und Scheduled Tribes, und soll diese Gruppen vor sozialen Ungerechtigkeiten und allen Formen der Ausbeutung schützen.“
In Artikel 342 wurde bestimmt, dass der Staatspräsident das Recht haben sollte, bestimmte Bevölkerungsgruppen („Stämme oder Stammesgemeinschaften oder Gruppen davon“) nach Konsultation mit dem Gouverneur des entsprechenden Bundesstaats oder Unionsterritoriums als Scheduled Tribe zu spezifizieren. Die entsprechenden Erlasse des Präsidenten sollten nur per Parlamentsbeschluss geändert werden können. Obwohl dies in der Verfassung nicht explizit spezifiziert war, war diese Bezeichnung für Bevölkerungsgruppen gedacht, die eine distinkte, eigene Kultur aufwiesen und in primitiven, „zurückgebliebenen“ Lebensformen, abgeschieden von der übrigen Bevölkerung in einem geografisch umgrenzten Gebiet lebten.
Der Verfassungsartikel 338 bestimmte das Amt eines Kommissars für Scheduled Castes und Scheduled Tribes (Commissioner for Scheduled Castes and Scheduled Tribes), der den Staatspräsidenten in diesen Angelegenheiten unterstützen und ihm Bericht erstatten sollte.[2] Es wurden 17 regionale Behörden in ganz Indien eingerichtet, um den Kommissar in diesen Aufgaben zu unterstützen. Am 21. Juli 1978 wurde das Amt des Kommissars durch die Kommission für Scheduled Tribes und Scheduled Castes (Commission for Scheduled Castes and Scheduled Tribes, am 1. September 1987 umbenannt in National Commission for Scheduled Castes and Scheduled Tribes) ergänzt. Diese Kommission erhielt mit dem 65. Verfassungszusatz vom 12. März 1992 Verfassungsrang und ersetzte das Amt des Kommissars. Mit dem 89. Verfassungszusatz vom 19. Februar 2004, der den Artikel 338 durch einen Artikel 338A ergänzte, wurde die Kommission zwei Kommissionen geteilt, die jeweils für Scheduled Castes und Scheduled Tribes zuständig waren (National Commission for Scheduled Castes und National Commission for Scheduled Tribes). Die letztgenannte ist seitdem mit den Angelegenheiten der Scheduled Tribes befasst.[3]
Seit 1950 haben indische Staatspräsidenten insgesamt 9 entsprechende Erlasse herausgegeben, von denen 8 noch in Kraft sind (einer, der Constitution (Goa, Daman & Diu) Scheduled Tribes order 1968, verlor seine Gültigkeit, nachdem das Unionsterritorium Goa 1987 in einen Bundesstaat umgewandelt wurde). Um als Angehöriger eines Scheduled Tribe anerkannt zu werden, muss ein Antragsteller verschiedene Bedingungen erfüllen:
- die betreffende Person und ihre Eltern müssen per Geburt tatsächlich zu der entsprechenden Gruppe gehören; Ehepartner eines ST-Angehörigen werden nicht als ST-Angehörige anerkannt,
- die Person muss aus dem Bundesstaat und der Region (Scheduled Areas) stammen, in der die betreffende Gruppe als ST anerkannt ist,
- die Person kann einer beliebigen Religionsgemeinschaft angehören (dies ist ein Unterschied zu den Scheduled Castes, wo nur Hindus, Sikhs, und Buddhisten eingeschlossen werden).
Erfüllt ein Antragsteller, diese Bedingungen, kann er von den Behörden ein Zertifikat ausgestellt bekommen, dass er Angehöriger eines ST ist. Das Zertifikat muss nach bestimmten Vorgaben formuliert sein. Dies berechtigt zu bevorzugter Behandlung bei der Vergabe von staatlichen Stellen oder beispielsweise Studienplätzen. 7,5 % der gesamtstaatlichen Stellen sind für Angehörige von Scheduled Tribes reserviert. Für die einzelnen Bundesstaaten und Unionsterritorien gelten Quoten, die an den Bevölkerungsanteilen der ST orientiert sind.[4]
Statistiken
Anteil an der Bevölkerung der Bundesstaaten und Unionsterritorien
In den beiden Bundesstaaten Haryana und Punjab sowie in den Unionsterritorien Chandigarh, Delhi und Puducherry gibt es keine Scheduled Tribes.
