„Nachwachsender Rohstoff“ – Versionsunterschied

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Korrektur der Rolle von Holz gegenüber Treibstoffe, Bilder, tierische Rohstoffe am beispiel des Walfangs
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[[Bild:Grib_skov.jpg|thumb|180px|right|Wald als wichtigste Quelle nachwachsender Rohstoffe in Deutschland]]
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'''Nachwachsende Rohstoffe''' gehören zu den [[Erneuerbarer Rohstoff|erneuerbaren Ressourcen]]. Es sind „Stoffe, die aus lebender Materie stammen und vom Menschen zielgerichtet für Zwecke außerhalb des Nahrungs- und Futterbereiches verwendet werden“ <ref> Mann, Stefan: ''Nachwachsende Rohstoffe'', Stuttgart, 1998, ISBN 3800141264</ref>. Genutzt werden sie als [[Werkstoff]]e für [[Gebrauchsgegenstand|Gebrauchsgegenstände]] und als [[Verbrauchsgut|Verbrauchsgüter]]. Beispiele sind [[Bauholz|Bau-]], [[Dämmstoff|Dämm-]] und [[Schmierstoff]]e, [[Fett]]e, [[Hydraulikflüssigkeit]]en, [[Faserpflanze|Fasern]], [[Klebstoff]]e, [[Kleister]], [[Gerbstoffe]]e, [[Latex|Gummi]] und [[Farbstoff]]e. Einen Grenzbereich nehmen [[Genußmittel]] wie Tabak oder [[Arzneimittel]] sowie Kosmetik und [[Parfüm]]grundstoffe und Aromen auf Pflanzenbasis ein.
[[Bild:Coconut_art_06.jpg|thumb|120px|left|Frisch geöffnete Kokosnuss]]
Insbesondere bei vielen tropischen Nutzpflanzen ([[Kokospalme]]) ist die Verwendung für Zwecke jenseits der Nahrungs- und Futtermittelverwendung (wie für [[Kopra]], [[Kokospalme#Kokosschale: Steinschale, Kokosfasern, Coir|Kokosfasern]], Baustoffe, Öle und Fette) nur begrenzt von ersterer zu trennen. Fossile Rohstoffe, vom [[Erdöl]] bis zum [[Torf]] stammen ebenfalls aus ursprünglich lebender Materie, im Unterschied zu nachwachsenden Rohstoffen rührt ihr Tod aber aus geologischer Zeit.

In der Öffentlichkeit wird der Begriff bevorzugt auf pflanzliche Produkte angewendet. Definitionsgemäß fallen aber tierische Produkte wie [[Pelzarten|Pelz]]e, [[Fischbein]], tierische [[Fett]]e, [[Talg]], [[Ambra]], [[Walrat]], [[Tran]], [[Elfenbein]], [[Purpurschnecke|Purpur]], [[Karmin]], [[Horn]], tierische [[Leim]]e, [[Afrikanischer Strauß#Strauß und Mensch|Straußenfedern]] und [[Leder]] ebenfalls unter diesen Begriff.
[[Bild:Jemenittisk sjofar av kuduhorn.jpg|thumb|180px|Horn - ein nachwachsender Rohstoff tierischen Ursprungs]]

Die wichtigste Anwendung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland finden sich in der Wald und [[Forstwirtschaft]]. Wald bedeckt etwa ein Drittel der Landesfläche. Werden [[Holzwirtschaft]],
Zellstoffproduktion und [[Papierindustrie]] sowie der Holzgroßhandel einbezogen, so sind laut dem Interessenverband der Waldbesitzer [[AGDW]] in diesem Bereich mehr als eine Million Beschäftigte mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 100 Milliarden Euro zu finden.

Desweiteren werden nachwachsende Rohstoffe auch im Bereich [[Biokraftstoff]]e und [[Wärme]]gewinnung zunehmend genutzt. In [[Deutschland]] wurden im Jahr 2006 auf etwa 13 Prozent der Ackerfläche (d.h. kaum 5% der Landesfläche) bzw. auf 1,562 Millionen [[Hektar]] nachwachsende Rohstoffe angebaut<Ref>[[Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe]] e.V., [http://www.fnr-server.de/cms35/Statistik.64.0.html ''Pressemitteilung vom 5. September 2006'']</Ref>.
[[Bild:RapeFields.JPG|thumb|250px|[[Raps]] (''Brassica napus'') als bekanntester nachwachsender Rohstoff für Kraftstoffe]]
[[Bild:RapeFields.JPG|thumb|250px|[[Raps]] (''Brassica napus'') als bekanntester nachwachsender Rohstoff für Kraftstoffe]]
'''Nachwachsende Rohstoffe''' gehören zu den [[Erneuerbarer Rohstoff|erneuerbaren Ressourcen]]. Es sind „Stoffe, die aus lebender Materie stammen und vom Menschen zielgerichtet für Zwecke außerhalb des Nahrungs- und Futterbereiches verwendet werden“ <ref>Mann, Stefan: ''Nachwachsende Rohstoffe'', Stuttgart, 1998, ISBN 3800141264</ref>. Genutzt werden sie als [[Werkstoff]]e für [[Gebrauchsgegenstand|Gebrauchsgegenstände]] und als [[Verbrauchsgut|Verbrauchsgüter]]. Beispiele sind [[Dämmstoff]]e, [[Schmierstoff]]e, [[Hydraulikflüssigkeit]]en, oder [[Arzneimittel]]. Die häufigsten Anwendungen sind [[Biokraftstoff]]e und die [[Wärme]]gewinnung, um die in ihnen enthaltene erneuerbare Energie zu nutzen.


== Bedeutungswandel durch mögliche Rohstoffverknappung==
Definitionsgemäß fallen tierische Produkte wie [[Pelzarten|Pelz]]e und [[Leder]] zwar ebenfalls unter diesen Begriff, in der Praxis wird der Begriff aber meist auf pflanzliche Produkte verengt.


