St. Antönien

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St. Antönien
Wappen von St. Antönien
Wappen von St. Antönien
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Graubünden Graubünden (GR)
Region: Prättigau/Davos
Politische Gemeinde: Luzeini2
Postleitzahl: 7246
frühere BFS-Nr.: 3893
Koordinaten: 780740 / 204776Koordinaten: 46° 58′ 10″ N, 9° 48′ 51″ O; CH1903: 780740 / 204776
Höhe: 1459 m ü. M.
Fläche: 52,27 km²
Einwohner: 341 (31. Dezember 2022)
Einwohnerdichte: 7 Einw. pro km²
Website: www.stantoenien.ch
St. Antönien Platz
St. Antönien Platz

St. Antönien Platz

Karte
St. Antönien (Schweiz)
St. Antönien (Schweiz)
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Gemeindestand vor der Fusion am 1. Januar 2016

St. Antönien, im örtlichen Walserdialekt Santa(n)töniä [santa(n)ˈtøniæ],[1] ist eine Streusiedlung in der Gemeinde Luzein, Kanton Graubünden. Bis zum 31. Dezember 2015 bildete sie eine selbständige politische Gemeinde.

Die ehemalige Gemeinde liegt im St. Antöniental, einem nördlichen Seitental des Prättigaus, das vom Schanielabach entwässert wird. Sie umfasst den obersten, Partnunertal genannten Talabschnitt, das von links einmündende Gafiertal, die sich unterhalb des Zusammenflusses anschliessende Talweitung und gegen das Schanielatobel unterhalb des Eggbergs gelegen, Ascharina. Im Norden und Osten grenzt die Gemeinde auf dem Grat des Rätikons an Österreich. Die höchsten Berge dieser Kette, welche die Wasserscheide gegen das Montafon bildet, sind die Sulzfluh (2817 m ü. M.) im Norden, die Schijenflue (2625 m ü. M.) im Nordosten und das Madrisahorn (2826 m ü. M., höchster Punkt der Gemeinde) im Südosten. Gegen Westen und Südwesten bilden Schafberg, Chüenihorn und Chrüz die natürliche Grenze des Tales.

Geologisch liegen drei Formationen vor, der Prättigauer Flysch aus der Kreidezeit bildet die von Vegetation überwachsenen Gipfel bis etwa 2450 m ü. M. Ein Kalkband überdeckt den Flysch im Bereich der Rätschen-, Sulz- und Schijenflue. Im Süden liegt über dem Kalkband die kristalline Silvrettadecke und bildet die Gipfel von Schollberg, Gämpiflue und Madrisa. Der Aschüeler Sattel ist der Überrest des eiszeitlichen Tales, welches sich gegen Westen öffnete. Erst viel später hat der Schanielabach von Partnun kommend einen ähnlichen Verlauf genommen, sich aber seinen Ausgang nach Süden gegraben.

St. Antönien liegt klimatisch in einer Vorstauzone; über das Jahr verteilt fallen 1386 mm Niederschläge, ein Drittel davon in den Sommermonaten Juni, Juli und August. Der Winter ist schneereich. Die mittleren monatlichen Temperaturen liegen zwischen −5,5 Grad und 12,8 Grad Celsius. Im nebelarmen Hochtal scheint die Sonne im Januar durchschnittlich 105 Stunden pro Monat, im Juli 171.

Die Streusiedlung besteht aus einer Vielzahl von Einzelgehöften. Nur am Dorfzentrum, dem Platz (1420 m ü. M.), verdichten sich die Gebäude. Die wichtigsten Hofgruppen sind rechts des Schanielabachs Aschüel, Schwendi, Meierhof und Büel, auf der anderen Talseite, am Unterlauf des Gafierbachs, Litzirüti, Sunnirüti, Stapfa, sowie das weiter unten am Schanielabach gelegene Ascharina. Im Partnunertal liegt als grösste Siedlung Partnunstafel (1763 m ü. M.). Im Gafiertal gibt es einige Siedlungen, die heute nicht mehr ganzjährig bewohnt sind.

Vom gesamten ehemaligen Gemeindegebiet von 52,28 km² sind 594 ha von Wald und Gehölz bedeckt, sind 2697 ha landwirtschaftlich nutzbar, davon 2337 ha als Maiensässe und Alpen. Weitere 1890 ha sind unproduktive Fläche, meist in Form von Gebirge, und 47 ha umfasst die Siedlungsfläche.

Nachbargemeinden waren im Kanton Graubünden Saas im Prättigau, Küblis, Luzein, Schiers sowie (im österreichischen Bundesland Vorarlberg) Tschagguns und St. Gallenkirch.

Bevölkerungsentwicklung
Jahr 1623 1781 1805 1830 1850 1900
Einwohner 495 435 390 381 360 350
Jahr 1950 1970 1990 2000 2010 2015
Einwohner 284 365 209 235 376 331

Die Bevölkerungszahl ist trotz Geburtenüberschuss, auf Grund von Abwanderungen, schon seit langem stabil bis leicht rückläufig. Allein zwischen 1840 und 1890 wanderten 127 Personen nach Amerika aus. Es leben praktisch nur Schweizer Staatsangehörige mit deutscher Muttersprache im Tal, die meisten sind evangelisch-reformierter Konfession.

Den wichtigsten Wirtschaftszweig im Tal stellt die Landwirtschaft. Bedingt durch das alpine Klima, die Höhenlage und die Topographie ist kein wirtschaftlicher Ackerbau möglich, deshalb herrschen Fleisch- und Milchwirtschaft vor. Lange Tradition hat die Haltung von Kleinvieh, besonders Ziegen, was heute wieder vermehrt zu sehen ist. Ermöglicht durch die mechanisierte Arbeitsweise wird die Landwirtschaft meist vom eigentlichen Gehöft aus betrieben, die jahreszeitlichen Wechsel des Wohnsitzes auf die verschiedenen Höhenstufen sind meist aufgegeben worden.

Im 19. Jahrhundert arbeitete in Ascharina für fünf Generationen die Hafnerei der Familie Lötscher, die neben Kachelöfen und Wasserleitungsröhren eine charakteristische und heute sehr gesuchte Keramik herstellte. Diese wird als St. Antönien-Keramik oder Lötscher-Keramik bezeichnet.

Seit 2021 ist St. Antönien Teil der internationalen Alpenvereinsinitiative Bergsteigerdörfer.[2]

St. Antönien ist mit Küblis über eine Strasse verbunden, auf der ein Postauto stündlich zum dortigen Bahnhof verkehrt.

Der Walserweg Graubünden und der Prättigauer Höhenweg führen durch das Tal.

Historisches Luftbild von Werner Friedli (1949)
hinter dem Mond, links

Der Slogan von St. Antönien Tourismus ist bezeichnend, im abgelegenen Seitental findet kein Massentourismus statt. Bereits 1891 wurden 30 bis 40 Gäste in den im Sommer jeweils leerstehenden Talwohnungen beherbergt. Heutzutage stehen in Hotels und Gasthäusern sowie in weiteren 20 Ferienwohnungen und -häusern rund 500 Betten zur Verfügung. Nach den Rekordzahlen der frühen 1980er-Jahre mit gegen 50'000 Logiernächten pro Jahr hat sich die Zahl auf etwa 30'000 eingependelt. Bekannt ist das Tal unter den Tourenskifahrern, Bergwanderern und Kletterern, welche Routen in allen Schwierigkeitsstufen finden. Den Pistenskifahrern steht seit 1974 der Skilift Junker offen.

Das von der Kulturgruppe St. Antönien gegründete und betriebene Ortsmuseum St. Antönien präsentiert die Walserkultur der Talschaft St. Antönien mit permanenten Ausstellungen (Lötscher Töpfereien, Höhlenbären, historische Landwirtschaft, St. Antönierkirche) sowie Wechselausstellungen und veranstaltet kulturelle Aktivitäten.

St. Antönien Ascharina um 1900

In der Sulzfluh liegt ein Höhlensystem mit mehreren Eingängen. Seit Ende der 1970er-Jahre sind die rund 4 km langen Gänge im Kalkgestein vermessen, dabei sind die Knochen und Zähne des Höhlenbären (Ursus spelaeus) gefunden worden. Die in Abgrundhöhli, Chilchhöhli und Seehöhli vorgefundenen Überreste haben ein Alter von 80'000 bis 120'000 Jahren.

Vor 1300 war das Tal unbewohnt und wie Flurnamen belegen von tieferliegenden romanischen Siedlungen aus genutzt. Als Grundherren sind die Freiherren von Vaz (1250–1338) urkundlich fassbar, welche zu dieser Zeit auch die Kollatur der Kirche Jenaz besassen. Nach dem Aussterben des Vazer Geschlechts und deren Nachfolger, den Toggenburger Grafen, gelangte Castels an die Familie Matsch. Die Familie Montfort und die Freiherren von Sax erlangten die Herrschaft über Ascharina und Rüti, wobei die Grenze, der Schanielabach, während Jahrhunderten Bestand haben sollte.

Von den Grundherren gefördert, wanderten im 14. Jahrhundert Walser von Klosters her zuerst über die Aschariner Alp im Gafiertal ein und besiedelten dann Parnun und Aschüel. Das Tal wurde gleichsam von oben her in der walserischen Streusiedlungsweise erobert. Die Grundherren gewährten dabei der Walsergemeinschaft das niedere Gericht und andere Freiheitsrechte.

Die bis zur Baumgrenze stark bewaldeten, steilen Hänge wurden zur Landgewinnung sowie für Bau- und Brennholz gerodet. Beim Suchen nach einem Bauplatz für die Kirche um 1370 musste man noch nicht von einer Lawinengefährdung ausgehen, aber man entschied sich gegen einen Bau im «Meierhof», obwohl der damals zentraler gelegen gewesen wäre. Allerdings war dort mit Steinschlag vom Eggberg her zu rechnen; dem Bau am «Platz» indessen stand nichts entgegen. Die neue Kirche war eine Filiale von Jenaz.

1799 marschierten die Österreicher unter General von Hotze während der Franzosenkriege aus dem Raum Schruns über die Pässe bei St. Antönien und fielen über Luzein ins Prättigau ein.

Im Zweiten Weltkrieg wurde ab 1940 die Sperrstelle St. Antönien errichtet, um eine allfällige Umgehung der Festung Sargans über die Pässe bei St. Antönien zu verhindern.

Im Lawinenwinter 1951 wurde der Weiler Meierhof am 20. Januar von einer Lawine getroffen. Diese entstand unterhalb des Chüenihorns und beschädigte oder zerstörte 42 Gebäude, darunter neun Wohnhäuser. Dabei wurden zehn Menschen verschüttet, wovon neun gerettet werden konnten. Ein Mensch kam ums Leben. Daneben verstarben 50 Stück Grossvieh.[3][4] Nach dem Lawinenwinter von 1951 wurden in St. Antönien die ersten grossen Lawinenverbauungen der Schweiz errichtet.[5]

Die bis Ende 2015 existierende Gemeinde war durch zwei 1979 und 2007 vorgenommene Gemeindefusionen entstanden. 1979 schlossen sich die Gemeinden St. Antönien Castels (bis 1953 offiziell: Castels) und St. Antönien Rüti (bis 1953 offiziell: Rüti im Prättigau) zur Gemeinde St. Antönien zusammen. Die Grenze der früheren Gemeinden wurde durch den Schanielabach markiert, der von jeher die Gerichte Castels und Klosters des Zehngerichtenbundes voneinander trennte. Die fusionierte Gemeinde übernahm das Wappen von Rüti; Castels hatte ebenfalls das Antoniuskreuz im Wappen geführt, aber ohne die beiden Sterne. Am 23. Februar 2006 beschlossen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Gemeinden St. Antönien und St. Antönien Ascharina (BFS-Nr. 3892) mit grossem Mehr in beiden Gemeinden, sich per 1. Januar 2007 zur neuen Gemeinde St. Antönien zusammenzuschliessen, die nun den ganzen Talkessel umfasste. Die Bewilligung durch den Kanton erfolgte am 1. September 2006 durch Beschluss des Grossen Rates. Später wurden auch Gespräche mit Klosters-Serneus über eine weitergehende Fusion im hinteren Prättigau geführt, die jedoch wieder abgebrochen wurden. St. Antönien schloss sich stattdessen auf Anfang 2016 mit der Prättigauer Talgemeinde Luzein zusammen.

Blasonierung: In Blau ein goldenes (gelbes) Antoniuskreuz (Taukreuz) beseitet von zwei und überhöht von einem sechsstrahligen goldenen Sternen

Das Antoniuskreuz bezieht sich auf den Namen von Ort und Talschaft, benannt nach dem Kirchenpatron Antonius in den Farben des Zehngerichtebundes. Die beiden zur Gemeinde St. Antönien zusammengeschlossenen Gemeinden St. Antönien-Castels und St. Antönien-Rüti, dessen Wappen von der neuen Gemeinde weitergeführt wird, werden durch die beigefügten beiden Sterne dargestellt. Die ehemalige Gemeinde St. Antönien-Castels führte das Antoniuskreuz ohne Beizeichen. Seit dem Zusammenschluss mit der Gemeinde Ascharina wird auch deren Stern im Wappen mitgeführt.

Sehenswürdigkeiten

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Unter Denkmalschutz steht die reformierte Dorfkirche aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.

  • Otto Clavuot: St. Antönien. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 8. Dezember 2016.
  • Die Gemeinden des Kantons Graubünden. Chur/Zürich 2003, ISBN 3-7253-0741-5.
  • Walter Escher: Dorfgemeinschaft und Silvestersingen in St. Antönien. Ein Beitrag zum Problem Gemeinschaft und Brauch. Dissertation Universität Zürich. Basel 1947 (= Schriften der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde, 31).
  • Erwin Flütsch: St. Antönien – Kulturlandschaftliche Aspekte einer Walsergemeinde. Dissertation Universität Zürich. aku-Fotodruck, Zürich 1976.
  • Holger Finze-Michaelsen: Geschichte der St. Antönien Lawinen. AG Buchdruckerei, Schiers 1988.
  • Konrad Flütsch-Gansner: Gedenkschrift zum 500 jährigen Bestehen der Kirche von St. Antönien. Hrsg. von der Kirchgemeinde St. Antönien. St. Antönien 1993.
  • Konrad Flütsch-Gansner: Flurnamen Gemeinde St. Antönien. Bedeutung, Ursprung und Geschichten von 1363 Flur- und Ortsnamen aus St. Antönien mit 17 separaten Regionenkarten. St. Antönien 2012, ISBN 978-3-9522963-9-4.
  • Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden II. Die Talschaften Herrschaft, Prättigau, Davos, Schanfigg, Churwalden, Albulatal. (= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 9). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 1937. DNB 811066703.
  • Kaspar Thalmann: Oder das Tal aufgeben. Die Lawinenschutzbauten von St. Antönien. Scheidegger & Spiess, Zürich 2015, ISBN 978-3-85881-478-4.
Commons: St. Antönien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Sprachatlas der deutschen Schweiz, Band V 1b.
  2. Bergsteigerdorf St Antönien. Abgerufen am 21. März 2022.
  3. Jano Felice Pajarola: Das Unheil in der Sebastiansnacht, in: Südostschweiz, 20. Januar 2001.
  4. Christian Pfister: Am Tag danach, Zur Bewältigung von Naturkatastrophen in der Schweiz 1500–2000. Haupt, Bern 2002, ISBN 3-258-06436-9, S. 158.
  5. Schweizer Radio und Fernsehen SRF vom 24. April 2017: Umgang mit Lawinen – St. Antönien und die Lawinen