Bundesstaat/ Unionsterritorium |
Bevölkerung | Scheduled Tribes |
Prozent SC |
---|---|---|---|
Andhra Pradesh* | 84.580.777 | 5.918.073 | 7,0 |
Arunachal Pradesh | 1.383.727 | 951.821 | 68,8 |
Assam | 31.205.576 | 3.884.371 | 12,4 |
Bihar | 104.099.452 | 1.336.573 | 1,3 |
Chhattisgarh | 25.545.198 | 7.822.902 | 30,6 |
Goa | 1.458.545 | 149.275 | 10,2 |
Gujarat | 60.439.692 | 8.917.174 | 14,8 |
Haryana | 25.351.462 | 0 | 0,0 |
Himachal Pradesh | 6.864.602 | 392.126 | 5,7 |
Jammu und Kashmir | 12.541.302 | 1.493.299 | 11,9 |
Jharkhand | 32.988.134 | 8.645.042 | 26,2 |
Karnataka | 61.095.297 | 4.248.987 | 7,0 |
Kerala | 33.406.061 | 484.839 | 1,5 |
Madhya Pradesh | 72.626.809 | 15.316.784 | 21,1 |
Maharashtra | 112.374.333 | 10.510.213 | 9,4 |
Manipur | 2.570.390 | 902.740 | 35,1 |
Meghalaya | 2.966.889 | 2.555.861 | 86,1 |
Mizoram | 1.097.206 | 1.036.115 | 94,4 |
Nagaland | 1.978.502 | 1.710.973 | 86,5 |
Orissa | 41.974.218 | 9.590.756 | 22,8 |
Punjab | 27.743.338 | 0 | 0,0 |
Rajasthan | 68.548.437 | 9.238.534 | 13,5 |
Sikkim | 610.577 | 20.636 | 3,4 |
Tamil Nadu | 72.147.030 | 794.697 | 1,1 |
Tripura | 3.673.917 | 1.166.813 | 31,8 |
Uttarakhand | 10.086.292 | 291.903 | 2,9 |
Uttar Pradesh | 199.812.341 | 1.134.273 | 0,6 |
Westbengalen | 91.276.115 | 5.296.953 | 5,8 |
Andamanen und Nikobaren | 380.581 | 2.853 | 0,7 |
Chandigarh | 1.055.450 | 0 | 0,0 |
Dadra und Nagar Haveli | 343.709 | 178.564 | 52,0 |
Daman und Diu | 243.247 | 15.363 | 6,3 |
Delhi | 16.787.941 | 0 | 0,0 |
Lakshadweep | 64.473 | 6.112 | 9,5 |
Puducherry | 1.247.953 | 0 | 0,0 |
Indien | 1.210.569.573 | 104.281.034 | 8,6 |
- einschließlich von Telangana
Soziale Entwicklungsindikatoren
Die Statistiken der indischen Volkszählungen zeigen, dass die Scheduled Tribes in praktisch allen sozialen Entwicklungsinddikatoren schlechter abschneiden, als die übrige Bevölkerung. Bildungsgrad, der Gesundheitszustand bzw. die gesundheitliche Versorgung sind schlechter. Armut, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus sind häufiger, und die soziale Stellung der Frauen ist im Allgemeinen ungünstiger.[6] Als ein Gradmesser für die soziale Entwicklung kann die Alphabetisierungsrate der Scheduled Tribes im Vergleich zur Gesamtbevölkerung gelten. Hier zeigte sich bei den Volkszählungen der letzten Jahrzehnte eine deutlich höhere Analphabetenrate bei den Scheduled Tribes, auch wenn der Abstand zur übrigen Bevölkerung langsam abgenommen hat.
