„Wilhelm Tell“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
M-O-W (Diskussion | Beiträge)
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
<!--schweizbezogen-->
<!--schweizbezogen-->
{{Begriffsklärungshinweis}}
{{Begriffsklärungshinweis}}
'''Wilhelm Tell''' ist ein sagenhafter, schweizerischer Freiheitskämpfer und [[Tyrannenmord|Tyrannenmörder]], der an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert in der [[Innerschweiz]] gelebt haben soll. Bereits im Mittelalter war er dort als legendäre Gestalt lebendig und kam damals schon in Theaterspielen vor. Der Dichter [[Friedrich Schiller]] verfasste in seiner späten Schaffensphase das berühmte [[Wilhelm Tell (Schiller)|gleichnamige Bühnenwerk]]. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist er der [[Nationalheld]] der [[Schweiz]].
'''Wilhelm Tell''' ist ein sagenhafter, schweizerischer Freiheitskämpfer und [[Tyrannenmord|Tyrannenmörder]], der an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert in der [[Innerschweiz]] gelebt haben soll. Später war er dort als legendäre Gestalt lebendig und kam in Theaterspielen vor. Der Dichter [[Friedrich Schiller]] verfasste in seiner späten Schaffensphase das berühmte [[Wilhelm Tell (Schiller)|gleichnamige Bühnenwerk]]. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist er der [[Nationalheld]] der [[Schweiz]].


[[Bild:Gessler_und_Tell.jpg|300px|thumb|Gessler und Tell, Illustration von 1880]]
[[Bild:Gessler_und_Tell.jpg|300px|thumb|Gessler und Tell, Illustration von 1880]]
Zeile 12: Zeile 12:
In Tschudis Tell-Legende lässt der [[Habsburg|habsburgische]] Landvogt [[Hermann Gessler|Gessler]] zu [[Altdorf UR|Altdorf]] einen Hut auf eine Stange stecken und befiehlt den schweizerischen Untertanen, diesen jedes Mal zu grüssen, wenn sie an ihm vorüber gehen. Wilhelm Tell, ein weithin bekannter [[Armbrust]]schütze, verweigert den Gruss, und der Vogt befiehlt ihm daraufhin, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schiessen. Sein Kind müsse andernfalls mit ihm sterben. Tell tut widerstrebend, wie ihm geheissen, und trifft den Apfel. Als er aber auf die Frage nach dem Zweck des zweiten Pfeils, den er zu sich gesteckt hatte, antwortet, dass derselbe für den Vogt bestimmt gewesen sei, wenn er sein Kind getroffen hätte, befiehlt dieser, ihn gefesselt auf seine Burg nach [[Küssnacht am Rigi|Küssnacht]] zu überführen. Auf dem [[Vierwaldstättersee]] aber bringt ein Sturm das Schiff in Gefahr, und Tell wird seiner Fesseln entledigt, um dasselbe zu lenken. Geschickt steuert er es gegen das Ufer, wo der [[Axen]] sich erhebt, springt dort von Bord auf eine hervorragende Felsplatte, welche noch heute [[Tellsplatte]] heisst, eilt darauf über das Gebirge nach [[Küssnacht]], erwartet den Vogt in einem [[Hohlweg]], [[Hohle Gasse]] genannt, und erschiesst ihn aus sicherem Versteck mit der Armbrust.
In Tschudis Tell-Legende lässt der [[Habsburg|habsburgische]] Landvogt [[Hermann Gessler|Gessler]] zu [[Altdorf UR|Altdorf]] einen Hut auf eine Stange stecken und befiehlt den schweizerischen Untertanen, diesen jedes Mal zu grüssen, wenn sie an ihm vorüber gehen. Wilhelm Tell, ein weithin bekannter [[Armbrust]]schütze, verweigert den Gruss, und der Vogt befiehlt ihm daraufhin, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schiessen. Sein Kind müsse andernfalls mit ihm sterben. Tell tut widerstrebend, wie ihm geheissen, und trifft den Apfel. Als er aber auf die Frage nach dem Zweck des zweiten Pfeils, den er zu sich gesteckt hatte, antwortet, dass derselbe für den Vogt bestimmt gewesen sei, wenn er sein Kind getroffen hätte, befiehlt dieser, ihn gefesselt auf seine Burg nach [[Küssnacht am Rigi|Küssnacht]] zu überführen. Auf dem [[Vierwaldstättersee]] aber bringt ein Sturm das Schiff in Gefahr, und Tell wird seiner Fesseln entledigt, um dasselbe zu lenken. Geschickt steuert er es gegen das Ufer, wo der [[Axen]] sich erhebt, springt dort von Bord auf eine hervorragende Felsplatte, welche noch heute [[Tellsplatte]] heisst, eilt darauf über das Gebirge nach [[Küssnacht]], erwartet den Vogt in einem [[Hohlweg]], [[Hohle Gasse]] genannt, und erschiesst ihn aus sicherem Versteck mit der Armbrust.


