Art déco

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Art déco (kurz für französisch art décoratif, ‚dekorative Kunst‘)[1] ist ein Stilbegriff, der auf die Formgebung in vielen Gestaltungsbereichen wie Architektur, Möbel, Fahrzeuge, Kleidermode, Schmuck oder Gebrauchsgegenstände angewandt wird. Auch Gemälde und Illustrationen wurden im Stil des Art déco gefertigt.

Merkmale

Modezeichnung, Paul Iribe für Paul Poiret, Paris 1908

Dem Art déco fehlt ein eindeutiges zugrundeliegendes Stilmerkmal oder eine stilbildende Anschauung, was vor allem durch die – im Gegensatz etwa zum Jugendstil (Art nouveau) – erst in den 1960er Jahren definierte Zusammenführung zu einer Stilrichtung erklärt wird.[2] Vielmehr handelt es sich um eine Entwicklung inmitten des generellen Aufbruchs der Klassischen Moderne, bei der die gestalterische Verbindung von Eleganz der Form, Kostbarkeit der Materialien, Stärke der Farben und Sinnlichkeit des Themas im Vordergrund stand. Vieles davon war schon im Jugendstil angelegt – vor allem im französischen, wo man im Überflüssigen das Notwendigste sah: „le superflu, chose très nécessaire“.

Der Name zielt auf die Dominanz dekorativer Elemente und Gestaltungsabsichten des Art déco ab.[2] Charakteristisch für den Art déco ist die stilisierte und flächige Darstellung floraler und organischer Motive. Das Fehlen von Natürlichkeit und Schatten vermittelt den modernen und oft plakatartigen Eindruck, den die Kunst dieser Epoche macht. Die industrielle Fertigung sowie die unbeschwerte, eklektische Mischung von Stilelementen unterschiedlicher Herkunft sind ebenfalls wichtige Merkmale.

Entstehung und Verbreitung

Die Wurzeln des Art déco liegen im Jugendstil. Einer der Ursprünge des Art déco findet sich in der Gründung der Münchner Zeitschrift Jugend im Jahr 1896 im Verlag von Georg Hirth und in dem dort bevorzugten künstlerischen Stil, ein anderer in der Gründung der Wiener Werkstätte durch die Secessionskünstler Josef Hoffmann und Koloman Moser und den Industriellen Fritz Wärndorfer im Jahr 1903. Ihrerseits beeinflusst durch die geradlinigen Formen des englischen und schottischen Jugendstils (Art Nouveau Charles Robert Ashbee, Charles Rennie Mackintosh und Mackay-Hugh Baillie-Scott), nahmen Hoffmann und Moser mit ihren orthogonalen Entwürfen für elegante Inneneinrichtungen vieles von dem vorweg, was noch in den späten 1920er und 1930er Jahren als modern gelten konnte. Mit dem Eintritt von Dagobert Peche im Jahre 1915 war der Weg der Wiener Werkstätte hin zum Art déco endgültig festgelegt.

Zeitgleich entwickelten sich in Europa verschiedene funktionalistische Kunstrichtungen wie etwa der Esprit Nouveau in Frankreich, De Stijl in den Niederlanden oder Bauhaus in Deutschland. Diese traten mit dem Art déco zwar teilweise in Wechselwirkung, stellten grundsätzlich jedoch gegensätzliche Bewegungen dar.[3]

Höhepunkt des Art déco in Frankreich

Das Zentrum des Art déco und sein Impulsgeber war jedoch ohne Frage die Metropole Paris, wo 1925 die Ausstellung mit dem Titel Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes stattfand. Führende französische Künstler, die sich bereits 1901 zur „Société des artistes décorateurs“ zusammengeschlossen hatten, hatten die Veranstaltung bereits für 1915 geplant, konnten sie jedoch wegen des Ersten Weltkriegs nicht durchführen. Couturiers wie Jacques Doucet und Paul Poiret machten durch innovative Modeentwürfe ihre Vorgaben und wirkten vor allem mäzenatisch durch ihre Sammlungen und die Vergabe von Inneneinrichtungsaufträgen.

