Schartenhöhe

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Grafik: Die Schartenhöhe des Berges B

Die Schartenhöhe (auch Prominenz oder Schartentiefe) ist in der Geographie ein Maß für die Selbständigkeit eines Gipfels und neben der Dominanz ein wichtiges Kriterium, um einen solchen als „echten“ Berg zu klassifizieren. Je größer die Schartenhöhe ist, desto freistehender wirkt ein Gipfel. Bei einer wenig ausgeprägten Erhebung auf einem Grat ist die Schartenhöhe dagegen vergleichsweise gering, und man spricht dann von einem Nebengipfel oder einer Graterhebung.[1]

Definitionen

Per Konvention wird die Schartenhöhe des höchsten Berges der Erde, des Mount Everest, entsprechend seiner Höhe über dem Meer zu 8848 m festgesetzt. Für alle übrigen Gipfel sind die nachfolgenden Definitionen der Schartenhöhe gleichbedeutend:

  • Die Schartenhöhe eines Gipfels ergibt sich als Differenz aus seiner Höhe und der der höchstgelegenen Einschartung (Bezugsscharte, engl.: key col)[2], bis zu der man mindestens absteigen muss, um einen höheren Gipfel zu erreichen.[3]
  • Die Schartenhöhe eines Gipfels ist seine Höhe über der niedrigsten Höhenlinie, die ihn und gleichzeitig keinen höheren Gipfel umgibt.

Korrespondierend zur Schartenhöhe des Mount Everest wird auch der Meeresspiegel in diesem Sinn als Scharte angesehen. Damit wird die Definition auch auf die höchsten Berge der Kontinente außerhalb der eurasischen Landmasse und auf Inseln erweitert.

Wenn man sich vorstellt, dass der Meeresspiegel solange steigt, bis der betreffende Gipfel durch das Wasser von allen höheren Gipfeln getrennt ist, so entspricht die Schartenhöhe gerade der Höhe der so entstandenen Insel, die den Gipfel trägt. Die für die Bestimmung der Schartenhöhe maßgebliche Einschartung ist die Landzunge, die bei diesem angenommenen Anstieg des Wassers als letztes im Meer versinkt.

Mit Ausnahme des höchsten Berges einer Landmasse existiert für jeden Berg genau eine Bezugsscharte. Umgekehrt kann jede Scharte nur für einen bestimmten Berg als Bezugsscharte gelten.

Bezugsberge

Sieht man vom Mount Everest ab, kann man für jeden Gipfel jenseits der maßgeblichen Scharte zu mindestens einem höheren Berg gelangen, ohne tiefer absteigen zu müssen. Einige dieser Berge mit gewissen Eigenschaften werden verschiedentlich als Bezugsberge für die Prominenz des betreffenden Gipfels gelistet. In der vorwiegend englischsprachigen Literatur werden sie als Parent Mountains bezeichnet. Einige gängige Konzepte werden im Folgenden vorgestellt.

Line Parent
Der Line Parent eines Gipfels ist der jenseits der Bezugsscharte dem Kammverlauf folgend nächstliegende höhere Gipfel, den man erreichen kann, ohne tiefer absteigen zu müssen. Da der Line Parent selbst eine gewisse Selbständigkeit aufweisen soll, muss für ihn eine Mindest-Schartenhöhe festgesetzt werden (vgl. Selbständigkeit von Bergen und Gipfeln im Hochgebirge). Je nachdem, welchen Wert man hier ansetzt, kann man zu unterschiedlichen Line Parents für denselben Gipfel gelangen.[4] Darüber hinaus wurden verschiedene Ansätze verfolgt, wie der Line Parent zu ermitteln ist, wenn sich z.B. der Grat jenseits der Bezugsscharte teilt und man die Wahl zwischen zwei höheren Bezugsbergen hat. So hat Ron Tagliapietra vorgeschlagen, den – gemessen entlang des Gratverlaufs – nächstgelegenen höheren Gipfel als Bezugsberg heranzuziehen, auch wenn dieser der niedrigere der beiden Kandidaten ist.[5]
Prominence-Master-Reihe des Jochbergs
Island-Parent-Reihe des Jochbergs
Prominence Master
Der Prominence Parent eines Gipfels, oft auch als Prominence Master bezeichnet, ist der dem Kammverlauf folgend nächstliegende prominentere Gipfel, den man über die Bezugsscharte erreichen kann, ohne tiefer absteigen zu müssen. Der Prominence Master ist stets auch höher als der Ausgangsgipfel. Da er immer eine größere Schartenhöhe als der Ausgangsgipfel besitzt, kann man hier von einer Abstammung im eigentlichen Sinne sprechen. Gleichzeitig wird die Festlegung einer Mindestschartenhöhe, wie sie bei der Line Parentage erforderlich ist, vermieden. Dennoch ist auch der Prominence Master damit nicht in jedem Fall, etwa bei Gratverzweigungen hinter der Bezugsscharte, eindeutig bestimmt. Der Engländer Peter Ridges hat daher eine Entscheidungsregelung formuliert, nach der als Parent derjenige Gipfel gilt, dessen niedrigster Punkt im Kammverlauf nach der Gratverzweigung höher liegt als der niedrigste Punkt auf dem Verbindungskamm eines weiteren Kandidaten (»higher lowest point property«)[6]. Für jeden Gipfel lässt sich damit eine Reihe immer höherer und prominenterer Berge ermitteln, die mit dem Gipfel beginnt und beim höchsten Berg der jeweiligen Landmasse (Insel oder Kontinent) endet.[7]
Drei Berge bilden eine Insel.
Der Island Parent von Gipfel A ist der Berg B.
Island Parent
Vergleichbar zur obigen Definition der Schartenhöhe kann man sich vorstellen, dass der Meeresspiegel soweit steigt, bis die letzte Verbindung als Landzunge gerade noch aus dem Wasser ragt. Somit ist der Gipfel mit einer weiteren Landmasse zu einer (größeren) Insel verbunden, deren höchste Erhebung als Island Parent oder Encirclement Parent bezeichnet wird. Abgesehen von einigen Spezialfällen, etwa Kratern mit Zentralbergen, kann man sich den Island Parent als höchsten Gipfel vorstellen, der ausgehend von der jeweiligen Bezugsscharte über einen in jedem Punkt ansteigenden Weg erreicht werden kann. Er ist ist damit auch der nächsthöhere Berg, dessen eigene Bezugsscharte niedriger liegt als die des betrachteten Berges. Anders als Line Parent und Prominence Master ist der Island Parent von vornherein eindeutig bestimmt. Wie bei der Prominence Parentage lässt sich für jeden Gipfel eine eindeutige »Abstammungslinie« mit prominenteren Island Parents ermitteln. Für vergleichsweise niedrige Erhebungen führt die Bestimmung des Island Parents häufig zu trivialen Ergebnissen: So ist etwa für europäische Berge, deren Bezugsscharte niedriger liegt als die Bezugsscharte des Mont Blanc (113 m) – dies gilt für viele Erhebungen in Küstennähe – der Island Parent immer der Mount Everest.[8]

Während jeder Berg genau eine Bezugsscharte hat und jede Scharte Bezugsscharte für genau einen Berg ist, können mehrere Berge den gleichen Parent Mountain haben.

Beispiele

  • Um vom höchsten Berg Österreichs, dem 3798 m ü. A. hohen Großglockner, aus einen höheren Berg zu erreichen, muss man mindestens bis zum Brennerpass (1370 m ü. A.) absteigen. Aus den zugehörigen Höhenangaben ergibt sich als Differenz eine Schartenhöhe von 2.428 m. Damit ist der Großglockner der zweitprominenteste Berg der Alpen.[9] Der in einem möglichen Kammverlauf folgende nächste höhere Berg, den man über den Brennerpass erreichen kann, ohne tiefer absteigen zu müssen (Line Parent), ist der 3905 Meter hohe Ortler in Südtirol, der mit 1953 Metern eine geringere Schartenhöhe aufweist als der Großglockner selbst. Nächsthöherer geografischer Nachbar des Großglockners in Luftlinie (Dominanz) ist die dem Ortler benachbarte 3851 Meter hohe Königsspitze, die vom Brennerpass aus gesehen im Kammverlauf jedoch hinter dem Ortler liegt. Der Prominence Master und Island Parent des Großglockners ist der Mont Blanc, der mit 4810 Metern der höchste Alpengipfel ist.
  • Der zweithöchste Berg Österreichs, die 3768 m ü. A. hohe Wildspitze in Tirol, steht dem Großglockner an Höhe kaum nach. Sie teilt mit diesem zwar den Island Parent (Mont Blanc), ihr Prominence Master ist jedoch das Finsteraarhorn (4274 m ü. M.) in den Berner Alpen, zu dem man über den als Bezugsscharte fungierenden 1507 m s.l.m. hohen Reschenpass gelangt. Die Prominenz des Finsteraarhorns liegt mit 2.279 m gerade zwischen der des Glockners (2.428 m) und der der Wildspitze (2.261 m). Der Prominenzsattel des Finsteraarhorns liegt in einer Höhe von 1995 m ü. M. beim Simplonpass. Mont Blanc, Großglockner, Finsteraarhorn und Wildspitze sind die vier prominentesten Berge der Alpen.[9]
  • Der Prominence Master und Island Parent des Mont Blanc ist der höchste Berg der Erde, der 8848 m hohe Mount Everest im Himalaja. Die geografisch nächsten höheren Berge befinden sich dagegen im viel näher liegenden Kaukasus. Der dem Elbrus (5633 m) naheliegende Kjukjurtlju (4912 m) ist Dominanz-Referenzberg für den Mont Blanc.
  • Beispiel für die Unterscheidungsregel nach Peter Ridges: Die Zugspitze hat als Bezugsscharte den Fernpass. Der Kamm jenseits der Bezugsscharte verläuft nördlich des Inns nach Westen zu einem möglichen Prominence Parent. Nördlich der Innquelle verzweigt sich der Kamm zu den Kandidaten Finsteraarhorn und Piz Bernina – beide sind höher und prominenter als die Zugspitze. Der Piz Bernina liegt im Kammverlauf zwar wesentlich näher, der Kamm von der Verzweigung zum Piz Bernina hat jedoch im 1815 Meter hohen Malojapass seinen niedrigsten Punkt. Diese Höhe muss auf dem Kamm von der Verzweigung zum Finsteraarhorn nicht mehr unterschritten werden, sodass das Finsteraarhorn als Prominence Parent der Zugspitze bestimmt werden kann.
  • Um vom Großen Hundstod (2593 m) in den Berchtesgadener Alpen zu einem höheren Gipfel zu gelangen, muss man mindestens bis zur Dießbachscharte (2119 m) absteigen, über die man z. B. zur Schönfeldspitze (2653 m) oder zum Selbhorn (2655 m) im Steinernen Meer gelangen kann. Damit ergibt sich hier eine Schartenhöhe von 474 Metern. Hier ist auch ersichtlich, dass die Schartenhöhe nicht zwingendermaßen der Höhe eines Gipfels über derjenigen Scharte entspricht, die zum nächstgelegenen höheren Berg führt. Denn der nächstgelegene höhere Berg ist in diesem Fall der Watzmann (2713 m), allerdings muss man, um zu diesem zu gelangen, bis zum 1774 Meter hoch gelegenen Trischübelpass noch weiter absteigen. Der Prominence Master und gleichzeitig Island Parent für den Großen Hundstod ist der Hochkönig, der als höchster Berg der Berchtesgadener Alpen die größte Schartenhöhe in den Nördlichen Kalkalpen aufweist und damit auch zu den prominentesten Gipfeln im gesamten Alpenraum[9] zählt.

Selbständigkeit von Bergen und Gipfeln

Hochgebirge

In den Alpen gilt nach einer von der UIAA getroffenen Festlegung eine Erhebung als Gipfel, wenn ihre Schartenhöhe mindestens 30 Meter beträgt.[10] Um bei einem Gipfel auch von einem eigenständigen Berg zu sprechen, gilt in den Alpen ein Mindestmaß von ca. 100[11] bis 300[12] Metern Schartenhöhe. Im Himalaya sind sogar 500[13] Meter erforderlich. Für die weltweit gut 1500 Berge mit einer Schartenhöhe von mehr als 1500 Metern (davon liegen 44 in den Alpen) hat sich in der englischen Literatur die Bezeichnung Ultra Prominent Peak oder kurz Ultra durchgesetzt.[14][12]

Über die objektiven Kriterien wie Dominanz und Schartenhöhe hinaus sind jedoch in der Praxis auch subjektive Faktoren für die Bezeichnung als Berg bestimmend. So können etwa die alpinistische Bedeutung, die Aussicht vom Gipfel, die optische Dominanz vom Tal aus oder der Eintrag auf einer Landkarte entscheidend dafür sein, dass eine Erhebung als Berg bezeichnet wird. Es gibt also sowohl bekannte und alpinistisch bedeutende Gipfelpunkte mit sehr niedrigen Schartenhöhen als auch umgekehrt Berge, die trotz hoher Eigenständigkeit nicht einmal benannt sind.[11]

Mittelgebirge

Auch im Mittelgebirge wird die Schartenhöhe zur Bestimmung der Eigenständigkeit von Bergen herangezogen. Dies macht eine Anpassung der Zahlen erforderlich, da die Höhenunterschiede dort geringer sind als im Hochgebirge und Schartenhöhen von 300 m höchst selten sind. Für die Eigenständigkeit von Gipfeln werden dabei je nach Höhenlage Mindestschartenhöhen von 11 bis 14 Metern verwendet. [15] Allerdings fehlen bislang verbindliche Werte, die alle für Mittelgebirge relevanten Höhenlagen erfassen und allgemein anerkannt sind. Die Festlegung einheitlicher Werte für die Mindestschartenhöhe eigenständiger Mittelgebirgsgipfel wird durch den Umstand erschwert, dass die Berge hier traditionell über deren subjektives Erscheinungsbild definiert werden und gemeinhin keine Notwendigkeit gesehen wird, über die Schartenhöhe eine Neudefinition vorzunehmen. Nicht zuletzt deshalb ist der Begriff Schartenhöhe in Literatur und allgemeinem Bewusstsein in Bezug auf Mittelgebirge deutlich weniger etabliert als im Hinblick auf Hochgebirge.

Weitergehende Konzepte

Der Chronist Eberhard Jurgalski hat aufbauend auf der Schartenhöhe sein weiterführendes Konzept der Orografischen Dominanz (Orometrical Dominance) vorgeschlagen. Die orografische Dominanz eines Gipfels ist der Quotient aus seiner Schartenhöhe und seiner Meereshöhe multipliziert mit 100. Damit wird jedem Gipfel, unabhängig von seiner absoluten Höhe, ein Prozentsatz zwischen 0 und 100 als Maß für seine Eigenständigkeit zugeordnet. Den höchsten Bergen einer Insel oder kontinentalen Landmasse ist damit definitionsgemäß eine orografische Dominanz von 100 zugeordnet. Auf Grundlage dieser Kennzahl hat Jurgalski ein systematisches Verfahren zur Einteilung von Gebirgen, Bergen und Gipfeln entwickelt und zur Diskussion gestellt.[12]

Siehe auch

Literatur

Fußnoten und Einzelnachweise

  1. Abweichend davon bezeichnet Schartenhöhe gelegentlich einfach die Höhe der Scharte über dem Meeresspiegel und ist dann von der Prominenz zu unterscheiden, vgl. etwa thehighrisepages.de
  2. »Scharte« steht hier für den mathematischen Sattelpunkt, den Punkt einer Fläche mit waagrechter Tangentialebene und entgegengesetzten Krümmungen, also stellvertretend für alle geomorphologisch-landschaftlichen Formen der Gebirgspässe, Bergsättel, Joche, etc.
  3. Christian Thöni: Wie berechnet man die Schartenhöhe eines Berges? www.gipfelverzeichnis.ch
  4. Der Line Parent wird zuweilen auch als Next oder Nearest Higher Neighbor (NHN) bezeichnet (vgl. z.B. Prominence Theory. (html) Section 6: Lineage Theory. Peaklist.org, abgerufen am 17. Oktober 2011 (englisch).). Andere Quellen benutzen die Bezeichnung NHN für den nach dem Dominanz-Prinzip tatsächlich nächstgelegenen höheren Berg, vgl. z.B. Peakbagger. (html) Help and Glossary. Peakbagger.com, abgerufen am 17. Oktober 2011 (englisch).
  5. Vgl. z.B. Adam Helman: The Finest Peaks. Prominence and other Mountain Measures. Trafford Publishing, 2005, ISBN 1412059954(?!), S. 83 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Siehe Adam Helman: The Finest Peaks. Prominence and other Mountain Measures. Trafford Publishing, 2005, ISBN 1412059954(?!), S. 85 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Lässt man den Meeresspiegel als Bezugsscharte zu, endet die Reihe zuletzt beim Mount Everest.
  8. Prominence Theory. (html) Section 6: Lineage Theory. Peaklist.org, abgerufen am 17. Oktober 2011 (englisch).)
  9. a b c Liste der prominentesten Berge der Alpen
  10. UIAA Dokumentations- und Informationskommission: Die Viertausender der Alpen – Offizielles UIAA-Verzeichnis. In: UIAA-Bulletin. Nr. 145, März 1994, S. 9 f. (PDF, 630 kB [abgerufen am 15. Mai 2008]).
  11. a b Christian Thöni: Von Schartenhöhe und Dominanz. In: Die Alpen. Nr. 1/2003, Januar 2003 (PDF, 0,2MB [abgerufen am 3. Juli 2007]).
  12. a b c Eberhard Jurgalski: Erläuterung Dominanzsystem. Abgerufen am 16. Oktober 2011.
  13. thehighrisepages.de: Eigenständigkeit von Gipfeln.
  14. The World Ultras Homepage. (html) Peaklist.org, abgerufen am 17. Oktober 2011 (englisch).
  15. thehighrisepages: Gipfel im Taunus