Von Tells weiterem Leben wird nur berichtet, dass er [[1315]] in der [[Schlacht bei Morgarten]] mitgefochten und 1354 in dem Schächenbach beim Versuch der Rettung eines Kindes den Tod gefunden habe.
Von Tells weiterem Leben wird nur berichtet, dass er [[1315]] in der [[Schlacht bei Morgarten]] mitgefochten und 13505in dem Schächenbach beim Versuch der Rettung eines Kindes den Tod gefunden habe.


Nachdem schon der Freiburger [[Franz Guillimann]] [[1607]], dann die Basler [[Christian und Isaak Iselin]], der Berner Pfarrer [[Uriel Freudenberger]] [[1760]] sowie [[Voltaire]] („Annales de l'Empire”) die Geschichte Tells als [[Fabel]] bezeichnet hatten, kam im [[19. Jahrhundert]] der Historiker [[Joseph Eutych Kopp|Kopps]] u.&nbsp;a. zum Ergebnis, dass die Tell-Gestalt in keinem zeitgenössischen Schriftdokument erwähnt wird. Erst gegen Ende des [[15. Jahrhundert]]s taucht die Tellsage auf, und zwar in mindestens zwei Versionen. Die erste Quelle, in der die Erzählung belegt ist, ist ein um [[1499]] entstandenes Volkslied; sodann wird sie in der [[Luzern (Stadt)|Luzerner]] Stadtchronik erwähnt, die 1482 bis 1488 von [[Melchior Russ]] geschrieben wurde. Russ erblickt in Tell den Haupturheber der Befreiung und Stifter des gegen die [[Habsburg|habsburgische]] Herrschaft gerichteten Bundes der [[Alte Eidgenossenschaft|Eidgenossen]].
Nachdem schon der Freiburger [[Franz Guillimann]] [[1607]], dann die Basler [[Christian und Isaak Iselin]], der Berner Pfarrer [[Uriel Freudenberger]] [[1760]] sowie [[Voltaire]] („Annales de l'Empire”) die Geschichte Tells als [[Fabel]] bezeichnet hatten, kam im [[19. Jahrhundert]] der Historiker [[Joseph Eutych Kopp|Kopps]] u.&nbsp;a. zum Ergebnis, dass die Tell-Gestalt in keinem zeitgenössischen Schriftdokument erwähnt wird. Erst gegen Ende des [[15. Jahrhundert]]s taucht die Tellsage auf, und zwar in mindestens zwei Versionen. Die erste Quelle, in der die Erzählung belegt ist, ist ein um [[1499]] entstandenes Volkslied; sodann wird sie in der [[Luzern (Stadt)|Luzerner]] Stadtchronik erwähnt, die 1482 bis 1488 von [[Melchior Russ]] geschrieben wurde. Russ erblickt in Tell den Haupturheber der Befreiung und Stifter des gegen die [[Habsburg|habsburgische]] Herrschaft gerichteten Bundes der [[Alte Eidgenossenschaft|Eidgenossen]].
Zeile 21: Zeile 21:
Die so genannten Tellskapellen auf der [[Tellsplatte]], in Bürglen und in der Hohlen Gasse stammen erst aus dem [[16. Jahrhundert]] und sind zum Teil nachweislich zu Ehren von Kirchenheiligen gestiftet worden. In Uri liess sich keine Familie Tell ermitteln; die Erkenntnisse der Urner Landsgemeinden von [[1387]] und [[1388]], welche Tells Existenz bezeugen sollten, sowie die den Namen „Tello” und „Täll” enthaltenden Totenregister und Jahrzeitbücher von Schaddorf und Attinghausen sind als Erdichtungen und Fälschungen nachgewiesen.
Die so genannten Tellskapellen auf der [[Tellsplatte]], in Bürglen und in der Hohlen Gasse stammen erst aus dem [[16. Jahrhundert]] und sind zum Teil nachweislich zu Ehren von Kirchenheiligen gestiftet worden. In Uri liess sich keine Familie Tell ermitteln; die Erkenntnisse der Urner Landsgemeinden von [[1387]] und [[1388]], welche Tells Existenz bezeugen sollten, sowie die den Namen „Tello” und „Täll” enthaltenden Totenregister und Jahrzeitbücher von Schaddorf und Attinghausen sind als Erdichtungen und Fälschungen nachgewiesen.


