Hinterkaifeck

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Hinterkaifeck war der Tatort eines bis heute nicht aufgeklärten Mehrfachmordes. Auf dem Einödhof, der 500 m südwestlich des Dorfes Gröbern im Gemeindegebiet von Wangen (am 1. Oktober 1971 nach Waidhofen eingemeindet)[1] in Oberbayern lag und etwa sechs Kilometer von Schrobenhausen entfernt war, wurden in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 1922 sechs Menschen ermordet, indem man ihnen mit einer Reuthaue den Schädel einschlug. Bei den Getöteten handelt es sich um das Austragsbauernehepaar Andreas (* 9. November 1858) und Cäzilia (* 27. November 1849) Gruber, deren verwitwete Tochter Viktoria Gabriel (* 6. Februar 1887), deren Kinder Cäzilia (* 9. Januar 1915) und Josef (* 7. September 1919) sowie die Magd Maria Baumgartner (* 1. Oktober 1877).

Der Hof wurde knapp ein Jahr nach der Tat vollständig abgebrochen. Hinterkaifeck war offiziell nie ein eigener Ortsteil mit diesem Namen, sondern nur ein Hausname für den versteckt im Wald gelegenen Teil des Weilers Kaifeck. Da später kein neues Anwesen an der Stelle errichtet wurde, ging der Hausname unter und ist heute nur noch eine historische Bezeichnung. Heute besteht (Rest-)Kaifeck nur noch aus einem Einödhof, der knapp einen Kilometer südlich vom „Mordhof“ an der Gemeindestraße nach Schrobenhausen liegt; das ehemalige Hofgelände von Hinterkaifeck ist heute eine landwirtschaftliche Nutzfläche.

Der Gedenkstein auf dem Friedhof Waidhofen

Tatgeschehen

Geschehnisse vor der Tat

Einige Tage vor der Tatnacht entdeckte der Austragsbauer Andreas Gruber im Schnee Spuren, die zum Hof Hinterkaifeck hinführten, aber nicht wieder heraus. Ebenso vermissten die Bewohner der Einöde einen Haustürschlüssel. Außerdem hatte jemand an der Motorhütte des Hofes das Vorhängeschloss aufgebrochen und im Stall ein Rind losgebunden. Darüber hinaus bemerkten die Hinterkaifecker, dass das Anwesen vom Wald aus von einem Mann mit Schnauzbart beobachtet wurde. In der Nacht hörten sie auf dem Dachboden über ihren Schlafräumen Schritte, doch Andreas Gruber fand niemanden, als er das Gebäude durchsuchte. Obwohl er mehreren Personen von diesen angeblichen Beobachtungen erzählte, weigerte er sich, Hilfe von Außenstehenden (Nachbarn/Polizei) anzunehmen. Nach Aussage einer Schulfreundin der siebenjährigen Cäzilia Gabriel soll diese auch berichtet haben, dass ihre Mutter Viktoria in der Nacht vor der Tat nach einem heftigen Streit vom Hof geflohen und erst Stunden später im Wald aufgefunden worden sein soll.

Tatnacht vom 31. März auf den 1. April 1922

Am Nachmittag des 31. März 1922, einem Freitag, kam die neue Magd Maria Baumgartner auf dem Hof an. Das genaue Tatgeschehen konnte nicht rekonstruiert werden, man nimmt jedoch an, dass am späten Abend die Eheleute Andreas und Cäzilia Gruber sowie deren Tochter Viktoria Gabriel und Enkelin Cäzilia Gabriel nacheinander in die Scheune gelockt und dort erschlagen wurden. Durch eine Obduktion wurde später nachgewiesen, dass die siebenjährige Cäzilia, nachdem ihr der Schädel eingeschlagen worden war, noch mindestens zwei Stunden lebte. Von der Scheune aus drang(en) der (oder die) Täter ins Haus ein, wo der zweijährige Josef in seinem Stubenwagen im Schlafzimmer seiner Mutter und die Dienstmagd Maria Baumgartner in der Magdkammer erschlagen wurden.

Entdeckung der Tat

Zwischen dem Tatzeitpunkt und der Entdeckung der Tat vier Tage später müssen sich der oder die Täter noch im Haus aufgehalten haben, da das Vieh versorgt wurde und Rauch aus dem Kamin des Bauernhauses aufstieg. Außerdem entdeckte die Polizei, dass der gesamte Brotvorrat aufgebraucht und Fleisch aus der Vorratskammer frisch angeschnitten worden war.

