Delta-Distribution

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Die Delta-Distribution (auch δ-Funktion; Dirac-Funktion, -Impuls, -Puls, -Stoß (nach Paul Dirac), Stoßfunktion, Nadelimpuls, Impulsfunktion oder Einheitsimpulsfunktion genannt) als mathematischer Begriff ist eine spezielle singuläre Distribution mit kompaktem Träger. Ihr übliches Formelsymbol ist δ (kleines Delta).

Die Delta-Distribution ist eine stetige lineare Abbildung von einem Funktionenraum der Testfunktionen in den zugrunde liegenden Körper :

.

Der Testfunktionenraum für die Delta-Distribution ist der Raum der beliebig oft differenzierbaren Funktionen mit bzw. offen und . Somit entspricht entweder den reellen oder den komplexen Zahlen .

Die Delta-Distribution ordnet jeder beliebig oft differenzierbaren Funktion eine reelle bzw. komplexe Zahl zu, nämlich die Auswertung der Funktion an der Stelle 0. Der Wert, den die Delta-Distribution nach Anwendung auf eine Testfunktion liefert, schreibt man (mit der Notation der dualen Paarung) auch als

beziehungsweise auch als

Diese Schreibweise ist eigentlich nicht richtig und nur symbolisch zu verstehen, weil die Delta-Distribution eine singuläre Distribution ist, das heißt, sie lässt sich nicht durch eine lokal integrierbare Funktion in obiger Weise darstellen. Es gibt also keine Funktion , welche der obigen Definition genügt. Insbesondere bei technisch orientierten Anwendungen des Konzepts sind dennoch mathematisch nicht präzise Bezeichnungen wie „Delta-Funktion“, „Dirac-Funktion“ oder „Impulsfunktion“ gebräuchlich. Bei Verwendung der Integral-Schreibweise ist zu beachten, dass es sich nicht um ein Riemann-Integral oder Lebesgue-Integral bzgl. des Lebesgue-Maßes, sondern um die Auswertung des Funktionals an der Stelle , also , handelt.

Definition über Dirac-Maß

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Das durch ein positives Radon-Maß erzeugte Funktional (für ) ist eine Distribution. Die Delta-Distribution wird von folgendem Radon-Maß – man spricht hier speziell vom Diracmaß – erzeugt:

wobei . Ein Maß lässt sich physikalisch interpretieren, z. B. als Massenverteilung oder Ladungsverteilung des Raums. Dann entspricht die Delta-Distribution einem Massenpunkt der Masse 1 oder einer Punktladung der Ladung 1 im Ursprung.

Befinden sich an den Stellen Punktladungen , wobei die Summe über alle Ladungen endlich bleibt, dann wird für ein Maß auf der -Algebra aller Teilmengen von definiert, das der Ladungsverteilung entspricht ( durchlaufe alle mit ):

Für dieses Maß ist dann die zugehörige Distribution:

Approximation der Delta-Distribution

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Dichte einer zentrierten Normalverteilung .
Für wird die Funktion immer höher und schmaler, der Flächeninhalt bleibt jedoch unverändert 1.

Man kann die Delta-Distribution wie alle anderen Distributionen auch als Grenzwert einer Funktionenfolge darstellen. Die Menge der Dirac-Folgen ist die wichtigste Klasse von Funktionenfolgen, mit denen die Delta-Distribution dargestellt werden kann. Jedoch gibt es noch weitere Folgen, die gegen die Delta-Distribution konvergieren.

Eine Folge integrierbarer Funktionen wird Dirac-Folge genannt, falls

  1. für alle und alle die Bedingung
  2. für alle die Identität und
  3. für alle die Gleichheit

gilt. Manchmal versteht man unter einer Dirac-Folge auch nur einen Spezialfall der hier definierten Dirac-Folge. Wählt man nämlich eine Funktion mit für alle und und setzt für , dann erfüllt diese Funktionenschar die Eigenschaften 1 und 2. Betrachtet man den Grenzwert anstatt , so ist auch Eigenschaft 3 erfüllt. Daher nennt man die Funktionenschar ebenfalls Dirac-Folge.[1]

Die Funktion kann man nun mit einer regulären Distribution

identifizieren. Nur im Limes erhält man das ungewöhnliche Verhalten der Delta-Distribution

wobei zu beachten ist, dass die Limes-Bildung nicht unter dem Integral, sondern davor erfolgt. Würde man den Limes unter das Integral ziehen, so wäre fast überall Null, nur nicht bei . Ein einzelner Punkt hat jedoch das Lebesgue-Maß Null und das ganze Integral würde verschwinden.