Der Autor [[Max Frisch]] schrieb eine eigene „Version”, nämlich „Wilhelm Tell für die Schule”, in der er u.a. auch auf die dänische Sage Bezug nimmt.
Der Schriftsteller [[Max Frisch]] schrieb eine eigene „Version”, nämlich „Wilhelm Tell für die Schule”, in der er u.a. auch auf die dänische Sage Bezug nimmt.


== Herkunft der Apfelschuss-Sage ==
== Herkunft der Apfelschuss-Sage ==
[[Bild:Tellschuß.jpg|thumb|Der Tellschuss. Aus: Illustrierte Literaturgeschichte (1880)]]
[[Bild:Tellschuß.jpg|thumb|Der Tellschuss. Aus: Illustrierte Literaturgeschichte (1880)]]
Die Sage vom [[Apfelschuss]] ist ein uralter indogermanischer [[Mythos]], der in anderem Gewand auch in der persischen, dänischen, norwegischen und isländischen Heldensage vorkommt. In Letzterer wird der Held [[Egil|Eigil]] genannt, von dessen Sohn, König [[Orentel]], Tell vielleicht den Namen erhalten hat. In der dänischen Variante heisst der Held [[Toko]]. In der Schweiz ist die offenbar schon vor 1400 im Volk verwurzelte Variante dieses Mythos von den [[Chronist]]en des 15. Jahrhunderts zur Ausschmückung der Befreiungssage übernommen worden.
Die Sage vom [[Apfelschuss]] ist ein uralter europäischer [[Mythos]], der in anderem Gewand auch in der persischen, dänischen, norwegischen und isländischen Heldensage vorkommt. In Letzterer wird der Held [[Egil|Egil]] genannt, von dessen Sohn, König [[Orentel]], Tell vielleicht den Namen erhalten hat. In der dänischen Variante heisst der Held [[Toko]]. In der Schweiz ist die offenbar schon vor 1400 im Volk verwurzelte Variante dieses Mythos von den [[Chronist]]en des 15. Jahrhunderts zur Ausschmückung der Befreiungssage übernommen worden.


Der Berner Pfarrer Uriel Freudenberger ([[1738]] bis [[1743]] Prediger am [[Inselspital]] in [[Bern]], Pfarrer von [[Frutigen]] und [[1747]] bis [[1752]] in [[Ligerz]]) betätigte sich als Geschichtsforscher und stellte [[1760]] die These auf, dass es sich beim schweizerischen Wilhelm Tell um die Nachdichtung einer Episode aus den [[Gesta Danorum]] des dänischen Geschichtsschreibers [[Saxo Grammaticus]] (ca. [[1140]] bis [[1220]]) handele. Aus Angst vor den Auswirkungen veröffentlichte er die Abhandlung anonym. Die Saga des Schützen Toko, im Dienste des dänischen Königs [[Harald Blauzahn]] ([[939]]-[[966]]), besagt, dass dieser prahlerische Schütze vom König gezwungen wurde, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schiessen und Toko den König als Rache während eines Liebesabenteuers erschoss. [[Gottlieb Emanuel Haller]] übersetzte die Abhandlung ins Französische und veröffentlichte sie wegen der Befürchtungen Freudenbergers unter seinem eigenen Namen.
Der Berner Pfarrer Uriel Freudenberger ([[1738]] bis [[1743]] Prediger am [[Inselspital]] in [[Bern]], Pfarrer von [[Frutigen]] und [[1747]] bis [[1752]] in [[Ligerz]]) betätigte sich als Geschichtsforscher und stellte [[1760]] die These auf, dass es sich beim schweizerischen Wilhelm Tell um die Nachdichtung einer Episode aus den [[Gesta Danorum]] des dänischen Geschichtsschreibers [[Saxo Grammaticus]] (ca. [[1140]] bis [[1220]]) handele. Aus Angst vor den Auswirkungen veröffentlichte er die Abhandlung anonym. Die Saga des Schützen Toko, im Dienste des dänischen Königs [[Harald Blauzahn]] ([[939]]-[[966]]), besagt, dass dieser prahlerische Schütze vom König gezwungen wurde, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schiessen und Toko den König als Rache während eines Liebesabenteuers erschoss. [[Gottlieb Emanuel Haller]] übersetzte die Abhandlung ins Französische und veröffentlichte sie wegen der Befürchtungen Freudenbergers unter seinem eigenen Namen.

