„Tariq Ramadan“ – Versionsunterschied

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*[http://www.eur.nl/fsw/ramadan Website Tariq Ramadans bei der Erasmus Universiteit Rotterdam]
*[http://www.eur.nl/fsw/ramadan Website Tariq Ramadans bei der Erasmus Universiteit Rotterdam]
*[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/politischeliteratur/479142/ Euroislam unter der Lupe], Deutschlandfunk
*[http://www.dradio.de/dlf/sendungen/politischeliteratur/479142/ Euroislam unter der Lupe], Deutschlandfunk
*[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,399977,00.html Spiegel Artikel: "Wir müssen der Vernunft mehr Gehör verschaffen"]
*[http://www.cicero.de/97.php?ress_id=1&item=2141 Cicero Artikel von Ralph Ghadban: "Der Janusköpfige"]
*[http://www.iht.com/articles/2007/12/16/opinion/edramadan.php International Herald Tribune: A case of selective hearing (by Tariq Ramadan)]
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Version vom 9. Februar 2008, 01:19 Uhr

Tariq Ramadan (* 26. August 1962 in Genf; arabisch طارق رمضان, DMG Tāriq Ramaḍān) ist ein Schweizer Islamwissenschaftler und Publizist ägyptischer Herkunft. Er ist das jüngste von sechs Kindern des Said Ramadan. Er gilt als ein Vordenker des sogenannten „Euroislam“, auch wenn er selbst diesen durch Bassam Tibi geprägten Begriff vermeidet[1]. Tariq Ramadan gilt als einflussreiches Vorbild für einige Muslime in der Diaspora, nicht zuletzt wegen der von ihm propagierten Partizipation der Muslime an der westlichen Gesellschaft.

Leben

Herkunft und Jugend

Er ist ein Enkel von Hassan al-Banna, einem Mitbegründer der Muslimbrüder, der 1949 nach islamistischen Anschlägen auf die Obrigkeit von den ägyptischen Behörden ermordet wurde.

Sein Vater Said Ramadan, ebenfalls ein angesehener Vertreter der Muslimbrüder, musste unter dem politischen Druck des ägyptischen Staatschefs Gamal Abdel Nasser 1954 seine Heimat verlassen, ging nach Deutschland, promovierte in Köln, und ließ sich später in Genf (Schweiz) nieder. Er organisierte Islamische Zentren in München und Genf.

Tariq ging zu einer ganz normalen säkularen Schweizer Schule, wo er eine Klasse übersprang, studierte dann Philosophie (mit Schwerpunkt Nietzsche), Literatur und Sozialwissenschaften in Genf. Ab 1991 studierte er an der Al-Azhar-Universität in Kairo.

Berufliches

Tariq Ramadan promovierte an der Universität Genf mit einer Arbeit über seinen Großvater Hasan al-Banna. Die erste Fassung der Arbeit wurde von Professor Genéquand wegen ihrer apologetischen Tendenz abgelehnt. Tariq Ramadan gab als Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg im Üechtland Kurse zur Einführung in den Islam. Als Experte gehörte er mehreren Kommissionen des Europaparlamentes an und ist Mitglied der „Gruppe der Weisen für den Dialog der Völker und Kulturen“ bei der Europäischen Kommission unter Vorsitz von Romano Prodi.

Anfang 2004 hätte er an der katholischen Universität von Notre Dame in Indiana (USA) eine Professur für Religion, Konflikt- und Friedensforschung antreten sollen. Das nach dem 11. September 2001 geschaffene US-Heimatschutzministerium zog allerdings ein schon erteiltes Einreisevisum kurzfristig wieder zurück. Das U.S. State Department stützte seine Entscheidung auf eine Spende von 900$, die Ramadan an palästinensische Hilfsorganisationen geleistet hatte, die auch die Hamas unterstützen.

Ramadan war Gaststipendiat am St Antony’s College der Oxford University und arbeitet dort seit Oktober 2006 als Visiting Fellow.

Privates

Tariq Ramadan ist seit 1986 verheiratet und hat vier Kinder. Seine Frau konvertierte als Schweizer Katholikin zum Islam und nahm den Namen Iman an. Ein Sohn von ihm besucht ein Jungeninternat, das von Yusuf Islam geleitet wird. Ramadan hat sich wiederholt von den Aussagen seines Bruders Hani Ramadan distanziert, der das Islamische Zentrum Genf leitet und von Kritikern als Hardliner bezeichnet wurde, da er – u. a. in einem Aufsatz in Le Monde 2002 – die Steinigung von Ehebrecherinnen forderte.

