Benutzer:Julius Senegal/Pulmonal-arterielle Hypertonie

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Klassifikation nach ICD-11
BB01 Pulmonale Hypertonie
BB01.0 Pulmonale arterielle Hypertonie
ICD-11: EnglischDeutsch (Entwurf)

Die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH, auch pulmonalarterielle Hypertonie) ist eine spezielle Form des Lungenhochdrucks in den Pulmonalarterien. Sie wird als Gruppe 1 der pulmonalen Hypertonie eingeteilt. Es handelt sich um eine sehr seltene, chronische Krankheit, die mit verfügbaren Medikamenten eingestellt werden kann. Untherapiert führt die PAH nach zwei bis drei Jahren zum Tode.

Für Deutschland wird eine Inzidenz von 3,9 pro Millionen angegeben, weltweit wird eine von 1,1 bis 7,6 pro Millionen Erwachsenen pro Jahr angegeben. Die Prävalenz beträgt 6,6 bis 26 pro Millionen Erwachsenen.[1] PAH betrifft überwiegend jüngere Patientinnen, gerade bei einer hereditären PAH. Dennoch steigt der Altersdurchschnitt der Patienten mit diagnostizierter PAH stetig an und liegt bei etwa 65 Jahren, sei es wegen der besseren Diagnoseverfahren oder infolge von Schwierigkeiten mit der exakten Klassifikation bei bestehenden Komorbiditäten („atypische“ PAH mit kardiopulmonale Risikofaktoren).[2]

1. Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)

1.1 Idiopathische PAH (IPAH)
1.1.1 negativer Vasoreagibilitätstest
1.1.2 akut positiver Vasoreagibilitätstest
1.2 Hereditäre PAH (HPAH), auch familiäre PAH (FPAH) genannt
1.3 Arzneimittel- und toxininduzierte PAH (DPAH)
1.4 Assoziierte PAH (APAH); bei folgenden Grunderkrankungen:
1.4.1 Bindegewebserkrankungen
1.4.2 HIV-Infektion
1.4.3 portaler Hypertonie
1.4.4 angeborene Herzfehler
1.4.5 Bilharziose
1.5 PAH mit offensichtlichen Hinweisen auf eine pulmonalvenöse/kapilläre Beteiligung (PVOD: pulmonale veno-okklusive Erkrankung PVOD und/oder PCH: pulmonalkapilläre Hämangiomatose)
1.6 Persistierende pulmonalarterielle Hypertonie des Neugeborenen (PPHN)

[3] und wurde durch die 2022 herausgegebene Leitlinie der European Society of Cardiology[4]

PAH wird hämodynamisch als präkapilläre pulmonale Hypertonie mit erhöhtem Lungengefäßwiderstand definiert.[4] Hierbei liegt der pulmonal arterielle Mitteldruck in Ruhe (PAPm) bei mehr als 20 mmHg, der pulmonale arterielle Verschlussdruck (PAWP) bei höchstens 15 mmHg – letzterer ist also normal. Der pulmonal-vaskulären Widerstand (PVR) beträgt über 2 Wood Units (WU; 1 WU = 80 dyn·s·cm–5).

Für die Diagnose PAH müssen sowohl diese hämodynamischen Kriterien erfüllt sein, als auch auch andere Formen einer präkapillären pulmonalen Hypertonie ausgeschlossen sein, beispielsweise Lungen- oder Linksherzerkrankungen.

Die WHO hat den Schweregrad in vier Funktionsklassen (FK) eingeteilt, analog NYHA bei Herzinsuffizienz:[4]

  • WHO-FK I: Patienten ohne Einschränkungen bei normalen, körperlichen Aktivitäten. Diese führen nicht zu Atemlosigkeit oder Erschöpfungen, Brustschmerzen oder Präsynkopen.
  • WHO-FK II: Patienten mit geringen Einschränkungen bei körperlichen Aktivitäten, fühlen sich im Ruhezustand aber in Ordnung. Normale Aktivitäten können Atemlosigkeit oder Erschöpfungen, Brustschmerzen oder Präsynkopen verursachen.
  • WHO-FK III: Patienten mit deutlichen Einschränkungen bei körperlichen Aktivitäten, fühlen sich im Ruhezustand aber in Ordnung. Bereits geringfügige körperliche Aktivitäten verursachen Atemlosigkeit oder Erschöpfungen, Brustschmerzen oder Präsynkopen.
  • WHO-FK IV: Patienten können keine körperlichen Aktivitäten beschwerdefrei ausüben. Sie haben Anzeichen für eine Herzinsuffizienz der rechten Herzhälfte. Bereits im Ruhezustand leiden sie unter Atemlosigkeit und/oder Erschöpfungen.