Version vom 4. Dezember 2006, 23:00 Uhr

Wilhelm Tell ist ein sagenhafter, schweizerischer Freiheitskämpfer und Tyrannenmörder, der an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert in der Innerschweiz gelebt haben soll. Später war er dort als legendäre Gestalt lebendig und kam in Theaterspielen vor. Der Dichter Friedrich Schiller verfasste in seiner späten Schaffensphase das berühmte gleichnamige Bühnenwerk. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist er der Nationalheld der Schweiz.

Gessler und Tell, Illustration von 1880

Entstehung einer Legende

Der Chronist Aegidius Tschudi verdichtete um 1570 verschiedene, mündlich und schriftlich überlieferte Versionen der Tell-Erzählung zu einer Sage, die dann vor allem durch die Dramatisierung Friedrich Schillers, aber auch durch den Historiker Johannes Müller zunächst in Europa und später auch weltweit sehr bekannt wurde.

Wilhelm-Tell-Denkmal in Altdorf von 1895; auf dem Sockel das traditionelle Datum des Rütlischwurs, 1291.

In Tschudis Tell-Legende lässt der habsburgische Landvogt Gessler zu Altdorf einen Hut auf eine Stange stecken und befiehlt den schweizerischen Untertanen, diesen jedes Mal zu grüssen, wenn sie an ihm vorüber gehen. Wilhelm Tell, ein weithin bekannter Armbrustschütze, verweigert den Gruss, und der Vogt befiehlt ihm daraufhin, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schiessen. Sein Kind müsse andernfalls mit ihm sterben. Tell tut widerstrebend, wie ihm geheissen, und trifft den Apfel. Als er aber auf die Frage nach dem Zweck des zweiten Pfeils, den er zu sich gesteckt hatte, antwortet, dass derselbe für den Vogt bestimmt gewesen sei, wenn er sein Kind getroffen hätte, befiehlt dieser, ihn gefesselt auf seine Burg nach Küssnacht zu überführen. Auf dem Vierwaldstättersee aber bringt ein Sturm das Schiff in Gefahr, und Tell wird seiner Fesseln entledigt, um dasselbe zu lenken. Geschickt steuert er es gegen das Ufer, wo der Axen sich erhebt, springt dort von Bord auf eine hervorragende Felsplatte, welche noch heute Tellsplatte heisst, eilt darauf über das Gebirge nach Küssnacht, erwartet den Vogt in einem Hohlweg, Hohle Gasse genannt, und erschiesst ihn aus sicherem Versteck mit der Armbrust.

Von Tells weiterem Leben wird nur berichtet, dass er 1315 in der Schlacht bei Morgarten mitgefochten und 13505in dem Schächenbach beim Versuch der Rettung eines Kindes den Tod gefunden habe.

Nachdem schon der Freiburger Franz Guillimann 1607, dann die Basler Christian und Isaak Iselin, der Berner Pfarrer Uriel Freudenberger 1760 sowie Voltaire („Annales de l'Empire”) die Geschichte Tells als Fabel bezeichnet hatten, kam im 19. Jahrhundert der Historiker Kopps u. a. zum Ergebnis, dass die Tell-Gestalt in keinem zeitgenössischen Schriftdokument erwähnt wird. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts taucht die Tellsage auf, und zwar in mindestens zwei Versionen. Die erste Quelle, in der die Erzählung belegt ist, ist ein um 1499 entstandenes Volkslied; sodann wird sie in der Luzerner Stadtchronik erwähnt, die 1482 bis 1488 von Melchior Russ geschrieben wurde. Russ erblickt in Tell den Haupturheber der Befreiung und Stifter des gegen die habsburgische Herrschaft gerichteten Bundes der Eidgenossen.

Im Weissen Buch von Sarnen, anonym verfasst um 1470 und basierend auf einem Urtext von 1420, wird Tells Tat krampfhaft mit dem Bund von 1291 in Verbindung gebracht; die Initiative im Freiheitskampf wird aber vornehmlich der Gestalt des Werner Stauffacher zugeschrieben. Diese Version erscheint auch in der 1507 gedruckten Chronik des Luzerners Etterlin. Erst Tschudi hat die beiden Traditionsstränge zu einer Gesamtsage verwoben, die dann im Lauf der Jahrhunderte noch mancherlei Zusätze bekam.