Bedeutung haben Nachwachsende Rohstoffe in der Diskussion um eine zunehmende weltweite [[Rohstoffknappheit|Rohstoffverknappung]] durch den Rückgang an verfügbaren [[Rohstoffvorkommen]] von [[Nicht-erneuerbarer Rohstoff|nicht-erneuerbaren Ressourcen]] und die [[Wirtschaftswachstum|wachsende]] [[Weltwirtschaft]].
Eine wieder zunehmende Bedeutung in der öffentlichen Diskussion haben nachwachsende Rohstoffe durch die aktuell hohen Ölpreise und die Diskussion um [[Wachstumskrise]]n, wegen des [[Ölfördermaximum]]s möglicherweise künftig weniger verfügbare [[Rohstoffvorkommen]] [[Nicht-erneuerbarer Rohstoff|nicht-erneuerbarer Ressourcen]] in einer [[Wirtschaftswachstum|wachsenden]] [[Weltwirtschaft]] gewonnen. Dabei werden insbsondere nachwachsende Rohstoffe zur Treibstoffgewinnung genannt.


=== Vergleich mit der historischen Rolle nachwachsender Rohstoffe===
In [[Deutschland]] wurden im Jahr 2006 auf rund 1,562 Millionen [[Hektar]] nachwachsende Rohstoffe angebaut, was etwa 13 Prozent der dortigen Ackerfläche entspricht.<Ref>[[Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe]] e.V., [http://www.fnr-server.de/cms35/Statistik.64.0.html ''Pressemitteilung vom 5. September 2006'']</Ref>

Ein Vergleich der heutigen Rolle nachwachsender Rohstoffe mit der in historischer Zeit erscheint nur schwierig möglich. [[Bild:Bahnwagen_Pferdewagen.jpg|left|thumb| Umladen von Kohle auf ein Pferdegespann ([[Polen]] 1991)]]Zum einen war in historischer Zeit der Anteil der Ackerfläche im Verhältnis zu Grünland, Brache und Forsten einem stetigen Wandel <ref name ="Vielfalt"> http://www.genres.de/infos/pdfs/bd23/23-04.pdf Vielfalt im Wandel der Zeit - Historischer Überblick und Status Quo, HANS-PETER PIORR und KERSTIN LEHMANN, FH Eberswalde</ref> unterworfen. Zudem war früher ein hoher Anteil für Futterpflanzen für Nutz- und Zugtiere vorgesehen. Diese sind heute weitgehend durch motorisierte Fahrzeuge in und außerhalb der Landwirtschaft ersetzt. 1925 <ref name= "Vielfalt"/> war der Anteil von Nutztierfutterpflanzen wie Hafer, Futterhackfrüchten und Klee in Deutschland noch über 30&, während er 2000 unter 5% liegt.

Eine in der öffentlichen Wahrnehmung eher verdrängte aber nach wie vor wichtige Rolle spielen nachwachsende Rostoffe tierischer Herkunft. Im Rahmen der [[Tierkörperverwertung]] hergestellte [[Tiermehl]]e und [[Futterknochenschrot|Knochenschrote]] werden nicht mehr an Wiederkäuer verfüttert sondern häufig verbrannt während das daneben erhaltene Tierfett als Schmiermittel, Chemiegrundstoff wie als Grundlage für (nichtvegetarischen) [[Biodiesel]] dient.

=== Unrealistische Positionierung der nachwachsenden Rohstoffe===

Die breite öffentliche Diskussion täuscht möglicherweise über den tatsächliche Position der nachwachsenden Rohstoffe hinweg.

Zum einen erscheit eine baldige Ablösung der fossilen Energieträgern mit nachwachsenden Rohstoffen erscheint weder möglich noch notwendig:

{{Zitat|Wir erwarten, dass der gesamte Energieverbrauch 2050 doppelt so hoch liegen wird wie heute. Bis zu 30 Prozent der Energie könnte dann aus erneuerbaren Quellen kommen. Prozentual geht die Bedeutung der fossilen Energieträger zurück. In absoluten Zahlen aber nicht: 2050 wird sogar mehr Öl, Gas und Kohle konsumiert als heute. [...] Selbst wenn Sie auf jedes Dach in Deutschland ein Panel setzen, decken Sie nur einen Bruchteil des Strombedarfs ab. Die Menschen schätzen die Dimensionen falsch ein.|Jeroen van der Veer| Vorstandsvorsitzender Shell-AG|<ref>Joren van der Veer im Gespräch mit dem Spiegel, Juni 2007 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,486715,00.html</ref>}}

[[Bild:Jeans.JPG|right|thumb| Indigogefärbte Blue Jeans]]

Zum anderen würde etwa im Bereich der Farbstoffe eine Rückwendung zu nur natürlich hergestellten Rohstoffen eine erhebliche Verteuerung und erhebliche Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion darstellen.

Bis ins 19. Jahrhundert hatten englische Handelsgesellschaften ein Monopol auf [[Indigo]], welches im britischen Kolonialreich an vielen verschiedenen Orten angebaut wurde. Zwischen 1880 und 1910 verdrängte synthetisch hergestellter [[Indigo]], der nur an nur zwei Produktionsstätten in Deutschland hergestellt wurde, das Naturprodukt Indigo fast vollständig. Dieser hatte seinerseits einige Jahrhunderte zuvor den [[Färberwaid]] verdrängt. Der synthetische Indigo stellte eine Anbaufläche von 650.000 ha allein im britischen Indien frei. Mit dieser Produktionssteigerung war auch ein deutlicher Preisverfall verbunden, ohne den der früher nur einer reichen Elite zugängliche blaue Farbstoff bis 1920 nicht die Blue [[Jeans]] weltweit populär hätte machen können <ref> Engel, Alexander, Produktionssysteme im Wettstreit. Wissensorganisation im Kampf um den Weltmarkt für Indigo, 1880-1910, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 50, Heft 1, 2005, S. 83-104. </ref>.


== Traditionelle und neuartige Nutzungsformen ==
== Traditionelle und neuartige Nutzungsformen ==

[[Bild:Heilig_Geist_Kirche_Alvar_Aalto.jpg|thumb|Innovative Holzarchitektur]]
Holz wurde und wird als [[Bauholz]] konstruktiv und für [[Baugerüst]]e und als [[Schalung]]im Betonbau unterstützend verwendet. Neue Holzwerkstoffe und der [[Ingenieurholzbau]] ermöglichen entsprechedn gewagte Holzkonstruktionen.
Holz spielt nach wie vor im [[Verkehrswesen]] eine wichtige Rolle, auch wenn Schiffe und Fahrzeuge, Brücken und Eisenbahnschwellen und Telekommunikationsmasten nicht mehr generell komplett aus Holz hergestellt werden. Daneben ist die Zellstoff- und [[Papierindustrie]] nicht mehr aus dem modernen Leben hinwegzudenken.