Pathophysiologie

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PAH-Symptome sind unspezifisch und eine Folge der fortgeschrittenen Funktionsstörung des rechten Herzventrikels.[4] PAH-Patienten leiden unter einer fortschreitenden Belastungsdyspnoe, fühlen sich müde oder abgeschlagen. Darüber hinaus können sie insbesondere nach körperlicher Belastung kurzzeitig das Bewusstsein verlieren (Ohmnacht). Falls bereits die rechte Herzhälfte betroffen ist (Herzinsuffizienz), kommt es infolge des angestiegenen rechtskardialen Füllungsdrucks zu Halsvenenstauungen, Ödemen und Aszites. Als Biomarker wird das Brain natriuretic Peptide (BNP) bestimmt bzw. das N-terminale Fragment dessen Vorläuferpeptids (NT-proBNP).[2]

Der Schwerpunkt verfügbarer Therapeutika zielt darauf ab, die Lungengefäße zu erweitern. Dies senkt den Blutdruck in den Lungengefäßen und entlastet den rechten Herzventrikel. Hierfür spielen vier unterschiedliche Signalwege eine Rolle, die für Entstehung einer PAH wichtig sind:

  • Endothelin-Signalweg: Bei PAH-Patienten besteht eine Hochregulierung des Hormons Endothelin-1 (ET-1), was an entsprechende Rezeptoren (ETA und ETB) bindet. Dies führt zu einer Vasokonstriktion, einem Zusammenschnüren der Blutgefäße in der Lunge.[5]
  • Stickstoffmonoxid-sGC-cGMP-Signalweg: Stickstoffmonoxid (NO) wirkt auf lösliche Guanylylcyclasen (sGC), die wiederum GTP in den second messenger cGMP überführen. Dies führt zu einer Erweiterung von Blutgefäßen (Vasodilatation). [5]
  • Prostacyclin-Signalweg: Prostacycline entstehen aus Arachidonsäure und binden an Prostacyclin-Rezeptoren (IP-Rezeptor), was dann zu einer Hemmung der Kontraktion glatter Gefäßmuskelzellen führt – damit wird eine Vasodilatation entsprechender Blutgefäße ermöglicht.[5]
  • BMPR2 (Bone Morphogenetic Protein Receptor Type 2)-Signalweg: Bei BMPR2 handelt es sich um einen Serin/Threonin-Kinase-Transmembranrezeptor, der Teil des BMP-Signalwegs ist. Es werden damit mehrere wichtige zelluläre Prozessen (Zelldifferenzierung, Proliferation, Apoptose) in vielen Geweben beeinflusst.[6] Mutationen bei BMPR2 wurden überwiegend bei vererbter PAH nachgewiesen, teilweise auch bei idiopathischer PAH. Entsprechende Störungen des BMP-Signalweges aufgrund einer verringerte BMPR2-Aktivität führt zu einer Produktion von Activin A (aus der TGFβ-Superfamilie), was schließlich zur Poproliferation führt (Zusammenschnüren der Blutgefäße).

In der Therapie werden entsprechende Inhibitoren oder Stimulatoren dieser Wege eingesetzt.[5] So blockieren Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERAs) wie Ambrisentan oder Macitentan den Endothelin-Signalweg während sGC-Stimulatoren (Riociguat) oder Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE5i) den NO-Signalweg stimulieren. Sotatercept fängt Activin A ab (Ligandenfalle), und wirkt daher einem Zusammenschnüren der Blutgefäße entgegen.[6] In der klinischen Praxis werden verschiedene Medikamente kombiniert; so werden in der Regel zwei (Dualtherapie) oder drei Medikamente (Tripeltherapie) verschiedener Wirkmechanismen kombiniert.

Prognose (geschätzte 1-Jahres geringes Risko (< 5 %) mittleres Risiko (5–20 %) hohes Risiko (> 20 %)

PAH gilt als generell tödlich verlaufende Krankheit; die Prognose der pulmonalen arteriellen Hypertonie (WHO-Gruppe I) beträgt unbehandelt im Median 2 bis 3 Jahre ab dem Zeitpunkt der Diagnose, wobei die Todesursache in der Regel eine akut einsetzende rechtskardiale Dekompensation (Rechtsherzversagen) mit bösartigen Herzrhythmusstörungen ist.[7] Die Überlebenszeit ist variabel und hängt von vielen Faktoren ab.[8] Eine Ergebnisstudie von 2005 an Patienten, die mit einer Behandlung mit Bosentan begonnen hatten, zeigte, dass 89 % der Patienten nach 2 Jahren noch am Leben waren.[9] Mit neuen Therapien steigen die Überlebensraten. In den 1980er Jahren lagen die 3-Jahres-Überlebensraten von PAH-Patienten bei ca. 40 %.[2] Bei 2.635 Patienten, die von März 2006 bis Dezember 2009 in das Register zur Bewertung des frühzeitigen und langfristigen Managements der pulmonalen arteriellen Hypertonie (REVEAL-Register) aufgenommen wurden, lagen die 1-, 3-, 5- und 7-Jahres-Überlebensraten bei je 85 %, 68 %, 57 % bzw. 49 %. Bei Patienten mit idiopathischer/familiärer PAH lagen die Überlebensraten bei 91 %, 74 %, 65 % und 59 %.[10]

Frauen haben eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit


Signalwege: [5]

  • Marc Humbert et al.: 2022 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. In: European Heart Journal. Band 43, Nr. 38, 11. Oktober 2022, S. 3618–3731, doi:10.1093/eurheartj/ehac237, PMID 36017548 (englisch).
  • Marc Humbert et al.: Treatment of pulmonary arterial hypertension: recent progress and a look to the future. In: The Lancet. Respiratory Medicine. Band 11, Nr. 9, September 2023, S. 804–819, doi:10.1016/S2213-2600(23)00264-3, PMID 37591298 (englisch).

Einzelnachweise

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https://www.janssen.com/germany/therapiegebiete/lungenhochdruck https://www.aerzteblatt.de/archiv/186048/Pulmonale-Hypertonie

  1. Marius M. Hoeper et al.: A global view of pulmonary hypertension. In: The Lancet. Respiratory Medicine. Band 4, Nr. 4, April 2016, S. 306–322, doi:10.1016/S2213-2600(15)00543-3, PMID 26975810 (englisch).
  2. a b c Marius M. Hoeper et al.: Pulmonale Hypertonie. Deutsches Ärzteblatt, 3. Februar 2017, abgerufen am 15. Juni 2024.
  3. Gérald Simonneau et al.: Haemodynamic definitions and updated clinical classification of pulmonary hypertension. In: European Respiratory Journal. Band 53, Nr. 1, Januar 2019, S. 1801913, doi:10.1183/13993003.01913-2018, PMID 30545968, PMC 6351336 (freier Volltext) – (englisch).
  4. a b c d Marc Humbert et al.: 2022 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. In: European Heart Journal. Band 43, Nr. 38, 11. Oktober 2022, S. 3618–3731, doi:10.1093/eurheartj/ehac237, PMID 36017548 (englisch).
  5. a b c d e Edmund M. T. Lau et al.: Epidemiology and treatment of pulmonary arterial hypertension. In: Nature Reviews Cardiology. Band 14, Nr. 10, Oktober 2017, S. 603–614, doi:10.1038/nrcardio.2017.84 (englisch).
  6. a b Irene Martin de Miguel et al.: Novel Molecular Mechanisms Involved in the Medical Treatment of Pulmonary Arterial Hypertension. In: International Journal of Molecular Sciences. Band 24, Nr. 4, 19. Februar 2023, S. 4147, doi:10.3390/ijms24044147, PMID 36835558, PMC 9965798 (freier Volltext) – (englisch).
  7. Pulmonary hypertension. In: Patient UK. 24. August 2020, abgerufen am 8. Mai 2024 (englisch).
  8. Sophia Anastasia Mouratoglou et al.: Prediction Models and Scores in Pulmonary Hypertension: A Review. In: Current Pharmaceutical Design. Band 27, Nr. 10, S. 1266–1276, doi:10.2174/1381612824999201105163437 (englisch).
  9. V. V. McLaughlin et al.: Survival with first-line bosentan in patients with primary pulmonary hypertension. In: European Respiratory Journal. Band 25, Nr. 2, 1. Februar 2005, ISSN 0903-1936, S. 244–249, doi:10.1183/09031936.05.00054804, PMID 15684287 (englisch, ersjournals.com [abgerufen am 8. Mai 2024]).
  10. Raymond L. Benza et al.: An evaluation of long-term survival from time of diagnosis in pulmonary arterial hypertension from the REVEAL Registry. In: Chest. Band 142, Nr. 2, August 2012, ISSN 1931-3543, S. 448–456, doi:10.1378/chest.11-1460, PMID 22281797.