Schützenfest

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Schützenausmarsch in Hannover, 2009
Schützen auf dem Schützenfest Hannover

Ein Schützenfest ist ein Volksfest, das sich aus dem regelmäßigen Treffen von Schützenbruderschaften bzw. Schützenvereinen herleitet. Im Verlauf des Festes wird in der Regel in einem Schießwettbewerb der beste Schütze (Schützenkönig) bestimmt. Einige lokale Bräuche ermitteln den Schützenkönig auch durch andere Wettbewerbe, wie Ringstechen, Vogelschießen, Scheibenschießen oder das Schießen mit Pfeil und Bogen.

Geschichte

Im Mittelalter mussten sich einige Städte noch selber vor Plündererbanden schützen. Aus diesem Grund wurden Vereine gegründet, die einer Bürgerwehr ähnelten. Mit dem von König Heinrich I. im Jahr 924 erlassenen Gesetz zur Wehrverfassung der Städte wurden diese Bürgerwehren, zumindest was Siedlungen mit Stadtrecht betrifft, dann erstmals auch sanktioniert und offizieller Teil der Stadtverteidigung. Im Zusammenhang mit den Übungen und den Musterungen der Aufgebote der Städte wurden Feierlichkeiten, verbunden mit Umzügen, veranstaltet. Zu diesen Schützenhöfen wurden auch Teilnehmer aus befreundeten Gemeinden und teilweise auch die feudalen Stadtoberhäupter eingeladen. Der selbstbewusste Charakter dieser Veranstaltungen der Bürger wurde aber nicht zu allen Zeiten von der Obrigkeit gebilligt. Daher entwickelten sich regional sehr unterschiedliche Traditionen. Die militärische Bedeutung dieser Einrichtungen nahm über die Jahrhunderte ab und wurde mit dem Aufstellen regulärer Truppen und Garnisonen zur Landesverteidigung bedeutungslos. Die Schützenfeste und Schützenvereine blieben als heimatliche Tradition und regionale Brauchtumspflege.

Im Gegensatz dazu haben Schützenfeste in der militärischen Miliztradition der Schweiz (ohne stehendes Heer) ihren Wehrcharakter weitgehend behalten. Sie haben auch eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt der verschiedenen Sprachregionen gespielt, insbesondere die Eidgenössischen Schützenfeste in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bis heute spielt das Militär mit Finanzierungsbeihilfen eine wichtige Rolle. Die Teilnahme am jährlich durchgeführten Eidgenössischen Feldschiessen ist kostenlos. Es wurde insbesondere gegründet um die Treffsicherheit der Wehrmänner zu verbessern. Bis 1996 musste jeder Armeeangehörige in einem der Schützenvereine der Schweiz Mitglied werden und das "Obligatorische Programm" absolvieren. Bei den seither verbliebenen Mitgliedern stehen die Tradition, Kameradschaft und die sportliche Herausforderung im Vordergrund.

Die Bräuche um das Schützenfest werden vor allem in Bayern und Niedersachsen, aber auch am Niederrhein, Mittelrhein und in Westfalen (insbesondere im Sauerland mit dem Dachverband Sauerländer Schützenbund und dem angrenzenden Siegen-Wittgenstein) mit Schützenumzügen gepflegt. An die alte Tradition wird seit der deutschen Wiedervereinigung auch in Ostdeutschland wieder angeknüpft. Die mit den Schützenfesten verbundenen Traditionen können regional sehr unterschiedlich sein.

Das Bremer Schützen- und Volksfest zu Oberneuland (1846, Holzstich-Illustration aus der Illustrirten Zeitung).

Zu diesen regionalen Traditionen gehört unter anderem der „Fahnenschlag“ (ein spezielles Fahnenschwenken). Es symbolisiert die Fesselung des heiligen St. Sebastianus, des Schutzpatrons der Jungschützen. Der Fahnenschlag und auch das Fahnenschwenken werden nach festgelegten Regeln durchgeführt, welche in der Bundesfahnenschwenkerordnung festgelegt sind, sodass auf Wettbewerben Schiedsrichter die Darbietungen auch bewerten können.

