St. Afra (Berlin)
Die römisch-katholische St.-Afra-Kirche in der Graunstraße 31 des Berliner Ortsteils Gesundbrunnen im Bezirk Mitte wurde 1897–1898 im neugotischen Architekturstil von Carl Moritz und J. Welz erbaut. Der Gebäudekomplex des St.-Afra-Stiftes mit der Kirche im Hof steht unter Denkmalschutz.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kongregation der Schwestern von der hl. Elisabeth hatte 1882 die Leitung des nach der heiligen Afra von Augsburg benannten Stifts in der Turmstraße in Moabit übernommen. Als die Niederlassung der Ordensschwestern in Moabit zu klein wurde, entstand im Bezirk Wedding 1898 die weitläufige Anlage. Zu den Baukosten steuerte die Familie von Friedrich Carl von Savigny einen erheblichen Betrag mit der Auflage bei, dass auch die anwohnenden Katholiken an den Heiligen Messen in St. Afra teilnehmen durften.
Im Jahr 1903 erfolgte die Ausgründung der St.-Afra-Gemeinde von Herz Jesu im Prenzlauer Berg. Der spätere französische Außenminister Robert Schuman wohnte als Student der Friedrich-Wilhelms-Universität 1905/06 in der Anlage, woran eine bronzene Gedenkplakette am Vorderhaus erinnert. 1907 wurde St. Afra Kuratie, 1921 erfolgte ihre Erhebung zur Pfarrei, die 1924 in St. Augustinus umbenannt wurde. Da sich das Nebeneinander von Gemeinde und Stiftsbewohnern schwierig gestaltete, bemühte sich der erste Pfarrer der Gemeinde um einen eigenen Kirchenbau. 1928 wurde die St.-Augustinus-Kirche geweiht, und die Gemeinde verließ das St. Afra. Als die Berliner Mauer errichtet und das Gemeindegebiet von St. Augustinus zerschnitten wurde, kehrte der westliche Teil der Gemeinde wieder nach St. Afra zurück. Da die Mitgliederzahl der Gemeinde stark zurückging, bildete sie 1971 zunächst einen Pfarrverband mit St. Sebastian. 1978 wurde die Gemeinde von St. Afra schließlich mit der von St. Sebastian vereinigt. Zugleich wurde das Stift wegen einer Sanierung geräumt. Das Vorderhaus führten die Schwestern später als Altenheim weiter.
1996 verließen die Schwestern von der hl. Elisabeth St. Afra. 2006 erwarb das Institut St. Philipp Neri zunächst die Kirche, 2008 auch die dazugehörigen Gebäude. Die Liturgie wird in der außerordentlichen Form des römischen Ritus gefeiert.
Baubeschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Gebäudekomplex des St.-Afra-Stifts, ein mit roten Backsteinen verkleideter bzw. weiß verputzter Mauerwerksbau, besteht aus einem in die geschlossene Blockrandbebauung eingebundenen fünfgeschossigen Wohnhaus und Hinterhäusern aus zwei Seitenflügeln und Quergebäude. In dem mit einem Dach in der Form eines Pyramidenstumpfes bedeckten Quergebäude ist die dreischiffige Hallenkirche integriert.
Äußeres
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Fassade der Kirche unterscheidet sich von den umliegenden Mietshäusern, die ebenfalls unter Denkmalschutz stehen. Ein Risalit in Formen der norddeutschen Backsteingotik über die Breite von drei Fensterachsen wird von Loggien und Balkonen flankiert. In der mittleren Fensterachse in Höhe des dritten Obergeschosses liegt eine ursprünglich für eine Statue gedachte Wandnische, die allerdings leer ist; darüber befindet sich ein Erker. Oberhalb der Dachtraufe wird der Risalit von einem Staffelgiebel bekrönt, der mit Maßwerk-Blenden verziert ist. Vom seitlich gelegenen Eingangstor führt ein zweischiffiger Kreuzgang im rechten Seitenflügel zum Quergebäude. Ein überdachter Treppenaufgang führt in den Kirchenraum, der im ersten Obergeschoss über dem ehemaligen Refektorium der Elisabethinnen liegt. An der Hofseite zeichnet sich der Kirchenraum an der Fassade des Quergebäudes durch ein Giebeldreieck ab. Bei der Sanierung der beiden benachbarten Häuserblöcke wurden 1977 deren Seitenflügel abgebrochen. Um mehr Licht für den Innenhof des Stiftsgebäudes zu gewinnen, wurden von seinen Seitenflügeln die oberen Geschosse abgetragen.
Inneres
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das dreischiffige Langhaus, dessen polygonaler Chor in das rückwärtige Grundstück ragt, hat ein Kreuzgratgewölbe. Über dem Gewölbe folgt ein weiteres Stockwerk, das früher Aufenthaltsräume für die Stiftsbewohner enthielt. Um die drei Joche des Kirchenraums ziehen sich gewölbte Emporen mit Maßwerkbrüstungen. Am Ende der durch sehr flache Arkaden getrennten gewölbten Seitenschiffe unter den Emporen befinden sich polygonal abgeschlossene kleine Kapellen. Die großen Maßwerkfenstern an der Chorwand und die spitzbogigen Fenster an der Fassade erhellen das Innere der Kirche. Unter dem Chor befindet sich eine Krypta.
Ausstattung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aus der Bauzeit sind neugotische Heiligenfiguren im Chorraum und neugotische Seitenaltäre erhalten. In der Kirche befinden sich die Reliquien des heiligen Märtyrers Siméon-François Berneux M.E.P. (1814–1866).
Orgel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die 1898 von der Orgelbauwerkstatt Dinse (Berlin-Kreuzberg) hergestellte Orgel auf der rechten Empore wurde abgebaut, da sie nicht mehr funktionierte. Die Dinse-Orgel steht heute – restauriert und erweitert – in der Pfarrkirche St. Marien in Fröndenberg. Man hat sie durch eine 1869 von dem englischen Orgelbauer William Hill[Anm 1] für die St. Paul’s Church in Burton upon Trent gebaute Orgel ersetzt. Dieses Instrument mit seinem viktorianischem Prospekt wurde bereits 30 Jahre später in die nahe gelegene Trinity Methodist Hall versetzt und, aufgrund der 2011 mangels Gottesdienstbesuchern und Gemeindemitgliedern schließenden Kirche, von Bernhard Kutter abgebaut und von der tschechischen Orgelbaufirma Rieger-Kloss, Krnov, 2014 restauriert und in der Berliner Kirche an drei Standorten wieder aufgebaut.[1] Bei der Orgelweihe am 22. November 2015 wurde sie zum ersten Mal nach der Restaurierung öffentlich bespielt.[2] Einmal jährlich finden in St. Afra die „Internationalen Hill-Orgel-Tage“ statt.[3]
Disposition
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Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Berlin. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2006.
- Christine Goetz, Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Kirchen Berlin Potsdam. Berlin 2003.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Sakralbauten. (= Berlin und seine Bauten, Teil 6) Ernst & Sohn, Berlin 1997.
- Gerhard Streicher, Erika Drave: Berlin. Stadt und Kirche. Berlin 1980.
- Julia Haak: Gottesdienst auf Latein. St. Afra in Wedding pflegt den alten römischen Ritus. In: Berliner Zeitung, 21. Februar 2016
- Thomas Achatz, Probleme und Lösungen bei der Gründung von Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechts. Dargestellt am Beispiel des Instituts St. Philipp Neri; In: Österreichische Nationalbibliothek/Hochschulschriften, Wien 2020 (Dissertation).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eintrag zu St. Afra (Berlin) (Obj.-Dok.-Nr. 09030200) in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
- Homepage des Instituts Philipp Neri
- Die Hill-Orgel auf Organ index
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ William Hill (* 1789 in Spilsby, Lincolnshire; † 1870) war im 19. Jahrhundert einer der wichtigsten Orgelbauer in England.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Eine englische Orgel in Berlin. Abgerufen am 30. März 2023.
- ↑ Englische Kirchenorgel in Berliner Kirche. kulturradio.de, 23. Oktober 2015, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 25. November 2015; abgerufen am 25. November 2015.
- ↑ Oliver Gierens: Berliner Kirche St. Afra: Besondere Orgel aus England. In: Die Tagespost. 21. Februar 2021, abgerufen am 9. März 2021.
Koordinaten: 52° 32′ 43,7″ N, 13° 23′ 51,6″ O