Bereits in der Vorzeit wurde Holz zum Feuermachen und Holzkohle und Holzasche für metallurgische ([[Schmied]]) und ersten chemischen Anwendungen ([[Schnapsbrenner]], [[Holzgeist]]) genutzt. Heute wird Holz in verschiedenen Verarbeitungsformen wie [[Meterholz]], [[Hackschnitzel]], [[Holzpellet]], [[Holzkohle]] als [[Brennholz]] in Öfen, Kaminen und im offenen Feuer verbrannt, um eine angenehme Wärme zu gewinnen wie auch etwa beim [[Grillen]] Nahrungsmittel zuzubereiten. Desweiteren wird Holz für [[ruß]]basierte Farbstoffe sowie als [[Aktivkohle]] in [[Filter]]n und medizinischen Anwendungen genutzt.

[[Bild:Feld mit reifer Baumwolle.jpeg|thumb|250px|[[Baumwolle]] (''Gossypium spec.'')]]
[[Bild:Feld mit reifer Baumwolle.jpeg|thumb|250px|[[Baumwolle]] (''Gossypium spec.'')]]
Nachwachsende [[Rohstoffe]] werden seit Zehntausenden von Jahren zur [[Energiegewinnung]] genutzt. Bereits die [[Neandertaler]] nutzten Holz für ihre Feuer. Heute wird es in Öfen, Kaminen und im offenen Feuer verbrannt, um Wärme zu gewinnen.


Ebenso werden nachwachsende Rohstoffe seit Tausenden von Jahren verwendet, um Gebrauchsgegenstände herzustellen: [[Holz]] z.B. für [[Papier]] und [[Möbel]]; [[Faser#Pflanzenfasern|Pflanzenfasern]], wie z.B. Hanf, Jute, Flachs bzw. Leinen oder [[Baumwolle]] sowie [[Faser#Fasern_tierischen_Ursprungs|Fasern tierischen Ursprungs]], wie [[Wolle|Schafwolle]] oder Seide für Gewebe und Textilien; [[Stroh]] für [[Strohdach|Strohdächer]], [[Korbweide|Weidenruten]] für Körbe und viele weitere.
Ebenso werden nachwachsende Rohstoffe verwendet, um Gebrauchsgegenstände und Verbrauchsmaterialien herzustellen: [[Holz]] z.B. für [[Papier]] und [[Möbel]]; [[Faser#Pflanzenfasern|Pflanzenfasern]], wie z.B. Hanf, Jute, Flachs bzw. Leinen oder [[Baumwolle]] sowie [[Faser#Fasern_tierischen_Ursprungs|Fasern tierischen Ursprungs]], wie [[Wolle|Schafwolle]] oder [[Seide]] für Gewebestoffe und Kleidung sowie industrielle [[Textilien]]; [[Grassoden]], [[Schindeln]], [[Bambus]], [[Reet]] und [[Stroh]] zur [[Dachdeckung]], [[Rattan]], [[Peddigrohr]] und [[Korbweide|Weidenruten]] für [[Korb (Behälter)|Korbwaren]] und [[Möbel]], und viele weitere.
[[Bild:Domino whale-bone hg.jpg|left|thumb|140px|Walfangprodukte: Dominospiel aus Walbein ]]
Speziellere Anwendungen sind: [[Kautschuk]] für [[Gummi]]; [[Färberpflanze]]n für Naturfarben und Lacke, [[Bienenwachs]], [[Jojoba]] und [[Carnaubawachs]] für Kerzen, Öle, Schmiermittel und Kosmetikgrundstoffe, sowie die spezifische Anwendung von Wirkstoffen aus Arzneipflanzen/Heilpflanzen für pharmazeutische Zwecke und zur Herstellung von Genussmittel und Drogen.


Die Bedeutung von nachwachsenden Rohstoffen tierischen Ursprungs [[Walfang#Weltweit|insbesondere aus dem Walfang]] hat gegenüber dem 18. und 19. Jahrhundert abgenommen und wurde langsam durch erdölbasierte Chemiegrundstoffe, Brennmittel, Treibstoffe, Schmiermittel und Kunststoffe abgelöst. Noch im 1. Weltkrieg waren Glyzerine aus Walöl ein wichtiger Rohstoff der Sprengstoffherstellung, bis 1967 war [[Walrat]] im deutschen [[Arzneibuch]] enthalten. Der verbleibende derzeitige [[Walfang]] dient allerdings mehr der Nahrungsmittelproduktion bzw. wissenschaftlichen Zwecken als der Rohstoffgewinnung und wäre weder preislich noch vom Umfang her in der Lage, Erdöl nennenswert zu substituieren.
Holz wurde und wird als Bauholz, z.B. für die Schalung, oder als Konstruktionsmaterial verwendet, ebenso im Bergbau. Im Bereich Verkehrswesen fertigte man bis ins 19.Jh. Schiffe aus Holz, genauso wie Kutschen oder Wagen. Eisenbahnschwellen und Telegrafenmaste waren aus Holz. Viele Brücken bestanden aus Holz.
Speziellere Anwendungen sind: [[Kautschuk]] für [[Gummi]]; [[Färberpflanze]]n für Naturfarben und Lacke, Arzneipflanzen/Heilpflanzen. Öle und Schmierstoffe. Klebstoffe.


== Nutzen im Energie- und Rohstoffmarkt ==
==== Die Situation in der EU ====

=== Die Situation in der EU ===
Der Anbau von Pflanzen, aus denen sich Kraftstoffe gewinnen lassen – etwa Raps oder Sonnenblumen – erfolgt in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] häufig auf [[subvention]]ierten [[Stilllegung]]sflächen und stellt damit für landwirtschaftliche Betriebe einen starken finanziellen Anreiz dar. Allerdings waren die erlaubten Anbauflächen für rohstoffliefernde Pflanzen aufgrund des [[Blair-House-Abkommen]]s bis einschließlich zur Ernte 2001 beschränkt.
Der Anbau von Pflanzen, aus denen sich Kraftstoffe gewinnen lassen – etwa Raps oder Sonnenblumen – erfolgt in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] häufig auf [[subvention]]ierten [[Stilllegung]]sflächen und stellt damit für landwirtschaftliche Betriebe einen starken finanziellen Anreiz dar. Allerdings waren die erlaubten Anbauflächen für rohstoffliefernde Pflanzen aufgrund des [[Blair-House-Abkommen]]s bis einschließlich zur Ernte 2001 beschränkt.