Seine Ideen bzw. Anregungen bezog der Art déco aus allen, auch den ihm entgegengesetzten, Entwicklungsrichtungen der modernen Kunst, die in Paris wie an keinem anderen Ort gebündelt waren: die Farben der Fauves um Henri Matisse; das Aufsplittern der Formen im Kubismus von Georges Braque und Pablo Picasso; die Verehrung der Technik durch die Futuristen um Umberto Boccioni; und sogar den auf Ornamente verzichtenden Funktionalismus. In Frankreich und damit in Europa erlebte der Art déco seinen Höhepunkt in den Jahren von 1924 bis 1928. Sein Einfluss ging jedoch aufgrund der Folgen der Weltwirtschaftskrise seit 1930 deutlich zurück.[3]

Paul Iribe und andere führten den Art déco in den USA ein, wo er sich über die Architektur, das Musical und den Film rasch entfaltete.

Politische Hintergründe

Die Entstehung des Art déco in den 1920er Jahren und die Entwicklung der Bewegung zu ihrem Höhepunkt in den 1930er Jahren war nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von der Verarmung der Menschen besonders in Deutschland und seinen verbündeten Ländern geprägt, wie auch von der Ausbreitung des politischen Totalitarismus’ in Europa mit Diktatoren wie Adolf Hitler in Deutschland, Benito Mussolini in Italien und Josef Stalin in Russland.[4]

In den Goldenen Zwanzigern gaben sich die Menschen der Illusion einer besseren Zukunft durch technischen Fortschritt hin, wobei sich das Lebensgefühl des Art déco besonders unter den Privilegierten breit machte. Zugleich boomten die Wirtschaften der Siegermächte des Ersten Weltkriegs, jedoch kam diese Euphorie mit der Weltwirtschaftskrise (1929) und der rasant zunehmenden Inflation bald zum Erliegen.[4] Auf der westlichen Seite des Atlantiks etablierten sich spätestens mit der Präsidentschaft von Franklin D. Roosevelt und seinem New Deal die Vereinigten Staaten zur neuen Welt- und Wirtschaftsmacht und lösten damit die europäischen Nationen in ihrer Vorreiterrolle ab.[4]

Namensgebung

Nach einer späteren Neuauflage der Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes als Retrospektive unter dem Titel Les Années 25 wurde die Bezeichnung Art déco auf den dort vorherrschend gezeigten Stil angewendet. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Bezeichnungen wie Style Moderne, Französischer Stil und Style 25 gebräuchlich.[2]

Der Name Art déco tauchte erstmals 1966 als Titel eines Artikels von Hilary Marvin Gelson in der Zeitung The Times auf; kurz danach wurde er von Osbert Lancaster im Titel eines Buches verwendet. Durch das Buch Art déco von Bevis Hillier[5] wurde die Bezeichnung im Jahr 1968 im englischen Sprachraum vollständig etabliert und konnte sich etwa gegen Jazz Age und Modern Style durchsetzen.[2]

Bereiche des Art déco

Gebrauchsgegenstände und Industrielles Design

Chrysler Airflow sedan; Design von Carl Breer, 1934

Vor allem im Bereich des Kunst- und Antiquitätenhandels setzte sich die Bezeichnung Art déco rasch durch und bezeichnete einen Stil, der vor allem in den 1920er und 1930er Jahren geprägt wurde und sich gegenüber den vorhergehenden Stilrichtungen, vor allem dem Jugendstil, absetzte.[6] Kennzeichnend für Objekte dieses Stils waren vor allem die gestalterischen Elemente und ein abstrahierendes Dekor, die durch die Verwendung von hochwertigen oder auch neuen und damit exotischen Materialien einhergingen. Aus dem Industriedesign wurden Materialien verfügbar, die aufgrund der Massenherstellung preisgünstig waren, vor allem Kunststoffe sowie verchromte Metalle.[6] Hinzu kamen vereinfachte Gestalteigenschaften, die sich beispielsweise in stromlinienförmigen Fahrzeugen, so im Zug- und Automobildesign des Art déco, oder in entsprechend geformten Küchengeräten der Zeit wiederfinden.[6]