Anschaulich stellt man sich die Delta-Distribution als eine beliebig hohe und beliebig schmale Funktion vor, die über der x-Achse eine Fläche mit Größe 1 Flächeneinheit einschließt. Man lässt nun die Funktion immer schmaler und dafür immer höher werden – die Fläche darunter muss konstant 1 bleiben. Es existieren auch mehrdimensionale Dirac-Distributionen, diese werden anschaulich zu mehrdimensionalen „Keulen“ mit dem Volumen 1.

Beispiele für Dirac-Folgen

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Im Folgenden werden verschiedene Approximationen (Dirac-Folgen) angegeben, zunächst stetig differenzierbare:

Die angegebenen Funktionen besitzen ein sehr schmales und sehr hohes Maximum bei , die Breite ist etwa und die Höhe etwa . Für alle ist der Flächeninhalt unter der Funktion 1.
die man sich vorstellen kann als eine Linie, die auf einen Zylinder gewickelt ist, und deren Wicklungen durch das immer enger werden; die Grundfläche (in --Ausrichtung) des Zylinders wird aus dem Imaginär- und Realteil der Funktion gebildet, die Funktion entwickelt sich dann in -Richtung.

Es sind aber auch Approximationen möglich, die nur stückweise stetig differenzierbar sind:

Weitere Beispiele

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Approximation durch die Sincfunktion

ist keine Dirac-Folge, da ihre Folgenglieder auch negative Werte annehmen. Betrachtet man allerdings den Ausdruck
so konvergiert für alle diese Folge im distributionellen Sinn gegen die Delta-Distribution.
  • Definierende Eigenschaft der Delta-Distribution: Faltungseigenschaft, auch Ausblendeigenschaft[2], Siebeigenschaft genannt
bzw. mit den Eigenschaften Translation und Skalierung (siehe unten) folgt:
speziell für den Fall der konstanten Funktion 1:
  • Linearität:
  • Translation:
für ist auch die Bezeichnung gebräuchlich.
  • Skalierung:
und
das heißt die Delta-Distribution ist positiv homogen vom Grad −1.
  • Dimension
Eine direkte Folgerung aus der Skalierungseigenschaft ist die Dimension bzw. Maßeinheit der Delta-Distribution. Sie entspricht genau der reziproken Dimension ihres Arguments. Hat beispielsweise die Dimension einer Länge, so hat die Dimension (1/Länge).
  • Hintereinanderausführung:
wobei die einfachen Nullstellen von sind (sofern nur endlich viele und nur einfache Nullstellen hat). Damit folgt als ein Spezialfall die Rechenregel

Die Singularität der Delta-Distribution lässt sich mit einem Widerspruchsbeweis zeigen:

Angenommen wäre regulär, dann gäbe es eine lokal integrierbare Funktion , also eine Funktion, die über jedes kompakte Intervall bzgl. des Lebesgue-Maßes integrierbar ist

so dass für alle Testfunktionen gilt:

Insbesondere muss dies für folgende Testfunktion mit kompaktem Träger gelten:

Die Wirkung der Delta-Distribution auf diese ist:

Mit der angenommenen regulären Distribution

lässt sich folgende Abschätzung durchführen:

Weil wird das Integral für (wobei ein von der Funktion abhängiger kritischer Wert ist) kleiner 1 (und konvergiert gegen 0 für gegen 0). Man erhält , also einen Widerspruch; somit ist die Delta-Distribution nicht durch eine lokal integrierbare Funktion darstellbar. Der Widerspruch ergibt sich, weil die Menge {0} für das Lebesgue-Maß vernachlässigbar ist, nicht aber für das Dirac-Maß.

Ableitung der Delta-Distribution

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Die Delta-Distribution kann wie jede Distribution beliebig oft distributiv differenziert werden:

Dies gilt auch für die -te distributive Ableitung:

Ableitung der Dirac-Folge

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Die Ableitungen der regulären Distributionen können mittels partieller Integration berechnet werden (hier exemplarisch für erste Ableitung, analog für höhere)

und ergeben im Limes das Verhalten der distributiven Ableitung:

Ableitung der Heaviside-Distribution

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Die Heaviside-Funktion ist nicht stetig differenzierbar, aber die distributive Ableitung existiert, diese ist nämlich die Delta-Distribution:

Da die Heaviside-Distribution keinen kompakten Träger hat, müssen hier die Testfunktionen beliebig oft differenzierbare Funktionen mit kompaktem Träger sein , das heißt muss im Unendlichen verschwinden.

Fourier-Laplace-Transformation

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Da die Delta-Distribution einen kompakten Träger hat, ist es möglich, die Fourier-Laplace-Transformation dieser zu bilden. Für diese gilt

Fourier-Transformation

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Die Fourier-Laplace-Transformation ist ein Spezialfall der Fourier-Transformation und somit gilt auch

Es gibt auch die Konvention, den Faktor mit der Fourier-Transformation zu multiplizieren. In dem Fall ist ebenfalls das Ergebnis der Fourier-Transformation der Delta-Distribution. Anschaulich bedeutet das Resultat der Transformation, dass in der Delta-Distribution alle Frequenzen enthalten sind, und zwar mit gleicher Stärke. Die Darstellung (beziehungsweise bei der anderen Konvention für den Vorfaktor) ist eine in der Physik wichtige Darstellung der Delta-Distribution.

Laplace-Transformation

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Die Laplace-Transformation der Delta-Distribution erhält man als Spezialfall der Fourier-Laplace-Transformation. Es gilt nämlich auch hier

Im Gegensatz zur Fourier-Transformation gibt es hier keine anderen Konventionen.

Anmerkung bezüglich der Darstellung

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Oftmals werden die Fourier beziehungsweise die Laplace-Transformation durch die gewöhnliche Integralschreibweise dargestellt. Jedoch sind diese Darstellungen

für die Fourier-Transformation beziehungsweise

für die Laplace-Transformation nur symbolisch zu verstehen und mathematisch nicht definiert.

Transformation der verschobenen Delta-Distribution

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Es ist ebenfalls möglich die Fourier-Transformation beziehungsweise die Laplace-Transformation für die um verschobene Delta-Distribution zu berechnen. Es gilt

Praktische Anwendung

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Praktische Bedeutung hat der Dirac-Stoß bei der Ermittlung der Impulsantwort in der Akustik (in anderen Sparten der Physik spricht man auch von einer -Größe, wenn man meint, dass die betreffende Größe einer schmalst-möglichen Verteilung genügt). So hat jeder Raum ein eigenes Schallverhalten. Mit einem Dirac-Impuls (angenähert durch ein Klatschen mit den Händen) kann dieses Verhalten (durch Messen des „Echos“, also der Systemantwort) ermittelt werden.

Typische, technisch realisierbare Dirac-Werte:

Eine wichtige Anwendung der Delta-Distribution ist die Lösung inhomogener linearer gewöhnlicher und partieller Differentialgleichungen mit der Methode der Greenschen Funktion.

Mehrdimensionale Delta-Distribution

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Im Mehrdimensionalen ist der Raum der Testfunktionen gleich , der Raum der beliebig oft total differenzierbaren Funktionen .

Die Delta-Distribution hat auf die Testfunktion die folgende Wirkung:

In der informellen Integralschreibweise unter Verwendung von Translation und Skalierung:

.

Die „mehrdimensionale“ Delta-Distribution lässt sich als Produkt von „eindimensionalen“ Delta-Distributionen schreiben:

.

Speziell im Dreidimensionalen gibt es eine Darstellung der Delta-Distribution, die häufig in der Elektrodynamik eingesetzt wird, um Punktladungen darzustellen:

.

Delta-Distribution in krummlinigen Koordinatensystemen

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In krummlinigen Koordinatensystemen muss die Funktionaldeterminante

berücksichtigt werden.[3]

Der Ansatz

mit und führt dabei auf die Gleichung

, falls .

Daran lässt sich ablesen, dass gelten muss

.

In krummlinigen Koordinatensystem muss die Delta-Distribution also mit einem Vorfaktor versehen werden, der dem Kehrwert der Funktionaldeterminante entspricht.

In Kugelkoordinaten mit und gilt:

In Zylinderkoordinaten mit und gilt:

  • Dieter Landers, Lothar Rogge: Nichtstandard Analysis. Springer-Verlag, Berlin u. a. 1994, ISBN 3-540-57115-9 (Springer-Lehrbuch).
  • Wolfgang Walter: Einführung in die Theorie der Distributionen. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. BI-Wissenschafts-Verlag, Mannheim u. a. 1994, ISBN 3-411-17023-9.
  • F. G. Friedlander: Introduction to the Theory of Distributions. With additional material by M. Joshi. 2. edition. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1998, ISBN 0-521-64015-6.
Commons: Delta-Distribution – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Hans Wilhelm Alt: Lineare Funktionalanalysis: eine anwendungsorientierte Einführung. 5. überarb. Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a., 2006, ISBN 3-540-34186-2, Seite 109.
  2. Rüdiger Hoffmann: Grundlagen der Frequenzanalyse. Eine Einführung für Ingenieure und Informatiker. Mit 11 Tabellen Expert Verlag, 2005, ISBN 978-3-8169-2447-0, S. 26.
  3. Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 3. Elektrodynamik. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2007, ISBN 978-3-540-71251-0.