Die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen für den [[Energiemarkt|Energie]]- und [[Rohstoff]]markt ist umstritten. Während Befürworter insbesondere auch die Förderung von [[Biokraftstoff]]en fordern, stufen Kritiker andere existentielle Belange als vordringlich ein. Überwiegend werden die Förderung nachwachsender Rohstoffe als richtig betrachtet, da einige befürchten, [[Nicht-erneuerbarer Rohstoff|Nicht-erneuerbare Rohstoffe]] würden den weltweiten Bedarf an [[Konsumgut|Konsumgütern]] zukünftig nicht mehr decken können.
== Nutzen im Energie- und Rohstoffmarkt ==
Die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen für den [[Energiemarkt|Energie]]- und [[Rohstoff]]markt ist umstritten. Während Befürworter insbesondere auch die Förderung von [[Biokraftstoff]]en fordern, stufen Kritiker andere existentielle Belange als vordringlich ein. Überwiegend werden hierbei die nachwachsenden Rohstoffe – neben anderen Faktoren – als überlebensnotwendig betrachtet, da die [[Nicht-erneuerbarer Rohstoff|Nicht-erneuerbaren Rohstoffe]] den weltweiten Bedarf an [[Konsumgut|Konsumgütern]] zukünftig nicht mehr decken können.


=== Vorteile ===
=== Vorteile ===
Die Befürworter begründen ihre Position vor allem mit der ausgeglichenen [[CO₂-Bilanz|Kohlenstoffdioxid-Bilanz]] bei Verwendung von [[Biomasse]] und der geringeren Umweltbelastung bei Kontamination durch [[Biokraftstoff]]e.<ref>[http://www.umweltbundesamt.de/wgs/ Umweltbundesamt: ''Wassergefährdende Stoffe'', 05.07.2006]</ref>. Zudem sehen sie in nachwachsenden Rohstoffen einen möglichen Beitrag, um die Folgen des [[Ölfördermaximum]]s zu entschärfen.


Die Befürworter begründen ihre Position auch mit der ausgeglichenen [[CO₂-Bilanz|Kohlenstoffdioxid-Bilanz]] bei Verwendung von [[Biomasse]] und der geringeren Umweltbelastung bei Kontamination durch [[Biokraftstoff]]e.<ref>[http://www.umweltbundesamt.de/wgs/ Umweltbundesamt: ''Wassergefährdende Stoffe'', 05.07.2006]</ref>. Zudem sehen sie in nachwachsenden Rohstoffen einen möglichen Beitrag, um mögliche Folgen eines [[Ölfördermaximum]]s zu entschärfen.
Als wirtschaftliche Aspekte nennen Befürworter die breite Verfügbarkeit nachwachsender Rohstoffe – was zur Stärkung der lokalen Wirtschaft beitrage –, das Entfallen langer Transportwege und ganzjährige Verfügbarkeit.

Laut Protagonisten würde verstärkte Nutzung in der Landwirtschaft weitere positive Auswirkungen nach sich ziehen: aufgelockerte [[Fruchtfolge]], ganzjährige Arbeitsauslastung der Beschäftigten, [[Melioration|verbesserte Bodeneigenschaften]] – durch [[Nährstoff (Pflanze)|Nährstoffaufschluss]] und Bodenauflockerung –, Inbetriebnahme brachliegender Flächen und Bereicherung des Landschaftbilds.
[[Bild:Holzheizkraftwerk01.jpg|thumb|300px|Holzheizkraftwerk in Oerlinghausen]]

Als wirtschaftliche Aspekte nennen Befürworter die breite Verfügbarkeit nachwachsender Rohstoffe – was zur Stärkung der lokalen Wirtschaft beitrage –, das Entfallen langer Transportwege und ganzjährige Verfügbarkeit. Die verstärkte Nutzung in der Landwirtschaft würde weitere positive Auswirkungen nach sich ziehen: aufgelockerte [[Fruchtfolge]], ganzjährige Arbeitsauslastung der Beschäftigten, [[Melioration|verbesserte Bodeneigenschaften]] – durch [[Nährstoff (Pflanze)|Nährstoffaufschluss]] und Bodenauflockerung –, Inbetriebnahme brachliegender Flächen und Bereicherung des Landschaftbilds.


Technologisch gesehen enthalten nachwachsende Rohstoffe eine [[Synthese]]vorleistung der Natur, die unterschiedlich genutzt werden kann:
Technologisch gesehen enthalten nachwachsende Rohstoffe eine [[Synthese]]vorleistung der Natur, die unterschiedlich genutzt werden kann:
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* die nachwachsenden Rohstoffe können als Lebensgrundlage für [[Mikroorganismus|Mikroorganismen]] dienen, deren [[Stoffwechselprodukt]]e die gewünschten Substanzen bereitstellen.
* die nachwachsenden Rohstoffe können als Lebensgrundlage für [[Mikroorganismus|Mikroorganismen]] dienen, deren [[Stoffwechselprodukt]]e die gewünschten Substanzen bereitstellen.


In [[Österreich]] betreibt die Umweltschutzorganisation [[Global 2000]] eine Kampagne zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe. In Bayern ist hier unter anderen der [[C.A.R.M.E.N.]] aktiv. Auch [[Franz Alt (Journalist)|Franz Alt]] gehört zu den Befürwortern der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe.
Lobbyverbände für eine stärkere Nutzung erneuerbarer Rohstoffe sind der Interessenverband der Waldbesitzer [[AGDW]], der Bundesverband BioEnergie e.V. ([[BBE]]), sowie der Deutsche Forstwirtschaftsrat ([[DFWR]]). Auch der Vorsitzende des Interessenverbandes [[Eurosolar]] und Buchautor [[Franz Alt (Journalist)|Franz Alt]] gehört zu den Befürwortern der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe.


In [[Österreich]] betreibt die Umweltschutzorganisation [[Global 2000]] eine Kampagne zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe. In Bayern ist hier unter anderen der [[C.A.R.M.E.N.]] aktiv.
Besonders die [[Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe]] e.V. (FNR) unterstützt als Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bundesweit Forschung, Entwicklung und Markteinführung im Bereich Nachwachsende Rohstoffe. Ein weitere Schwerpunkt der FNR ist außerdem das umfassende Beratungs- und Informationsangebot in den Bereichen nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie.

Als staatlicher Projektträger auf Bundesebene beim Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist die [[Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe]] e.V. (FNR) eingerichtet worden um bundesweit Forschung, Entwicklung und Markteinführung im Bereich Nachwachsende Rohstoffe zu unterstützen. Ein weitere Schwerpunkt der FNR ist außerdem das umfassende Beratungs- und Informationsangebot in den Bereichen nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie. Auf Länderebene sind Ansprechpartner bei den jeweiligen Forst bzw. Landwirtschaftsministerien, den Direktionen für ländliche Entwicklung sowie teilweise bei den lokalen Industrie und Handwerkskammern zu finden.


=== Nachteile ===
=== Nachteile ===
Kritiker sehen als Problem verstärkter Energiegewinnung durch nachwachsende Rohstoffe eine nicht hinreichende Befriedigung anderer [[existenz]]iellerer Bedürfnisse, wie etwa die Versorgung mit [[Nahrungsmittel]]n. Diese Bedenken gründen sich auf folgende Auswirkungen:
Kritiker sehen als Problem verstärkter Energiegewinnung durch nachwachsende Rohstoffe in Konkurrenz zu anderen [[existenz]]iellen Bedürfnissen, etwa der lokalen Versorgung mit [[Nahrungsmittel]]n und als Verstoß gegenüber dem Prinzip der [[Nachhaltigkeit]]. Diese Bedenken gründen sich auf folgende Auswirkungen:


* In den Ländern der [[Sahelzone]] [[Burkina Faso]], [[Mali]], [[Niger]], [[Senegal]] und [[Tschad]] wurden Rekordernten für Baumwolle erzielt, während sie gleichzeitig von extremem Hunger betroffen waren.<ref name="Datta">Asit Datta, Erziehungswissenschaftler an der Universität Hannover: ''Welthandel und Welthunger''; München 1993</ref>
* In den Ländern der [[Sahelzone]] [[Burkina Faso]], [[Mali]], [[Niger]], [[Senegal]] und [[Tschad]] wurden Rekordernten für Baumwolle erzielt, während sie gleichzeitig von extremem Hunger betroffen waren.<ref name="Datta">Asit Datta, Erziehungswissenschaftler an der Universität Hannover: ''Welthandel und Welthunger''; München 1993</ref>
* Die Abholzung [[Borealer Wald|borealer Urwälder]] für die Papiergewinnung sei im Widerspruch zum Natur- und Landschaftsschutz.
* Der [[Aralsee]] trocknete zu einem großen Teil aus, weil das Wasser seiner Zuflüsse zur Bewässerung von Baumwollfeldern verwendet wird.
* Der Arten- und [[Regenwald]]verlust infolge des Holzeinschlags nimmt zu.
* Die letzten [[Borealer Wald|borealen Urwälder]] werden für die Papiergewinnung abgeholzt.
* Durch die Vernichtung großer Flächen der [[Steppe]] in der Sahelzone für die Brennholzgewinnung wird die Wüste [[Sahara]] vergrößert.
* Biomassenutzung lauge die Böden aus, da die negative [[Humus-Bilanz]] bei der Extraktion von [[Humus|Humuskohlenstoff]] aus der Biomasse außer Acht gerate. Dadurch sei die nachhaltig nutzbare Fläche für energetisch verwertbare Biomasse deutlich eingeschränkt.
* Biomassenutzung lauge die Böden aus, da die negative [[Humus-Bilanz]] bei der Extraktion von [[Humus|Humuskohlenstoff]] aus der Biomasse außer Acht gerate. Dadurch sei die nachhaltig nutzbare Fläche für energetisch verwertbare Biomasse deutlich eingeschränkt.
* Biomassenutzung konkurriert mit Naturflächen und naturbelassenen Flächen
* Biomassenutzung konkurriere mit Naturflächen und naturbelassenen Flächen
* Durch die gesteigerte Anbaufläche von Energiepflanzen (Raps, Mais) kommt es zur weiteren Intensivierung der Landwirtschaft und zur Verarmung der Landschaft.<Ref>[http://www.fg-grossdittmannsdorf.de/texte/denkschrift_2007_landwirtschaft_und_naturschutz.pdf''NABU-Fachgruppe Ornithologie Großdittmannsdorf, Denkschrift Landwirtschaft und Naturschutz, August 2007'']</Ref>
* Durch die gesteigerte Anbaufläche von Energiepflanzen (Raps, Mais) komme es zur weiteren Intensivierung der Landwirtschaft und zur Verarmung der Landschaft.<Ref>[http://www.fg-grossdittmannsdorf.de/texte/denkschrift_2007_landwirtschaft_und_naturschutz.pdf''NABU-Fachgruppe Ornithologie Großdittmannsdorf, Denkschrift Landwirtschaft und Naturschutz, August 2007'']</Ref>
* Die Nutzung von Tieren und tierischen Produkten als nachwachsende Ressource für Arbeitskraft und Rohstoffe ist tierschutzproblematisch.
* Die Nutzung von Tieren und tierischen Produkten als nachwachsende Ressource für Arbeitskraft und Rohstoffe sei tierschutzproblematisch bzw. wie beim ([[Walfang]]) generell umstritten
[[Bild:Biomassekraftwerk_Lünen.jpg|thumb|300px|Biomassekraftwerk Lünen, Betreiber: [[Evonik]], Leistung: 20 MW<sub>el, </sub>Energieträger 135.000 Tonnen Altholz p.a. ]]

Weiterhin wird kritisiert, dass nachwachsende Rohstoffe allein den weltweiten Energie- und Rohstoffbedarf nicht decken können.
Die Befürworter argumentieren dagegen, dass zunehmend an [[Konzept]]en gearbeitet wird, die dem Prinzip der [[Nachhaltigkeit]] genügen. Die Kritiker weisen darauf hin, dass zunächst die Nachhaltigkeit unter Beweis gestellt werden muss, bevor wirtschaftlich Fakten und Abhängigkeiten geschaffen werden.