Tellskapelle, Reproduktion eines Stiches in einer Tell-Ausgabe von 1914

Die so genannten Tellskapellen auf der Tellsplatte, in Bürglen und in der Hohlen Gasse stammen erst aus dem 16. Jahrhundert und sind zum Teil nachweislich zu Ehren von Kirchenheiligen gestiftet worden. In Uri liess sich keine Familie Tell ermitteln; die Erkenntnisse der Urner Landsgemeinden von 1387 und 1388, welche Tells Existenz bezeugen sollten, sowie die den Namen „Tello” und „Täll” enthaltenden Totenregister und Jahrzeitbücher von Schaddorf und Attinghausen sind als Erdichtungen und Fälschungen nachgewiesen.

Der Schriftsteller Max Frisch schrieb eine eigene „Version”, nämlich „Wilhelm Tell für die Schule”, in der er u.a. auch auf die dänische Sage Bezug nimmt.

Herkunft der Apfelschuss-Sage

Der Tellschuss. Aus: Illustrierte Literaturgeschichte (1880)

Die Sage vom Apfelschuss ist ein uralter europäischer Mythos, der in anderem Gewand auch in der persischen, dänischen, norwegischen und isländischen Heldensage vorkommt. In Letzterer wird der Held Egil genannt, von dessen Sohn, König Orentel, Tell vielleicht den Namen erhalten hat. In der dänischen Variante heisst der Held Toko. In der Schweiz ist die offenbar schon vor 1400 im Volk verwurzelte Variante dieses Mythos von den Chronisten des 15. Jahrhunderts zur Ausschmückung der Befreiungssage übernommen worden.

Der Berner Pfarrer Uriel Freudenberger (1738 bis 1743 Prediger am Inselspital in Bern, Pfarrer von Frutigen und 1747 bis 1752 in Ligerz) betätigte sich als Geschichtsforscher und stellte 1760 die These auf, dass es sich beim schweizerischen Wilhelm Tell um die Nachdichtung einer Episode aus den Gesta Danorum des dänischen Geschichtsschreibers Saxo Grammaticus (ca. 1140 bis 1220) handele. Aus Angst vor den Auswirkungen veröffentlichte er die Abhandlung anonym. Die Saga des Schützen Toko, im Dienste des dänischen Königs Harald Blauzahn (939-966), besagt, dass dieser prahlerische Schütze vom König gezwungen wurde, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schiessen und Toko den König als Rache während eines Liebesabenteuers erschoss. Gottlieb Emanuel Haller übersetzte die Abhandlung ins Französische und veröffentlichte sie wegen der Befürchtungen Freudenbergers unter seinem eigenen Namen.

Künstlerische Adaptionen

Schillers Schauspiel "Wilhelm Tell" von 1804

Siehe den Hauptartikel Wilhelm Tell (Schiller)

Rossinis Oper "Guillaume Tell" von 1829

Siehe den Hauptartikel Guillaume Tell

Tell als nationalstaatliches „Maskottchen

Wer nicht an die geschichtliche Existenz des Freiheitskämpfers Tell glaubte, galt in der Schweiz des 19. Jahrhunderts schon fast als Vaterlandsverräter: In der Eidgenossenschaft gehörte diese Ansicht zum Widerstand der „Konservativen” gegen die wirtschaftsliberale Staatsauffassung, welche zumindest teilweise auf den Ideen der Französischen Revolution von 1789 fusste. Als um 1830 der liberale Luzerner Historiker Kopp es wagte, die auf Schillers Tell basierenden patriotischen Deutungen in Zweifel zu ziehen, geschah auf dem Rütli ein weiteres „Attentat”: Eine Kopp darstellende Puppe wurde verbrannt.

Dass sich bei der Gestaltung des schweizerischen Bundesstaates von 1848 die liberalen Kräfte durchsetzten, bedeutete jedoch keineswegs das Ende der Tell-Verehrung. 1848 wurde Tell - neben Helvetia - offiziell als Freiheitssymbol der jungen Schweiz eingeführt. Anlässlich der Feiern „600 Jahre Eidgenossenschaft” 1891 wurde Tell sogar zum Symbol der nationalen Identität erhoben.


Commons: Wilhelm Tell – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien