Mitteldeutsches Seenland
Das Mitteldeutsche Seenland ist eine Region in Mitteldeutschland mit zahlreichen künstlichen Seen, die nach der Flutung von Tagebauen des Mitteldeutschen Braunkohlereviers entstanden sind. Vorwiegend in der Tourismusbranche wird dafür auch der Begriff Sächsisches Seenland benutzt. Das Gebiet umfasst den Nordwesten Sachsens, aber auch Bereiche im Süden Sachsen-Anhalts und im Nordosten Thüringens. Einige Seen im unmittelbaren Umfeld von Leipzig werden wegen des besonderen Bezuges und der Stadtnähe zu Leipzig als Leipziger Neuseenland bezeichnet.
Die Gesamtfläche der Seen wird nach Beendigung noch andauernder Flutungen 175 km² betragen.[1] Das Mitteldeutsche Seenland wird damit eine der größten Seenlandschaften Deutschlands. Der im Süden Sachsen-Anhalts gelegene Geiseltalsee ist mit einer Fläche von 1850 Hektar bis zur Vollendung des Cottbuser Ostsees (geplante Fläche 1900 Hektar) der flächenmäßig größte künstliche See Deutschlands. Mit 423 Millionen Kubikmeter Wasserinhalt ist der Geiseltalsee darüber hinaus der wasserreichste künstliche See Deutschlands und Platz 9 in der Liste der wasserreichsten Seen Deutschlands insgesamt (hinter dem Königssee und vor dem Schaalsee).
An den Ufern und in der Umgebung der Seen entstanden bereits zahlreiche Freizeit- und Erholungsgebiete. Der Ausbau ist noch nicht abgeschlossen.
Geschichte
Mitte des 19. Jahrhunderts setzte mit der Erschließung des Brennstoffes Braunkohle die industrielle Entwicklung der Region ein. Im 20. Jahrhundert entstanden in unmittelbarer Nähe Standorte der Braunkohle-Chemie, für die der Begriff Mitteldeutsches Chemiedreieck stand. Vor 1990 förderten 20 Tagebaue rund 150 Millionen Tonnen Braunkohle, die in zahlreichen Kraftwerken, Brikettfabriken und Schwelereien verstromt oder veredelt wurden. Die Straße der Braunkohle verbindet die historischen Stätten der Kohlegewinnung, in denen über 100 Sachzeugen zwischen Bitterfeld, Delitzsch, Leipzig, Borna, Altenburg und Zeitz an den Kohleabbau erinnern. Die ehemaligen Industrieanlagen wurden in Kultur- und Freizeiteinrichtungen mit gastronomischen Betrieben umgestaltet. Die ehemaligen Abbaumethoden können im noch aktiven Tagebau Vereinigtes Schleenhain oder in Ferropolis, der „Stadt aus Eisen“, besichtigt werden.
Natur
Große Teile der ehemaligen Tagebaue blieben viele Jahre lang der natürlichen Sukzession überlassen. Es entwickelte sich ein Mosaik aus Feucht- und Trockenstandorten. Zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten wie Orchideen und Amphibien siedelten sich an. Die Reste der alten Kulturlandschaft mit einer ausgeprägten Auenstruktur der Flüsse Weiße Elster und Pleiße ziehen sich wie ein Band bis in das Zentrum der Großstadt Leipzig.
Hochwasserschutz
Die Tagebaue haben natürliche Überflutungsflächen der Weißen Elster zerstört, durch das Einleitbauwerk zwischen diesem Fluss und dem Zwenkauer See wird der See als neue Überflutungsfläche genutzt.
Kultur
Vergangenheit
Das Sächsische Seenland besitzt eine hohe Dichte kulturhistorischer Zeugnisse und Erinnerungsorte. In Markkleeberg liegt der mit 280.000 Jahren älteste urgeschichtliche Fundort Sachsens. In Kirchen findet man die ältesten Orgeln Sachsens aus den Werkstätten von Gottfried Silbermann, Zacharias Hildebrandt, Gottfried Richter und Urban Kreutzbach. In Altranstädt wurde 1706 der Altranstädter Friede geschlossen, mit dem August der Starke den Verzicht auf die polnische Krone unterzeichnen musste. Die bekannteste militärische Auseinandersetzung in diesem Raum war die Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813, mit der Napoleons Untergang eingeleitet wurde.
Gegenwart
Am Kap Zwenkau des Zwenkauer Sees wird im Ausstellungspavillon im Modell ein technikgeschichtliches Monument – die Abraumförderbrücke 18 im Tagebau Zwenkau – gezeigt. Der „Bergbau-Technik-Park“ stellt im Informationsverbund zur Braunkohlengeschichte zwei Bergbaugroßgeräte vor.
Seit 2010 findet das Highfield-Festival am Störmthaler See statt. Die Kunstinstallation „Vineta“, eine schwimmende Insel im Störmthaler See, erinnert an die Kirche des überbaggerten Ortes Magdeborn.
Freizeit und Wassersport
Im Seenland befinden sich der Freizeitpark Belantis, der Modellbaupark in Markkleeberg und die Kohlenbahn auf der Strecke von Meuselwitz nach Regis-Breitingen. Es entwickelt sich ein Zentrum des Wassersports; es ist möglich, auf den neuen Seen mit dem Kanu vom Cospudener See über den Auwald bis in die Innenstadt Leipzigs zu fahren. Im Mai 2013 wurde die Verbindung zwischen dem Störmthaler und dem Markkleeberger See eingeweiht. Ferner bestehen gute Voraussetzungen für Tauchen, Segeln, Windsurfen, Kite-Surfen, Wakeboarden und Wasserski. Am Ostufer des Markkleeberger Sees besteht im Kanupark Markkleeberg seit 2006 eine Kanu-Slalom-Wildwasserstrecke mit zwei unterschiedlich langen Bahnen mit veränderbarer Strömungsgeschwindigkeit für Kanusportler zur Verfügung.
Zukunftsaussichten
Zu den noch auszuführenden Projekten gehört ein touristischer Gewässerverbund, der die Seen im Süden von Leipzig durch künstliche, schiffbare Kanäle miteinander verbindet und bis in die Stadt Leipzig führt. Erstes Teilstück ist die Strecke Leipzig–Cospudener See.[2]
2015 wurde die Verbindung des Karl-Heine-Kanals mit dem Lindenauer Hafen fertiggestellt. Das 2015 vorgelegte Tourismuswirtschaftliche Gesamtkonzept für die Gewässerlandschaft im mitteldeutschen Raum[3] führt zehn Leuchtturmprojekte an, wobei die weitere Verbindung über den Elster-Saale-Kanal zur Saale eines dieser Projekte darstellt.
Übersicht der Seen im Mitteldeutschen Seenland
Name (und Lage) | Endgröße in Hektar |
Flutung | Nutzung |
---|---|---|---|
Bockwitzer See (Karte ) | 168 | 1995–2004 | vorrangig dem Naturschutz vorbehalten |
Cospudener See (Karte ) | 436 | 1993–2000 | Badestrände, Wassersport und Freizeitzentrum |
Geiseltalsee (Karte ) | 1842 | 2003–2011 | Wassersport, Badesee, Freizeit |
Grabschützer See (Karte ) | 130 | 1997–2022 | Vogelschutzgebiet |
Gremminer See (Karte ) | 541 | 2002–2012 | Museum und Veranstaltungsort Ferropolis |
Gröberner See (Karte ) | 374 | 2003–2013 | Wassersport, Gastronomie, Wohnmobil-Stellplatz, Resortbetrieb |
Großer Goitzschesee (Karte ) | 1331 | 1999–2002 | Wassersport, Freizeit, Landschaftskunst |
Großkaynaer See (Karte ) | 255 | 1996–2012 | Wassersport, Erholung, Naturschutz |
Großstolpener See (Karte ) | 28 | 1992–1998 | Strandbad und Gastronomie |
Hainer See (Karte ) | 560 | 1999–2010 | Wassersport und Freizeitzentrum (geplant) |
Harthsee (Karte ) | 88 | 1985–1996 | Badesee, Gastronomie, Campingplatz |
Haselbacher See (Karte ) | 334 | 1993–2002 | Wassersport, Badesee |
Haubitzer See (Karte ) | 158 | 1999–2006 | Wassersport und Freizeitzentrum (geplant) |
Holzweißiger See (Karte ) | 47 | 2005–2006 | Wassersport, Badesee |
Kahnsdorfer See (Karte ) | 121 | 1999–2018 | Naturschutz |