Die Befürworter argumentieren dagegen, dass nachwachsende Rohstoffe als [[Cash-Crops]] die Teilnahme am Weltmarkt, den Erwerb von Devisen und damit den Kauf von gewünschten Nahrungsmitteln erst ermöglichen. Den Entwicklungsländern hier Vorschriften zu machen, wäre [[Neokolonialismus]]. Die lokalen Bewohner von Entwicklungsländern entschieden sich so möglich gegen eine nahrungsmittelbasierte [[Subsistenzwirtschaft]], auch gegen erhebliche Widerstände, vgl. in [[Opium#Opium produzierende Länder|Afghanistan]]. Daneben sei die Nachhaltigkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung vor allem abhängig von der lokalen Organisation, dem Aufbau und der Effizienz lokaler wirtschaftlicher und politischer Strukturen und nicht in erster Linie von den verwendeten Pflanzenarten.
Weiterhin wird kritisiert, dass die nachwachsenden Rohstoffe allein den weltweiten Energie- und Rohstoffbedarf nicht decken, sondern allenfalls in einem abgestimmten Gesamtkonzept zur Lösung beitragen könnten.


Treibstoffe und Energieträger aus nachwachsenden Rohstoffen könnten auch in den klassischen Industrieländern wichtige Impulse zur Revitaliserung des ländlichen Raumes wie zu neuen Technologien in Motorbau und Energietechnik geben.
Für die Deckung des übrigen Rohstoff- und Energiebedarfs bieten sich, neben der teilweise problematischen Nutzung extra produzierter nachwachsender Rohstoffe, langfristig folgende Möglichkeiten an:


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 7. Januar 2008, 00:34 Uhr

Wald als wichtigste Quelle nachwachsender Rohstoffe in Deutschland

Nachwachsende Rohstoffe gehören zu den erneuerbaren Ressourcen. Es sind „Stoffe, die aus lebender Materie stammen und vom Menschen zielgerichtet für Zwecke außerhalb des Nahrungs- und Futterbereiches verwendet werden“ [1]. Genutzt werden sie als Werkstoffe für Gebrauchsgegenstände und als Verbrauchsgüter. Beispiele sind Bau-, Dämm- und Schmierstoffe, Fette, Hydraulikflüssigkeiten, Fasern, Klebstoffe, Kleister, Gerbstoffee, Gummi und Farbstoffe. Einen Grenzbereich nehmen Genußmittel wie Tabak oder Arzneimittel sowie Kosmetik und Parfümgrundstoffe und Aromen auf Pflanzenbasis ein.

Frisch geöffnete Kokosnuss

Insbesondere bei vielen tropischen Nutzpflanzen (Kokospalme) ist die Verwendung für Zwecke jenseits der Nahrungs- und Futtermittelverwendung (wie für Kopra, Kokosfasern, Baustoffe, Öle und Fette) nur begrenzt von ersterer zu trennen. Fossile Rohstoffe, vom Erdöl bis zum Torf stammen ebenfalls aus ursprünglich lebender Materie, im Unterschied zu nachwachsenden Rohstoffen rührt ihr Tod aber aus geologischer Zeit.

In der Öffentlichkeit wird der Begriff bevorzugt auf pflanzliche Produkte angewendet. Definitionsgemäß fallen aber tierische Produkte wie Pelze, Fischbein, tierische Fette, Talg, Ambra, Walrat, Tran, Elfenbein, Purpur, Karmin, Horn, tierische Leime, Straußenfedern und Leder ebenfalls unter diesen Begriff.

Horn - ein nachwachsender Rohstoff tierischen Ursprungs

Die wichtigste Anwendung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland finden sich in der Wald und Forstwirtschaft. Wald bedeckt etwa ein Drittel der Landesfläche. Werden Holzwirtschaft, Zellstoffproduktion und Papierindustrie sowie der Holzgroßhandel einbezogen, so sind laut dem Interessenverband der Waldbesitzer AGDW in diesem Bereich mehr als eine Million Beschäftigte mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 100 Milliarden Euro zu finden.

Desweiteren werden nachwachsende Rohstoffe auch im Bereich Biokraftstoffe und Wärmegewinnung zunehmend genutzt. In Deutschland wurden im Jahr 2006 auf etwa 13 Prozent der Ackerfläche (d.h. kaum 5% der Landesfläche) bzw. auf 1,562 Millionen Hektar nachwachsende Rohstoffe angebaut[2].

Raps (Brassica napus) als bekanntester nachwachsender Rohstoff für Kraftstoffe

Bedeutungswandel durch mögliche Rohstoffverknappung

Eine wieder zunehmende Bedeutung in der öffentlichen Diskussion haben nachwachsende Rohstoffe durch die aktuell hohen Ölpreise und die Diskussion um Wachstumskrisen, wegen des Ölfördermaximums möglicherweise künftig weniger verfügbare Rohstoffvorkommen nicht-erneuerbarer Ressourcen in einer wachsenden Weltwirtschaft gewonnen. Dabei werden insbsondere nachwachsende Rohstoffe zur Treibstoffgewinnung genannt.

Vergleich mit der historischen Rolle nachwachsender Rohstoffe

Ein Vergleich der heutigen Rolle nachwachsender Rohstoffe mit der in historischer Zeit erscheint nur schwierig möglich.

Umladen von Kohle auf ein Pferdegespann (Polen 1991)

Zum einen war in historischer Zeit der Anteil der Ackerfläche im Verhältnis zu Grünland, Brache und Forsten einem stetigen Wandel [3] unterworfen. Zudem war früher ein hoher Anteil für Futterpflanzen für Nutz- und Zugtiere vorgesehen. Diese sind heute weitgehend durch motorisierte Fahrzeuge in und außerhalb der Landwirtschaft ersetzt. 1925 [3] war der Anteil von Nutztierfutterpflanzen wie Hafer, Futterhackfrüchten und Klee in Deutschland noch über 30&, während er 2000 unter 5% liegt.

Eine in der öffentlichen Wahrnehmung eher verdrängte aber nach wie vor wichtige Rolle spielen nachwachsende Rostoffe tierischer Herkunft. Im Rahmen der Tierkörperverwertung hergestellte Tiermehle und Knochenschrote werden nicht mehr an Wiederkäuer verfüttert sondern häufig verbrannt während das daneben erhaltene Tierfett als Schmiermittel, Chemiegrundstoff wie als Grundlage für (nichtvegetarischen) Biodiesel dient.

Unrealistische Positionierung der nachwachsenden Rohstoffe

Die breite öffentliche Diskussion täuscht möglicherweise über den tatsächliche Position der nachwachsenden Rohstoffe hinweg.