Positionen

Tariq Ramadan setzt sich für die da'wa ein, die islamische Mission in Europa. Ihr Ziel sei, dass die Europäer den Islam freiwillig annähmen, ohne jedoch ihre Sprache oder Sitten ablegen zu sollen, solange diese mit der Scharia vereinbar seien. Ramadan wendet sich dagegen, die Europäer arabisieren oder turkisieren zu wollen. Auch wendet er sich gegen die Auffassung, dass Europäer als Harbis keinerlei Rechte hätten.

Ausgangspunkt von Ramadans Lehre ist die These, dass weder der Islam noch die Schari'a in der Geschichte statische Größen gewesen seien, wie die muslimischen Fundamentalisten behaupteten. Das bedeute, dass die Anwendung des Begriffs dar al-harb („Haus des Krieges“) auf Europa heute überholt sei, zumal in Europa volle Religionsfreiheit gewährleistet sei, Muslime also nicht verfolgt würden. Ansonsten wären sie gezwungen, das dar al-harb zu verlassen und ins dar al-islam („Haus des Islam“) zu flüchten. Wichtig sei es, in nicht-islamischen Ländern zwischen den Traditionen der islamischen Welt und dem eigentlichen Kern zu unterscheiden, dem Ziel der Religion. Als eigenständige Leistung in der islamischen Begrifflichkeit gilt sein Konzept des dar asch-schahada („Haus des Glaubensbekenntnisses“).

Ramadan formuliert fünf Hauptprinzipien für Muslime als Minderheit in Europa:

  1. Der Begriff dar al-harb für Europa müsse durch seinen Begriff Dar asch-Schahada ersetzt werden.
  2. Ein Muslim, der seinen Aufenthalt oder gar die Staatsbürgerschaft in einem europäischen Land habe, müsse sich in den dortigen Gesellschaftsvertrag (im Sinne von Jean-Jacques Rousseau) fügen.
  3. Im Gegenzug müssten die europäischen Gesetzgeber im Rahmen der garantierten Religionsfreiheit den Muslimen die Möglichkeit geben, beispielsweise repräsentative Moscheen bauen zu können.
  4. Die Muslime müssten sich im vollen Umfang als Mitbürger betrachten, die am gesellschaftlichen Leben in allen seinen verschiedenen Aspekten teilhaben, ohne ihre eigenen – islamischen – Werte dabei aufzugeben.
  5. Innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen der europäischen Staaten seien die Muslime frei, Entscheidungen nach ihren persönlichen Glaubensvorstellungen zu treffen, sich beispielsweise nach islamischen Speisevorschriften zu richten. Im Falle von Loyalitätskonflikten, wie dem (ungerechten) Angriff auf ein islamisches Land, sei es dem Muslim erlaubt, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern.

Ramadans Konzept wendet sich sowohl gegen die von fundamentalistischen Predigern geforderte Ghettoisierung der Muslime, als auch gegen eine Assimilation, die der Aufgabe des Islams gleichkäme. Zwischen dem Islam und dem Westen sieht er keinen Widerspruch.[2][3][4]

Ramadan ist für die Aussetzung jedweder Körperstrafen in der islamischen Welt mit dem Ziel ihrer Überwindung.[5]

Wirkung in der Öffentlichkeit

Tariq Ramadan tritt für eine neue europäisch-muslimische Identität ein. In seinem Buch Muslimsein im Westen fordert er „die Partizipation am gesellschaftlichen Leben, kulturelle Projekte im Einklang mit der europäischen Kultur und der muslimischen Ethik“. Er bezeichnet sich als „Reformsalafist“ (Zitat: Vorlage:"-en). Er tritt für „islamischen Sozialismus“ ein, macht die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Probleme der Dritten Welt verantwortlich. Zitat: Vorlage:"-en.

Seine bevorzugten Philosophen sind Muhammad Abduh und Jamal al-Din al-Afghani, die im 19. Jahrhundert die heiligen Schriften nach Ramadans Auffassung „rational“ neu interpretieren wollten, für welche Wissenschaft, Frauenemanzipation und Demokratie keinesfalls im Widerspruch zum Islam standen, die aber den westlichen Materialismus scharf kritisierten. Ramadan verteidigt in diesem Zusammenhang auch seinen Großvater al-Banna, schreibt die Ursache für den Al-Qaida-Terrorismus einem anderen Muslimbruder Sayyid Qutb zu, den sein Großvater nicht persönlich kannte (wohl aber sein Vater).

In Genf verhinderte Ramadan 1993 die Aufführung von Voltaires Mahomet. Er plädierte für ein „Moratorium“ und eine „breite innerislamische Debatte“ über die Frage der Steinigung von Ehebrecherinnen und Ehebrechern, um einen die gesamte islamische Welt umfassenden Konsens zu erzielen. Er verteidigte während der Kopftuch-Debatte die Kleidung der Muslimin als „Zeichen ihrer Identität“ und als „islamische Pflicht“, die jedoch kein „Zwang“ werden dürfe.

Ramadan hat mehrfach öffentlich alle Terroranschläge verurteilt.

Als „führenden islamischen Denker“ unter Europas Muslimen der zweiten und dritten Generation, der aber auch großes Misstrauen hervorrufe, führte ihn 2000 das Time Magazine in der Sparte „Erneuerer des Monats“.[6]

Kritik an Ramadan

Seine Kritiker – allen voran Caroline Fourest, Autorin von Frère Tariq ("Bruder Tariq") – sehen in ihm gleichwohl eine sich nur scheinbar aufgeklärt gebende Stimme des im Kern antiwestlich orientierten Islamismus. Fourest hält ihn gerade deswegen für besonders gefährlich, weil seine Ansichten auf den ersten Blick völlig vernünftig erscheinen. Kritiker lasten ihm überdies den Konflikt mit dem französischen Journalisten und Globalisierungskritikern Bernard-Henri Lévy und Alain Finkielkraut sowie Bernard Kouchner, André Glucksmann und (dem Nichtjuden) Pierre-André Taguieff an, denen er 2003 in einem von Libération und Le Monde abgelehnten, aber von oumma.com abgedruckten Artikel eine Tendenz zum „jüdischen Kommunitarismus“ vorwarf. Ein weiterer Schritt von ihm war seine Forderung, jüdische Mitbürger sollten nicht „reflexartig“ Israel verteidigen.

Dagegen finden seine Aufforderungen an die Muslime Zustimmung, sich von Regimen wie dem saudischen und vom Terrorismus zu distanzieren. Gilles Kepel deutet Ramadans jüngst geändertes Auftreten dergestalt, dass er sich im Image vom Sprecher der islamischen Jugend zum Universalintellektuellen gewandelt habe, um seinem Ehrgeiz besser gerecht zu werden. 2003 kam es im französischen Fernsehen zu einem heftigen Wortgefecht mit Innenminister Nicolas Sarkozy, als Ramadan ein „Moratorium“ über Steinigungen vorschlug, das schariatische Gesetz aber nicht grundsätzlich verurteilen wollte.

Fourest wirft ihm vor, eine Schura von Gelehrten anzustreben, die in ihrer Mehrheit Anhänger der Steinigung seien.[7]

Der Orientalist Olivier Roy glaubt nicht, dass in Frankreich die Fundamentalisten den Großteil seiner Anhänger stellen, ebensowenig wie arme Moslems aus den Vorstädten.

Vielmehr spricht Ramadan die zweite Generation der Einwanderer an, die Akademiker sind, sich aber nicht integriert fühlen, aber doch gerne zur Mittelklasse zählen würden. Begriffe wie „Würde“ und „Respekt“ würden bei ihnen auf fruchtbaren Boden fallen.

Zitate

„Ich komme aus der reformerischen Tradition... Ich denke, dass wir uns nicht nur an die Welt anpassen, sondern diese auch verändern müssen.“

"Islam und Rechtsstaat sind vereinbar", Interview taz, 13. Sept. 2007[1]

„Die westliche Lebensweise stützt sich auf und erhält sich durch die Verführung zur Aufstachelung der natürlichsten und primitivsten Instinkte des Menschen: sozialer Erfolg, Wille zur Macht, Drang zur Freiheit, Liebe zum Besitz, sexuelles Bedürfnis usw.“

Der Islam und der Westen. S. 319

„Daraus folgt die Notwendigkeit, unsere Religion im Lichte unserer Überzeugung von ihrer Universalität darzustellen, allerdings in einer Weise, die unserer jeweiligen Umgebung angemessen ist: so gestaltet sich unseres Erachtens die Vorgehensweise, die den Muslimen ermöglicht, ihre Präsenz in Europa in positiver Weise zu begreifen.“

Muslimsein in Europa

Schriften

Auf Deutsch:

Auf Französisch:

Literatur

Quellen

  1. http://www.taz.de/digitaz/2007/09/13/a0133.1/text
  2. Nasr Hamid Abu Zaid: Der Islam - neu gedacht. In: NZZ. 29. April 2005
  3. Ludwig Ammann: Tariq Ramadan – die konservative Reform. (PDF-Download, 7 Seiten)
  4. Naser Khader: Ære og Skam. 3. Ausgabe, 2006, S. 139ff. (Dänisch)
  5. Tariq Ramadan: An International call for Moratorium on corporal punishment, stoning and the death penalty in the Islamic World. 30. März 2005
  6. Nicholas Le Quesne: Trying to Bridge A Great Divide. In: Time Magazine. 2000 (englisch)
  7. Frère Tariq. Extraits exclusifs, Un livre de Caroline Fourest. In: L'Express. 18. Oktober 2004

Weblinks