Kulkwitzer See (Karte ) | 170 | 1963–1973 | Wassersport und Freizeitzentrum |
Ludwigsee (Karte ) | 86 | 1993–2007 | Badesee, Natur |
Markkleeberger See (Karte ) | 249 | 1993–2005 | Wassersport und Freizeitzentrum |
Muldestausee (Karte ) | 630 | 1975–1976 | Natur, Freizeit, Erholung, Wassersport |
Neuhäuser See (Karte ) | 155 | 1998–2006 | Natur |
Pahnaer See (Karte ) | 26 | 1955–1970 | Strandbad, Gastronomie, Campingplatz |
Paupitzscher See (Karte ) | 80 | 1993–2006 | europaweit bedeutsames Fauna-Flora-Habitat |
Pereser See (Karte ) | 589 | 2045–2051 | Wassersport, Landschaftssee (geplant) |
Raßnitzer See (Karte ) | 315 | 1998–2002 | überwiegend für Naturschutz vorbehalten |
Runstädter See (Karte ) | 233 | 2001–2003 | |
Schladitzer See (Karte ) | 220 | 1999–2012 | Wassersport und Freizeit |
Seelhausener See (Karte ) | 634 | 2000–2002 | Badesee, Wassersport, Landschaftssee (geplant) |
Speicherbecken Borna (Karte ) | 265 | 1964–1980 | Hochwasserschutz, Fischzucht, Naturschutz, Naturstrände |
Störmthaler See (Karte ) | 733 | 2003–2012 | Wassersport, Naturschutz, Kunstprojekte (geplant) |
Wallendorfer See (Karte ) | 338 | 1998–2004 | Freizeit, Erholung, Naturschutz |
Werbeliner See (Karte ) | 443 | 1998–2010 | Vogelschutzgebiet |
Werbener See (Karte ) | 79 | 1998–2000 | Badesee, Angeln, Tauchen |
Zwenkauer See (Karte ) | 970 | 2006–2015 | Freizeit und Erholung, Natur- und Hochwasserschutz (geplant) |
Siehe auch
Literatur
- Lothar Eißmann, Frank W. Junge: Das Mitteldeutsche Seenland. Vom Wandel einer Landschaft. Der Norden. 1. Auflage. Sax-Verlag, 2015, ISBN 978-3-86729-140-8.
- Lothar Eißmann, Frank W. Junge: Das Mitteldeutsche Seenland. Vom Wandel einer Landschaft. Der Süden. 1. Auflage. Sax-Verlag, 2013, ISBN 978-3-86729-100-2.
- Mitteldeutsche Seenlandschaft. Sonderheft der Leipziger Blätter. 1. Auflage. Passage-Verlag, 2007, ISBN 978-3-938543-35-1.
- Regionaler Planungsverband Westsachsen (Hrsg.): Mitteldeutsche Seenlandschaft – Seenkatalog 2013–2015. Leipzig 2013, OCLC 593856546.
- Wolfgang Czegka, Frank W. Junge, Jörg Hausmann, Veit Kuchenbuch, Rainer Wennrich: Die anthropogenen Standgewässer der „Neuen Mitteldeutschen Seenlandschaft“ (Neuseenland) – Überblick, hydrochemische Typisierung, ausgewählte Beispiele. In: Z. dt. Ges. Geowiss. Nr. 159/1. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart März 2008, S. 141–154, doi:10.1127/1860-1804/2008/0159-0141.
- Mitteldeutsche Seenlandschaft. Maßstab 1: 330 000. Karte. Landesentwicklung Sachsen, Staatsministerium des Innern (sachsen.de [PDF]).
Weblinks
- Tourismusverein Leipziger Neuseenland e.V.
- Regionaler Planungsverband Westsachsen – Aktuelle Sanierungspläne
- Seenkompass ( vom 23. Februar 2015 im Internet Archive) (GIS-basierte Informationen zur Seenentwicklung in Mitteldeutschland)
- Mitteldeutsche Seenlandschaft. LMBV, abgerufen am 27. Januar 2014.
- Seenlandschaft Mitteldeutschland: Auf zu neuen Ufern. Mitteldeutscher Rundfunk (mdr.de), archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 18. Februar 2013; abgerufen am 2. Juni 2016.
Einzelnachweise
- ↑ Mitteldeutsche Seenlandschaft. Sonderheft der Leipziger Blätter, S. 7.
- ↑ Gewässerverbund
- ↑ Endbericht "Tourismuswirtschaftliches Gesamtkonzept für die Gewässerlandschaft im mitteldeutschen Raum"