Zum einen erscheit eine baldige Ablösung der fossilen Energieträgern mit nachwachsenden Rohstoffen erscheint weder möglich noch notwendig:

„Wir erwarten, dass der gesamte Energieverbrauch 2050 doppelt so hoch liegen wird wie heute. Bis zu 30 Prozent der Energie könnte dann aus erneuerbaren Quellen kommen. Prozentual geht die Bedeutung der fossilen Energieträger zurück. In absoluten Zahlen aber nicht: 2050 wird sogar mehr Öl, Gas und Kohle konsumiert als heute. [...] Selbst wenn Sie auf jedes Dach in Deutschland ein Panel setzen, decken Sie nur einen Bruchteil des Strombedarfs ab. Die Menschen schätzen die Dimensionen falsch ein.“

Jeroen van der Veer: Vorstandsvorsitzender Shell-AG
Indigogefärbte Blue Jeans

Zum anderen würde etwa im Bereich der Farbstoffe eine Rückwendung zu nur natürlich hergestellten Rohstoffen eine erhebliche Verteuerung und erhebliche Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion darstellen.

Bis ins 19. Jahrhundert hatten englische Handelsgesellschaften ein Monopol auf Indigo, welches im britischen Kolonialreich an vielen verschiedenen Orten angebaut wurde. Zwischen 1880 und 1910 verdrängte synthetisch hergestellter Indigo, der nur an nur zwei Produktionsstätten in Deutschland hergestellt wurde, das Naturprodukt Indigo fast vollständig. Dieser hatte seinerseits einige Jahrhunderte zuvor den Färberwaid verdrängt. Der synthetische Indigo stellte eine Anbaufläche von 650.000 ha allein im britischen Indien frei. Mit dieser Produktionssteigerung war auch ein deutlicher Preisverfall verbunden, ohne den der früher nur einer reichen Elite zugängliche blaue Farbstoff bis 1920 nicht die Blue Jeans weltweit populär hätte machen können [4].

Traditionelle und neuartige Nutzungsformen

Innovative Holzarchitektur

Holz wurde und wird als Bauholz konstruktiv und für Baugerüste und als Schalungim Betonbau unterstützend verwendet. Neue Holzwerkstoffe und der Ingenieurholzbau ermöglichen entsprechedn gewagte Holzkonstruktionen. Holz spielt nach wie vor im Verkehrswesen eine wichtige Rolle, auch wenn Schiffe und Fahrzeuge, Brücken und Eisenbahnschwellen und Telekommunikationsmasten nicht mehr generell komplett aus Holz hergestellt werden. Daneben ist die Zellstoff- und Papierindustrie nicht mehr aus dem modernen Leben hinwegzudenken.

Bereits in der Vorzeit wurde Holz zum Feuermachen und Holzkohle und Holzasche für metallurgische (Schmied) und ersten chemischen Anwendungen (Schnapsbrenner, Holzgeist) genutzt. Heute wird Holz in verschiedenen Verarbeitungsformen wie Meterholz, Hackschnitzel, Holzpellet, Holzkohle als Brennholz in Öfen, Kaminen und im offenen Feuer verbrannt, um eine angenehme Wärme zu gewinnen wie auch etwa beim Grillen Nahrungsmittel zuzubereiten. Desweiteren wird Holz für rußbasierte Farbstoffe sowie als Aktivkohle in Filtern und medizinischen Anwendungen genutzt.

Baumwolle (Gossypium spec.)

Ebenso werden nachwachsende Rohstoffe verwendet, um Gebrauchsgegenstände und Verbrauchsmaterialien herzustellen: Holz z.B. für Papier und Möbel; Pflanzenfasern, wie z.B. Hanf, Jute, Flachs bzw. Leinen oder Baumwolle sowie Fasern tierischen Ursprungs, wie Schafwolle oder Seide für Gewebestoffe und Kleidung sowie industrielle Textilien; Grassoden, Schindeln, Bambus, Reet und Stroh zur Dachdeckung, Rattan, Peddigrohr und Weidenruten für Korbwaren und Möbel, und viele weitere.

Walfangprodukte: Dominospiel aus Walbein

Speziellere Anwendungen sind: Kautschuk für Gummi; Färberpflanzen für Naturfarben und Lacke, Bienenwachs, Jojoba und Carnaubawachs für Kerzen, Öle, Schmiermittel und Kosmetikgrundstoffe, sowie die spezifische Anwendung von Wirkstoffen aus Arzneipflanzen/Heilpflanzen für pharmazeutische Zwecke und zur Herstellung von Genussmittel und Drogen.

Die Bedeutung von nachwachsenden Rohstoffen tierischen Ursprungs insbesondere aus dem Walfang hat gegenüber dem 18. und 19. Jahrhundert abgenommen und wurde langsam durch erdölbasierte Chemiegrundstoffe, Brennmittel, Treibstoffe, Schmiermittel und Kunststoffe abgelöst. Noch im 1. Weltkrieg waren Glyzerine aus Walöl ein wichtiger Rohstoff der Sprengstoffherstellung, bis 1967 war Walrat im deutschen Arzneibuch enthalten. Der verbleibende derzeitige Walfang dient allerdings mehr der Nahrungsmittelproduktion bzw. wissenschaftlichen Zwecken als der Rohstoffgewinnung und wäre weder preislich noch vom Umfang her in der Lage, Erdöl nennenswert zu substituieren.

Nutzen im Energie- und Rohstoffmarkt

Die Situation in der EU

Der Anbau von Pflanzen, aus denen sich Kraftstoffe gewinnen lassen – etwa Raps oder Sonnenblumen – erfolgt in der Europäischen Union häufig auf subventionierten Stilllegungsflächen und stellt damit für landwirtschaftliche Betriebe einen starken finanziellen Anreiz dar. Allerdings waren die erlaubten Anbauflächen für rohstoffliefernde Pflanzen aufgrund des Blair-House-Abkommens bis einschließlich zur Ernte 2001 beschränkt.

Die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen für den Energie- und Rohstoffmarkt ist umstritten. Während Befürworter insbesondere auch die Förderung von Biokraftstoffen fordern, stufen Kritiker andere existentielle Belange als vordringlich ein. Überwiegend werden die Förderung nachwachsender Rohstoffe als richtig betrachtet, da einige befürchten, Nicht-erneuerbare Rohstoffe würden den weltweiten Bedarf an Konsumgütern zukünftig nicht mehr decken können.

Vorteile

Die Befürworter begründen ihre Position auch mit der ausgeglichenen Kohlenstoffdioxid-Bilanz bei Verwendung von Biomasse und der geringeren Umweltbelastung bei Kontamination durch Biokraftstoffe.[5]. Zudem sehen sie in nachwachsenden Rohstoffen einen möglichen Beitrag, um mögliche Folgen eines Ölfördermaximums zu entschärfen.