Schützenfeste können von einem bis zu mehreren Tagen dauern und von unterschiedlichen Beiprogrammen begleitet sein. Sie finden oft in einem Festsaal der lokalen Gastwirtschaft oder in einem extra aufgebauten Festzelt statt. Im Sauerland sowie im angrenzenden Kreis Siegen-Wittgenstein haben die meisten Orte eine eigene Schützenhalle, die für die Schützenfeste genutzt wird. Viele Schützenfeste beginnen mit einem festlichen Umzug, bei dem der amtierende Schützenkönig mit seinem Hofstaat, von seinen Vereinsmitgliedern abgeholt, mit Musik durch den Ort zum Schützenplatz oder Festzelt marschiert oder kutschiert wird. Rund um das Festzelt wird oft ein Jahrmarkt oder eine Kirmes errichtet.

Schützenfeste in Deutschland

Historische Zeitungsanzeige aus dem Jahr 1898 für ein Schützenfest in Deutschland

Einige Schützenfeste leiten sich vom sogenannten Freischießen ab. Beim Freischießen konnte sich der beste Schütze für ein Jahr von seinen Steuerabgaben „freischießen“ oder sich andere Privilegien erkämpfen (bis hin zum Recht auf Heirat, wie in der Oper „Der Freischütz“ dargestellt). Auf diese Tradition berufen sich noch heute einige Schützenfeste, besonders im Raum Hannover. In Springe-Eldagsen, Peine und Wennigsen (Deister) werden die Feste noch heute als Freischießen bezeichnet. Eine Steuerbefreiung ist heute mit der Königswürde allerdings nicht mehr verbunden.

Das erste Schützenfest auf bayerischem Boden fand anno 1427 in München statt. Bei diesem „Hosenschießen“ wurde mit Büchsen und Armbrüsten geschossen, um einen der 15 Preise zu erwerben: 15 Paar Hosen.[1]

Im Sommer 1846 fand das Bremer Schützen- und Volksfest zu Oberneuland statt. Es war das erste Bremer Schützenfest und wurde vom Bremer Schützenverein von 1843 nahe von Bremen in der damals noch selbstständigen bremischen Landgemeinde Oberneuland (seit 1921/23 bzw. 1945 zu Bremen gehörig) veranstaltet. Das pompöse Schützen- und Volksfest erregte seinerzeit auch außerhalb Bremens Aufsehen. Es wurde nur einmal, 1847, in der gleichen Form und am selben Ort wiederholt.

Seit mehr als 130 Jahren wird im niedersächsischen Exten in einem mehrtägigen Schützenfest Napoléon III. in der Schlacht im Exterfeld geschlagen. Es handelt sich um ein alljährliches überregionales Fest mit persifliert nachempfundenem Schlachtverlauf. Es führt zurück auf die Zeit um den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.

In Uelzen wird alle fünf Jahre das „Grenzbeziehen“ begangen (Schnadegang). Dort kontrollieren seit dem Mittelalter die Schützen, ob die Grenzmarken der städtischen Ländereien noch an ihrem alten Platz sind.

Beim Vogelschießen wird heute nicht mehr auf einen richtigen Vogel geschossen, sondern auf eine aus Holz gebaute Vogelattrappe. Derjenige, der die letzten Reste von der Vogelstange holt, ist der Schützenkönig. Beim Adlerschießen (zum Beispiel am Ravensburger Rutenfest) wird auf einen hölzernen Reichsadler geschossen, dessen Insignien und Federn einzeln abgeschossen werden können; Schützenkönig ist hier der Schütze des Reichsapfels. Es gibt allerlei Tiermotive bei Schützenfesten, so wird zum Beispiel beim historischen Schützenfest in Biberach an der Riß (Biberacher Schützenfest) auf einen Biber gezielt.

Besondere Schützenfeste

Schützenmedaille zum 1. Deutschen Schützenfest in Frankfurt am Main 1862, Vorderseite.
Schützenmedaille zum 1. Deutschen Schützenfest in Frankfurt am Main 1862, Rückseite.

Das Deutsche Schützenfest

Seit 1862 fanden die Bundesschießen des Deutschen Schützenbundes in großen deutschen Städten statt. Vor Gründung des Deutschen Reiches auch in Wien (3. Deutsches Bundesschießen 1868). Vorläufig das letzte Bundesschießen war 2011 in Gotha.

Schützenfest Hannover

Festhalle Alt Hanovera auf dem Schützenfest in Hannover

Das Schützenfest Hannover gilt als das größte Schützenfest der Welt. Auf dem etwa 10 ha großen Schützenplatz Hannover befinden sich rund 240 Schausteller, darunter fünf Festzelte mit täglich wechselndem Programm, 5 Feierbereiche und zahlreiche weitere kleinere Zelt- und Gastronomieanlagen. Höhepunkt ist der am ersten Schützenfest-Sonntag stattfindende 10 km lange Schützenausmarsch mit rund 10.000 Teilnehmern aus dem In- und Ausland, darunter Schützen, Kapellen und Spielmannszüge, sowie über 40 Festwagen und Kutschen. Er ist damit der längste und größte Schützenausmarsch der Welt. Je nach Wetterlage besuchen 150.000 bis 300.000 Menschen den Schützenausmarsch. Zum Rahmenprogramm des Schützenfestes gehören u.a. die Bruchmeisterverpflichtung, das Festessen der Schützen, die 5 Siegerehrungen (städtisches Schießen Tage 1-3, städtisches Pokalschießen und Volkskönigsschießen), das Papageienschießen für Jedermann, der Niedersachsentag mit mehreren hundert Schützen aus der Südheide, sowie der Fackelzug mit dem anschließenden Zapfenstreich. Über 1 Million Menschen besuchen jedes Jahr das 10-tägige Schützenfest. Darüber hinaus gibt es in Hannover 70 Schützenvereine und -gesellschaften. 1955 wurde Hannover der offizielle Ehrentitel „Schützenstadt“ verliehen.

Neusser Bürger-Schützenfest

Das Neusser Bürger-Schützenfest ist das Schützenfest der Stadt Neuss am Rhein. Es wird jährlich am letzten Augustwochenende ausgerichtet. Mit mehr als 7000 marschierenden Schützen und ca. 1600 Musikern ist es zwar kleiner als das Schützenfest Hannover, gilt aber als das weltweit größte Schützenfest, das von einem einzigen Schützenverein organisiert wird und bei dem keine Gastzüge aus anderen Städten teilnehmen. Im Jahr 2012 wurde die Rekordzahl von 7259 Marschierern erreicht. Das Schützenfest ist mit seiner Königsparade, den Festzügen, dem Königsschießen sowie etlichen Begleitveranstaltungen ein gesellschaftlicher Höhepunkt in Neuss sowie der näheren und weiteren Umgebung und zieht bis zu einer Million Besucher an. Rekordjahr war das Jahr 2007 mit 1,5 Millionen Besuchern.

Europaschützenfest

Alle drei Jahre findet das sogenannte Europaschützenfest statt, das von der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen (EGS) organisiert wird. Hierzu erscheinen Schützen aus mehreren Nationen, unter anderem aus Deutschland, Niederlande, Belgien, Frankreich und Polen.

Beim Europaschützenfest 2003 in Vöcklabruck (Oberösterreich) nahmen etwa 25.000 Schützen teil, etwa ebenso viele beim Europaschützenfest 2006 in Heeswijk in den Niederlanden. Das 18. Europaschützenfest fand vom 28. bis 30. August 2015 in Peine (Niedersachsen) statt.

Schützenfeste in der Schweiz

Gelände des Eidgenössischen Freischießens in Aarau (1849)
Blick vom Schießstand in Richtung der Scheiben 300 m beim Eidg. Schützenfest in Frauenfeld (2005)
Schütze in der Schießstellung beim Eidg. Schützenfest in Frauenfeld
Schießstand am Eidg. Schützenfest in Frauenfeld