In Frankreich selbst wurde der Stil nicht nur über umfassende Ausstellungen, sondern über neu gegründete Einrichtungshäuser und die Entwurfsabteilungen einiger Warenhäuser wie Desny, Dominique und die Société DIM (Décoration Intérieure Moderne) verbreitet. Bei den qualitativ anspruchsvollsten Werken, etwa denen des großen französischen Möbeldesigners und Perfektionisten Jacques-Émile Ruhlmann, oder denen der Silberschmiede Jean Puiforcat und Tétard, hält sich die Ornamentierung zugunsten klarer Formen und der reinen Oberflächenwirkung der Materialien zurück. Bei Porzellan- und Keramikdekoren, Stoffen, Plakaten und auch bei Bucheinbänden kontrastieren starke, reine Farben miteinander.

Architektur

Beispiele für eine geschlossene Stadtanlage im Stil des Art déco sind Reims, das nach der Zerstörung im Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren wieder aufgebaut wurde, oder Napier (Neuseeland) mit dem Wiederaufbau nach dem Hawke’s-Bay-Erdbeben von 1931. Auch in Mackay in Australien, das 1918 durch einen Zyklon zu 80 % zerstört wurde, entstanden beim Wiederaufbau viele Häuser im Art déco-Stil.[7] Bekannt ist ebenfalls das Art-déco-Viertel in Miami Beach. Weniger bekannt ist dagegen, dass in der Hauptstadt West-Javas, Bandung, seinerzeit auch deswegen „Paris von Java“ genannt, zahlreiche sehenswerte Art-déco-Gebäude wie zum Beispiel die Villa Isola (Architekt: C. P. Wolff Schoemaker) oder das Hotel Savoy Hohmann gebaut wurden. Auch zahlreiche Neubauten in Bandung orientieren sich noch heute an den Art-déco-Bauten der Stadt.

Auch die Hauptstadt von Eritrea, Asmara, wurde in den 1930er Jahren im Art-déco-Stil erbaut.

Das Berliner Renaissance-Theater ist das einzige vollständig erhaltene Art-déco-Theater Europas.[8] Der letzte große Kinosaal im Art-déco-Stil in Deutschland im denkmalgeschützten Metropol in Bonn ist Vergangenheit, nachdem ein neuer Besitzer das Gebäude 2005 erworben hat und 2010 nach Abriss der Art-Déco-Inneneinrichtung zu einer Buchhandlung umgebaut hat. Einer der wenigen Museumsbauten im Stil des Art Déco ist der Komplex des Grassimuseums in Leipzig, dessen Pfeilerhalle einen der bedeutendsten Innenräume dieser Architektur darstellt.[9] Auch die fünftgrößte Kirche der Welt, die Nationalbasilika des Heiligen Herzens in Brüssel, ist im Art-déco-Stil gebaut.[10] Eines der wenigen Gebäude in Asien, das im Stil des Art déco errichtet wurde, ist das Gebäude des Manila Metropolitan Theaters.[11]

Nachwirkung

Dem Art déco setzte der Zweite Weltkrieg in Europa ein jähes Ende; die Stimmung der unmittelbaren Nachkriegszeit entsprach nicht einem solchen Luxus. Am ehesten überdauerte der Stil in den USA, vor allem in Hollywood und New York, und floss noch in das Design der 1950er-Jahre mit ein, sichtbar auch in der Gestaltung von Automobilen und Motorrädern.