Holzheizkraftwerk in Oerlinghausen

Als wirtschaftliche Aspekte nennen Befürworter die breite Verfügbarkeit nachwachsender Rohstoffe – was zur Stärkung der lokalen Wirtschaft beitrage –, das Entfallen langer Transportwege und ganzjährige Verfügbarkeit. Die verstärkte Nutzung in der Landwirtschaft würde weitere positive Auswirkungen nach sich ziehen: aufgelockerte Fruchtfolge, ganzjährige Arbeitsauslastung der Beschäftigten, verbesserte Bodeneigenschaften – durch Nährstoffaufschluss und Bodenauflockerung –, Inbetriebnahme brachliegender Flächen und Bereicherung des Landschaftbilds.

Technologisch gesehen enthalten nachwachsende Rohstoffe eine Synthesevorleistung der Natur, die unterschiedlich genutzt werden kann:

  • Rohstoffe können chemisch modifiziert werden oder als Synthesebausteine dienen,
  • die gesuchten Substanzen können direkt extrahiert und genutzt werden und
  • die nachwachsenden Rohstoffe können als Lebensgrundlage für Mikroorganismen dienen, deren Stoffwechselprodukte die gewünschten Substanzen bereitstellen.

Lobbyverbände für eine stärkere Nutzung erneuerbarer Rohstoffe sind der Interessenverband der Waldbesitzer AGDW, der Bundesverband BioEnergie e.V. (BBE), sowie der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR). Auch der Vorsitzende des Interessenverbandes Eurosolar und Buchautor Franz Alt gehört zu den Befürwortern der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe.

In Österreich betreibt die Umweltschutzorganisation Global 2000 eine Kampagne zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe. In Bayern ist hier unter anderen der C.A.R.M.E.N. aktiv.

Als staatlicher Projektträger auf Bundesebene beim Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) eingerichtet worden um bundesweit Forschung, Entwicklung und Markteinführung im Bereich Nachwachsende Rohstoffe zu unterstützen. Ein weitere Schwerpunkt der FNR ist außerdem das umfassende Beratungs- und Informationsangebot in den Bereichen nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie. Auf Länderebene sind Ansprechpartner bei den jeweiligen Forst bzw. Landwirtschaftsministerien, den Direktionen für ländliche Entwicklung sowie teilweise bei den lokalen Industrie und Handwerkskammern zu finden.

Nachteile

Kritiker sehen als Problem verstärkter Energiegewinnung durch nachwachsende Rohstoffe in Konkurrenz zu anderen existenziellen Bedürfnissen, etwa der lokalen Versorgung mit Nahrungsmitteln und als Verstoß gegenüber dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Diese Bedenken gründen sich auf folgende Auswirkungen:

  • In den Ländern der Sahelzone Burkina Faso, Mali, Niger, Senegal und Tschad wurden Rekordernten für Baumwolle erzielt, während sie gleichzeitig von extremem Hunger betroffen waren.[6]
  • Die Abholzung borealer Urwälder für die Papiergewinnung sei im Widerspruch zum Natur- und Landschaftsschutz.
  • Biomassenutzung lauge die Böden aus, da die negative Humus-Bilanz bei der Extraktion von Humuskohlenstoff aus der Biomasse außer Acht gerate. Dadurch sei die nachhaltig nutzbare Fläche für energetisch verwertbare Biomasse deutlich eingeschränkt.
  • Biomassenutzung konkurriere mit Naturflächen und naturbelassenen Flächen
  • Durch die gesteigerte Anbaufläche von Energiepflanzen (Raps, Mais) komme es zur weiteren Intensivierung der Landwirtschaft und zur Verarmung der Landschaft.[7]
  • Die Nutzung von Tieren und tierischen Produkten als nachwachsende Ressource für Arbeitskraft und Rohstoffe sei tierschutzproblematisch bzw. wie beim (Walfang) generell umstritten
Biomassekraftwerk Lünen, Betreiber: Evonik, Leistung: 20 MWel, Energieträger 135.000 Tonnen Altholz p.a.

Weiterhin wird kritisiert, dass nachwachsende Rohstoffe allein den weltweiten Energie- und Rohstoffbedarf nicht decken können.

Die Befürworter argumentieren dagegen, dass nachwachsende Rohstoffe als Cash-Crops die Teilnahme am Weltmarkt, den Erwerb von Devisen und damit den Kauf von gewünschten Nahrungsmitteln erst ermöglichen. Den Entwicklungsländern hier Vorschriften zu machen, wäre Neokolonialismus. Die lokalen Bewohner von Entwicklungsländern entschieden sich so möglich gegen eine nahrungsmittelbasierte Subsistenzwirtschaft, auch gegen erhebliche Widerstände, vgl. in Afghanistan. Daneben sei die Nachhaltigkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung vor allem abhängig von der lokalen Organisation, dem Aufbau und der Effizienz lokaler wirtschaftlicher und politischer Strukturen und nicht in erster Linie von den verwendeten Pflanzenarten.

Treibstoffe und Energieträger aus nachwachsenden Rohstoffen könnten auch in den klassischen Industrieländern wichtige Impulse zur Revitaliserung des ländlichen Raumes wie zu neuen Technologien in Motorbau und Energietechnik geben.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Quellen

  1. Mann, Stefan: Nachwachsende Rohstoffe, Stuttgart, 1998, ISBN 3800141264
  2. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., Pressemitteilung vom 5. September 2006
  3. a b http://www.genres.de/infos/pdfs/bd23/23-04.pdf Vielfalt im Wandel der Zeit - Historischer Überblick und Status Quo, HANS-PETER PIORR und KERSTIN LEHMANN, FH Eberswalde
  4. Engel, Alexander, Produktionssysteme im Wettstreit. Wissensorganisation im Kampf um den Weltmarkt für Indigo, 1880-1910, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 50, Heft 1, 2005, S. 83-104.
  5. Umweltbundesamt: Wassergefährdende Stoffe, 05.07.2006
  6. Asit Datta, Erziehungswissenschaftler an der Universität Hannover: Welthandel und Welthunger; München 1993
  7. NABU-Fachgruppe Ornithologie Großdittmannsdorf, Denkschrift Landwirtschaft und Naturschutz, August 2007