Am 1. sowie am 3. und 4. April fehlte Cäzilia Gabriel unentschuldigt in der Schule. Außerdem fiel auf, dass die Einwohner der Einöde nicht am Sonntagsgottesdienst teilnahmen. Am Montag, dem 3. April bemerkte der Postschaffner Josef Mayer, als er nach Hinterkaifeck kam, dass sich die Post vom Samstag noch immer dort befand, wo er sie deponiert hatte, und dass anscheinend niemand auf dem Hof war. Der Monteur Albert Hofner, der am 4. April in vermeintlicher Abwesenheit der Hinterkaifecker auf dem Hof den Motor der Futterschneidemaschine reparierte, erzählte Einwohnern von Gröbern und Wangen, dass er sich etwa fünf Stunden lang in Hinterkaifeck aufgehalten habe, aber niemanden dort angetroffen habe. Deshalb drang der Ortsführer von Gröbern, Lorenz Schlittenbauer, noch am selben Tag mit zwei anderen Männern, Michael Pöll und Jakob Sigl, in den Gebäudekomplex ein, wo sie die größtenteils abgedeckten Leichen entdeckten.

Ermittlungen

Polizeiliches Vorgehen

Die ersten Polizisten am Tatort waren Beamte der Gendarmeriestation Hohenwart, die am 4. April gegen 18 Uhr eintrafen. Deren Hauptaufgabe war es, die zahlreichen Schaulustigen, die sich bald nach Bekanntwerden der Morde in Hinterkaifeck einfanden, am Betreten der Mordstätte zu hindern. Bei der Polizeidirektion München ging die Meldung um ca. 18.15 Uhr ein. Unter der Leitung von Kriminaloberinspektor Georg Reingruber machten sich sechs Beamte aus München, darunter zwei Polizeihundeführer, umgehend auf den Weg und kamen um 1.30 Uhr bei Bürgermeister Georg Greger in Wangen an.

Um 5.30 Uhr begaben sie sich zum Tatort und besichtigten zusammen mit der Gerichtskommission aus Schrobenhausen systematisch die Hinterkaifecker Gebäude. Auf dem Dachboden, der ohne trennende Brandmauern durchgängig über Wohnhaus, Stall und Scheune verlief, entdeckten die Polizisten, dass der Boden mit Heu bedeckt war, anscheinend um Schritte zu dämpfen. Außerdem waren einige Dachziegel so verschoben, dass man das gesamte Hofgelände überblicken konnte, und in einem Heuhaufen stellte man zwei Mulden fest, die davon zeugten, dass sich hier Personen befunden haben mussten. Die ersten Vernehmungen fanden im Bauernhaus in der Küche statt.

Als Motiv wurde zunächst Raubmord vermutet, später allerdings zunehmend angezweifelt, da man nicht genau ermitteln konnte, wie viel Geld entwendet wurde. Außerdem wurde viel Geld zurückgelassen, obwohl die Täter genug Zeit gehabt hätten, das Haus genau zu durchsuchen. Bei der Obduktion durch den Neuburger Landgerichtsarzt Dr. Johann Baptist Aumüller auf einem provisorischen Seziertisch im Hof des Bauernhofes wurden den Leichen die Köpfe abgetrennt. Dabei wurde auch festgestellt, dass sich Cäzilia Gabriel in ihrem etwa zweistündigen Todeskampf büschelweise die Kopfhaare ausgerissen hatte.

Die Beamten der Mordkommission ermittelten in verschiedenste Richtungen und gingen selbst unwahrscheinlichen Spuren nach. Als Erstes gerieten Vorbestrafte, Hamsterer und Hausierer, die aus der Gegend von Hinterkaifeck stammten oder sich dort herumtrieben, in den Fokus der Polizei. Bereits am 8. April wurden 100.000 Mark Belohnung für Hinweise zum Täter ausgesetzt. Viele Personen wurden daraufhin verdächtigt (siehe: Tatverdächtige) und auch viele nicht stichhaltige Hinweise gingen bei der Mordkommission ein, doch die Morde konnten niemandem nachgewiesen werden. Mit den Schädeln der Opfer wurden zudem spiritistische Sitzungen mit Medien durchgeführt, die aber ebenfalls kein Ergebnis brachten.

Am 28. Februar 1930 ging Oberinspektor Reingruber in Pension, und im September desselben Jahres übernahm Martin Riedmayer den Fall.

Tatverdächtige

Im Folgenden sind Personen aufgeführt, die von Polizei und/oder in der Bevölkerung als potenzielle Täter angesehen wurden, aber weder als Mörder überführt noch von der Täterschaft zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnten.

Karl Gabriel

Der Tod des im Dezember 1914 während des Ersten Weltkriegs gefallenen Ehemanns der Jungbäuerin, Karl Gabriel, wurde in Zweifel gezogen. Dieser soll erfahren haben, dass Viktoria Gabriel nach der gemeinsamen Tochter (Cäzilia) ein uneheliches Kind hatte (Josef), und zwar womöglich mit ihrem eigenen Vater (siehe: Inzest). Daraufhin soll er die gesamte Familie erschlagen haben, um Rache zu üben. Obwohl Soldaten aus seinem Regiment seinen Tod bezeugten, erhielt diese Theorie im Laufe der Jahre neue Nahrung, nachdem immer wieder Personen berichteten, sie seien Gabriel begegnet oder könnten bestätigen, dass dieser seine Identität mit der eines gefallenen Kameraden vertauscht hatte.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs behaupteten unabhängig voneinander Kriegsheimkehrer aus der Region um Schrobenhausen, die vorzeitig aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen wurden, dass sie von einem bairisch sprechenden sowjetischen Offizier nach Hause geschickt worden seien, der angegeben habe, er sei der Mörder von Hinterkaifeck. Einige dieser Aussagen wurden später von den Heimkehrern selbst revidiert. Ob es sich dabei um erfundene Geschichten oder wahrheitsgemäße Aussagen handelte, kann heute nicht mehr zweifelsfrei nachgewiesen werden. Selbst für den Fall, dass die Behauptungen zutreffend sind, muss es sich bei dem Russen nicht zwingend um Karl Gabriel gehandelt haben; wenngleich einige der Zeugen, die ihm kurz vor und nach dem Mord angeblich begegnet waren, ausgesagt hatten, er wolle sich nach Russland absetzen.

Lorenz Schlittenbauer

Lorenz Schlittenbauer hatte 1918, kurz nach dem Tod seiner ersten Frau, ein Verhältnis mit Viktoria Gabriel und galt ebenfalls als möglicher Vater ihres Sohnes Josef. Er wurde – auch von der Bevölkerung – als Täter verdächtigt, weil er sich durch einige Handlungen und Andeutungen bzgl. der Morde verraten haben soll. Beispielsweise wurde beim Fund der Leichen ein Tor aufgebrochen, weil sämtliche Türen am Hof verschlossen waren. Nach Auffinden der Toten verließen seine beiden Begleiter schockiert den Stall, während Schlittenbauer alleine in das Haus weiterging, in dem er sich gut auszukennen schien. Er schloss dann – für die anderen Zeugen deutlich hörbar – die Haustür von innen mit dem Schlüssel auf. Dieser einzige Schlüssel wurde von den Opfern kurz vor der Tat vermisst. Schlittenbauer gab allerdings an, er habe in der Tür gesteckt. Darüber, ob zum Auffindezeitpunkt ein Seil in der Scheune hing, das ein Täter zur Flucht hätte benutzen können, gab es widersprüchliche Aussagen.

Auch noch Jahre später wurde Schlittenbauer aufgrund merkwürdiger Äußerungen (so soll er am örtlichen Stammtisch bei Spekulationen über den Tathergang gelegentlich vom Täter in der Ich-Form gesprochen haben) immer wieder mit der Tat in Verbindung gebracht. Eingang in die Akten fand auch eine Begegnung des damaligen Dorflehrers Hans Yblagger mit Schlittenbauer an den Mauerresten des abgebrochenen Hofes Hinterkaifeck im Jahr 1925. Der junge Lehrer überraschte ihn über den noch vorhandenen Kellereingang gebeugt und war verwundert über seine ausgesprochen schreckhafte und verwirrte Reaktion, als er ihn ansprach. Schlittenbauer erzählte daraufhin von einem angeblichen Versuch des Täters, die Leichen am Ort ihres Auffindens zu vergraben, was aber aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht möglich gewesen sei. Diese Information hatte vorher weder Schlittenbauer noch ein anderer Zeuge zu Protokoll gegeben.

Vor seinem Tod im Jahre 1941 führte Schlittenbauer mehrere Zivilklagen wegen übler Nachrede gegen Personen, die ihn als „Mörder von Hinterkaifeck“ bezeichneten.[2][3]

Joseph Bärtl

Der 1897 geborene, aus dem nahen Geisenfeld stammende, angeblich geisteskranke Bäcker Josef Bärtl wurde schon bald nach der Tat als Mörder verdächtigt, da er 1921 aus der Heil- und Pflegeanstalt Günzburg geflohen war. Ihm wurde ob seines Geisteszustands sowie aufgrund seiner vermuteten Beteiligung an einem Mord im Jahre 1919 die Tat zugetraut, und ein Medium hatte ihn bei einer der spiritistischen Sitzungen anhand einer Fotografie als Täter identifiziert. Zwar gaben immer wieder Zeugen an, Bärtl begegnet zu sein, doch er konnte von der Polizei nie mehr aufgegriffen werden.

Gebrüder Gump

Bereits am 9. April 1922 ließ Kriminaloberinspektor Georg Reingruber die Fahndung nach Adolf Gump, Wilhelm Dreßel, Wilhelm Musweiler alias Weiland und den früheren Kriminalbeamten Friedrich N. alias Fischer ausschreiben. Alle vier sollen mit dem Freikorps Oberland in Oberschlesien einmarschiert sein und dort an der Ermordung von neun Bauern mitgewirkt haben. Reingruber konnte nicht ausschließen, dass Adolf Gump auch an den Morden in Hinterkaifeck beteiligt war, deswegen wies er die entsprechenden Gendarmeriestationen an, bei einer möglichen Festnahme diesen nach seinem Alibi vom 30. und 31. März sowie vom 1. April 1922 zu fragen.

1951 ermittelte Staatsanwalt Andreas Popp gegen Adolfs Bruder Anton Gump wegen des Verdachtes, dass die beiden Brüder die Morde auf Hinterkaifeck begangen hätten. Der Verdacht stützte sich auf die Anschuldigung der Schwester der beiden. Kreszentia Mayer behauptete auf dem Sterbebett gegenüber dem Priester Anton Hauber, dass ihre beiden Brüder Adolf und Anton die Morde verübt hätten. Anton Gump kam infolgedessen in Untersuchungshaft, Adolf war bereits 1944 verstorben. Nach kurzer Zeit wurde Anton allerdings wieder entlassen und 1954 wurde das Verfahren gegen ihn endgültig eingestellt, da ihm keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden konnte.

Die Brüder Karl und Andreas S. aus Sattelberg

Im Jahr 1971 schrieb eine Frau namens Therese T. einen Brief, in dem sie sich auf ein Ereignis in ihrer Jugend berief: Im Alter von zwölf Jahren war sie Zeuge, wie ihre Mutter Besuch von der Mutter der Brüder Karl und Andreas S. erhielt. Diese behauptete, ihre Söhne seien die beiden Mörder von Hinterkaifeck. Interessant war die Tatsache, dass die Mutter den Satz „Andreas reute es, dass er sein Taschenmesser verlor“ im Laufe des Gesprächs sagte. Tatsächlich wurde beim Abriss des Hofes im Jahr 1923 ein Taschenmesser gefunden, das niemandem eindeutig zugeordnet werden konnte und dessen Existenz allgemein nicht bekannt war. Allerdings hätte das Messer einem der Mordopfer gehören können. Auch diese Spur wurde erfolglos verfolgt.[4]

Finanzielle Situation

Die Familie Gabriel-Gruber war recht wohlhabend. Ihr Vermögen, das auf 100.000 Mark geschätzt wurde, war sowohl in Pfandbriefen und Kriegsanleihen als auch in Schmuck und Gold- bzw. Silbermünzen angelegt. Außerdem verfügte sie über ein beträchtliches Barvermögen. Darüber hinaus besaß sie 50 Tagwerk (ca. 17 Hektar) Land und einige Stück Vieh (Rinder, Schweine und Hühner). Als der Mord geschah, war der Neubau des Stalls geplant.

Soziale Situation

Die Bewohner der Einöde lebten zurückgezogen und galten als geizig. Um Geld zu sparen, beschäftigten sie – zum Teil illegal und oft nur für einige Wochen – unter anderem auch kriminelle und umherziehende Hilfsarbeiter.

Inzest

Zwischen dem Vater Andreas Gruber und seiner Tochter Viktoria existierte eine inzestuöse Beziehung mindestens seit dem 16. Lebensjahr der Tochter. Deshalb wurden beide 1915 verurteilt – der Vater zu einem Jahr Zuchthaus und die Tochter zu einem Monat Gefängnis.[5][6] Einmal wurden die zwei von einer Magd im Heu erwischt.

Außerdem existieren Gerüchte, dass der 1919 unehelich geborene Josef nicht von Lorenz Schlittenbauer, sondern von Andreas Gruber gezeugt worden war. Andreas Gruber soll auch versucht haben, eine Ehe zwischen den beiden Verwitweten, Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer, zu verhindern. Daraufhin leugnete Schlittenbauer die Vaterschaft und zeigte Andreas Gruber im September 1919 wegen Blutschande an. Da dieser bereits vorbestraft war, wurde er in Untersuchungshaft genommen. Kurz darauf nahm Schlittenbauer seine Anschuldigungen zunächst zurück und erkannte die Vaterschaft an. Einige Zeit später lehnte er sie allerdings erneut ab und bekräftigte seine vorherigen Vorwürfe. Auch aufgrund dieser widersprüchlichen Aussagen kam es schließlich zu keiner weiteren Verurteilung, Gruber war bereits zuvor wieder aus der Haft entlassen worden.

Erbe

Im Erbschein vom 7. Juni 1922 wurde das Vermögen zur einen Hälfte der Familie des Andreas Gruber und zur anderen der aus erster Ehe stammenden Tochter von Cäzilia Gruber, Cäzilia Starringer, zugesprochen. Sämtliches Gold- und Silbergeld sollte wegen Steuerhinterziehung an den Fiskus abgetreten werden (dies wurde später jedoch revidiert und die Erben konnten das Geld erhalten). Karl Gabriel sen., Vater von Viktoria Gabriels verstorbenem Ehemann und Großvater der Cäzilia Gabriel, klagte daraufhin mit der Begründung, die siebenjährige Cäzilia als Universalerbin sei nachweislich nach ihrer Mutter ums Leben gekommen. Diese und alle weiteren Klagen Karl Gabriels wurden vom Gericht abgelehnt. Doch außergerichtlich einigten sich beide Parteien (Gruber und Gabriel) darauf, dass Karl Gabriel den Gebäudekomplex zum Vorzugspreis erwerben könne, was dieser auch tat.

Fund der Tatwaffe

Im Februar 1923 begann Karl Gabriel sen., mit einigen Helfern den Mordhof abzureißen. Beim Abriss wurde das blutverschmierte Tatwerkzeug, eine Reuthaue, die aus dem Besitz von Andreas Gruber stammte und auf dem Dachboden unter den Dielenbrettern (im sogenannten Fehlboden) in der Nähe des Kamins versteckt worden war, gefunden. Es ließ sich zweifelsfrei nachweisen, dass eine überstehende Schraube, die offenbar bei einer unfachmännischen Reparatur angebracht worden war, Verletzungsspuren bei den Opfern hinterlassen hatte. Brauchbare Fingerabdrücke konnten zwar nicht mehr festgestellt werden, wohl aber Anhaftungen von menschlichen Haaren.

Ergebnis der Ermittlungen

Trotz wiederholter Festnahmen ist bis heute kein Täter gefunden, die Akten wurden 1955 geschlossen. Trotzdem fanden noch 1986 letzte Vernehmungen statt, und Kriminalhauptkommissar Konrad Müller ermittelt noch heute – im Ruhestand.[5]

Reaktionen der Öffentlichkeit

Bereits kurz nach der Entdeckung des Mordes fanden sich viele Schaulustige in Hinterkaifeck ein und einige blieben sogar in der Nacht, um für „die armen Seelen“ zu beten. An der Beerdigung am 8. April 1922 nahmen einige tausend Menschen auf dem Friedhof von Waidhofen teil. Es stellte sich nach der Tat eine regelrechte Hinterkaifeck-Hysterie ein und die Bevölkerung der Umgebung spekulierte über mögliche Täter.

Bestattung und Gedenken

Das Marterl in der Nähe des Tatorts

Die Toten sind ohne Schädel auf dem Friedhof Waidhofen bestattet, ein Gedenkstein wurde am Grab errichtet. Die Schädel der Toten befanden sich zuletzt in einem Justizgebäude in Augsburg und wurden bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der Hof wurde bereits 1923 abgerissen, heute steht in der Nähe nur noch ein Marterl.

Ungereimtheiten beim Fall und Ermittlungsversäumnisse

Im Augenscheinprotokoll der Gerichtskommission Schrobenhausen wurde vermerkt, die Opfer seien wahrscheinlich durch Unruhe im Stall (brüllendes, losgebundenes Vieh) in den Stall gelockt worden. Ein Versuch ergab allerdings, dass zumindest menschliche Schreie aus dem Stadel (Tatort bzw. Fundort von Andreas und Cäzilia Gruber sowie Viktoria und Cäzilia Gabriel) nicht im Wohnbereich zu hören waren. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Hinterkaifecker wirklich wie oben beschrieben in den Stadel gelockt wurden oder auf eine andere unbekannte Weise.

Der exakte Tathergang konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Es wurden nur fünf Bilder vom Tatort gemacht: zwei mit den Leichen in der Scheune, eins von der toten Magd in ihrer Kammer, eins von Josefs Stubenwagen in Viktorias Schlafzimmer sowie eine Außenansicht vom Hof. Daktyloskopische Spuren wurden nicht gesichert. Eine Tatrekonstruktion anhand der Auffindesituation ergab, dass Viktoria Gabriel vermutlich das erste Mordopfer war. In der Scheune wurden anschließend wahrscheinlich Cäzilia Gruber, danach ihr Ehemann Andreas Gruber und zuletzt Cäzilia Gabriel erschlagen. Im Haus dürfte zunächst die Magd getötet worden sein, zum Schluss dann Josef. Alle Leichen wiesen schwere Kopfverletzungen auf, bei Viktoria Gabriel sollen zudem auch Würgemale am Hals festgestellt worden sein, die Quellenlage ist hierzu jedoch nicht eindeutig.

Ferner wurde die Annahme in Zweifel gezogen, dass der oder die Täter sich bereits vor der Tat im Haus aufgehalten hatten. Einige der Indizien dafür – wie die verschobenen Dachziegel und die Mulden im Heu – wurden später auch als Liebesversteck der Inzestbeziehung zwischen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel interpretiert. Dies würde auch erklären, warum die Mulden und Ziegel von Andreas Gruber nicht bemerkt oder erwähnt wurden, obwohl er nach gesicherten Aussagen den Hof vor der Tat mehrfach gründlich durchsucht haben soll.

In der Nacht nach der Tat (also noch drei Tage vor dem Auffinden der Leichen) beobachtete der zufällig an Hinterkaifeck vorbeikommende Handwerker Michael Plöckl, dass der Backofen des Hofes von einer ihm unbekannten Person angeheizt worden war. Die Person sei daraufhin mit einer Taschenlampe auf ihn zugekommen und habe ihn dabei geblendet, woraufhin er eilig seinen Weg fortgesetzt habe. Weder wurde dieser Vorfall näher untersucht, noch sind Ermittlungen bekannt, die festgestellt hätten, was in jener Nacht in dem Backofen verbrannt worden war.

Der Monteur Albert Hofner war nach dem Verbrechen für mehrere Stunden zwecks Reparaturarbeiten auf dem Hof, wurde aber erst 1925 vernommen, da die Polizei ein Verhör unmittelbar nach der Tat versäumt hatte. Seine Aussage legt den Verdacht nahe, dass sich der oder die Täter während seiner Anwesenheit immer noch oder zwischenzeitlich wieder auf dem Hof aufgehalten haben. So fand er die Zugänge zum Haus zwar verschlossen vor und traf auch keine Person an, doch bei seiner Ankunft vernahm er angeblich Hundegebell aus dem Inneren des Hauses. Beim Verlassen des Gehöfts ein paar Stunden später bemerkte er, dass der bellende Spitz der Grubers nun vor der immer noch verschlossenen Haustür angebunden war und das Stadeltor offenstand (durch das er allerdings nicht trat). Als die Leichen am frühen Abend desselben Tages entdeckt wurden, wurde der sichtlich verstörte Hund mit einem verletzten Auge bei den Opfern in der Scheune vorgefunden, deren Tür nun wieder geschlossen war.

Das persönliche Umfeld der Opfer wurde nur unzureichend untersucht. Dies gilt in den ersten Jahren insbesondere auch für die neue Magd Maria Baumgartner. Dabei ist es immerhin bemerkenswert, dass die Morde wenige Stunden nach ihrer Ankunft auf dem Hof geschahen. Es ist zumindest möglich, dass das Mordmotiv mit ihrer Person in Verbindung steht.

Als Motiv wurde häufig Raubmord angenommen, obwohl ein für damalige Verhältnisse hoher Geldbetrag (ca. 1800 Goldmark) in einem Schrank gefunden wurde, der von dem oder den wohl noch länger im Haus verbliebenen Tätern durchsucht wurde. Zudem sprechen die komplexen und übermäßig brutalen Tatausführungen, bei denen die Familie inklusive der Kinder quasi ausgelöscht wurde, sowie auch diverse Nachtathandlungen (zum Beispiel die Positionierung und Abdeckung der Leichen oder die offensichtliche Sorgfalt beim Versuch, die Morde so lang wie möglich unentdeckt zu lassen) eher für eine emotional geprägte Beziehungstat.

Auch die Mordwaffe stellt ein Rätsel dar. Im Auffindebericht wird von einer Kreuzhacke gesprochen, die am Tatort gefunden wurde und von der Schlittenbauer behauptete, sie habe in einem Futtertrog für das Vieh gelegen. Die Polizei erwähnt diese Hacke ausdrücklich in dem Auffindebericht. Ein Jahr später wurde beim Abriss des Hofes in einem Versteck im Boden eine Reuthaue gefunden, die als Tatwaffe identifiziert wurde (siehe oben). Von der ersten Hacke war danach keine Rede mehr, genauso wie von einem angeblich blutigen Bandeisen, das ebenfalls beim Abriss des Hofes entdeckt wurde. Bleibt die Frage, ob es sich bei den beiden nicht mehr erwähnten Objekten um weitere Tatwaffen handelt oder nicht. Falls ja, würde das auf mehrere Täter hinweisen. Auch das lässt sich nicht mehr endgültig klären.

In den 1970er Jahren wurde beim Abriss der Sakristei der St.-Vitus-Kirche in Hagelstadt ein Sterbebild der Familie in einem Kirchenbuch gefunden, das die handschriftlichen Vermerke neidisch wucherisch, in ganzer Umgegend verachtet, wg Sittlichkeit 1 Jahr, Blutschande und Strafe Gottes trägt. Wer das Bild vermutlich bereits in den 1920er Jahren beschriftete und wie oder wann es in das etwa 85 Kilometer entfernte Hagelstadt gelangte, ist nicht bekannt.

Ende Juni 2012 tauchte ein Foto aus dem Album eines ehemaligen Lehrers aus Lindach auf, das den Hof und vermutlich die beiden Opfer Viktoria Gabriel und Andreas Gruber sowie den damaligen Wangener Bürgermeister Georg Greger zeigt.[7] Bereits 2008 fand sich im Nachlass einer verstorbenen Frau aus Waidhofen ein Klassenfoto vom September 1921, auf dem wohl auch Cäzilia Gabriel abgebildet ist. Zudem gilt als wahrscheinlich, dass ein bis heute verschollenes Hochzeitsfoto von Karl Gabriel und seiner Gattin Viktoria aus dem April 1914 existiert.[8]

Medien

Verfilmungen

  • 1981 drehte Hans Fegert vom Ingolstädter Schmalfilm Club (ISC) in Zusammenarbeit mit dem Theaterspielkreis Pfaffenhofen den Super-8-Spielfilm Hinterkaifeck – Symbol des Unheimlichen. Diesen Film sahen in der Region Ingolstadt/Schrobenhausen/Neuburg und Pfaffenhofen rund 20.000 Zuschauer.
  • Der Mordfall wurde 1991 von Kurt Hieber in einer Fernsehdokumentation (Hinterkaifeck - Auf den Spuren eines Mörders) dargestellt. Die Interviews mit heute zum Teil schon verstorbenen Zeitzeugen führte der Journalist Reinhard Köchl. Er gewann 1989 auch mit dem Radiobeitrag Die Mordnacht von Hinterkaifeck (Radio ND 1, Neuburg/Donau) den BLM-Hörfunkpreis.
  • 2009 bezog sich der Thriller Hinter Kaifeck auf die Geschehnisse.[9]
  • Ebenfalls 2009 stellte das Thrillerdrama Tannöd eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Andrea Maria Schenkel dar, dem der reale Mordfall zugrunde liegt.
  • Der Fall wurde ein zweites Mal 2009 von Kurt Hieber in Der Fall Hinterkaifeck – Die wahre Geschichte hinter Tannöd dargestellt ([1] online bei youtube.com).
  • Innerhalb der Fernsehreihe ZDF-History wurde am 17. Juni 2012 in dem Beitrag Mysteriöse Kriminalfälle der Geschichte über den Fall berichtet. Dabei wurden Filmausschnitte aus Kurt Hiebers Dokumentation von 2009 verwendet.

Literatur

1978 hat der Journalist Peter Leuschner nach jahrelangen Recherchen in Münchner und Augsburger Archiven eine umfassende – allerdings dramatisierte – Dokumentation des Mordfalls und der Ermittlungen vorgelegt. 1997 wurde diese Dokumentation neu aufgelegt, im Juli 2007 erschien die dritte, überarbeitete Auflage.

Der sehr populäre Kriminalroman Tannöd von Andrea Maria Schenkel aus dem Jahr 2006 wurde ebenfalls vom Mordfall Hinterkaifeck inspiriert; Plagiatsvorwürfe Leuschners gegen die Autorin wurden gerichtlich nicht bestätigt.

Sachbuch
  • Reinhard Haiplik: Hinterkaifeck. In ders.: Brandstifter, Mörder und Banditen. Aufsehenerregende Verbrechen in unserer Heimat. Landratsamt (Hg.): Pfaffenhofen an der Ilm 1995. 87 S.
  • Reinhard Haiplik: Geheimnisvolle Plätze in der Hallertau – Heimatkundliche Wanderungen zwischen Ilm, Paar und Abens (Zusammenfassung der wichtigsten Theorien). Hohenwart: Galli Verlag 2009. 128 S., ISBN 978-3-936990-48-5
  • Winfried Rein: Die Anziehungskraft des Ungelösten: 75 Jahre nach der Tat liefert der Fall Hinterkaifeck neuerlich Stoff für Spekulationen. In: Der Sonntag, Ingolstadt 1997. 12 S.
  • Rainer Schmeißner: Der Bildstock von Hinterkaifeck (Oberbayern): einzige Erinnerung an Deutschlands rätselhaftesten Mordfall. In: Steinkreuzforschung Reihe B (Mitteilungen), Sammelbände, Bd. 27, Regensburg 2002, S. 81-86
  • Werner Vitzthum: Chronologie einer Bluttat: sechs Morde blieben bis heute ungesühnt; Hinterkaifeck. In: Das große Heimatbuch - die schönsten Geschichten aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen und dem Altlandkreis Schrobenhausen. Max Ballas MB Verlagsdruck: Schrobenhausen 1997, S. 127-129
  • Hinterkaifeck – Deutschlands geheimnisvoller Mordfall. In: Staatl. Schulamt im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen (Hg.): Heimatkundliche Stoffsammlung für den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, München 1982, S. 119
  • Peter Große: Nicht erschrecken! Alle haben's erschlagen: »Tannöd«, ein etwas anderer Krimi aus Bayern, junge Welt vom 6. April 2006, S. 12
Belletristik
Bavarica
  • Peter Leuschner: Der Mordfall Hinterkaifeck. Deutschlands geheimnisvollster Mordfall. Verlag Ludwig: Pfaffenhofen an der Ilm 1978, ISBN 3-7787-2028-7
  • Peter Leuschner: Der Mordfall Hinterkaifeck. Spuren eines mysteriösen Verbrechens. 3., überarbeitete Auflage, Apus-Verlag: Hofstetten 2007, ISBN 978-3-9805591-0-2
  • Peter Leuschner: Hinterkaifeck: Deutschlands geheimnisvollster Mordfall. Taschenbuch, Apus-Verlag: Hofstetten 2009, ISBN 978-3-9805591-1-9
  • Peter Leuschner: "Das Rätsel um Hinterkaifeck – Der unaufgeklärte sechsfache Mord von 1922 auf einer oberbayrischen Einöde", in: Michael Farin (Hg.): Polizeireport München. belleville: München 1999, S. 172 ff. Darin: Abdruck der Steckbriefe vom 8. April 1922 und 3. Mai 1927 (Belohnung für den "flüchtigen" Bäcker Joseph Bärtl, gen. Hans).
Theaterstück
  • Reinfried Keilich: Hinterkaifeck. Ein Mordfall. Verlag der Autoren: Frankfurt/M. 1989

Weblinks und Quellen

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Volkert (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799–1980. C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1983, ISBN 3-406-09669-7, S. 567.
  2. Donaukurier.de 23. März 2012: 90 Jahre Hinterkaifeck
  3. süddeutsche.de 11. März 2009: Geheimnis um eine siebte Leiche
  4. http://hinterkaifeck-mord.de/Verd.ae.chtige.htm.
  5. a b Hinterkaifeck oder der Reiz des Ungewissen Artikel vom 21. März 2012 in der Augsburger Allgemeinen, abgerufen am 22. September 2012
  6. Neid, Blutschande, Gottes Strafe Artikel vom 30. März 2012 auf Süddeutsche.de, abgerufen am 22. September 2012.
  7. Hinterkaifeck - - - LINUS WITTICH
  8. Ein Foto der Hinterkaifeck-Opfer
  9. Mysteriöser Mord 1922 Geheimnis um eine siebte Leiche in: Süddeutsche Zeitung vom 11. März 2009

Koordinaten: 48° 35′ 38″ N, 11° 19′ 19″ O