Museen

Neues Grassimuseum
  • Das Berliner Bröhan-Museum zeigt Möbel, Porzellan, Glas, Keramik und Metallarbeiten aus der Epoche des Jugendstils und des Art déco.
  • Die Casa Lis – Museo de Art Nouveau y Art Déco in Salamanca
  • Das Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig zeigt neben dem sehr typischen Gebäude des Art déco eine umfangreiche Sammlung der angewandten Kunst, mit einer Abteilung zum Art déco.
  • Das Museum Clockarium in Brüssel zeigt Standuhren aus Steingut im Art-déco-Stil.
  • Das Museum für angewandte Kunst, MAK Wien zeigt Kunsthandwerk aus der Epoche des Jugendstils und des Art déco.

Vertreter

Architektur

William Van Alen, Ernest Cormier, Raymond Hood, Wirt C. Rowland, Otto Rudolf Salvisberg, Joseph Sunlight

Innenarchitektur

Henri Rapin

Kunst und Design

Maurice Ascalon, Rudolf Belling, Jakob Bengel, Adolphe Mouron Cassandre, Demétre Chiparus, Dodo, Jean Dunand, Jean Dupas, Erté, Eileen Gray, Carl Paul Jennewein, Georg Jensen, René Lalique, Jules Leleu, Tamara de Lempicka, Paul Manship, Vadim Meller, Harald Nielsen, Jacques-Émile Ruhlmann, Sue et Mar, Walter Dorwin Teague, Herbert Zeitner

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Art déco – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Art déco. In: Duden online, (zuletzt) abgerufen am 4. Mai 2016.
  2. a b c d Stil oder Mode? In: Norbert Wolf: ART DECO. Prestel Verlag, München 2013, ISBN 978-3-7913-4763-9, S. 22. – Vgl. Michael Weisser (Bearbeitung: Thomas Borghoff): „Zeitlich ist das Phänomen ‚Art déco‘ anzusiedeln zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Einen gleichnamigen Kunst-Stil hat es allerdings nie gegeben. Der Begriff entstand sehr spät, nämlich erst anläßlich einer Ausstellung ‚Les Annees 25‘ im Pariser Museum für dekorative Kunst 1966. Diese bezog sich auf eine Ausstellung im Jahr 1925 (Exposition Internationale des Arts Decoratifs et Industriels Modernes), auf der das Kunsthandwerk als Style Moderne seinen letzten und pompösesten Höhepunkt gefeiert hatte.“ In: jugendstilfliesen.de, abgerufen am 4. Mai 2016.
  3. a b Art Déco. In: Harald Olbrich (Hrsg.): Lexikon der Kunst. Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie. Band 1 (A – Cim). Neubearbeitung, Deutscher Taschenbuchverlag, München 1996, ISBN 978-3-423-05906-0 (digitale Ausgabe: Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 978-3-89853-743-8).
  4. a b c Der politische Hintergrund. In: Norbert Wolf: Art Deco. 2013, S. 33.
  5. Bevis Hillier: Art Deco of the 20s and 30s. Studio Vista/Dutton pictureback, London 1968, ISBN 0-289-27788-4.
  6. a b c Kult des Dekorativen. In: Norbert Wolf: ART DECO. 2013, S. 22–25.
  7. http://www.mackay.qld.gov.au/__data/assets/pdf_file/0006/88602/Art_deco_walk-web.pdf
  8. Bettina Vaupel: Die Kunst der sinnlichen Strenge. Art Déco in Deutschland. In: Monumente Online 2.2012, (zuletzt) abgerufen am 4. Mai 2016.
  9. Lexikon: Grassi-Museum. In: Berliner Zeitung, 15. Juli 2005.
  10. Offizielle Website der Nationalbasilika des Heiligen Herzens, (zuletzt) abgerufen am 4. Mai 2016.
  11. Geschichte der Manila Metropolitan Theater (Memento vom 23. Juni 2011 im Internet Archive).