Jahr | 1961 | 1971 | 1981 | 1991 | 2001 | 2011 |
---|---|---|---|---|---|---|
Gesamtbevölkerung | 28,3 % | 34,45 % | 43,57 % | 52,21 % | 64,84 % | 72,99 % |
Scheduled Tribes | 8,53 % | 11,30 % | 16,35 % | 29,60 % | 47,10 % | 58,96 % |
Differenz | 19,77 % | 18,15 % | 19,88 % | 22,61 % | 18,28 % | 14,03 % |
Bevölkerungsstärkste Scheduled Tribes
Die folgende Tabelle zeigt eine Liste der bevölkerungsstärksten Scheduled Tribes mit den von von ihnen bewohnten Bundesstaaten und Unionsterritorien (mehr als 500.000 Angehörige nach dem Zensus 2001).[7]
Rang | Stammesname | Bevölkerungs- zahl |
Bundesstaaten und Unionsterritorien |
---|---|---|---|
1 | Bhil | 12.689.952 | Tripura, Madhya Pradesh, Rajasthan, Chhattisgarh, Andhra Pradesh, Gujarat, Maharashtra, Karnataka |
2 | Gond | 10.859.422 | Bihar, Westbengalen, Jharkhand, Orissa, Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Gujarat, Andhra Pradesh, Karnataka |
3 | Santal | 5.838.016 | Bihar, Tripura, Westbengalen, Orissa, Jharkhand |
4 | Mina | 3.800.002 | Rajasthan, Madhya Pradesh |
5 | Naikda | 3.344.954 | Karnataka, Rajasthan, Gujarat, Daman und Diu, Dadra und Nagar Haveli, Maharashtra, Goa |
6 | Oraon | 3.142.145 | Bihar, Westbengalen, Jharkhand, Orissa, Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Maharashtra |
7 | Sugalis | 2.077.947 | Andhra Pradesh |
8 | Munda | 1.918.218 | Bihar, Westbengalen, Jharkhand, Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Tripura, Orissa |
9 | Naga | 1.820.965 | Nagaland |
10 | Khond | 1.397.384 | Bihar, Westbengalen, Jharkhand, Orissa |
11 | Bodo (auch: Boro) | 1.352.771 | Assam |
12 | Koli Mahadev | 1.227.562 | Maharashtra |
13 | Khasi | 1.138.356 | Mizoram, Meghalaya, Assam |
14 | Kol | 991.400 | Orissa, Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Maharashtra |
15 | Varli | 974.916 | Gujarat, Daman und Diu, Dadra und Nagar Haveli, Maharashtra, Karnataka, Goa |
16 | Kokna | 926.763 | Dadra und Nagar Haveli, Rajasthan, Gujarat, Maharashtra, Karnataka |
17 | Kawar | 812.770 | Orissa, Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Maharashtra |
18 | Ho | 806.921 | Bihar, Westbengalen, Jharkhand, Orissa |
19 | Gujjar | 799.344 | Jammu und Kashmir, Himachal Pradesh |
20 | Korku | 774.196 | Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Maharashtra |
21 | Bhumij | 765.909 | Westbengalen, Jharkhand, Orissa |
22 | Garo | 725.502 | Nagaland, Mizoram, Meghalaya, Assam, Westbengalen, Tripura |
23 | Koya | 692.435 | Orissa, Maharashtra, Andhra Pradesh, Karnataka |
24 | Mizo (Lushai) | 667.764 | Manipur, Mizoram, Meghalaya, Assam |
25 | Halba | 639.094 | Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Maharashtra |
26 | Dharua | 630.469 | Gujarat, Daman und Diu, Dadra und Nagar Haveli, Maharashtra, Karnataka, Goa |
27 | Dubla | 627.599 | Gujarat, Daman und Diu, Dadra und Nagar Haveli, Maharashtra, Goa |
28 | Mising (Miri) | 587.310 | Assam, Arunachal Pradesh |
29 | Tripuri | 543.848 | Tripura |
30 | Rathawa | 536.135 | Gujarat, Maharashtra, Karnataka |
31 | Saharia | 527.015 | Chhattisgarh, Madhya Pradesh, Rajasthan |
Weblinks
- Alphabetische Liste der Scheduled Tribes, sortiert nach Bundesstaaten und Unionsterritorien bei der Zensusbehörde Indiens (PDF, Englisch/Hindi) und beim Ministerium für Stammesangelegenheiten (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Article 46 in The Constitution Of India 1949. 1949, abgerufen am 24. September 2016 (englisch).
- ↑ Article 338 in The Constitution Of India 1949. 1949, abgerufen am 24. September 2016 (englisch).
- ↑ National Commission for Scheduled Tribes – Handbook 2015. (PDF) Abgerufen am 24. September 2016 (englisch).
- ↑ Reservation for Scheduled Castes/Scheduled Tribes and Other Backward Classes. (PDF) Abgerufen am 24. September 2016 (englisch).
- ↑ Section-1 : Demographic Status of Scheduled Tribe population and its distribution, Tabelle T 1.6: State-wise Demographic Status of Total Population & ST Population (Census 1991, 2001 & 2011), their decadal growth rate (from 2001) and proportions of STs to the State and to the Country’s total population. (PDF) Ministerium für Stammesangelegenheiten, abgerufen am 24. September 2016 (englisch).
- ↑ a b STATISTICAL PROFILE OF SCHEDULED TRIBES IN INDIA 2013. (PDF) Ministerium für Stammesangelegenheiten, 2013, abgerufen am 28. September 2016 (englisch).
- ↑ Demographic Status of Scheduled Tribe Population of India. (PDF) Indisches Ministerium für Stammesangelegenheiten, abgerufen am 3. Oktober 2016 (englisch).