Eidgenössische Schützenfeste werden auch als Freischießen bezeichnet, vor allem in der Schweiz (nach dortiger Rechtschreibung Freischiessen). In der Geschichte und im politischen Leben der Schweiz spielten Schützenvereinigungen und Freischießen eine bedeutende Rolle. In der Gegenwart finden die nationalen Schießwettkämpfe „Eidgenössisches Schützenfest“ alle fünf Jahre statt. Es handelt sich um sportliche Großveranstaltungen mit Sportfestcharakter. 2005 besuchten an die 70 000 Personen das eidgenössische Schützenfest in Frauenfeld, 50.000 Schützen nahmen an den Wettkämpfen im Pistolenschießen über 25 und 50 m und im Schießen mit Sport- und Ordonnanzgewehren (Kaliber 7,5 mm Swiss (GP 11) oder 5.6 mm (Gw Pat 90)) über 300 m teil. Aus dieser großen Anzahl Teilnehmer leitet sich auch der Anspruch auf den Titel des „größten Schützenfestes der Welt“ ab. Ein jährlich veranstaltetes und noch größeres Ereignis ist mit rund 150.000 Teilnehmern das „Eidgenössische Feldschiessen“; es wird aber über das ganze Land verteilt dezentral an jeweils zwei Tagen durchgeführt. Im Gegensatz zu den deutschen Schützenfesten sind an Schweizer Schützenfesten in der Regel keine Schaubuden und andere Belustigungen üblich (Ausnahme: Zürcher Knabenschiessen). Die folgende Galerie vermittelt einen Eindruck von der technischen Organisation solcher Massenwettkämpfe.

Zu den eidgenössischen Schützenfesten kommen noch die kantonalen Schützenfeste wie auch Landes- oder Landesteilschießen wie auch weitere regionale und örtliche Schießen. Das sind jährlich etwa drei Dutzend Schützenfeste, verteilt über das ganze Land. Organisatoren von Schützenfesten können Kantonal-, Unterverbands- und Landesteilverbände sowie Vereine bzw. besondere Trägerorganisationen sein. Sofern diese vom Schweizerischen Schießsportverband (SSV) bewilligt sind, erscheinen sie im vom SSV publizierten Schützenkalender. Diese haben zum Teil mehrhundertjährige Traditionen; so findet, als einzelne Beispiele herausgegriffen, das Toggenburger Landschießen im Jahr 2009 schon zum 356. Male statt, oder das Zürcher Knabenschiessen seit 1889.

Sonstiges

  • Der französische Filmregisseur Jacques Tati drehte einen amüsanten Film rund um Begebenheiten während eines Dorffestes, der den deutschen Titel „Tatis Schützenfest“ (Jour de fête, 1949) bekam. Tatsächlich findet im Film jedoch gar kein Schützenfest statt. Tatis Film war der erste französische Farbfilm.
  • Wenn bei einem Fußballspiel sehr viele Tore fallen, spricht man auch umgangssprachlich von einem „Schützenfest“.
  • Das Biberacher Schützenfest hat, trotz Namensgleichheit, nichts mit den in West- und Norddeutschland üblichen Schützenfesten zu tun. Es gehört vielmehr zu den historischen Kinderfesten in Süddeutschland, war wohl ursprünglich ein Schulfest und erhielt seinen Namen wahrscheinlich von seinem Standort, dem „Schützenberg“. Das so genannte „Biberschießen“ (siehe oben), bei dem die älteren Schulklassen mit Armbrusten auf eine Bibertafel schießen, ist nur ein Programmpunkt unter einer großen Vielfalt an Festveranstaltungen.[2]
  • Das erste öffentliche Schützenfest in Deutschland, bei dem mit Feuerwaffen geschossen wurde, fand 1498 in Leipzig statt. Das so genannte „Fürstenschießen“ war das erste deutschlandweite seiner Art, bei dem auch Teilnehmer aus anderen Gebieten des Reiches teilnahmen.[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Stemplinger's Immerwährender Bayerischer Kalender, (Bd. 2, 18. November)
  2. Festbroschüre zum Biberacher Schützenfest 2006.
  3. Stadtsportbund Leipzig e.V.

Literatur

  • August Feierabend: Geschichte der eidgenössischen Freischiessen. Ein Schärflein auf den Festaltar der vierhundertjährigen Schlachtfeier von St. Jakob und des dazu veranstalteten eidgenössischen Freischiessens in Basel im Juli 1844. Verlag Meyer & Zeller, Zürich 1844.

Weblinks

Commons: Schützenfest – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Schützenfest – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen