Turkmenen (Irak)

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Das Hauptsiedlungsgebiet der irakischen Turkmenen.

Die Turkmenen sind eine türkische Minderheit im Staatsgebiet des heutigen Irak[1], die den Turkomanen zuzurechnen sind. Sie sind mit geschätzten 5 % bzw. gemäß der Volkszählung von 1958 mit 9 % nach Arabern und Kurden die drittgrößte Ethnie im Irak. Momentan leben nach turkmenischen Angaben 2,5 Millionen Turkmenen im Irak und Syrien (Turkmenen in Syrien), deren Zahl aber aufgrund von Flucht, Terror und Krieg vermindert werden. Die Hauptstädte der Turkmenen des Irak sind Kirkuk und Mossul.[2][3] Die irakischen Turkmenen sprechen südaserbaidschanische Dialekte und verwenden das heutige Türkei-Türkische als Schriftsprache.[4] Es besteht trotz der Namensgebung keine unmittelbare Verbindung mit dem modernen Staat Turkmenistan.

Siedlungsgebiet

Die Turkmenen[5] bezeichnen ihr Siedlungsgebiet im Nordirak als Türkmeneli („Land der Turkmenen“). Die Stadt mit einem großen turkmenischen Bevölkerungsanteil ist Kirkuk.[6] Das Heimatgebiet der lange unterdrückten türkischen Bevölkerung des Irak wurde von der Weltöffentlichkeit lange Zeit als der „kurdische Teil des Irak“ wahrgenommen.[7] Obwohl die Deklaration von 1932 zur Unabhängigkeit des Irak den Turkmenen und den Kurden denselben gesetzlichen Status zuerkannt hatte, verlieh Saddam Husseins Baath-Partei den Kurden den Status einer Gründernation (vgl. auch Autonome Region Kurdistan), die Turkmenen versetzte sie dagegen in den Minderheitsstatus zurück.[8] Türkmeneli erstreckt sich von der nordwestlichen Stadt Zaxo im Gouvernement Dahuk nahe der irakisch-türkischen Grenze in Form eines Streifen bis zur südöstlichen Stadt Mandali im Gouvernement Diyala nahe der irakisch-iranischen Grenze. Das Gebiet ist mit etwa 90.000 Quadratkilometern etwas größer als Bayern, und im gesamten Gebiet leben etwa sechs Millionen Menschen.[9]

Bevölkerung Türkmenelis

In Türkmeneli stellen die Kurden die größte ethnische Gruppe dar. Die zweitgrößte Ethnie bilden Turkomanen. Rund 80 % der etwa 2 Millionen irakischen Turkomanen leben in Türkmeneli. Des Weiteren gibt es Araber und Assyrer, die überwiegend im Süden Türkmenelis wohnen.[9] Die Turkomanen stellen vor allem in den Großstädten Tal Afar mit etwa 200.000 Personen, in Kirkuk mit etwa 150.000 Personen sowie in Arbil und Mosul mit etwa je 100.000 Personen bedeutende Minderheiten dar.[9] Die Kurden sprechen verschiedene kurdische Dialekte wie Kurmandschi, Sorani und Südkurdisch. Die Turkomanen dagegen sprechen aserbaidschanische Dialekte und verwenden das Türkei-Türkische als Schriftsprache. Die Assyrer sprechen gewöhnlich neuaramäische Dialekte. Alle ethnische Gruppen beherrschen neben ihrer Muttersprache in der Regel auch die Arabische Sprache.

Geschichte

Flagge der Turkomanen

Die einst vollnomadischen Turkmenen bildeten sich etwa im 10. Jahrhundert in Zentralasien aus. Ab dem 11. Jahrhundert eroberten die oghusischen Turkmenen Persien, Teile Anatoliens sowie Mesopotamiens und bildeten das Großreich der Seldschuken. Der Aufstieg der Turkmenen im 14. Jahrhundert hängt mit dem Verfall jeglicher staatlichen Autorität nach dem Untergang der Ilchane zusammen. Unter Uzun Hasan (reg. 1453–1478) kam es zum Aufstieg und zur Glanzzeit der Aq Qoyunlu, einer turkmenischen Stammesföderation, nachdem er 1467 die Qara Qoyunlu unter Dschahan Schah vernichtend geschlagen und deren Reich im Iran, Aserbaidschan und dem Irak erobert hatte. Zu seiner Zeit reichten die Grenzen des Reiches vom Kaspischen Meere bis Syrien und von Aserbaidschan bis Bagdad. In den folgenden Jahrhunderten lebten die Turkmenen unter safawidischer und osmanischer Herrschaft.

Gründung des Staates Irak

Im 20. Jahrhundert wurde die Bevölkerung Türkmenelis zum Opfer etlicher Massaker. Überwiegend betroffen waren die Assyrer und Turkomanen. Beim Levi-Massaker am 4. Mai 1924 wurden nahezu 100 Turkomanen bei einer Auseinandersetzung mit Assyrern im Basar von Kirkuk von britischen Soldaten getötet.[10] 1933 wurden beim Massaker von Semile mehrere Tausend Assyrer in verschiedenen Dörfern Nordiraks umgebracht. Das besonders betroffene Dorf Semile wurde Namensgeber des Massakers. Das Altin Köprü-Massaker war das zweite große Massaker an Turkomanen und ereignete sich am 28. März 1991 im Dorf Altin Köprü, das zwischen den Städten Kirkuk und Arbil liegt. Dabei kamen 102 Bewohner ums Leben.[10]

Seit Anfang der 1900er Jahre ist die Mosul-Frage ein besonderer Anlass für ethnische Konflikte zwischen Arabern, Kurden und Turkomanen, da Mossul und dessen Umland wegen seiner Erdölvorkommen von Bedeutung ist. Nach der Besetzung des Irak 2003 war Türkmeneli größtenteils von den Streitkräften der Vereinigten Staaten und ein kleiner Teil von den Polnischen Streitkräften besetzt.

Bekannte irakische Turkmenen

Einzelnachweise

  1. Ethics and Public Policy Center Since the Turkmen are, for all intents and purposes, leftovers from the Ottoman days and are basically Turkish both ethnically and linguistically, the Turkish government feels very attached to them and finds it politically convenient to exaggerate the attachment.
  2. The Turkomans of Iraq as A Factor in Turkish Foreign Policy: Socio-Political and Demographic Perspectives (PDF; 301 kB)
  3. Ethics and Public Policy Center [1] In that 1958 census, the Turkmen were 9 percent of the population of Iraq.
  4. ethnologue.com
  5. so z.B. die Iraqi Turkmen Human Rights Research Foundation (Webpräsenz)
  6. Schreiben der Iraqi Turkmen Human Rights Research Foundation (MS Word; 104 kB) - The Turkmen of Iraq live mainly in a region called Turkmeneli, which stretches from the north-west to the east at the middle of Iraq. They are found in the following provinces: Mosul, Erbil, Kerkuk, Salah al-Din, Diyala, Kut and Baghdad. The city of Kerkuk is a well-known Turkmen city and thought-out by the Turkmen as their capital city.
  7. Paul Rich zu seiner Neuauflage von Hay's Two Years in Kurdistan, Seite vii und viii - Because Hay writes at length not only about the Kurds but about the long-oppressed Turkish population of what is generally viewed as the Kurdish part of Iraq, he is now being quoted by Turkish partisans. […] Increasingly there are ethnic Turks in parts of Iraq who fear the rise of Kurdish nationalism
  8. Hari S. Vasudevan,Academy of Third World Studies The global politics of the Iraq crisis and India's options, S. 292
  9. a b c H. Tarık Oğuzlu: The Turkomans of Iraq as a factor in Turkish foreign policy: Socio-political and demographic perspectives. Ankara 2001. (Englisch)
  10. a b Türk Dünyası Araştırmaları Vakfı: Tarih: Türk dünyası tarih ve kültür dergisi. Ankara 2005. (Türkisch)

Literatur

  • Liam Anderson, Gareth Stansfield: Crisis in Kirkuk. The Ethnopolitics of Conflict and Compromise. University of Pennsylvania Press, Philadelphia PA 2009, ISBN 978-0-8122-4176-1 (englisch).
  • Paul Rich (Hrsg.): Iraq and Rupert Hay's Two years in Kurdistan. Lexington Books, Lanham MD 2008, ISBN 978-0-7391-2563-2.
  • William Rupert Hay: Two years in Kurdistan. Experiences of a political officer 1918–1920. Sidgwick & Jackson, London 1921.

Weblinks

Koordinaten: 35° N, 44° O